Verwaltungsrecht

Gefahr der Beschneidung in der Elfenbeinküste

Aktenzeichen  W 2 K 18.31425

Datum:
7.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 5154
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1 Genitalverstümmelungen stellen eine schwerwiegende Verletzung des grundlegenden Menschenrechts auf körperliche Integrität dar. Beschneidung steht seit 1998 in der Elfenbeinküste unter Strafe und wird – obwohl sie weitverbreitet ist – auch zunehmend tatsächlich geahndet. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Können sich Frauen auf ein funktionierendes soziales Netzwerk stützen und entweder in anderen Landesteilen bei Verwandten Schutz suchen oder in Ballungszentren Zuflucht finden, steht ihnen eine interne Fluchtalternative zur Verfügung. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ist die schlechte humanitäre Lage im Herkunftsland weder dem Staat noch Konfliktparteien zuzurechnen, sondern ist sie durch die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse bedingt, kommt eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur dann in Betracht, wenn ganz außergewöhnliche Umstände in der Person des Antragstellers vorliegen, die über die allgemeine Beeinträchtigung der Lebenserwartung im Herkunftsland hinausgehen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Bundesamtsbescheid vom 3. Juli 2018 ist im verfahrensgegenständlichen Umfang rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Die Klägerinnen haben zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Ausreiseaufforderung unter Androhung der Abschiebung in die Elfenbeinküste und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sind rechtmäßig.
Das Gericht folgt der entsprechenden Begründung im Bescheid vom 3. Juli 2018 hinsichtlich der Versagung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzes und von Abschiebungsverboten und verweist auf die dortigen Ausführungen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
1.1 Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Gemäß § 3a AsylG gelten dabei Handlungen als Verfolgung, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholungsgefahr so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) keine Abweichungen zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen. Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen.
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen haben die Klägerinnen eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungsgefahr in der Elfenbeinküste nicht glaubhaft gemacht. Da die Klägerinnen zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen sind, bezieht sich das Gericht für die Schilderung ihrer Asylgründe alleine auf die Anhörungen beim Bundesamt, wie sie in den jeweiligen Protokollen aktenkundig sind. Dort wird im Wesentlichen für die Klägerin zu 2 auf die Gefahr einer durch den Vater veranlassten/erzwungenen Beschneidung und für die Klägerin zu 1 die Gefahr einer Fortsetzung der in der Ehe erlittenen Gewalt abgestellt.
Dabei weist lediglich die für die Klägerin zu 2 behauptete Bedrohung der Genitalverstümmelung mit der Anknüpfung an ihr weibliches Geschlecht als Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe einen flüchtlingsrechtlich relevanten Bezug auf, während es sich um die von der Klägerin zu 1 befürchteten häuslichen Gewalt durch den Ehemann um eine familiäre Auseinandersetzung handelt, der schon der Bezug zu einem flüchtlingsrechtlichen Anknüpfungsmerkmal i.S.v. § 3b AsylG fehlt.
Zwar stellen Genitalverstümmelungen unstreitig eine schwerwiegende Verletzung des grundlegenden Menschenrechts auf körperliche Integrität dar. Aber der Vortrag der Klägerin zu 1 zur drohenden Beschneidung der Klägerin zu 2 ist schon deshalb zweifelhaft, als sie angibt, wegen der drohenden Bescheidung ihrer achtjährigen Tochter aus dem Haushalt des Ehemann und Vaters geflohen zu sein. Eine Beschneidung der Klägerin zu 2 war mithin zum Zeitpunkt ihrer Flucht noch gar nicht geplant und würde wohl auch bei einer jetzigen Rückkehr nicht unmittelbar bevorstehen, so dass die Klägerin zu 2 jedenfalls nicht vorverfolgt ausgereist ist.
Doch selbst wenn man dem Vortrag der Klägerin zu 1 soweit folgend wollte, dass der Vater der Klägerin zu 2 sie bei einer Rückkehr beschneiden lassen würde, wenn er ihrer habhaft würde, kommt eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen der Vorrangigkeit der Schutzgewährung innerstaatlicher Organe und des internen Schutzes nicht in Betracht. Denn gemäß §§ 3c Nr. 3, 3d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AsylG besteht eine flüchtlingsrechtlich relevante Gefahr durch nichtstaatliche Akteure nur dann, wenn der eigene Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens ist, wirksam und nicht nur vorrübergehend Schutz zu bieten. Nach § 3d Abs. 2 Satz 2 AsylG ist ein solcher Schutz generell gewährleistet, wenn die Staatsorgane geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndungen von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen und, wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Das Gericht hält es in diesem Sinne nicht für erwiesen, dass die ivorischen Sicherheitskräfte, sei es Gendarmerie, Polizei oder andere Sicherheitsbehörden mit polizeilicher Zuständigkeit (vgl. zur Struktur der Sicherheitsbehörden im Einzelnen: österr. Bundesamt, Länderinformationsblatt, Stand: 28.10.2015, S. 8f.), nicht bereit oder in der Lage gewesen wären, der Klägerin zu 1 bzw. der Klägerin zu 2 gegen eine drohende Bescheidung veranlasst durch den Vater wirksamen Schutz zu gewähren. Zwar ist laut Auswärtigem Amt (Lagebericht v. 15.1.2018, S. 7) Genitalverstümmelung, obwohl unter Strafe stehend, ein weitverbreitetes Phänomen in der Elfenbeinküste. Wie vom Bundesamt im verfahrensgegenständlichen Bescheid zutreffend ausgeführt, steht die Genitalverstümmelung jedoch seit 1998 in der Elfenbeinküste unter Strafe und wird auch zunehmend tatsächlich geahndet (vgl. z.B. US Department of State, Human Rights Report 2017, S. 18). Die pauschale Behauptung der Klägerin zu 1, die Polizei in ihrem Dorf könne nicht helfen, überzeugen hingegen nicht. Es wäre ihr nämlich jedenfalls möglich und zumutbar gewesen, sich – gegebenenfalls mit Hilfe einer Nichtregierungsorganisation in Abidjan an die Polizei zu wenden. So haben es sich zahlreiche, teilweise vom Ausland finanzierte NROs zur Aufgabe gemacht, einen Bewusstseinswandel mit dem Ziel der Ächtung der Genitalverstümmelung zu bewirken (vgl. AA, Lagebericht, a.a.O) Für die weiteren Einzelheiten bezüglich der Bereitschaft und Möglichkeit des ivorischen Staates zur Schutzgewährung wird gem. § 77 Abs. 2 AsylG auf die Ausführungen im verfahrensgegenständlichen Bescheid Bezug genommen, die sich das Gericht insoweit zu eigen macht.
Des Weiteren wäre es – selbst bei bestehender Gefahr einer Beschneidung – der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts möglich gewesen, innerhalb der Elfenbeinküste Zuflucht zu finden. So ist nicht ersichtlich, weswegen sich die Klägerin zu 1 mit der Klägerin zu 2 nicht ebenso bei ihrer Tante bzw. im Heimatdorf ihrer Mutter hätte verstecken können, wie es offensichtlich ihre ältere Tochter getan hat. Gemäß § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. In diesem Sinne hatten die Klägerinnen – selbst bei Wahrunterstellung ihres Vortrags – sogar schon im Haushalt der Mutter in Abidjan eine interne Fluchtalternative gefunden. Jedenfalls aber stand ihnen im Heimatdorf der Mutter bzw. bei den Verwandten mütterlicherseits eine solche Fluchtalternative zur Verfügung. Denn nach Auffassung des Gerichts wären die Klägerinnen vor Verfolgung durch den Ehemann und Vater als privatem Dritten i.S. des § 3c Nr. 3 AsylG dort bereits hinreichend sicher, so wie es derzeit die achtjährige Tochter der Klägerin zu 1 ist, deren drohende Bescheidung nach eigener Einlassung der Klägerin zu 1 auslösend für ihre Flucht war. Der Klägerin zu 2 drohte zur Überzeugung des Gerichts dort keine Gefahr einer Beschneidung, da die Beschneidung in der Familie der Klägerin zu 1 nicht üblich und die Genitalverstümmelung von ihrer Mutter ablehnt wird. Es ist mithin davon auszugehen, dass auch die Klägerin zu 2 – wie ihre ältere Schwester – Schutz bei den Verwandten der Klägerin zu 1 mütterlicherseits finden kann. Dies ist den Klägerinnen auch unter dem Gesichtspunkt der Bildungschancen der Klägerin zu 2 zumutbar. Zum einen wurde schon nicht substantiiert vorgetragen, dass es im Dorf der Klägerin zu 1 keinerlei Zugang zu Bildung gibt, zum anderen steht bei der nunmehr dreijährigen Klägerin zu 2 auch kein aktueller Beschulungsbedarf. Auf jeden Fall hätten die Klägerinnen in einem der Ballungszentrum Zuflucht finden können. Zwar gehen die kanadischen Immigrationsbehörden davon aus, dass es für allein lebende Frauen unter 30 Jahre in der Elfenbeinküste etwas komplizierter ist, alleine zu leben, differenzieren dabei jedoch zwischen dem Leben in Großstädten wie Abidjan oder Bouaké und dem ländlichen Raum. Im Wesentlichen sei dies eine Frage ihrer finanziellen und ökonomischen Verhältnisse (vgl. Immigration and Refugee Board of Canada, Côte d’Ivoire: Situation of educated women living alone, whether single or divorced, particularly in Abidjan and Bouaké; whether they can find work and housing, support services available to them (2014-April 2016) [CIV105508.FE], 2. Mai 2016). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerinnen sich auch in diesem Fall auf ein funktionierendes familiäres Netzwerk durch die Mutter und den Bruder der Klägerin zu 1 hätten stützen können, so dass es nicht darauf ankommt, ob sie sich dort alleine ein eigene wirtschaftliche Existenz aufbauen kann. Mithin stehen dem auch die mangelnde Schulbildung der Klägerin zu 1 und ihre fehlende Berufserfahrung in der Elfenbeinküste nicht entgegen.
Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
1.2 Die Klägerinnen haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG.
Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als solcher gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.
Weder die Vollstreckung noch Verhängung der Todesstrafe noch die Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts kommen in Betracht.
Zur Überzeugung des Gerichts droht der Klägerin auch keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch eine drohende Beschneidung oder Misshandlung durch den Ehemann und Vater. Für die weiteren Einzelheiten, insbesondere zum gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG auch im Rahmen des subsidiären Schutzes zu beachtendem Vorrang des internen Schutzes und der internen Fluchtalternative, wird auf die Ausführungen zur Flüchtlingsanerkennung Bezug genommen.
1.3 Es liegen auch keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist danach unzulässig, wenn ihm im Zielstaat unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht oder wenn im Einzelfall andere in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2000 – 9 C 34/99 – juris, Rn. 11). Dabei können unter bestimmten Umständen auch schlechte humanitäre Bedingungen eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Ist die schlechte humanitäre Lage weder dem Staat noch den Konfliktparteien zuzurechnen, sondern bedingt durch die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, kommt eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur dann in Betracht, wenn ganz außergewöhnliche Umstände in der Person des Antragstellers vorliegen, die über die allgemeine Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Antragstellers im Herkunftsland hinausgehen (vgl. EGMR, U.v. 27.5.2008 – 26565/05, U.v. 28.6.2011 – 8319/07). Solche Umstände liegen in der Person der Klägerinnen auch unter Berücksichtigung der Vulnerabilität der Klägerin zu 2 als Kleinkind nicht vor. Zwar wird es der Klägerin zu 1 im Hinblick auf die Betreuung der Klägerin zu 2 – jedenfalls ohne familiäres oder soziales Netzwerk vor Ort – für einen geraumen Zeitraum nicht im gleichen Maße möglich sein, am Erwerbsleben teilzuhaben, wie sie es ohne entsprechende Unterhalts- und Betreuungslasten könnte. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Klägerinnen bei einer Rückkehr auf ein intaktes familiäres Netzwerk durch die Mutter und den Bruder der Klägerin zu 1 sowie die weitere Verwandtschaft mütterlicherseits zurückgreifen können. Hinzukommen die monetären und nicht-monetären Rückkehr- und Starthilfen für freiwillige Rückkehrer an, die Klägerinnen bei einer freiwilligen Rückkehr zumindest in einer Übergangsphase in Anspruch nehmen können. In diesem Rahmen kann nötigenfalls die medizinische Ausrüstung und Medikation für eine gegebenenfalls medizinisch indizierte Inhalationstherapie bei der Klägerin zu 2 sichergestellt werden.
Anhaltspunkte für gesundheitliche Beeinträchtigungen in einem für § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG relevanten Schweregrad sind -auch unter Berücksichtigung des bei der Klägerin zu 2 bestehenden Verdachts auf Kleinkindasthma – weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich.
1.4 Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Die betreffende Entscheidung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG, deren Voraussetzungen hier gegeben sind.
1.5 Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6 des Bescheids) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen. Da im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG, keine gemeinsame amtliche Erklärung zur Vaterschaft vorlag, konnte diese Beziehung – ungeachtet des Aufenthaltsstatus des Vaters – nicht fristverkürzend berücksichtigt werden.
Somit hatte die Klage insgesamt keinen Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

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