Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Kosten der Unterkunft

Aktenzeichen  L 16 AS 346/15

Datum:
15.11.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 34589
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 22 Abs. 1
SGG § 110

 

Leitsatz

Bei Nutzung zweier Unterkünfte durch den Leistungsberechtigten werden Kosten der Unterkunft und Heizung nur für die Wohnung gewährt, die der Leistungsberechtigte nachweislich vorrangig zu Wohnzwecken nutzt.

Verfahrensgang

S 8 AS 548/14 2015-04-10 SGAUGSBURG SG Augsburg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 10. April 2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat hat in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden können, da dieser über den Termin zur mündlichen Verhandlung informiert und dabei auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2, § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Es hat keine Notwendigkeit bestanden, auf den Antrag des Klägers vom 13.11.2018 den Verhandlungstermin aufzuheben, weil der Kläger trotz Aufklärung durch den Senat mit Schreiben vom 13.11.2018 erhebliche Gründe für eine Verlegung der Gerichtsverhandlung nicht glaubhaft gemacht hat (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 110 Rn. 4b ff.)
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 151 SGG). Sie ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht als unbegründet abgewiesen.
Gegenstand des Verfahrens ist die endgültige Entscheidung des Beklagten über den Leistungsanspruch des Klägers für die Zeiten von 11.01.2010 bis 30.06.2010 und von 01.07.2010 bis 31.12.2010 mit den Bescheiden vom 17.10.2013 und vom 01.08.2011 (Bekanntgabe erst im Oktober 2013) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2014, ergänzt durch die nach § 96 Abs. 1 SGG einbezogenen Bescheide vom 19.05.2014, mit denen nunmehr für 2010 Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 374 € gewährt wurden, wobei der Streitgegenstand auf die Unterkunftskosten beschränkt ist. Bei Klageerhebung am 06.06.2015 ist die Beschränkung auf die Unterkunftskosten sowohl im Klageantrag als auch in der Klagebegründung klar und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht worden. Der Senat wertet den in der mündlichen Verhandlung am Sozialgericht gestellten Antrag – „höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“ – nicht als ohnehin nicht zulässige Klageerweiterung, da das gesamte Vorbringen des Klägers in beiden Instanzen auf die Gewährung höherer Unterkunftskosten für die W-Straße beschränkt war.
Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II leistungsberechtigt. Dies wurde vom Beklagten im gerichtlichen Vergleich vom 09.11.2010 anerkannt und im gerichtlichen Vergleich vom 29.04.2013 erneut bestätigt, indem sich der Beklagte zur endgültigen Entscheidung über den Leistungsanspruch im Jahr 2010 verpflichtete.
Der Kläger hat für den Leistungszeitraum 11.01.2010 bis 31.12.2010 keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Unterkunftskosten als er bereits erhalten hat. Anders als das Sozialgericht sieht der Senat die Begründung für das Nichtbestehen des streitigen Anspruchs gemäß § 22 Abs. 1 SGB II auf Gewährung höherer Unterkunftskosten als 374 € monatlich darin, dass der Beweis dafür nicht erbracht ist, dass der Kläger, der in der streitgegenständlichen Zeit zwei Unterkünfte in der T-Straße und in der W-Straße zu Wohnzwecken nutzen konnte, vorrangig die Wohnung in der W-Straße zu Wohnzwecken nutzte. Das ist allerdings eine wesentliche Voraussetzung für die Anerkennung von Unterkunftskosten bezogen auf die W-Straße. Ein Anspruch des Klägers auf (weitere) Unterkunftskosten kann nur bestehen, wenn er die Wohnung in der W-Straße tatsächlich vorrangig zu Wohnzwecken nutzte (vgl. Luik in Eicher, SGB II, 4. Auflage 2017, § 22 Rn. 38 m.w.N., Rn. 44). Dafür trägt der Kläger als Anspruchsteller die Beweislast.
Der Senat hält es für nicht erwiesen, dass der Kläger die Unterkunft in der W-Straße vorrangig zu Wohnzwecken nutzte. Auch wenn der Kläger einen Umzug von der T-Straße in die W-Straße Ende 2009 ernstlich geplant haben sollte, spricht nach dem bekannten Sachverhalt außer der wiederholten Behauptung des Klägers, er habe ab 2010 in der W-Straße gelebt, nichts dafür, dass er zum Jahreswechsel 2009/ 2010 oder Anfang 2010 Veränderungen herbeiführte, die eine vorrangige Nutzung der W-Straße zu Wohnzwecken belegen würden. Die Ummeldung beim Einwohnermeldeamt am 18.12.2009 reicht insoweit nicht aus. Bei Nutzung zweier Unterkünfte zu Wohnzwecken und bei gleichzeitiger Nutzung dieser zwei Unterkünfte zu Erwerbszwecken setzt eine Entscheidung des Senats zugunsten des klägerischen Begehrens voraus, dass die Angaben des Klägers zu seinen Lebensverhältnissen im Jahr 2010 klar und widerspruchsfrei sind und mit objektiven äußeren Umständen im Einklang stehen. Es fehlt allerdings schon an klaren und widerspruchsfreien Angaben des Klägers zur Nutzung der Unterkünfte. Während er 2009 die T-Straße und die W-Straße als Betriebssitze für seine selbstständige Tätigkeit bezeichnete (Anlage EKS vom Juli 2009), nutzte er nach seinen Angaben im Dezember 2010 und im Februar 2011 nur noch das Grundstück in der W-Straße als Büro, Werkstatt und Lager, wobei er sich wegen der Notwendigkeit von Renovierungen zu einer genauen flächenmäßigen Aufteilung nicht in der Lage sah (Anlagen EKS vom 01.12.2010 und 17.02.2011). Im Widerspruch dazu teilte er dem Beklagten wenige Tage später, am 24.02.2011, mit, dass sich das Arbeitszimmer in der T-Straße befinde und (nur) die Werkstatt in der W-Straße sei. Hinzu kommt, dass seine Erläuterung, er habe aus gesundheitlichen Gründen den Arbeits- und Wohnbereich räumlich trennen müssen, nicht stimmig ist und kein schlüssiges Argument dafür sein kann, dass er in der W-Straße lebte.
Nicht plausibel ist weiter, dass der Kläger zum Jahreswechsel 2009/ 2010 umgezogen sein will, die bisherige Mietwohnung in der T-Straße aber trotz seiner finanziellen Schwierigkeiten nicht aufgab. Nachdem er dort noch einen Großteil seiner Möbel hatte, wie er am 24.02.2011 bekundete, und sich nach seinen Angaben im Sommer 2011 dort auch noch Hausrat befand, spricht Einiges dafür, dass er in der W-Straße eine bloße Meldeadresse begründet hatte.
Gegen eine vorrangige Nutzung der Unterkunft in der W-Straße zu Wohnzwecken spricht auch der Zustand der Wohnung im ersten Stock beim Hausbesuch des Beklagten am 23.05.2011. Die vom Beklagten angetroffenen und im Besuchsprotokoll dokumentierten Verhältnisse lassen nicht darauf schließen, dass der Kläger ein bis eineinhalb Jahre vorher diese Wohnung bezogen hatte. Alle Räume waren in einem baufälligen Zustand, das Bad war nicht benutzbar, wobei sich im Erdgeschoss ein funktionstüchtiges WC befand, in der Küche war neben Küchenmöbelstücken eine Duschkabine installiert, davor befanden sich eine Matratze und Bettzeug. Ein Kleiderschrank im „Wohnzimmer“ war leer, auf einem Stuhl und in einer Plastiktüte lag etwas Kleidung. Auf dem Schreibtisch waren verschiedene Unterlagen. Nahrungsmittel und Kleidung waren kaum vorhanden. Zwei Räume wurden als Lagerräume genutzt. Diese Verhältnisse mögen ausgereicht haben, um dort gelegentlich zu übernachten, eine überwiegende Nutzung dieser Unterkunft zu Wohnzwecken ergibt sich aus diesen Umständen nicht.
Auffällig ist schließlich, dass der Kläger das Bemühen des Beklagten nach dem anonymen Hinweis vom 10.01.2011, die Wohnverhältnisse zu überprüfen, nicht unterstützte und offenbar sogar fürchtete. Letztlich duldete er nach intensiven Bemühungen des Beklagten die Besichtigung der Wohnung in der W-Straße, nicht aber die Besichtigung der Wohnung in der T-Straße. Ausgehend von seiner Version, dass er in der T-Straße nur sein Büro habe, ist nicht verständlich, warum er dem Beklagten die Besichtigung dieser Räumlichkeiten nicht ermöglichte. Bei seinen Erklärungsversuchen verstrickte er sich zudem in Widersprüche. Während er am Tag der Besichtigung (23.05.2011) seine fehlende Bereitschaft, nun auch die Räume in der T-Straße zu zeigen, mit der Notwendigkeit erklärte, mit seiner Rechtsanwältin zu sprechen, und um einen schriftlich zu vereinbarenden Besichtigungstermin bat, behauptete er später, dass eine Besichtigung der T-Straße kein Problem sei und die Kontrolleure zum Termin nicht erschienen seien. Er bestritt, einen schriftlichen Besichtigungstermin für die Räumlichkeiten in der T-Straße gewünscht zu haben. Am 23.05.2011 habe er aufgrund von Terminen keine Zeit gehabt, mit den Kontrolleuren zur T-Straße zu gehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

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