Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen verzögerter Beförderung

Aktenzeichen  6 ZB 18.2068

Datum:
25.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1046
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
BBG § 21, § 78
BGB § 839 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Eine Garantiehaftung des Dienstherrn einem einzelnen Beamten gegenüber für den störungsfreien Verlauf einer Massenbeförderungsaktion gibt es nicht. (Rn. 7) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Einen Anspruch des einzelnen Beamten auf eine störungsfreie, zügige Durchführung eines Bewerbungsverfahrens oder auf eine Entscheidung über eine Bewerbung zu einem bestimmten Zeitpunkt  gibt es nicht. (Rn. 8) (red. LS Alexander Tauchert)
3 Die regeläßige dienstliche Beurteilung dient vor allem der von Rechts wegen gebotenen zuverlässigen Klärung einer „Wettbewerbssituation“ der für die Besetzung von Dienstposten oder für eine Beförderung möglicherweise in Betracht kommenden Beamten. (Rn. 11) (red. LS Alexander Tauchert)

Verfahrensgang

M 21 K 17.748 2018-04-10 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 10. April 2018 – M 21 K 17.748 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 4.847,04 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ bleibt ohne Erfolg.
Der innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) greift nicht durch (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Der Kläger beansprucht von der Beklagten Schadensersatz wegen verspäteter Beförderung. Er stand zuletzt als Technischer Fernmeldebetriebsinspektor (Besoldungsgruppe A 9 vz) im Dienst der Beklagten. Am 30. April 2015 war ihm rückwirkend zum 1. Februar 2015 die Amtszulage nach Anlage IX BBesG verliehen worden. Auf eigenen Antrag wurde er mit Ablauf des 30. Juni 2016 in den Vorruhestand versetzt. Mit Bescheid vom 3. Juni 2016 setzte die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost seine Versorgungsbezüge ohne Berücksichtigung der Amtszulage fest. Daraufhin beantragte der Kläger, ihn im Wege des Schadensersatzes besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als ob er bereits zum 1. Juli 2012 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A9 vz mit Zulage eingewiesen worden wäre. Die Verzögerung seiner bereits zu diesem Zeitpunkt anstehenden Beförderung beruhe auf einem Organisationsverschulden der Beklagten. Das Beförderungsverfahren 2012 habe nach erfolgreichen Eilanträgen etlicher seiner Konkurrenten abgebrochen werden müssen, nachdem von den Gerichten Mängel im Beurteilungsverfahren der Telekom festgestellt worden seien. Die Beklagte habe es in der Folgezeit schuldhaft versäumt, zügig ein neues rechtssicheres Verfahren umzusetzen. Eine Entscheidung über diesen Antrag erging nicht.
Die vom Kläger erhobene Untätigkeitsklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10. April 2018 mit der Begründung abgewiesen, es fehle bereits an der schuldhaften Verletzung einer dem Kläger gegenüber zu erfüllenden Pflicht der Beklagten. Der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens sei zwingend geboten gewesen; die Beendigung des Auswahlverfahrens berühre grundsätzlich nicht die Rechtsstellung von Bewerbern. Für eine störungsfreie, zügige Durchführung des Stellenbesetzungsverfahrens hafte der Dienstherr dem Kläger gegenüber grundsätzlich nicht. Im Übrigen würde ein Schadenersatzanspruch an dem Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB scheitern, weil der Kläger es unterlassen habe, zumutbaren Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteil im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.6.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B.v. 13.7.2015 – 6 ZB 15.585 – juris Rn. 3). Das ist nicht der Fall.
1. Fehl geht der Einwand, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass der Kläger seinen Schadensersatzanspruch nicht auf eine Verletzung seines aus Art. 33 Abs. 2 GG resultierenden Bewerbungsverfahrensanspruchs stütze.
Das Verwaltungsgericht hat vielmehr in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch könne weder auf eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs gestützt werden, noch bestehe gegenüber dem Kläger die behauptete Verpflichtung der Beklagten, das Stellenbesetzungsverfahren störungsfrei und zügig durchzuführen. Eine Garantiehaftung des Dienstherrn einem einzelnen Beamten gegenüber für den störungsfreien Verlauf einer Massenbeförderungsaktion gebe es nicht. Die vom Klägers weiter bemängelten Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu § 839 Abs. 3 BGB stellen lediglich Hilfserwägungen für den Fall des Vorliegens eines hier verneinten Pflichtenverstoßes dar („Im Übrigen stünde dem Kläger der geltend gemachte Schadensersatzanspruch selbst dann nicht zu, wenn…“), und sind nicht geeignet, die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils in Frage zu stellen.
2. Ebenfalls ohne Erfolg bleibt die Rüge, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehe auch dem Kläger gegenüber eine Pflicht des Dienstherrn, Stellenbesetzungs- und Beförderungsverfahren möglichst zügig durchzuführen, so dass dieser zumindest bei einer auf seinem Organisationsverschulden beruhenden Verzögerung der anstehenden Beförderungen für den daraus für die betroffenen Beamten resultierenden Schaden hafte.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 29.11.2012 – 2 C 6.11 – juris Rn. 29) davon ausgegangen, dass es einen Anspruch des einzelnen Beamten auf eine störungsfreie, zügige Durchführung eines Bewerbungsverfahrens oder auf eine Entscheidung über eine Bewerbung zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht gibt. Dies beruht darauf, dass bereits kein Rechtsanspruch eines Beamten auf Beförderung oder auf Bereitstellung einer Stelle besteht. Aus der Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsgewalt des Dienstherrn folgt, dass es ihm obliegt, nicht nur darüber zu entscheiden, ob und wann er welche Statusämter vorhält, sondern auch, wann er diese endgültig besetzen will (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 2 C 11.11 – juris Rn. 20 m.w.N.). Unerheblich ist es deshalb, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine Beförderung auf eine der zunächst im Rahmen der Beförderungsrunde 2012 ausgeschriebenen Stellen der Besoldungsgruppe A9 vz mit Amtszulage erfüllte. Mangels einer Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger, dessen Beförderung vorzubereiten und (zügig) durchzuführen, entfällt ein auf die Verletzung einer solchen behaupteten Pflicht gestützter Schadensersatzanspruch (vgl. BVerwG, U.v. 31.5.1990 – 2 C 16.89 – juris Rn.25).
Der Kläger kann sich zur Begründung einer subjektiven Rechtsposition auch nicht auf eine Verletzung der ihm gegenüber bestehenden Fürsorgepflicht der Beklagten (§ 78 BBG) berufen. Denn die Fürsorgepflicht des Dienstherrn besteht grundsätzlich nur in den Grenzen des bereits bekleideten statusrechtlichen Amtes (ständige Rechtsprechung, z.B. BVerwG, U.v. 31.5.1990 – 2 C 16.89 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 24.9.2008 – 3 ZB 06.3268 – juris Rn. 5).
Aus der Fürsorgepflicht folgt unter anderem, dass der Dienstherr den Beamten nicht pflichtwidrig an seinem Fortkommen hindern darf. Die – beanstandungsfreie – regelmäßige dienstliche Beurteilung (§ 21 BBG) dient zwar auch dem schutzwürdigen Interesse des Beamten, seiner Qualifikation entsprechend beruflich vorwärts zu kommen, soweit Dienst- und Haushaltsrecht dies zulassen (Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 8. Aufl. 2013, § 11 Rn. 1). Vorrangig dient sie aber nicht der beruflichen Förderung des Beamten; vielmehr hat sie den Hauptzweck, Grundlage für am Leistungsgrundsatz orientierte Entscheidungen über die Verwendung der Beamten und ihre Beförderung zu sein (BVerwG, U.v. 13.7.2000 – 2 C 34.99 – juris Rn. 13). Deshalb dient sie vor allem der von Rechts wegen gebotenen zuverlässigen Klärung einer „Wettbewerbssituation“ der für die Besetzung von Dienstposten oder für eine Beförderung möglicherweise in Betracht kommenden Beamten. Daher mag der Dienstherr in Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht gehalten sein, Beurteilungsrichtlinien zur Verfügung zu stellen, deren Anwendung zu rechtssicheren Beurteilungen führen. Ein Anspruch auf Beförderung – und damit auch ein Anspruch auf Schadensersatz wegen verzögerter Beförderung – lässt sich aber auch aus diesem Aspekt der Fürsorgepflicht nicht herleiten (Battis, BBG, 4. Aufl. 2009, § 78 Rn. 17). Eine andere Beurteilung mag dann in Betracht zu ziehen sein, wenn eine Manipulation oder Verfahrensverzögerung durch den Dienstherrn zum Nachteil eines bestimmten Beamten festgestellt werden kann. Der vom Kläger beklagte Umstand, dass die Beklagte für einen längeren Zeitraum keine rechtssichere Beurteilungsrichtlinie hatte, richtete sich jedoch nicht gegen ihn persönlich.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 10.4 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 6 VwGO).

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