Arbeitsrecht

Keine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis eines im Bundesgebiet geborenen straffälligen Ausländers

Aktenzeichen  M 25 K 16.4299

Datum:
12.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 43221
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 25 Abs. 4 S. 2, § 26 Abs. 4 S. 4, § 35 Abs. 1, Abs. 3, § 54 Abs. 2 Nr. 2
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

Das Begehren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels muss zumindest sinngemäß auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem bestimmten Aufenthalt in der Bundesrepublik gerichtet sein. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Der Bescheid der Beklagten vom … 2016 in der Fassung des Bescheides vom … 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
1. Auf die vom Kläger am … 2013 beantragte Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis finden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung, § 8 Abs. 1 AufenthG. Gem. § 81 Abs. 1 Abs. 1 AufenthG wird ein Aufenthaltstitel grundsätzlich nur auf Antrag ausgestellt. Das Begehren muss dabei zumindest sinngemäß auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem bestimmten Aufenthalt in der Bundesrepublik gerichtet sein (vgl. Kluth in BeckOK Ausländerrecht, 20. Auflage, Stand: 1.11.18, zu § 81, Rdn. 6). Eine Niederlassungserlaubnis wurde vom Kläger nicht beantragt.
a.) Der Kläger beantragte vielmehr die Verlängerung seiner nach § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG zuvor erteilten Aufenthaltserlaubnis. Eine Verlängerung nach dieser Vorschrift kommt allein deswegen nicht mehr in Frage, weil nach Erreichen der Volljährigkeit eine außergewöhnliche Härte nicht mehr anzunehmen ist. Sonstige Gründe, die eine außergewöhnliche Härte begründen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Auch die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 26 Abs. 4 S. S. 4 i.V.m. § 35 Abs. 3 S. 2 AufenthG sind nicht erfüllt. Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 S. 1 AufenthG liegen nicht vor, weil der Kläger auf Grund seiner verspäteten Antragstellung nicht fünf Jahre ununterbrochen im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war. § 35 Abs. 1 S. 2 AufenthG kommt aus diesem Grund ebenfalls nicht in Betracht (vgl. § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG). Zudem ist weder sein Lebensunterhalt gesichert noch befindet er sich in Ausbildung. Der Kläger befindet sich seit … 2018 in Haft und davor von … 2016 bis … 2017. Im Anschluss daran befand er sich bis … 2018 in einer stationären Drogentherapie. Ansonsten war er arbeitslos bzw. nur kurzfristig beschäftigt.
b.) Darüber hinaus stehen der Verlängerung eines Aufenthaltstitels die Versagungsgründe des § 5 Abs. 1 Nr. 2 und des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen.
i) Der Lebensunterhalt des Klägers ist nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 3 AufenthG gesichert (vgl. oben unter a.).
ii) Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 54 AufenthG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel zudem zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse besteht. Dieses ist dann anzunehmen, wenn ein in § 54 AufenthG normierter Ausweisungstatbestand erfüllt ist und von dem Betroffenen eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (vgl. BayVGH B.v. 29.8.2016 – … – juris Rn. 22). Nicht erforderlich ist in diesem Zusammenhang, dass tatsächlich eine Ausweisung verfügt wurde. Eine Abwägung mit den Interessen des Klägers ist folglich nicht durchzuführen.
Beim Kläger liegt ein schweres Ausweisungsinteresse i.S.d. § 54 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vor. Nach § 54 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG liegt ein schweres Ausweisungsinteresse vor, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – … vom … 2017 (Az.: …) wurde der Kläger rechtskräftig zu einer Einheitsjugendstrafe von … Jahr und … Monate verurteilt. Die Vollstreckung wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt.
Der Kläger stellt auch eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, da davon auszugehen ist, dass der Kläger erneut straffällig wird. Beim Kläger handelt es sich um einen jugendlichen Intensivtäter mit hoher Rückfallgeschwindigkeit und einer ungelösten Drogenproblematik. Der Kläger konsumiert nach eigenen Angaben seit seinem 12. Lebensjahr Drogen. Etwa ab dem 14. Lebensjahr hat er seinen Angaben zu Folge seinen Konsum mit dem Verkauf von Drogen finanziert. Der Kläger hat bislang keine Dorgentherapie absolviert. Aus der stationären Drogentherapie wurde er im Februar 2018 wegen Pflichtwidrigkeit vorzeitig entlassen. Einen anderen Therapieplatz hat der Kläger nicht gesucht. Auf Grund der bislang nicht erfolgreich abgeschlossenen Therapie ist davon auszugehen, dass der Kläger auch in Zukunft seine Drogensucht durch Dealen finanziert.
Der Kläger ist außerdem seit seinem 13. Lebensjahr bislang fünfmal strafrechtlich in Erscheinung getreten. Auch Haftstrafen vom … 2015 bis … 2015 und vom … 2016 bis … 2017 haben den Kläger nicht dazu bewogen, sein Verhalten zu ändern. Auch die Verlobung mit seiner Freundin im … 2018 hat sich bislang nicht positiv ausgewirkt. Vielmehr wurde erst im … 2018 ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen vorsätzlicher Körperverletzung gegen den Kläger eingeleitet, weil er einem anderen mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben soll. Bei der Tat stand der Kläger erneut unter Einfluss von Drogen.
Damit ist ein Ausweisungsinteresse nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gegeben.
iii) Es liegt auch kein atypischer Ausnahmefall vor, der ein Absehen von den in § 5 AufenthG genannten Regelerteilungsvoraussetzungen gebieten würde (vgl. BayVGH, B.v. … – … – juris Rn. 17). Ein atypischer Fall liegt vor, wenn er so weit vom Regelfall abweicht, dass die Versagung des Aufenthaltstitels mit der Systematik oder den grundlegenden Entscheidungen des Gesetzgebers nicht mehr vereinbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten ist (vgl. BayVGH, B.v. … – …).
Dass der Kläger die Straftaten, die ein Ausweisungsinteresse begründen, überwiegend im Jugend- und Heranwachsendenalter begangen hat, stellt keine vom gesetzlichen Regelbild abweichenden Ausnahmefall dar, da § 54 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG gerade auch eine Regelung zu Straftaten in diesem Alter enthält (… ).
Ein Ausnahmefall liegt auch unter Einbeziehung der sich aus Art. 8 EMRK ergebenden Anforderungen nicht vor. Der Kläger ist zwar in der Bundesrepublik geboren und hier aufgewachsen. Er hatte bis zu seinem 16. Lebensjahr Aufenthaltserlaubnisse und danach Fiktionsbescheinigungen. Er verfügt damit über soziale Bindungen im Bundesgebiet. Allerdings hat der Kläger die lange Dauer seines Aufenthalts nicht genutzt, sich wirtschaftlich und sozial so zu integrieren, dass eine Verfestigung seiner Lebensverhältnisse im Bundesgebiet eingetreten ist und ihn eine Beendigung des Aufenthaltes besonders hart treffen würde. Der Kläger hat erst in der Haft seinen Hauptschulabschluss nachgeholt. Eine Ausbildung hat der Kläger bislang nicht abgeschlossen. Vor seiner Inhaftierung war er arbeitslos. Eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt ist damit nicht erfolgt.
Überdies ist der Kläger seit dem Jahr 2011 mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Zuletzt wurde er 2017 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Einheitsjugendstrafe von … Jahr und … Monate verurteilt. Mit dem aus dem Verkauf erzielten Gewinn wollte er seine Drogensucht finanzieren. Der Kläger hat bislang keine Drogentherapie absolviert. Auf Grund der bislang nicht erfolgreich abgeschlossenen Therapie ist davon auszugehen, dass der Kläger auch in Zukunft seine Drogensucht durch Dealen finanziert. Verhaltensänderungen in Bezug auf seine Kriminalität sind nicht zu erkennen. Vielmehr wurde erst im … 2018 ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen vorsätzliche Körperverletzung gegen den Kläger eingeleitet.
Eine Ausreise trifft den Kläger auch insofern nicht übermäßig hart, als er sich in der albanischen Sprache verständigen kann und dem Kläger das Land auf Grund seiner diversen Aufenthalte nicht fremd ist. Der Kontakt zu den Eltern und Geschwistern ist auch aus dem Kosovo mittels elektronischer Medien möglich.
Auch unter Berücksichtigung von Art. 6 GG ergibt sich kein atypischer Ausnahmefall. Der Kläger ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Seine Verlobung fällt nicht in den Schutzbereich des Art. 6 GG, zumal eine Eheschließung auch nicht unmittelbar bevorstand (vgl. BayVGH, B.v. 13.05.2012 – … – beckonline BeckRS 2002, 31623).
c.) Da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG bzw. § 26 Abs. 4 S. 4 i.V.m. § 35 AufenthG nicht vorliegen und Versagungsgründe nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG erfüllt sind, kommt es auf die Frage, ob die Behörde das ihr zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, nicht mehr an.
Im Übrigen wäre die von der Beklagten abschließend getroffene umfangreiche Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden. Auf diese wird in Ergänzung Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
2. Die auf § 58, 59 Abs. 1, 2 und 5 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung in Ziff. 2 des Änderungsbescheides vom … 2018 begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Ausreisefrist von einer Woche bei einer Abschiebung nach Haftentlassung erscheint angemessen. Sie hält sich an die gesetzlichen Mindestvorgaben in § 59 Abs. 1 S. 1 AufenthG. Sie erscheint auch unter dem Gesichtspunkt ausreichend, dass der Kläger weder einen Hausstand aufzulösen noch eine Arbeitsstelle zu kündigen hat.
3. Rechtsgrundlage für die Wiedereinreisesperre ist § 11 AufenthG. Die für den Fall der Abschiebung festgesetzte Wiedereinreisesperre von 4 Jahren ist rechtmäßig. Hinsichtlich der Dauer der Sperrfrist gemäß § 11 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG bedarf es der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. In diesem Rahmen sind auch verfassungsrechtliche Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG) sowie die Vorgaben aus Art. 7 Grundrechtscharta, Art. 8 EMRK zu berücksichtigen (BVerwG, U.v.13.12.2012 – … – juris). Die vom Gericht nur beschränkt überprüfbare Ermessensentscheidung lässt keine Rechtsfehler erkennen. Insbesondere hat die Beklagte bei der Ermessensausübung die vom Kläger ausgehende Wiederholungsgefahr auf der einen Seite und den langjährigen Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik auf der anderen Seite berücksichtigt und entsprechend gewichtet.
4. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708ff. VwGO.

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