Verwaltungsrecht

Waffenbesitzverbot

Aktenzeichen  21 CS 18.1579

Datum:
24.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1678
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 2 Abs. 3, § 5 Abs. 2 Nr. 5, § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 52 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4, § 58 Abs. 7

 

Leitsatz

1 Auch wenn es um ein Verbot erlaubnisfreier Waffen oder Munition geht, darf für die Feststellung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit auf die allgemeine Vorschrift des § 5 WaffG zurückgegriffen werden. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Verweis auf Haushaltsgegenstände, die mutmaßlich ebenso gefährlich sind wie die in der Anlage 2 Abschnitt 1 zum Waffengesetz genannten verbotenen Waffen, ist nicht geeignet, die Unzuverlässigkeit des Besitzers derartiger Waffen in Frage zu stellen. (Rn. 12 – 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 4 S 18.616 2018-06-26 Ent VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage, die er gegen das Verbot erhoben hat, erlaubnisfreie und erlaubnispflichtige Waffen zu erwerben und zu besitzen.
Das Amtsgericht S… ordnete mit Beschluss vom 14. Dezember 2017 die Durchsuchung der Person, der Wohnung mit Nebengebäuden und der Fahrzeuge des Antragstellers nach erlaubnispflichtigen Waffen und Munition an. Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestehe folgender Tatverdacht: Am 24. Oktober 2017 habe der Antragsteller Vollziehungsbeamten des Finanzamts S…, die ihn wegen der Beitreibung einer Forderung zuhause aufgesucht hätten, mehrfach angedroht, er werde sie erschießen. Dabei habe er geäußert, er sei Förster und habe deshalb eine Waffe zuhause. Über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfüge der Antragsteller, wie er wisse, nicht.
Bei der am 17. Januar 2018 von Beamten der Kriminalpolizeiinspektion S… vollzogenen Durchsuchung wurden ausweislich einer von den Beamten angefertigten Lichtbildtafel und eines Verzeichnisses der sichergestellten Gegenstände unter anderem drei Butterflymesser und ein Nun-Chaku (Würgeholz) aufgefunden und sichergestellt. Nach dem Inhalt eines nach Abschluss der Ermittlungen unter dem 23. Januar 2018 von der Kriminalpolizeiinspektion S… angefertigten Berichts habe der Antragsteller zu Beginn der Durchsuchung gegenüber den eingesetzten Beamten geäußert, er wünsche ihnen eine Kugel in den Kopf.
Das Landratsamt Straubing-Bogen untersagte dem Antragsteller mit Bescheid vom 22. März 2018 den Erwerb und Besitz von erlaubnisfreien und erlaubnispflichtigen Waffen (Nr. 1) und ordnete die sofortige Vollziehung an (Nr. 2).
Der Antragsteller ließ dagegen Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erheben und (sinngemäß) die Aussetzung der Vollziehung beantragen. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit Beschluss vom 26. Juni 2018 abgelehnt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde.
II.
1. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die angegriffene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben.
1.1 Die Beschwerde rügt, das Verwaltungsgericht lege dem Antragsteller neben verbal aggressiven Äußerungen entscheidend den Besitz von drei Butterflymessern und einem Nun-Chaku sowie eine ungenügende Verwahrung dieser Gegenstände in einem Schrank zu Last, der trotz Anwesenheit von minderjährigen Kindern nicht abgeschlossen gewesen sei. In nahezu jedem Haushalt seien für Kinder oder Erwachsene frei zugänglich Fleischmesser mit einer Klingenlänge von 10 bis 20 cm, spitze, scharfe Schraubenzieher und Zimmererhammer vorhanden. Gleiches gelte für eine kurze Handaxt, die ebenso wie Messer und Hammer unschwer verdeckt am Körper zu tragen sei. Alle Gegenstände seien in jedem Baumarkt oder Discounter zu geringem Preis erwerbbar, obgleich sie mindestens so gefährlich seien wie ein Schmetterlingsmesser oder ein Nun-Chaku. Das verdeutliche, dass für die Anordnung eines Waffenbesitzverbots ernstere Kriterien zu fordern seien als der Besitz von vor geraumer Zeit noch zulässiger Gegenstände.
Das gibt keinen Anlass, von der im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung getroffenen Feststellung des Verwaltungsgerichts abzuweichen, die gegen das Verbot, erlaubnisfreie und erlaubnispflichtige Waffen zu erwerben und zu besitzen, gerichtete Klage werde voraussichtlich erfolglos bleiben.
Der Erwerb und Besitz erlaubnisfreier Waffen oder Munition kann nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG unter anderem dann untersagt werden, wenn Tatsachen bekannt werden, welche die Annahme rechtfertigen, dass dem Betroffenen die für den Erwerb oder Besitz dieser Gegenstände erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Insoweit darf, auch wenn erlaubnisfreie Waffen oder Munition betroffen sind, auf die allgemeine Vorschrift des § 5 WaffG zurückgegriffen werden, denn sie konkretisiert den Begriff der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit für den gesamten Geltungsbereich des Waffengesetzes (vgl. Lehmann/v. Grotthuss, Aktuelles Waffenrecht, Stand Dezember 2018, § 5 Rn. 14; Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 41 Rn. 5).
Für das Verbot, erlaubnispflichtige Waffen oder Munition zu besitzen, gilt letztlich nichts anderes. Denn die Behörde kann nach § 41 Abs. 2 WaffG den Besitz dieser Gegenstände untersagen, soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder zur Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten ist. Diese Voraussetzungen liegen unter anderem bei Personen vor, welche die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht besitzen (vgl. BVerwG, U.v. 22.8.2012 – 6 C 30.11 – juris Rn. 35).
Der Senat teilt nach Lage der Akten die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass der Antragsteller (auch) im Sinn des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG waffenrechtlich unzuverlässig ist. Danach besitzen die nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen haben. Das ist summarisch geprüft beim Antragsteller der Fall. Er verstieß mit dem Besitz von drei Butterflymessern und eines Nun-Chakus gröblich gegen § 2 Abs. 3 Waffengesetz. Danach ist der Umgang und damit auch der Besitz (§ 1 Abs. 3 WaffG) mit den genannten Waffen verboten, weil sie in Anlage 2 Abschnitt 1 (verbotene Waffen) zum Waffengesetz genannt sind (Nr. 1.3.8: Nun-Chaku und Nr. 1.4.3: Butterflymesser). Es handelt sich nach objektivem Gewicht und Vorwerfbarkeit um einen schwerwiegenden und damit gröblichen Verstoß (vgl. zu diesem Maßstab N. Heinrich in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 5 Rn. 25). Der Antragsteller hat mit § 2 Abs. 3 WaffG eine zentrale Vorschrift des Waffenrechts missachtet. Sie dient dem Schutz der Allgemeinheit vor einem missbräuchlichen Umgang mit solchen Waffen und Gegenständen, von denen aufgrund ihrer Zweckbestimmung, der Bedrohungswirkung, der Häufigkeit einer missbräuchlichen Verwendung oder der besonderen Geeignetheit, die Aggressionsbereitschaft zu provozieren, (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 53) typischerweise eine im Vergleich zu anderen Waffen gesteigerte Gefahr ausgeht. Das Gewicht des vom Antragsteller begangenen Verstoßes zeigt sich auch daran, dass mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer (vorsätzlich) entgegen § 2 Abs. 3 WaffG die verfahrensgegenständlichen Waffen besitzt (§ 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG). Ein gröblicher Verstoß läge auch dann vor, wenn der Antragsteller lediglich fahrlässig gehandelt hat, denn auch ein fahrlässig begangener Verstoß gegen § 2 Abs. 3 WaffG ist strafbewehrt und wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft (§ 52 Abs. 4 WaffG).
Unabhängig von dem Gewicht der Zuwiderhandlung hat der Antragsteller den Tatbestand der Regelunzuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG auch dadurch erfüllt, dass er mehrere Butterflymesser sowie ein Nun-Chaku besaß und so wiederholt das Waffenbesitzverbot missachtete.
Vor diesem Hintergrund ist der Verweis des Bevollmächtigten des Antragstellers auf verschiedene in seinen Augen ebenso gefährliche, waffenrechtlich aber nicht verbotene Haushaltsgegenstände lediglich geeignet, das Verhalten des Antragstellers zu verharmlosen, kann aber dessen Unzuverlässigkeit und damit die Voraussetzung des angefochtenen Waffenbesitzverbots nicht ernstlich in Frage stellen.
1.2 Ebenso wenig begründet das Beschwerdevorbringen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Waffenbesitzverbots, die inmitten stehenden Waffen seien vor geraumer Zeit noch zulässige Gegenstände gewesen. Maßgebend ist, dass diese Waffen bereits vor ihrer Sicherstellung am 17. Januar 2018 verboten waren. Für den Besitz des Nun-Chakus ergibt sich das daraus, dass der Umgang mit Gegenständen, die nach ihrer Beschaffenheit und Handhabung dazu bestimmt sind, durch Würgen lebensgefährliche Verletzungen beizubringen, schon nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 der Ersten Verordnung zum Waffengesetz vom 24. Mai 1976 (BGBl I S. 1285) verboten war. Butterflymesser unterliegen seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Waffenrechts zum 1. April 2003 dem Umgangsverbot des § 2 Abs. 3 i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.4.3, wobei sich aus der mit Ablauf des 5. Juni 2017 außer Kraft getretenen Übergangsvorschrift des § 58 Abs. 7 WaffG nichts zugunsten des Antragstellers ergibt. Danach wurde das Verbot für bis zum 1. April 2003 vorhandene und bis dahin nicht einem Verbot nach § 37 Abs. 1 WaffG i.d.F. vom 8. März 1976 (BGBl I S. 432) unterliegende Altwaffen nur dann nicht wirksam, wenn diese Waffen bis zum 31. August 2003 unbrauchbar gemacht oder einem Berechtigten überlassen wurden oder ein Antrag nach § 40 Abs. 4 WaffG (Verbotsausnahme für den Einzelfall) gestellt wurde.
1.3 Gründe für eine von der gesetzlichen Regelvermutung abweichende Beurteilung der Zuverlässigkeit ergeben sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht. Das mit der Beschwerde geltend gemachte Verhalten des Antragstellers in der Feuerschützengesellschaft kann keine Ausnahme von der durch § 5 Abs. 2 Nr. 5 begründeten Regelunzuverlässigkeit rechtfertigen, weil insoweit allein die konkreten Umstände der Tat maßgebend sind (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.1994 – 1 C 31.92 – juris).
Nach allem kommt es jedenfalls für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes weder darauf an, ob der Antragsteller auch gegen die für die Aufbewahrung von Waffen grundlegende Vorschrift des § 36 WaffG in der zum Zeitpunkt der Durchsuchung geltenden Fassung vom 17. Juli 2009 verstoßen hat, noch darauf, dass sich der Antragsteller nach Lage der Akten bei der Zwangsvollstreckung und später bei der polizeilichen Durchsuchung des Anwesens aggressiv verhielt.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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