Aktenzeichen 15 ZB 18.33244
Leitsatz
1. Die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung im Berufungszulassungsverfahren erfordert, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht. (Rn. 6 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil von einer Entscheidung eines der im Gesetz genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht, wobei eine Abweichung vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abrückt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 6 K 17.33115 2018-10-23 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gründe
I.
Der Kläger – ein nach eigenen Angaben am 21. Oktober 1980 im Libanon geborener staatenloser Palästinenser – wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 18. Mai 2017, mit dem ihm die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurde, ferner festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, und die Abschiebung in den Libanon oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht wurde. In den Gründen des Bescheids vom 18. Mai 2017 wird u.a. ausgeführt, dass das Bundesamt dem Vortrag des Klägers, er habe den Libanon als kleines Kind verlassen und habe – mit Ausnahme einer Zwischenphase im Libanon von 1991 bis 1994 und sowie eines Aufenthalts in Libyen zwei Jahren und fünf Monaten vor seiner Einreise nach Deutschland (August 2015) – in Syrien gelebt, von wo aus er 2013 geflohen sei, keinen Glauben geschenkt habe; es sei – so das Bundesamt – vielmehr davon auszugehen, dass der Libanon das Land seines gewöhnlichen Aufenthalts gewesen sei. Der Kläger habe keine staatliche oder nichtstaatliche Verfolgung im Libanon vorgetragen, solche sei auch nicht ersichtlich.
Mit Urteil vom 23. Oktober 2018 wies das Verwaltungsgericht Augsburg die vom Kläger erhobene Klage mit den Anträgen, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Mai 2017 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft und (hilfsweise) den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie (weiter hilfsweise) festzustellen, dass bei ihm Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, ab. In den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils heißt es, das Verwaltungsgericht sei – anders als das Bundesamt – davon überzeugt, dass der Kläger im Libanon geboren, anschließend als Kleinkind nach dem Tod seines Vaters mit seiner Mutter nach Syrien umgezogen und zwischenzeitlich zur Pflege des kranken Großvaters dann zusammen mit der Mutter wieder in den Libanon zurückgekehrt sei, sodann nach dem Tod des Großvaters erneut in Syrien gewohnt habe sowie schließlich 2013 nach Libyen ausgewandert sei. Das Verwaltungsgericht sei daher davon überzeugt, dass der Kläger zuletzt in Libyen – und nicht im Libanon – gelebt habe, sodass auf Libyen als das Land seines vorherigen und letzten gewöhnlichen Aufenthalts i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AsylG abzustellen sei. Der Kläger habe dort tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt gefunden und habe dort nicht nur vorübergehend verweilt, ohne dass die zuständigen Behörden aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn eingeleitet hätten; er habe nach seinem Vortrag zwei Jahre und fünf Monate, mithin für eine längere Zeit und nicht nur kurzfristig zur Durchreise, in Libyen gelebt. In Libyen drohe dem Kläger aber keine Verfolgung gem. § 3 AsylG. Der Kläger habe auch keine stichhaltigen Gründe vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Libyen ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG drohe. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen weder hinsichtlich Libyen noch hinsichtlich des Libanon vor.
Mit seinem auf § 78 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 AsylG gestützten Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) und der sog. Divergent (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) liegen nicht vor bzw. sind vom Kläger nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügen.
1. Die Berufung ist nicht gem. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zuzulassen.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 15 ZB 17.31475 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 24.4.2018 – 8 ZB 18.30874 – juris Rn. 4; B.v. 6. Juni 2018 – 15 ZB 18.31230).
Mit den Ausführungen im Zulassungsantrag werden die Darlegungsvoraussetzungen für den Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht erfüllt. Der Kläger lässt hierzu vortragen, Syrien sei das Land seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts gewesen. Gegen die Argumentation in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils lässt er zur Untermauerung des behaupteten Zulassungsgrundes gem. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG einwenden, das Verwaltungsgericht habe außer Betracht gelassen, dass er illegal in Libyen verweilt habe. Dem stehe – so die Antragsbegründung weiter – nicht entgegen, dass keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen ihn eingeleitet worden seien. Insoweit sei bereits unklar, ob dies überhaupt bei einem längeren Aufenthalt nicht doch geschehen wäre. Das Verwaltungsgericht hätte jedoch bei einer anderen Bewertung und ohne den Rechtsverstoß vermutlich zu einer für ihn günstigeren Entscheidung gelangen müssen, nachdem die Flucht aus Syrien nach der Rechtsprechung jedenfalls mindestens die Zuerkennung des subsidiären Schutzes, im Einzelfall – so bei wehrpflichtigen Männern im Alter des Klägers – die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach sich ziehe.
Die vom Kläger als grundsätzlich behauptete und so formulierte Frage,
„ob bei einem Staatenlosen ein (Durchreise-) Land bereits dann das Land seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 b.) AsylG sein kann, wenn er dort nicht nur vorübergehend verweilte, ohne dass die zuständigen Behörden aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn einleitete“,
ist im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts nicht klärungsbedürftig. Denn es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits geklärt, dass der gewöhnliche Aufenthalt eines Staatenlosen im Sinn des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AsylG nicht voraussetzt, dass dieser rechtmäßig sein muss. Es genügt vielmehr, dass der Staatenlose in dem betreffenden Land tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat, dort also nicht nur vorübergehend verweilt hat, ohne dass die zuständigen Behörden aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn eingeleitet haben (BVerwG, U.v. 26.2.2009 – 10 C 50.07 – BVerwGE 133, 203 = juris Rn. 31, 34; ebenso BayVGH, U.v. 14.4.2011 – 2 B 06.30538 – juris Rn. 39; U.v. 14.4.2011 – 2 B 07.30242 – juris Rn. 41; VG Würzburg, B.v. 17.1.2018 – W 2 K 17.33587 – juris Rn. 26). Soweit der Kläger mit der Formulierung der Fragestellung unterstellt, Libyen sei für ihn ein bloßes „(Durchreise-) Land“ gewesen, setzt er sich über die Bewertung des Erstgerichts hinweg und greift damit im Gewand der Grundsatzrüge tatsächlich die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Erstgerichts an, ohne damit jedoch eine – zumal eine über den Einzelfall hinausgehende – Klärungsbedürftigkeit einer entscheidungserheblichen Rechts- oder Tatsachenfrage darzulegen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 9.10.2018 – 15 ZB 18.32501 – juris Rn. 4). Denn hiervon geht das Verwaltungsgericht nach Maßgabe seiner einzelfallbezogenen, ausführlichen Begründung gerade nicht aus. In den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils wird insofern vielmehr ausgeführt, dass das Gericht davon überzeugt sei, der Kläger habe in Libyen während seines dortigen zweijährigen und fünfmonatigen Aufenthalts tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt gefunden und habe dort nicht nur kurzfristig zur Durchreise gelebt. Dass er dort seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt gefunden habe, zeige – so das Verwaltungsgericht weiter – auch der Umstand, dass er dort jahrelang als Verkäufer tätig gewesen sei, in Tripolis eine Mietwohnung bewohnt habe und dort familiär integriert gewesen sei. Schon die objektiven Umstände seines dortigen Aufenthalts (Aufenthaltsdauer, langfristige Arbeitsaufnahme, Anmietung einer Wohnung, familiäres Umfeld) ließen auf die Begründung eines tatsächlichen Lebensmittelpunktes und damit eines gewöhnlichen Aufenthalts schließen; der Aufenthalt des Klägers in Libyen unterscheide sich aus Sicht des Verwaltungsgerichts damit grundlegend von dem anderer Migranten, für die Libyen lediglich ein Transitland auf ihrem Weg nach Europa sei und die dort keinen auf Dauer angelegten Aufenthalt begründeten. Nach der Einlassung des Klägers – nämlich dass dem Kläger sein in Libyen wohnender Cousin ihm vormals berichtet habe, dass das Leben in Libyen gut sei und dass er dort arbeiten könne, und dass sich erst später herausgestellt habe, dass die Leute in Libyen gegen sie gewesen seien – sei das Verwaltungsgericht davon überzeugt, dass der Kläger nach Libyen – anders als andere Migranten – schon mit dem Willen eingereist sei, sich dort für längere Zeit niederzulassen. Den Entschluss, von Libyen nach Europa zu reisen, habe der Kläger nach der Überzeugung des Erstgerichts erst zu einem späteren Zeitpunkt, als er schon in Libyen gewohnt habe, gefasst.
2. Der Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG (sog. Divergenz) wurde ebenfalls nicht ausreichend dargetan.
Der Kläger trägt mit seiner Antragsbegründung vor, das Verwaltungsgericht habe in Rn. 25 der angefochtenen Entscheidung den Grundsatz aufgestellt, dass er – der Kläger – in Libyen seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe, weil er dort tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt gefunden und dort nicht nur vorübergehend verweilt habe, ohne dass die zuständigen Behörden dort aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn eingeleitet hätten. Dieser aufgestellte Grundsatz weiche laut der Antragsbegründung von BVerwG, U.v. 26.2.2009 – 10 C 50.07 – juris Rn. 37 ab, wo das Bundesverwaltungsgericht den Rechtssatz aufgestellt habe, dass bei einem zehnjährigen Aufenthalt in einem Land kein Grund bestehe, zusätzlich auf ein (weiteres) Land des vorausgegangenen Aufenthalts abzustellen. Mit dem Abstellen auf Libyen als Land des vorausgegangenen Aufenthalts, wo er – der Kläger – seinen Lebensmittelpunkt gehabt habe, ohne dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn eingeleitet worden seien, lasse das Verwaltungsgericht, ohne den Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts überhaupt an- oder aufzugreifen, eine eigene Interpretation des Begriffs des „vorherigen Landes“ aufblühen, um dann konsequent die Lage in Syrien als für den Kläger und seinen Fluchtgrund als unerheblich zu werten, obgleich Libyen allgemein als Transitland bekannt sei. Das angegriffene Urteil beruhe – so der Kläger weiter – auch auf dieser Divergenz, da das Verwaltungsgericht ohne den Rechtsverstoß auf Syrien als letztes Land des gewöhnlichen Landes abgestellt hätte und dann vermutlich zu einer für ihn günstigeren Entscheidung hätte gelangen müssen, nachdem die Flucht aus Syrien nach einhelliger Rechtsprechung jedenfalls mindestens zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes, im Einzelfall – so bei wehrpflichtigen Männern im Alter des Klägers – die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach sich ziehe.
Mit dieser Argumentation legt der Kläger den Zulassungsgrund der Divergenz nicht in einer Weise dar, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügen. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil von einer Entscheidung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abrückt. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Im Zulassungsantrag muss daher ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet werden und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden. Die bloße Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die die betreffenden Gerichte in ihrer Rechtsprechung aufgestellt haben, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht (zum Ganzen vgl. BayVGH, 7.4.2017 – 15 ZB 17.30355 – juris Rn. 7 m.w.N.). Es genügt ferner nicht, wenn in der angegriffenen Entscheidung ein in der Rechtsprechung der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte aufgestellter Grundsatz lediglich übersehen, übergangen oder in sonstiger Weise nicht richtig angewandt worden ist (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 31.7.2018 – 15 ZB 17.30493 – juris Rn. 7 m.w.N.).
In der in der Antragsbegründung in Bezug genommenen Passage der Entscheidung BVerwG, U.v. 26.2.2009 – 10 C 50.07 – BVerwGE 133, 203 (konkret juris Rn. 34 – 37) heißt es wörtlich:
„Setzt ein gewöhnlicher Aufenthalt nach § 3 Abs. 1 AsylVfG nur voraus, dass der Staatenlose in dem betreffenden Land tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat, dort also nicht nur vorübergehend verweilt, und die zuständigen Behörden keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen ihn eingeleitet haben, so haben die Kläger ausgehend von den Feststellungen des Berufungsgerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Russischen Föderation gehabt. Angesichts des zehnjährigen Aufenthalts der Klägerin zu 1 in Russland, ihres dortigen mehrjährigen Handeltreibens, der dortigen Geburt und des Heranwachsens ihres Sohnes – des Klägers zu 2 – ist die Russische Föderation für sie und den Kläger zu 2 zum Lebensmittelpunkt geworden, ohne dass die russischen Behörden aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen sie eingeleitet haben.“ (…)
Hat ein Staatenloser im Lauf seines Lebens in mehr als einem Staat nicht nur vorübergehend gelebt, so ist für die Beurteilung der Verfolgungsgefahr grundsätzlich auf das Land seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts abzustellen (…).
Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Klägerin zu 1 zehn Jahre lang ihren Lebensmittelpunkt in der Russischen Föderation hatte und der Kläger zu 2 dort geboren und aufgewachsen ist, besteht kein Grund, zusätzlich auf Aserbaidschan als Land des vorausgegangenen Aufenthalts der Klägerin zu 1 zurückzugreifen. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts dürfte eine Flüchtlingsankerkennung der Kläger im Falle einer aus asylunerheblichen Gründen eingetretenen Staatenlosigkeit daher nicht in Betracht kommen, da eine Verfolgungsgefahr in der Russischen Föderation weder geltend gemacht noch festgestellt ist.“
Das Bundesverwaltungsgericht hat hier mithin keinen Rechtssatz aufgestellt, wonach ein Aufenthalt mindestens zehn Jahre dauern muss, damit das betroffene Land als Land des vorherigen (letzten) gewöhnlichen Aufenthalts i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AsylG (bzw. im Sinne der entsprechenden Regelung im AsylVfG a.F.) angesehen werden kann. Das Bundesverwaltungsgericht hat im dortigen Einzelfall vielmehr maßgeblich aufgrund der dortigen Verweildauer von zehn Jahren die tatbestandlichen Voraussetzungen ohne Weiteres als erfüllt angesehen. Ein Widerspruch zur Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts bzw. eine Divergenz zu einem vom Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung aufgestellten Rechtssatz ist nicht zu erkennen, soweit in der vorliegenden Fallgestaltung vom Verwaltungsgericht angenommen wurde, die Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthalts i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AsylG könnten auch bei einer kürzeren Verweildauer als zehn Jahre – hier zwei Jahre und fünf Monate – vorliegen. Es ist weder ausdrücklich noch konkludent der Entscheidung BVerwG, U.v. 26.2.2009 – 10 C 50.07 – BVerwGE 133, 203 zu entnehmen, dass das Bundesverwaltungsgericht eine solche Rechtsanwendung hat ausschließen wollen, zumal das Bundesverwaltungsgericht auf die Rechtsprechung des Federal Court of Canada zur Genfer Flüchtlingskonvention rekurriert, die sogar einen einjährigen Aufenthalt als sinnvollen Abgrenzungsstandard ansehe (BVerwG, U.v. 26.2.2009 a.a.O. juris Rn. 33; vgl. auch VG Würzburg, B.v. 17.1.2018 – W 2 K 17.33587 – juris Rn. 26).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).