Verwaltungsrecht

Keine Zulassung der Berufung (Äthiopien)

Aktenzeichen  8 ZB 18.33369

Datum:
9.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1053
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b Abs. 2, § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3, Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2, § 83b
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 138 Nr. 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Stützt sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, genügt es den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 S. 4 AsylG in Bezug auf die grundsätzliche Bedeutung einer Tatsachenfrage nicht, wenn lediglich die Behauptung aufgestellt wird, die für die Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse stellten sich anders dar als vom Verwaltungsgericht angenommen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Asylprozess kann die Verletzung materiellen Rechts als solche nicht zu einer Berufungszulassung führen, weil § 78 Abs. 3 AsylG – anders als § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO – den Zulassungsgrund der „ernstlichen Zweifel“ an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gerade nicht vorsieht. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 1 K 17.30516 2018-11-14 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtlich Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 21.11.2017 – 1 B 148.17 u.a. – juris Rn. 4 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 30.9.2015 – 1 B 42.15 – juris Rn. 3). Darzulegen sind mithin die konkrete Frage sowie ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung (vgl. OVG NRW, B.v. 15.12.2017 – 13 A 2841/17.A – juris Rn. 3 ff.).
Stützt sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, genügt es den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG in Bezug auf die grundsätzliche Bedeutung einer Tatsachenfrage nicht, wenn lediglich die Behauptung aufgestellt wird, die für die Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse stellten sich anders dar als vom Verwaltungsgericht angenommen. Vielmehr bedarf es in diesen Fällen zumindest eines überprüfbaren Hinweises auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- und Erkenntnisquellen (z.B. Gutachten, Auskünfte, Presseberichte), die zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufzeigen, dass die aufgeworfene Tatsachenfrage anders als in der angefochtenen Entscheidung zu beantworten ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2007 – 1 ZB 07.30025 – juris Rn. 3; B.v. 13.6.2016 – 13a ZB 16.30062 – juris Rn. 5; OVG NRW, B.v. 12.12.2016 – 4 A 2939/15.A – juris Rn. 4 f.; SächsOVG, B.v. 30.11.2017 – 1 A 1046/17.A – juris Rn. 5; OVG SA, B.v. 29.3.2017 – 3 L 249/16 – juris Rn. 14; HessVGH, B.v. 17.1.2017 – 3 A 2970/16.Z.A – juris Rn. 2).
Diesen Anforderungen wird das klägerische Vorbringen nicht gerecht.
1.1 Die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Tatsachenfrage,
„ob äthiopische Staatsangehörige, die nach Äthiopien während der Unruhen im Lande illegal über die Grenze zurückkehrten und daraufhin für Initiatoren von Aufständen gehalten wurden, wegen einer i.S.d. § 3b Abs. 2 AsylG jedenfalls zugeschriebenen politischen Überzeugung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG verfolgt werden, hilfsweise ob dieser Umstand hinreichend wahrscheinlich die Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG begründet und somit subsidiärer Schutz zuzuerkennen sein muss“,
ist nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass einem Anspruch des Klägers auf Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes entgegensteht, dass er nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen eines asylrelevanten Merkmals nach § 3 Abs. 1 AsylG ausgereist ist. Die von der aufgeworfenen Frage vorausgesetzte Behauptung, der Kläger sei von staatlichen äthiopischen Stellen für einen Initiator von Aufständen gehalten worden, ist mithin nicht erfüllt, sodass sich die Frage einer daran anknüpfenden Verfolgungshandlung nicht stellt. Das Verwaltungsgericht hat den diesbezüglichen Schilderungen des Klägers keinen Glauben geschenkt, sondern im Rahmen seiner richterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) festgestellt, dass ein irgendwie geartetes, über den Vorwurf der illegalen Ein- und Ausreise hinausgehendes Interesse staatlicher äthiopischer Stellen an seiner Person nicht erkennbar sei (vgl. S. 7 UA). Dass es das klägerische Vorbringen zu seiner kurzzeitigen Inhaftierung und Durchführung eines Gerichtsverfahrens wegen einer vermeintlich illegalen Ein- und Ausreise als wahr unterstellt hat (vgl. S. 6 UA), ändert daran nichts. Auch hinsichtlich der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass der Kläger keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in Äthiopien ein ernsthafter Schaden droht.
Soweit der Kläger geltend macht, er habe bereits beim Bundesamt vorgetragen, dass ihn die äthiopische Regierung für einen Oppositionellen und exilpolitisch tätigen „Aufwiegler“ halte, wendet er sich gegen die richterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), die grundsätzlich dem materiellen Recht zuzuordnen ist. Im Asylprozess kann die Verletzung materiellen Rechts als solche nicht zu einer Berufungszulassung führen, weil § 78 Abs. 3 AsylG – anders als § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO – den Zulassungsgrund der „ernstlichen Zweifel“ an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gerade nicht vorsieht. Durch Mängel der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann allenfalls der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt sein, allerdings nur dann, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt, vor allem wenn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 9 B 11.17 – juris Rn. 3; B.v. 12.3.2014 – 5 B 48.13 – NVwZ-RR 2014, 660 = juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 21 ZB 18.30867 – juris Rn. 4).
Dass ein solcher Mangel vorliegt, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf. Der klägerische Einwand, er habe bereits gegenüber dem Bundesamt vorgetragen, dass ihn die äthiopische Regierung bei seiner Rückkehr aus dem Sudan für einen oppositionellen und exilpolitisch tätigen „Aufwiegler“ gehalten habe, vermag keinen Mangel der erstinstanzlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung belegen. Das Verwaltungsgericht hat nicht darauf abgestellt, dass der Kläger hierzu gegenüber dem Bundesamt nichts vorgetragen habe. Vielmehr ist es zu der Einschätzung gelangt, der Kläger habe sein bisheriges Vorbringen gesteigert, indem er in der mündlichen Verhandlung behauptet habe, man habe ihm eine Mitgliedschaft in der OLF vorgeworfen (vgl. S. 6 f. UA; S. 2 der Sitzungsniederschrift des VG vom 8.11.2017).
1.2 Der Zulassungsantrag zeigt auch hinsichtlich der Tatsachenfrage,
„ob die allgemeine humanitäre Lage in Äthiopien auch mit Stand Ende 2018 trotz der urteilsweise dargebrachten harten Existenzbedingungen die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG weiterhin nicht rechtfertigen, oder ob ein solches Abschiebungsverbot äthiopischen Staatsangehörigen aus diesem Grund zugesprochen werden muss“,
keinen Klärungsbedarf auf. Er nennt keinerlei Tatsachen- oder Erkenntnisquellen, die nahelegten, dass sich die Existenzbedingungen in Äthiopien für Rückkehrer anders verhielten als vom Verwaltungsgericht auf Grundlage des Berichts des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien angenommen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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