Europarecht

Rechtsbeschwerdebegründung durch sog. Einvernehmensanwalt – Wiedereinsetzung wegen fehlender Übersetzung der Entscheidung

Aktenzeichen  3 Ss OWi 1702/17

Datum:
15.12.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EuRAG EuRAG § 28; StVG § 24; OWiG §§ 72, 79 I 1; StPO §§ 44, 45; 138 II 1, 140, 341 I, 345, 349 I

 

Leitsatz

1. Wird die Versäumung der Frist zur Rechtsmitteleinlegung im Rahmen eines Wiedereinsetzungsgesuchs damit begründet, dass das angefochtene Urteil oder die urteilsgleiche Entscheidung zuerst in die Sprache des Rechtsmittelführers habe übersetzt werden müssen, ist auch dieser Umstand für die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags darzulegen und glaubhaft zu machen. (Rn. 7)
2. Die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil in Bußgeldsachen oder einen diesem gleichstehenden Beschluss nach § 72 OWiG darf von einem dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt, der nicht nach § 138 II StPO mit Genehmigung des Gerichts gewählt worden ist, nur im Einvernehmen mit einem zur Vertretung oder Verteidigung bei dem zuständigen Gericht befugten sog. Einvernehmensanwalt begründet werden. (Rn. 8 – 11)

Gründe

Die nach § 79 I 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des AG ist als unzulässig (§ 349 I StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG) zu verwerfen, weil sie nicht […] innerhalb einer Woche ab Zustellung der angefochtenen Entscheidung eingelegt und überdies auch nicht formgerecht gem. § 345 I, II StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG begründet wurde.
1. Die Zustellung des angefochtenen Beschlusses erfolgte an den Betr. am 03.07.2017, so dass die einwöchige Einlegungsfrist am 10.07.2017 ablief. Die mit Schriftsatz vom 14.08.2017 eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ging jedoch erst am 24.08.2017 beim Ausgangsgericht ein. Dies war verspätet.
2. Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht dadurch gewahrt, dass dem Betr. auf seinen als solchen auszulegenden Antrag im Schriftsatz vom 14.08.2017 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Hierbei ist nicht entscheidungserheblich, ob der insoweit unklare Wiedereinsetzungsantrag darauf abhebt, dass es durch die Übersetzung des Beschlusses des AG oder der Rechtsmittelschrift zu Verzögerungen kam.
a) Sollte der Vortrag so zu verstehen sein, dass die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht eingehalten werden konnte, weil der entsprechende Schriftsatz erst übersetzt werden musste, fehlt es bereits an Ausführungen dahingehend, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt der Betr. seinen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt hatte (st.Rspr.; vgl. u.a. neben BGH, Beschluss vom 12.07.2017 – 1 StR 240/17 [bei juris] auch OLG Bamberg, Beschluss vom 23.03.2017 – 3 Ss OWi 330/17 und 24.10.2017 – 3 Ss OWi 1254/17 [jeweils bei juris]). Ohne solchen Sachvortrag kann der Senat nicht beurteilen, ob der Betr. die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde überhaupt wahren wollte oder ob es möglicherweise infolge seines Verschuldens zu einer verspäteten Beauftragung zur Rechtsmitteleinlegung kam.
b) Sollte das Vorbringen so zu verstehen sein, dass die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde deshalb nicht eingehalten werden konnte, weil der Betr. erst den Beschluss des AG vom 19.05.2017 übersetzen lassen musste, fehlte es an der erforderlichen Glaubhaftmachung (§ 46 I OWiG i.V.m. § 45 II 1 StPO), dass der Beschluss ohne Übersetzung zugestellt wurde und gerade dieser Umstand den Betr. an der rechtzeitigen Einlegung des Einspruchs hinderte. Einer solchen Glaubhaftmachung bedurfte es hier schon deshalb, weil sich aus der richterlichen Verfügung vom 19.05.2017 ergibt, dass die angefochtene Entscheidung und die Rechtsmittelbelehrungmit Übersetzung zugestellt werden sollten und keine Umstände ersichtlich sind, dass die Verfügung nicht ordnungsgemäß ausgeführt wurde.
3. Darüber hinaus ist die Rechtsbeschwerde auch deshalb unzulässig (§ 349 I StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG), weil sie unter Verstoß gegen § 345 I, II StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG nicht in einer von einem Verteidiger oder einem im Geltungsbereich der StPO zugelassenen Rechtsanwalt (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 60. Aufl. § 345 Rn. 12 m.w.N.) unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des AG begründet worden ist. Dem ungarischen Rechtsanwalt des Betr., welcher als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Ungarn tätig wurde, kommt eine solche Eigenschaft nicht zu. Er hatte auch keinen sog. ‚Einvernehmensanwalt‘ eingeschaltet.
a) Zwar kann der dienstleistende europäische Rechtsanwalt grundsätzlich gemäß § 28 I EuRAG in Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten auch in Deutschland tätig werden. Soweit sich der Mandant allerdings nicht selbst verteidigen kann, kann dies nur im Einvernehmen mit einem Rechtsanwalt (sog. ‚Einvernehmensanwalt‘) geschehen, der zur Vertretung oder Verteidigung bei dem zuständigen Gericht befugt sein muss (§ 28 II EuRAG).
b) Damit ist nicht nur der Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 StPO gemeint. Vielmehr wird hiervon auch die Begründung der Rechtsbeschwerde erfasst (vgl. SK/Frisch StPO 5. Aufl. § 345 Rn. 25; LR/Franke StPO 26. Aufl. § 345 Rn. 19), weil diese – sofern sie nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle erfolgt – gemäß § 345 I, II StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG gerade nicht vom Betr. selbst vorgenommen werden kann.
c) Nachdem der ausländische Rechtsanwalt auch nicht nach § 138 II 1 StPO mit der Genehmigung des Gerichts als Verteidiger gewählt wurde, konnte er auch nicht als solcher die Rechtsbeschwerdebegründung anfertigen. […]

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