Aktenzeichen 2 UF 41/17
Leitsatz
1 Danach wird die Kürzung der laufenden Versorgung der ausgleichspflichtigen Person ausgesetzt, solange die ausgleichsberechtigte Person aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine laufende Versorgung erhalten kann und sie gegen die ausgleichspflichtige Person ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hätte. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Aussetzungsbetrag ist begrenzt durch die Höhe des (fiktiv) errechneten gesetzlichen Unterhaltsanspruchs ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich, ggf. durch die Höhe eines vereinbarten Unterhalts, der auf dieser Grundlage errechnet worden ist, und durch die Höhe des Bruttobetrages der Versorgung, begrenzt auf die Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte der Regelversorgungen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der fiktive gesetzliche Unterhaltsanspruch ist nicht auf Grundlage der bereinigten Rentennettoeinkünfte, sondern der fiktiven ungekürzten Bruttoversorgung des Verpflichteten zu berechnen, also ohne Abzug von Steuer und Krankenversicherung. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
1 F 147/15 2017-02-08 Bes AGHASSFURT AG Haßfurt
Tenor
1. Auf die Beschwerde des B. wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Haßfurt vom 08.02.2017 in Ziffer 1. abgeändert wie folgt:
Die Kürzung der laufenden Versorgung des Antragstellers bei dem B. wird für den Zeitraum vom 01.05.2015 bis einschließlich März 2017 in Höhe von monatlich 535,00 Euro (brutto), für den Zeitraum vom 01.04. bis 30.06.2017 in Höhe von monatlich 572,46 Euro (brutto), für den Zeitraum vom 01.07.2017 bis 30.06.2018 in Höhe von monatlich 570,55 Euro (brutto), für den Zeitraum vom 01.07. bis 30.09.2018 in Höhe von monatlich 567,25 Euro (brutto) und ab 01.10.2018 in Höhe von monatlich 587,36 Euro (brutto) ausgesetzt.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde des B. zurückgewiesen.
3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten selbst.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Anpassung des Versorgungsausgleichs wegen Unterhalt, insbesondere die Frage, in welcher Höhe die Kürzung der laufenden Versorgung des (ausgleichspflichtigen) Antragstellers auszusetzen ist.
Der Antragsteller und die weitere Beteiligte C. waren verheiratet. Ihre Ehe wurde mit Endbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Haßfurt vom 10.09.2014 in dem Verfahren 1 F 270/14 geschieden. Gleichzeitig wurde der Versorgungsausgleich durchgeführt.
Dabei wurde im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Beschwerdeführerin – dem B. – zu Gunsten der weiteren Beteiligten ein Anrecht in Höhe von monatlich 629,27 Euro, bezogen auf den 30.06.2014, übertragen. Zu Lasten des Anrechts der weiteren Beteiligten bei der D. wurde im Wege der internen Teilung zu Gunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 3,2927 Entgeltpunkten, bezogen auf den 30.06.2014, übertragen.
Der Antragsteller erhält beamtenrechtliche Versorgungsbezüge von der Beschwerdeführerin, die zwischen 2.018,28 Euro (brutto) monatlich im Jahr 2015 und 2.174,27 Euro seit Oktober 2018 betrugen und wegen des Versorgungsausgleichs zunächst in Höhe des übertragenen Betrages von 629,27 Euro, ab Mai 2015 in Höhe von 643,12 Euro und zuletzt in Höhe von 692,83 Euro gekürzt wurden. Unter Berücksichtigung von Nachverrechnungen sowie eines Abzuges von 1,275 % nach § 50 f. Beamtenversorgungsgesetz errechnen sich Nettobeträge von durchschnittlich 1.992,55 Euro (2015), 2.029,61 Euro (2016), 2.080,25 Euro (2017) und 2.156,32 Euro (2018).
Die weitere Beteiligte bezieht noch keine Altersversorgung.
Im Verfahren 1 F 11/15 verpflichtete sich der Antragsteller vor dem Amtsgericht Haßfurt, an die Antragsgegnerin ab Januar 2015 einen monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 535,00 Euro zu bezahlen. Mit außergerichtlichem Vergleich vom 15.11.2017 verpflichtete sich der Antragsteller zu einer Erhöhung des Unterhaltes auf monatlich 672,17 Euro ab 01.04.2017.
Mit Schriftsatz vom 16.04.2015 beantragte der Antragsteller, die Kürzung der laufenden Versorgung bei dem B. in Höhe von 629,27 Euro brutto auszusetzen, solange er Unterhalt an die weitere Beteiligte zahlt und sie noch keine Rente bezieht.
Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung vom 08.02.2017 mit Beschluss vom selben Tag die Kürzung der laufenden Versorgung des Antragstellers bei dem B. ab dem 01.05.2015 in Höhe von 548,92 Euro und ab dem 01.07.2015 in Höhe von 547,18 Euro ausgesetzt, solange der Antragsteller Unterhalt an die weitere Beteiligte zahlt und diese noch keine Rente bezieht.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Pension des Antragstellers ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich netto 1.974,83 Euro und unter Berücksichtigung der Kürzung netto 1.313,92 Euro betrage. Die weitere Beteiligte habe einen Unterhaltstitel, der infolge der Kürzung durch den Versorgungsausgleich nicht mehr in gleicher Höhe bestünde. Die Anpassung der Kürzung erfolge in Höhe der Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte und damit in Höhe von 548,92 Euro ab 01.05.2015 und in Höhe von 547,18 Euro ab 01.07.2018. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Das B. hat gegen den ihm am 16.02.2017 zugestellten Beschluss mit am 23.02.2017 beim Amtsgericht eingegangenem Schreiben Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, dass der auszusetzende Betrag in Höhe des Unterhaltsanspruchs in Höhe von 535,00 Euro festgesetzt werde, und der Begründung, dass die Höhe des Unterhaltsanspruches mit 535,00 Euro geringer sei als der Höchstwert, der sich aus der Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte errechne. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift Bezug genommen.
Der Senat hat die Beteiligten zuletzt darauf hingewiesen, dass die Begrenzung des Aussetzungsbetrages sich aus der Höhe des (fiktiv) errechneten Unterhaltsanspruches ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich, durch die Höhe eines vereinbarten Unterhaltes (auf dieser Grundlage) und durch die Höhe des Bruttobetrages der Versorgung, begrenzt auf die Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte der Regelversorgungen ergebe. Auf die Verfügung vom 26.11.2018 wird Bezug genommen.
Der Beschwerdeführer hat sich hierzu nicht mehr geäußert.
II.
Die gem. §§ 228, 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des B. ist teilweise begründet. Sie führt unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung im tenorierten Umfang.
Die Aussetzung der Kürzung der Versorgungsbezüge des Antragstellers richtet sich nach §§ 33, 34 VersAusglG.
Danach wird die Kürzung der laufenden Versorgung der ausgleichspflichtigen Person ausgesetzt, solange die ausgleichsberechtigte Person aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine laufende Versorgung erhalten kann und sie gegen die ausgleichspflichtige Person ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hätte. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Auch der Grenzwert des § 33 Abs. 2 VersAusglG ist erreicht.
Der Aussetzungsbetrag ist begrenzt durch die Höhe des (fiktiv) errechneten gesetzlichen Unterhaltsanspruchs ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich, ggf. durch die Höhe eines vereinbarten Unterhalts, der auf dieser Grundlage errechnet worden ist, und durch die Höhe des Bruttobetrages der Versorgung, begrenzt auf die Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte der Regelversorgungen (§ 33 Abs. 3 VersAusglG).
Der fiktive gesetzliche Unterhaltsanspruch ist nicht auf Grundlage der bereinigten Rentennettoeinkünfte, sondern der fiktiven ungekürzten Bruttoversorgung des Verpflichteten zu berechnen, also ohne Abzug von Steuer und Krankenversicherung (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2017, 105 ff.; OLG Frankfurt, 2 UF 362/15, Beschluss v. 21.06.2018, juris). Denn auch die Höhe des Aussetzungsbetrages richtet sich nach Bruttobeträgen, weil sowohl die Bestimmung des Wertausgleichsbetrages als auch die Kürzung des ausgeglichenen Anrechts nach vollzogenem Wertausgleich mit den jeweiligen Bruttobeträgen vorgenommen werden. Die Ermittlung des Unterhaltsanspruchs im Sinne des § 33 Abs. 1 und 3 VersAusglG auf der Grundlage der ungekürzten Nettorente würde zu einer Schieflage und einer tendenziell zu weitgehenden Begrenzung des (Brutto-)Aussetzungsbetrages führen.
Dass sich aus dem Abzug der Steuer und eventueller Sozialabgaben ein Fehlbetrag zur tatsächlichen Unterhaltsverpflichtung ergeben kann, ist hinzunehmen (vgl. BT-Drs. 16/10144 S. 72; OLG Koblenz, 13 UF 530/16, Beschluss v. 14.11.2016).
Ausweislich der vom Antragsteller vorgelegten Abrechnungen ergeben sich danach fiktive Unterhaltsansprüche der weiteren Beteiligten, die über kein eigenes Einkommen verfügt, in Höhe von 792,55 Euro (2015), 829,61 Euro (2016), 880,25 Euro (2017) und 956,32 Euro (2018). Auf die nachfolgende Tabelle wird Bezug genommen:
2015
2016
2017
2018
brutto
brutto
brutto
brutto
Januar
2.018,28 €
2.018,28 €
2.062,68 €
2.111,15 €
Februar
2.018,28 €
2.018,28 €
2.111,15 €
2.111,15 €
März
2.018,28 €
2.018,28 €
2.111,15 €
2.111,15 €
April
2.018,28 €
2.018,28 €
2.111,15 €
2.111,15 €
Mai
2.018,28 €
2.018,28 €
2.111,15 €
2.111,15 €
Juni
2.018,28 €
2.018,28 €
2.111,15 €
2.111,15 €
Juli
2.018,28 €
2.018,28 €
2.111,15 €
2.111,15 €
August
2.018,28 €
2.018,28 €
2.111,15 €
2.111,15 €
September
2.018,28 €
2.018,28 €
2.111,15 €
2.111,15 €
Oktober
2.018,28 €
2.018,28 €
2.111,15 €
2.174,27 €
November
2.018,28 €
2.018,28 €
2.111,15 €
2.174,27 €
Dezember
2.018,28 €
2.062,68 €
2.111,15 €
2.174,27 €
gesamt
24.219,36 €
24.263,76 €
25.285,33 €
25.523,16 €
Abzug § 50 f BeamtV – 1,275 %
-308,80 €
-309,36 €
-322,39 €
-325,42 €
verbleibt
23.910,56 €
23.954,40 €
24.962,94 €
25.197,74 €
Nachverrechnungen
134,57 €
236,24 €
266,40 €
441,84 €
gesamt
23.910,56 €
24.355,37 €
24.962,94 €
25.875,82 €
monatl.
1.992,55 €
2.029,61 €
2.080,25 €
2.156,32 €
(fiktiver) Unterhaltsanspruch
996,27 €
1.014,81 €
1.040,12 €
1.078,16 €
Selbstbehalt
1.200,00 €
1.200,00 €
1.200,00 €
1.200,00 €
max. Anspruch
792,55 €
829,61 €
880,25 €
956,32 €
Begrenzt wird der Aussetzungsbetrag allerdings durch die Höhe eines vereinbarten Unterhalts, soweit diesem ebenfalls die ungekürzte Versorgung zugrunde lag (OLG Nürnberg, FamRZ 2016, 559 ff.). Vorliegend haben die beteiligten früheren Ehegatten im Verfahren 1 F 11/15 vor dem Amtsgericht Haßfurt den Unterhaltsanspruch der früheren Ehefrau für die Zeit ab 01.01.2015 in Höhe von monatlich 535,00 Euro tituliert und dabei die ungekürzte Versorgung des Antragstellers der Berechnung zugrunde gelegt.
Diesen Unterhaltsbetrag haben sie mit außergerichtlicher Vereinbarung für die Zeit ab April 2017 auf monatlich 672,17 Euro festgesetzt. Auch hier lag der Berechnung die ungekürzte Versorgung des Antragstellers zugrunde, so dass die Vereinbarung bindend ist.
Schließlich wird der Aussetzungsbetrag begrenzt durch die (niedrigere) Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte der Regelversorgungen, was ab April 2017 zum Tragen kommt. Diese ergeben sich aus den nachfolgenden Tabellen:
2015
Kürzung
3,2927 EP
akt. RW
Obergrenze
entspr. mon.
28,61 €
Januar
Februar
März
April
Mai
643,12 €
94,20 €
548,92 €
Juni
643,12 €
94,20 €
548,92 €
Juli
643,12 €
96,18 €
29,21 €
546,94 €
August
643,12 €
96,18 €
546,94 €
September
643,12 €
96,18 €
546,94 €
Oktober
643,12 €
96,18 €
546,94 €
November
643,12 €
96,18 €
546,94 €
Dezember
643,12 €
96,18 €
546,94 €
2016
Kürzung
3,2927 EP
Obergrenze
entspr. mon.
akt. RW
Januar
643,12 €
96,18 €
546,94 €
Februar
643,12 €
96,18 €
546,94 €
März
643,12 €
96,18 €
546,94 €
April
643,12 €
96,18 €
546,94 €
Mai
643,12 €
96,18 €
546,94 €
Juni
643,12 €
96,18 €
546,94 €
Juli
643,12 €
100,26 €
30,45 €
542,86 €
August
643,12 €
100,26 €
542,86 €
September
657,27 €
100,26 €
557,01 €
Oktober
657,27 €
100,26 €
557,01 €
November
657,27 €
100,26 €
557,01 €
Dezember
657,27 €
100,26 €
557,01 €
2017
Kürzung
3,2927 EP
Obergrenze
entspr. mon.
akt. RW
Januar
657,27 €
100,26 €
557,01 €
Februar
672,72 €
100,26 €
572,46 €
März
672,72 €
100,26 €
572,46 €
April
672,72 €
100,26 €
572,46 €
Mai
672,72 €
100,26 €
572,46 €
Juni
672,72 €
100,26 €
572,46 €
Juli
672,72 €
102,17 €
31,03 €
570,55 €
August
672,72 €
102,17 €
570,55 €
September
672,72 €
102,17 €
570,55 €
Oktober
672,72 €
102,17 €
570,55 €
November
672,72 €
102,17 €
570,55 €
Dezember
672,72 €
102,17 €
570,55 €
2018
Kürzung
3,2927 EP
Obergrenze
entspr. mon.
akt. RW
Januar
672,72 €
102,17 €
570,55 €
Februar
672,72 €
102,17 €
570,55 €
März
672,72 €
102,17 €
570,55 €
April
672,72 €
102,17 €
570,55 €
Mai
672,72 €
102,17 €
570,55 €
Juni
672,72 €
102,17 €
570,55 €
Juli
672,72 €
105,47 €
32,03 €
567,25 €
August
672,72 €
105,47 €
567,25 €
September
672,72 €
105,47 €
567,25 €
Oktober
692,83 €
105,47 €
587,36 €
November
692,83 €
105,47 €
587,36 €
Dezember
692,83 €
105,47 €
587,36 €
Da das Verbot der reformatio in peius im Versorgungsausgleichsverfahren nicht gilt, ist die Kürzung für den Zeitraum vom 01.04.2017 an in einem über den vom Amtsgericht zugesprochenen Betrag hinausgehenden Umfang auszusetzen und in diesem Umfang die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 FamFG.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 40, 50 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 FamGKG mit dem Mindestwert.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.