Aktenzeichen 1 N 15.1832
Leitsatz
1. Eine ortsübliche Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 BauGB, die auf den Umweltbericht verweist, aber konkrete durch die Planung berührte Umweltbelange nicht ansatzweise erkennen lässt, ist nicht ordnungsgemäß erfolgt. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 2 Abs. 3 BauGB verlangt, dass allen abwägungsrelevanten Belangen mit der erforderlichen Ermittlungstiefe nachgegangen wird und die so ermittelten Belange zutreffend gewichtet werden. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die im Wege der subjektiven Klagehäufung erhobenen Normenkontrollanträge sind zulässig, bleiben in der Sache aber ohne Erfolg. Die geltend gemachten Bedenken gegen die formelle und materielle Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bebauungsplans bestehen nicht.
1. Die Anträge sind zulässig.
a) Die erforderliche Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 VwGO ist gegeben. Die Antragsteller besitzen Grundstücke im Plangebiet und können geltend machen, durch den angegriffenen Bebauungsplan möglicherweise in ihrem Recht auf gerechte Abwägung ihrer Eigentümerbelange aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt zu sein.
b) Die Anträge beider Antragsteller wahren die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Zwar hat der Antragsteller zu 1 das Verfahren erst durch prozessuale Erklärung vom 22. August 2016 – und damit über ein Jahr nach Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses – übernommen. Nach § 173 VwGO i.V.m. § 266 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist aber im Falle der Veräußerung des Grundstücks der Rechtsnachfolger berechtigt und auf Antrag des Gegners verpflichtet, den Rechtsstreit in der Lage, in der er sich befindet, als Hauptpartei zu übernehmen, wenn – wie hier – über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts, das für ein Grundstück in Anspruch genommen wird, zwischen dem Besitzer und einem Dritten ein Rechtsstreit anhängig ist (vgl. BVerwG, B.v. 1.8.2001 – 4 BN 43.01 – NVwZ 2001, 1282 zur Anwendbarkeit der Vorschriften im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan).
c) Die Anträge sind auch nicht nach § 47 Abs. 2a VwGO in der bis zum 2. Juni 2017 geltenden Fassung (VwGO a.F.) unzulässig, weil die Antragsteller nur Einwendungen geltend gemacht haben, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung hätten geltend machen können, aber nicht geltend gemacht haben.
Nach § 47 Abs. 2a VwGO a.F. ist der Antrag einer natürlichen Person, der einen Bebauungsplan zum Gegenstand hat, unzulässig, wenn die den Antrag stellende Person nur Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung (§ 3 Abs. 2 BauGB) nicht oder verspätet geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können und wenn auf diese Rechtsfolge im Rahmen der Beteiligung hingewiesen worden ist. Danach wären die Anträge zwar unzulässig, weil die Antragsteller unstreitig während der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs in der Zeit vom 29. Januar 2013 bis 1. März 2013 keine Einwendungen gegen den Plan erhoben haben. Dies ist erst mit der Erhebung der Normenkontrollklage am 20. August 2015 erfolgt.
Die Antragsgegnerin hat auf die Folgen unterbliebener oder verspätet erhobener Einwendungen in der Bekanntmachung der Auslegung des Planentwurfs vom 21. Januar 2013 ordnungsgemäß hingewiesen. Dem Eintritt der Präklusionswirkung steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin während der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs in ihrer Belehrung den in § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB (in der bis 19. September 2013 gültigen Fassung) vorgesehenen Wortlaut einschließlich der Formulierung „bei der Aufstellung der Satzung“ verwendet hat. Zwar ist es zutreffend, dass § 47 Abs. 2a VwGO a.F. für die Zulässigkeit nur verlangt, dass der Antragsteller bei der Planaufstellung überhaupt rechtzeitig Einwendungen erhebt und diese im Normenkontrollverfahren geltend macht, während der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB dahin ausgelegt werden kann, dass ein Normenkontrollantrag teilweise – nämlich hinsichtlich der nicht rechtzeitig erhobenen Einwendungen – unzulässig ist (vgl. BVerwG, U.v. 27.10.2010 – 4 CN 4.09 – BVerwGE 138, 84). Die von der Antragsgegnerin verwendete Formulierung ist aber nach den hier anwendbaren Grundsätzen, wie sie für Rechtsmittelbelehrungen entwickelt worden sind, nicht geeignet, bei den Antragstellern oder anderen Betroffenen einen rechtserheblichen Irrtum hervorzurufen und sie davon abzuhalten, rechtzeitig Einwendungen zu erheben. Denn sie macht dem Betroffenen vielmehr deutlich, dass er Einwendungen erheben muss, um sich die Möglichkeit eines späteren Normenkontrollverfahrens zu erhalten (vgl. BVerwG, U.v. 27.10.2010 a.a.O.; BayVGH, U.v. 16.1.2017 – 15 N 13.2283 – juris Rn. 29). Soweit die Antragsteller unter Verweis auf die Entscheidung des Senats vom 16. September 2014 (1 N 10.1932) ausführen, dass die Auslegungsbekanntmachung der Antragsgegnerin offen lasse, welches Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 BauGB gemeint sei, übersehen sie, dass die zugrundeliegenden Formulierungen schon nicht vergleichbar sind. Der am Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB orientierte Hinweis ist nicht missverständlich und lässt nicht die Annahme zu, dass auch Einwendungen, die nur im Rahmen der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB erfolgt sind, ausreichend seien.
Die Anwendung des § 47 Abs. 2a VwGO a.F. setzt aber auch voraus, dass die ortsübliche Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB ordnungsgemäß erfolgt ist. Dies gilt sowohl für Ort und Dauer der Auslegung als auch für die Angaben, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2014 – 4 CN 3.14 – BayVBl 2015, 203). Die Auslegungsbekanntmachung vom 21. Januar 2013 ist jedoch wegen unvollständiger Angaben über die Verfügbarkeit der Arten umweltbezogener Informationen fehlerhaft erfolgt und wird der Anstoßwirkung nicht gerecht. Mit der durch das Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (EAG Bau vom 24.6.2004 – BGBl I S. 1359) eingefügten Hinweispflicht wollte der Gesetzgeber die Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten – Aarhus-Konvention – vom 25.6.1998, BGBl II 2006, 1251) umsetzen (s. BT-Drs. 15/2250 S. 44). Da der Hinweis zu den umweltbezogenen Informationen nicht nur dazu dient, der betroffenen oder bereits interessierten Öffentlichkeit eine effektive Vorbereitung auf ihre Beteiligung zu ermöglichen, sondern darüber hinaus das Ziel verfolgt, eine breitere Öffentlichkeit für Entscheidungsverfahren im Umweltbereich zu interessieren und ihre Beteiligungsbereitschaft zu fördern, muss dem Hinweis bereits eine erste inhaltliche Einschätzung entnommen werden können, welche Umweltbelange in den Stellungnahmen und sonstigen Unterlagen behandelt werden. Denn ohne konkrete, stichwortartige Benennung der verfügbaren umweltbezogenen Informationen kann die Öffentlichkeit nicht entscheiden, ob die Planung aus ihrer Sicht weitere, von den vorhandenen Stellungnahmen nicht abgedeckte Umweltbelange berührt, denen sie durch eigene Stellungnahmen Gehör verschaffen will (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2013 – 4 CN 3.12 – BVerwGE 147, 206).
Dieser Anforderung werden die Hinweise auf die verfügbaren umweltbezogenen Informationen in der genannten Bekanntmachung nicht gerecht. Die Bekanntmachung vom 21. Januar 2013 verweist lediglich auf den Umweltbericht, lässt aber konkrete durch die Planung berührte Umweltbelange nicht ansatzweise erkennen (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2013 a.a.O.). Mit der Nennung (allein) des Umweltberichts wird die Informationspflicht nicht erfüllt. Auch der Hinweis in der Bekanntmachung, dass umweltbezogene Stellungnahmen vorliegen, ermöglicht keine inhaltliche Einschätzung, welche Informationen der Gemeinde zu den durch die Planung berührten umweltbezogenen Belangen vorgelegen haben. Es fehlt an der zumindest schlagwortartigen Darstellung und Zusammenfassung der vorliegenden Unterlagen zumindest nach Themenblöcken (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2016 – 1 N 13.1987 u.a. – juris Rn. 15; U.v. 5.2.2009 – 1 N 07.2713 u.a. – juris Rn. 40).
Ob der Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich geworden ist, ist für § 47 Abs. 2a VwGO a.F. ohne Bedeutung. Denn § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB regelt die Unbeachtlichkeit von formellen Fehlern für die Rechtswirksamkeit eines Bebauungsplans, verhält sich aber weder nach seinem Wortlaut noch nach seiner systematischen Stellung zur Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags.
Die Antragsteller sind daher nicht mit ihren nicht im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Einwendungen präkludiert. Darauf, wie sich die Aufhebung des § 47 Abs. 2a VwGO auf bereits anhängige Normenkontrollverfahren auswirkt (vgl. dazu VGH BW, U.v. 18.10.2017 – 3 S 642.16 – NVwZ-RR 2018, 215; OVG Saarl, B.v. 22.5.2018 – 2 C 427.17 – juris Rn. 19), kommt es ebenso wenig an wie darauf, ob die Antragsteller – wie behauptet – keine Kenntnis von dem Bauplanungsverfahren hatten.
2. Die Normenkontrollanträge sind jedoch nicht begründet. Der Bebauungsplan leidet an keinen zu seiner Unwirksamkeit führenden beachtlichen formellen oder materiellen Mängeln. Dem Bebauungsplan fehlt weder die städtebauliche Erforderlichkeit gemäß § 1 Abs. 3 BauGB noch liegen rechtlich erhebliche, zur Unwirksamkeit führende Ermittlungsdefizite gemäß § 2 Abs. 3 BauGB oder Abwägungsfehler gemäß § 1 Abs. 7 BauGB vor.
a) Der Bebauungsplan ist zwar formell rechtswidrig, da die Auslegungsbekanntmachung vom 21. Januar 2013 ausweislich der vorstehenden Ausführungen unter Nummer 1 Buchst. a wegen unvollständiger Angaben über die Verfügbarkeit der Arten umweltbezogener Informationen fehlerhaft erfolgt ist und der Anstoßwirkung nicht gerecht wird. Der Verfahrensfehler ist auch nicht nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b BauGB unbeachtlich. Dies wäre nur der Fall, wenn einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben. Demgegenüber liegt ein beachtlicher Fehler dann vor, wenn die Angaben vollständig fehlen oder keine Arten der verfügbaren Umweltinformationen angegeben wurden. Der Verfahrensfehler ist aber nach § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB unbeachtlich geworden, da die Antragsteller den Mangel nicht innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB gerügt haben.
b) Der Bebauungsplan verstößt nicht gegen zwingende Vorschriften des materiellen Rechts.
Der Bebauungsplan entspricht dem Gebot der städtebaulichen Erforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB).
Gemäß § 1 Abs. 3 BauGB haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Der Grundsatz der Erforderlichkeit der Bauleitplanung bezieht sich auf das Planungsbedürfnis als solches, auf den Geltungsbereich des Bebauungsplans und auf die einzelnen Festsetzungen. Voraussetzung für die Erforderlichkeit des Bebauungsplans ist, dass der Planung ein realisierbares städtebauliches Konzept zugrunde liegt und dass der Bebauungsplan der Verwirklichung dieses Konzepts dient (vgl. BVerwG, U.v. 7.5.1971 – 4 C 76.68 – DVBl 1971, 759; B.v. 14.8.1995 – 4 NB 21.95 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 86 zum planerischen Ermessen der Gemeinde). Insgesamt setzt der Begriff der städtebaulichen Erforderlichkeit der Bauleitplanung nur eine erste Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.2013 – 4 C 13.11 – BVerwGE 146, 137).
Daran gemessen steht die städtebauliche Erforderlichkeit nicht in Frage. Dies wird von den Antragstellern auch nicht bestritten. Mit der Fortführung der städtebaulichen Konzeption der Ausweisung von Gewerbegebieten in diesem Bereich entsprechend der im Flächennutzungsplan verlautbaren Raumnutzungskonzeption (§ 8 Abs. 2 BauGB) liegt eine positive Planungskonzeption zugrunde. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin sich bei der Planung von unsachlichen Erwägungen hat leiten lassen, sind weder substantiiert vorgetragen noch erkennbar. Soweit eine derartige Bauleitplanung sich auf die Nutzung einer vorhandenen Bebauung auf einem Grundstück auswirkt, ist dies keine Frage der Erforderlichkeit der Planung, sondern vielmehr eine Frage der Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537; B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – NVwZ 1999, 1338). Dafür ist das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB maßgeblich, das im Hinblick auf die gerichtliche Kontrolldichte, Fehlerbeachtlichkeit und heranzuziehende Erkenntnisquellen abweichenden Maßstäben unterliegt. Deswegen kann die Abgewogenheit einer Bauleitplanung und ihrer Festsetzungen nicht bereits zum Maßstab für die städtebauliche Erforderlichkeit gemacht werden. Der Bebauungsplan entbehrt auch nicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen auf Dauer oder unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit.
Es sind auch keine Abwägungsfehler nach § 2 Abs. 3, § 1 Abs. 7 BauGB erkennbar. Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und die privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das setzt eine zutreffende Ermittlung und Bewertung der für die Abwägung erheblichen Belange voraus (§ 2 Abs. 3 BauGB). Von der Planung berührte schutzwürdige Eigentümerinteressen und die mit den Festsetzungen verfolgten Belange müssen im Rahmen der Abwägung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitssatzes in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden (vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727). Dabei muss das der Planung zugrundeliegende Konzept im Bebauungsplan möglichst widerspruchsfrei umgesetzt werden. Mängel bei der Ermittlung, der Bewertung oder der Gewichtung der abwägungserheblichen Belange sind beachtlich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB). Ein fehlerhaftes Abwägungsergebnis ist stets rechtlich erheblich.
Während vormals die Abwägungsfehlerlehre ausschließlich aus dem materiellen Abwägungsgebot (heute § 1 Abs. 7 BauGB) abgeleitet wurde, sieht der Gesetzgeber mit dem durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau – vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1359 ff.) neu eingeführten § 2 Abs. 3 BauGB Ermittlungs- und Bewertungsmängel nunmehr als Verfahrensmängel an (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2014 – 4 BN 38.13 – BauR 2014, 1745; Mitschang in Berliner Kommentar zum BauGB, Stand Juni 2018, § 2 Rn. 82a), für deren Beachtlichkeit § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB und nicht § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB als Maßstab heranzuziehen ist (vgl. OVG Saarl., U.v. 5.9.2013 – 2 C 190.12 – juris Rn. 51). Gemäß § 2 Abs. 3 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten. Die Vorschrift verlangt, dass allen abwägungsrelevanten Belangen mit der erforderlichen Ermittlungstiefe nachgegangen wird und die so ermittelten Belange zutreffend gewichtet werden.
Soweit die Antragsteller geltend machen, dass die Antragsgegnerin nicht ausreichend ermittelt habe, welche Art von Wohnnutzung der Bestand innerhalb des Plangebiets aufweise, liegt kein Ermittlungsdefizit vor. Die Antragsgegnerin hat die insoweit maßgeblichen genehmigten und ihr bekannten Nutzungen im Plangebiet im Rahmen der schalltechnischen Untersuchung vom 27. Juli 2011 ausreichend ermittelt (§ 2 Abs. 3 BauGB). Anhaltspunkte dafür, dass sie dabei – bezogen auf das gesamte Plangebiet – von einer fehlerhaften Genehmigungslage entgegen der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets ausgegangen sein könnte liegen weder vor noch wurden sie geltend gemacht. Der vorhandene und genehmigte Bestand auf den Grundstücken im Plangebiet entspricht dem Charakter eines Gewerbegebiets nach § 8 BauNVO.
Die Auffassung der Antragsteller, die Antragsgegnerin habe nicht berücksichtigt, dass auf ihren Grundstücken baurechtlich eine nicht betriebsbezogene Wohnnutzung zugelassen worden sei, trifft nicht zu. Dass beide Baugenehmigungen nach § 33 BauGB im Vorgriff auf den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan Nr. 16A „Gewerbegebiet I …“ erteilt wurden, steht nicht in Frage. Die Antragsgegnerin hat den auf dieser Grundlage im Plangebiet vorhandenen Bestand erfasst.
Soweit die Antragstellerin zu 2 betroffen ist, besteht aufgrund des nachweislich vorliegenden schriftlichen Anerkenntnisses nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB eine Bindungswirkung, die den baurechtlichen Status des Grundstücks in planungsrechtlicher Hinsicht festlegt (vgl. BVerwG, U.v. 18.4.1996 – 4 C 22.94 – BVerwGE 101, 58). Gründe, die die Bindungswirkung des vorliegenden Anerkenntnisses hätten entfallen lassen können, liegen nicht vor. Ein solcher Grund ist insbesondere nicht darin zu sehen, weil der ursprüngliche Bebauungsplan nicht weiter verfolgt und ein neuer Bebauungsplan aufgestellt wurde. Die Auffassung der Antragsteller, eine Bindung an eine gewerbliche Nutzung sei im Jahr 2008 entfallen, da der Bebauungsplan nie verwirklicht und ein neuer Bebauungsplan erst nach über zehn Jahren erlassen worden sei, trifft nicht zu. Allein der Umstand, dass die Verwirklichung nicht zeitnah erfolgt ist und ein neuer Bebauungsplan erlassen wurde, führt nicht zu einem Wegfall der Bindungswirkung des Anerkenntnisses. Denn die Antragsgegnerin hatte das Planverfahren nicht endgültig eingestellt; der Bebauungsplan Nr. 16A ist vielmehr seinerzeit nicht in Kraft gesetzt worden, da die Fläche des Bebauungsplans erst aus der Landschaftsschutzgebietsverordnung „C …see“ herausgenommen werden musste und somit zunächst keine Genehmigung der Aufsichtsbehörde erteilt werden konnte. Auch der Beschluss des Gemeinderats der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2010, das nicht abgeschlossene Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 16A einzustellen, ist unschädlich, weil dieser Beschluss im Kontext mit der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 42 und der Weiterverfolgung des bisherigen Konzepts erfolgte. Die Beibehaltung der geplanten Nutzungsart, zu deren Einhaltung sich die Antragstellerin zu 2 verpflichtet hatte, hat insoweit auch die Fortdauer der Bindung zur Folge.
Demgegenüber liegt ein entsprechendes Anerkenntnis nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB durch die Rechtsvorgängerin des Antragstellers zu 1 in Bezug auf die Beibehaltung der geplanten Nutzungsart, an das der Antragsteller als Rechtsnachfolger gebunden wäre, weder in der Bauakte noch bei den bei der Antragsgegnerin vorhandenen Unterlagen vor. Daraus folgt jedoch nicht die Annahme eines beachtlichen Verfahrensfehlers nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Dabei kann dahinstehen, ob die dokumentierte (gemeinsame) Behandlung der Bauvorhaben der Antragsteller durch die Antragsgegnerin (vgl. Bl. 5 f. der Baugenehmigungsakte Az. 985- 99 -3) auch die Abgabe eines Anerkenntnisses durch die Rechtsvorgängerin des Antragstellers zu 1 nahelegen. Denn die Antragsgegnerin konnte bei der Ermittlung des Bestands im Plangebiet angesichts der Behandlung der Baugenehmigung nach § 33 BauGB von einem gewerblichen Bestand ausgehen. Da die Antragsteller im Rahmen der Bürgerbeteiligung keine Einwendungen erhoben haben, war für die Antragsgegnerin nicht erkennbar, dass eine Bindungswirkung nur in Bezug auf die Antragstellerin zu 2 vorlag. Darauf, dass eine fehlende Bindungswirkung erst am 23. August 2016 und damit nach Ablauf der Frist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB geltend gemacht wurde, kommt es daher nicht an.
Ein Ermittlungsdefizit besteht auch nicht insoweit, als die Antragsteller vortragen, dass auch auf anderen Grundstücken im Plangebiet tatsächlich eine nicht betriebsbezogene Wohnnutzung stattfinde. Denn auch für den Fall, dass tatsächlich ausgeübte Nutzungen entgegen erteilter Genehmigungen nicht mit § 8 BauNVO vereinbar sein sollten, ist nicht erkennbar, dass mögliche zu Wohnzwecken genutzte Räumlichkeiten nicht wieder einer gewerblichen Nutzung zugeführt werden könnten.
Die Festsetzungen des Bebauungsplans führen auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) der Antragsteller. Die Antragsgegnerin hat die Eigentumsbelange bei der Abwägung mit dem ihnen zukommenden Gewicht berücksichtigt. Abwägungsrelevant sind alle (öffentlichen und privaten) Belange, die mehr als geringwertig schutzwürdig sind, nicht mit einem Makel behaftet sind und für den Planer erkennbar sind. Denn Interessenpositionen verdienen keinen Schutz, wenn sie unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffen worden sind. Dies gilt auch für eine baurechtswidrige Nutzung, selbst wenn sie jahrelang geduldet wurde. Nimmt die Bauaufsichtsbehörde einen solchen Zustand lange Zeit hin, so mag sie hiergegen nicht mehr ohne Weiteres einschreiten dürfen. Hierdurch verschieben sich aber nicht die rechtlichen Maßstäbe, nach denen sich die Bebauung anderer Grundstücke richtet. Überplant die Gemeinde das maßgebliche Gebiet, so braucht sie auf das Interesse, einen ggf. rechtswidrigen Zustand aufrechterhalten zu können, keine Rücksicht zu nehmen. Wer Beeinträchtigungen durch die Planung nur deshalb befürchtet, weil er sein eigenes Grundstück unzulässig nutzt, ist nicht schutzwürdig (vgl. BVerwG, B.v. 30.4.2004 – 4 CN 1.03 – BayVBl 2005, 55; BVerwG, B.v. 9.11.1979 – 4 N 1.78 u.a. – BVerwGE 59, 87 jeweils zur Frage der Antragsbefugnis).
Daran gemessen ist die Abwägungsentscheidung der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat die Eigentumsbelange der Antragsteller nicht verkannt. Dass eine Bindungswirkung nur hinsichtlich der Antragstellerin zu 2 bestand, war für sie ausweislich der vorstehenden Ausführungen nicht erkennbar. Daraus folgt jedoch entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht, dass die von der Antragsgegnerin vorgenommene Gebietsklassifizierung des Plangebiets als Gewerbegebiet aufgegeben und zu einer Ausweisung als Mischgebiet übergegangen werden müsste. Dabei kann dahinstehen, ob die Antragsgegnerin sich dabei auf einzelne Grundstücke hätte beschränken können, da jedenfalls auch bei Annahme einer nicht betriebsbezogenen Wohnnutzung auf dem Grundstück des Antragstellers zu 1 angesichts der Anzahl der genehmigten gewerblichen Nutzungen die Annahme eines Mischgebiets nicht in Betracht kommt. Ein Anspruch der Antragsteller auf Ausweisung eines Mischgebiets ergibt sich auch nicht bei Zugrundelegung der Genehmigung eines äußerst großzügigen Wohnraums auf beiden Grundstücken, der in Widerspruch zu der restriktiveren textlichen Festsetzung des ursprünglichen Bebauungsplans in Nr. 2.212 stehen dürfte. Damit wird allenfalls die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigungen in Frage gestellt. Entgegen dem Einwand der Antragsteller kommt es für die Beurteilung der Gebietsklassifizierung durch die Antragsgegnerin weder darauf an noch auf die Behauptung, sie hätten die Grundstücke in der Absicht erworben, eine Mischnutzung mit Wohnen und Gewerbe zu errichten. Die Antragsgegnerin musste daher auch nicht in ihre Abwägung einstellen, dass weder die Bauanträge noch die erteilten Genehmigungen die Wohnnutzung auf den Grundstücken der Antragsteller ausdrücklich mittels Auflagen bzw. eingetragener Dienstbarkeiten an eine gewerbliche Nutzung binden bzw. die in den mit der Antragsgegnerin geschlossen Kaufverträgen vorgesehenen Regelungen zur Bauverpflichtung und zum Wiederverkaufsrecht berücksichtigen. Im Übrigen liegt auch den Kaufverträgen die Errichtung der Gebäude in einem Gewerbegebiet zugrunde. Die Antragsgegnerin hat die privaten Interessen der Antragsteller entsprechend ihrem Gewicht in die Abwägung eingestellt und im Hinblick auf die planerische Konzeption der Festsetzung eines Gewerbegebiets abgewogen. Etwaige planbedingte Konflikte sind nicht zu erkennen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich bereits Gewerbebetriebe angesiedelt haben, die nicht die Orientierungswerte der DIN 18005 für Mischgebiete einhalten (FlNr. … ). Der Umstand, dass die Grundstücke der Antragsteller am Rande des Plangebiets liegen und sich auf der anderen Straßenseite ein Wohngebiet erstreckt, ändert daran nichts und führt insbesondere nicht dazu, dass die Antragsteller gegenüber den übrigen Gewerbetreibenden im Plangebiet künftig einen höheren Schutzanspruch in Anspruch nehmen könnten.
Soweit die Antragsteller vortragen, dass die schalltechnische Untersuchung nicht die Wohnungen der Antragsteller als Immissionsorte berücksichtigt habe und daher keine geeignete Abwägungsgrundlage für die Festsetzungen des Bebauungsplans biete, ist ebenfalls weder ein Verfahrensmangel noch ein beachtlicher Abwägungsmangel erkennbar. Der private Belang, dass die Wohnungen im Plangebiet nicht einem gewerbegebietstypischen Lärm ausgesetzt werden, musste im Hinblick auf die zutreffende Festsetzung des Plangebiets als Gewerbegebiet nicht in die Abwägung mit eingestellt werden. Die Grundstücke der Antragsteller wurden zu Recht nicht als potentieller Immissionsort in die schalltechnische Untersuchung mit einbezogen.
Die Antragsteller tragen gemäß § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie sich keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 ff ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.