Medizinrecht

Einstweilige Anordnung im Normenkontrollverfahren – Verfahrensordnung für Sprachtests bei Anträgen auf Erteilung einer ärztlichen Berufszulassung

Aktenzeichen  21 NE 17.1455

Datum:
12.12.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BÄO BÄO § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5
BayVwVfG BayVwVfG Art. 24
VwGO VwGO § 47 Abs. 6

 

Leitsatz

Eine einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO darf nur ergehen, wenn die dafür sprechenden Gründe so schwerwiegend sind, dass sie unabweisbar ist. Die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens können für die Entscheidung von Bedeutung sein, wenn sie sich im Eilverfahren bereits mit hinreichender Wahrscheinlichkeit überschauen lassen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller zu 1 bis 4 haben jeweils ein Viertel der Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Antragsteller wenden sich gegen die von den Antragsgegnern vereinbarte Verfahrensordnung für Sprachtests bei Anträgen auf Erteilung einer ärztlichen Berufszulassung vom 31. März 2017 (Verfahrensordnung).
Die Antragsgegner haben die Verfahrensordnung in Absprache mit den für die Berufszulassung als Arzt zuständigen Regierungen von Oberbayern und von Unterfranken auf der Grundlage der „Eckpunkte zur Überprüfung der für die Berufsausübung erforderlichen Deutschkenntnisse in den akademischen Heilberufen“ der 87. Gesundheitsministerkonferenz vom 26./27. Juni 2014 vereinbart. Die Verfahrensordnung bestimmt unter anderem Folgendes:
„§ 1 Abnahme des Sprachtests
Im Rahmen eines bei der Regierung anhängigen Verfahrens auf Zulassung zum ärztlichen Beruf nimmt die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) im Auftrag der Regierung den Sprachtest ab, wenn dieser von der Regierung für erforderlich gehalten wird.

§ 13 Verfahrenskosten für den Sprachtest
(1) Die Verfahrenskosten für den Sprachtest betragen € 400,00 und sind von der antragstellenden Person an die BLÄK per Vorkasse zu zahlen. Die BLÄK erhebt die Kosten bei der antragstellenden Person nach Maßgabe einer zwischen BLÄK und der antragstellenden Person zu schließenden Prüfungsvereinbarung.“
Die Antragsteller haben in der Arabischen Republik Syrien das Diplom im Fach Humanmedizin und ihre Zulassung als Arzt erlangt.
Der Antragsteller zu 1 erhielt am 8. Februar 2015 vom Goethe-Institut K* … das Sprachzertifikat B2 und am 30. März 2017 vom …-Institut für Bildung und Beruf ein Zertifikat zum „Nachweis der ärztlichen berufssprachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten auf Niveau C1“ (* …-Zertifikat C1). Er beantragte am 11. Januar 2017 bei der Regierung von Oberbayern die Erteilung der Approbation als Arzt.
Der Antragsteller zu 2 legte Zeugnisse des Vereins … … … … … … e.V. vom 31. März 2016 und vom 29. Juni 2016 vor, wonach er die Sprachprüfungen B2 im Fach Deutsch als Fremdsprache und die Deutsche Sprachprüfung C1 als Abschluss der Mittelstufe für Deutsch als Fremdsprache bestanden hat. Zudem besitzt der Antragsteller zu 2 das …-Zertifikat C1. Er stellte den Antrag auf Erteilung der ärztlichen Approbation am 14. Februar 2017.
Der Antragsteller zu 3 beantragte die Erteilung der Approbation am 24. April 2017. Er verfügt über ein Zertifikat „telc Deutsch B2“ des Bildungszentrums im Bildungscampus der Stadt N* … (Bildungszentrum) vom 15. August 2016.
Der Antragsteller zu 4 legte ein Zertifikat „telc Deutsch B2“ des Bildungszentrums vom 1. März 2013 und ein …-Zertifikat C1 vom 30. März 2017 vor. Er erhielt im September die Approbation, nachdem er die Sprachprüfung erfolgreich vor der Antragsgegnerin zu 1 abgelegt hatte.
Die Antragsteller zu 1 bis 3 haben mit der Antragsgegnerin zu 1 jeweils eine Prüfungsvereinbarung abgeschlossen und die Prüfungsgebühr in Höhe von 400,00 Euro entrichtet. Dem Antragsteller zu 1 wurde der 16. November 2017, dem Antragsteller zu 2 der 27. Oktober 2017 und dem Antragsteller zu 3 der 16. Oktober 2017 als Prüfungstermin genannt.
Der Antragsteller zu 3 verfügte über eine Einstellungszusage des Klinikums … … … GmbH, die allerdings die Vorlage der ärztlichen Approbation bis zum 15. Mai 2017 voraussetzte. Das Klinikum hat den Antragsteller zu 3 mit Schreiben vom 18. Juli 2017 darauf hingewiesen, dass die „Einstellungszusage endgültig unwirksam“ sei.
2. Die Antragsteller haben am 31. Juli 2017 einen Normenkontrollantrag gestellt (21 N 17.1454) und gleichzeitig nach § 47 Abs. 6 VwGO beantragt,
Die Verfahrensordnung für Sprachtests bei Anträgen auf Erteilung einer ärztlichen Berufszulassung (Stand 31.3.2017) der Antragsgegnerin zu 1 wird vorläufig außer Vollzug gesetzt.
Die Verfahrensordnung sei offensichtlich rechtswidrig. Formell sei an der unter dem Landesrecht stehenden Rechtsvorschrift zu beanstanden, dass sie ihren Urheber nicht eindeutig erkennen lasse. Eine amtliche Veröffentlichung der Verfahrensordnung sei nicht erfolgt. Sie sei auf der Homepage der Antragsgegnerin zu 1 abrufbar, so dass unterstellt werden könne, dass es sich um eine von dieser erlassene Satzung handele. Die Verfahrensordnung sei auch materiell fehlerhaft. Allen Antragstellern sei bereits für den Zeitraum des beim …-Institut absolvierten Lehrgangs „Integration immigrierter Ärzte“ eine Berufserlaubnis erteilt worden, die auf den Zeitraum des Kurses beschränkt gewesen sei. Die Versagung einer weiteren Berufserlaubnis oder eine Erteilung nur unter der Bedingung einer erfolgreichen Teilnahme an der Fachsprachenprüfung verstoße gegen Art. 3 GG, weil an den Umständen der Berufsausübung keine Veränderung eingetreten sei. Die Antragsteller würden durch die verpflichtende Teilnahme an der Sprachprüfung erheblich beeinträchtigt. Die Teilnahme an der rechtswidrigen Prüfung führe für die Antragsteller zu einem Vermögensnachteil in Höhe von 400,00 Euro.
Die Antragsgegnerin zu 1 beantragt,
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Antragsteller hätten einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Schwere Nachteile seien nicht erkennbar, weil alle Antragsteller zur Fachsprachenprüfung eingeteilt worden seien; der Antragsteller zu 4 habe die Prüfung am 14. August 2017 bestanden. Für die Antragsteller zu 1 bis 3 sei eine Dringlichkeit nicht vorgetragen worden. Eine verbindliche, an einen bestimmten Termin gebundene Zusage einer Arbeitsstelle bestehe hier nicht.
Der Antragsgegner zu 2 beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die beantragte einstweilige Anordnung sei nicht zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten. Keiner der Antragsteller mache eine aktuelle Stellenzusage geltend, die wegen der Sprachprüfung nach der Verfahrensordnung verfallen würde. Die begehrte Anordnung sei auch nicht aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten.
3. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die Anträge haben keinen Erfolg.
1. Es ist zweifelhaft, ob die Eilanträge etwa deshalb mangels Statthaftigkeit unzulässig sind, weil die angegriffene Verfahrensordnung, wovon die Antragsgegner ausgehen, keine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinn des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist.
Zu den im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften gehören nach der Zweckrichtung der Normenkontrolle und dem danach gebotenen weiten Begriffsverständnis nicht nur Satzungen und Rechtsverordnungen, sondern auch solche (abstrakt-generelle) Regelungen der Exekutive, die rechtliche Außenwirkung gegenüber dem Bürger entfalten und auf diese Weise dessen subjektiv-öffentlichen Rechte unmittelbar berühren (vgl. BVerwG, U.v. 25.11.2004 – 5 CN 1.03 – juris Rn. 24). Insoweit kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der angegriffenen Verfahrensordnung insgesamt Rechtsnormqualität beizumessen ist. Es genügt, wenn sie in einzelnen Teilen den Anforderungen entspricht, die an Rechtsvorschriften im Sinn des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zu stellen sind (vgl. BVerwG, U.v. 20.11.2003 – 4 CN 6.03 – juris Rn. 27). Als hierfür tauglicher Anknüpfungspunkt kommt vor allem § 13 Abs. 1 Satz 1 der Verfahrensordnung in Frage, wonach die Verfahrenskosten für den Sprachtest 400,00 Euro betragen und von der antragstellenden Person an die BLÄK per Vorkasse zu zahlen sind. Zweifel daran, dass diese Vorschrift eine Zahlungspflicht unmittelbar zu Lasten der jeweils antragstellenden Person begründet, ergeben sich allerdings daraus, dass die BLÄK nach § 13 Abs. 1 Satz 2 der Verfahrensordnung die Kosten bei der antragstellenden Person nach Maßgabe einer Prüfungsvereinbarung erhebt, die zwischen ihr und der betroffenen Person zu schließen ist. Der Senat braucht dieser nicht ohne Weiteres zu beantwortenden Frage im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht abschließend nachzugehen, weil ohne Weiteres ersichtlich ist, dass die Anträge in der Sache keinen Erfolg haben können (vgl. Wysk in Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, vor § 40 Rn. 15).
2. Die Anträge sind unbegründet.
2.1 Eine einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO setzt voraus, dass sie zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Die weitreichenden Folgen, die mit der Aussetzung des Vollzugs von Rechtsvorschriften verbunden sind, gebieten in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 32 Abs. 1 BVerfGG einen strengen Maßstab. Eine einstweilige Anordnung darf nur ergehen, wenn die dafür sprechenden Gründe so schwerwiegend sind, dass sie unabweisbar ist. Die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens können für die Entscheidung von Bedeutung sein, wenn sie sich im Eilverfahren bereits mit hinreichender Wahrscheinlichkeit überschauen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2017 – 2 NE 17.989 – juris Rn. 15). Allerdings wäre selbst ein – hier nicht ohne Weiteres abzusehender – Erfolg in der Hauptsache lediglich ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug der Rechtsvorschrift bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu suspendieren wäre. Hinzukommen müsste, dass der (weitere) Vollzug der Rechtsvorschrift Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers und der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. (BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 15 NE 16.2226 – juris Rn. 26 m.w.N.).
2.2 Solche schwerwiegenden Nachteile lassen sich dem Vorbringen der Antragsteller nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Der Antragsteller zu 4 hat im September 2017 die beantragte Approbation erhalten und war insoweit nicht gehindert, eine ihm von der L* … GmbH bis zum 31. Oktober 2017 freigehaltene Stelle als Assistenzarzt anzutreten.
Besondere Nachteile, die über die mit dem bloßen Vollzug der Verfahrensordnung verbundenen Nachteile hinausgehen, ergeben sich aus dem Vorbringen der Antragsteller zu 1 bis 3 nicht; solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Die dem Antragsteller zu 3 vom Klinikum … … … GmbH gegebene Einstellungszusage war bereits im Zeitpunkt des Eingangs des Eilantrags (31.7.2017) unwirksam geworden, weil der Antragsteller zu 3 bis zum 15. Mai 2017 keine in Deutschland erworbene Approbation als Arzt vorweisen konnte. Die Antragsteller zu 1 und 2 verfügen nach ihrem Vorbringen nicht über eine (befristete) Einstellungszusage.
Die Antragsteller zu 1 bis 3 haben im Übrigen die Gebühr für die Sprachprüfung bereits entrichtet, einen Prüfungstermin erhalten und vermutlich daran teilgenommen. Selbst wenn der Sprachtest vor dem Bewertungsgremium der BLÄK noch nicht stattgefunden hätte, ergäbe sich für die Antragsteller zu 1 bis 3 aus der bloßen (weiteren) Anwendung der Verfahrensordnung kein schwerer Nachteil.
Die Approbation als Arzt setzt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BÄO voraus, dass ein Antragsteller die für die Ausübung der Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache für eine fehler- und schadensfreie ärztliche Behandlung und damit für die Patientensicherheit eine hohe Bedeutung haben. Ein Arzt muss für Anamnese, Therapie und die erforderliche Aufklärung der Patienten mit diesen hinreichend sicher kommunizieren können. Ebenso bedarf es der Kommunikation mit anderen Ärzten, Personen und Stellen, damit in jedem Fall eine den Berufspflichten entsprechende Ausübung der ärztlichen Tätigkeit erfolgen kann (vgl. Narr, Ärztliches Berufsrecht, Stand April 2017, Teil B II Rn. 44). Das Interesse der Allgemeinheit, dem erheblichen Gefahrenpotential zu begegnen, das bei unzureichenden Sprachkenntnissen eines Arztes für die Sicherheit der Patienten besteht, überwiegt ersichtlich das Interesse, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache von der Anwendung der Verfahrensordnung und damit von einem nach ihren Vorschriften durchgeführten Sprachtest verschont zu bleiben, den die Approbationsbehörde im Rahmen des aus Art. 24 BayVwVfG folgenden Untersuchungsgrundsatzes für notwendig erachtete (vgl. dazu BVerwG, B.v. 30.3.1999 – 5 B 4.99 – juris). Zugunsten der Antragsteller zu 1 und 2 fällt dabei nicht besonders ins Gewicht, dass sie C1-Sprachzertifikate des …-Instituts vorgelegt haben. Nach dem Inhalt der Zertifikate war ein Arzt-Arzt-Gespräch nicht Gegenstand der jeweiligen Prüfung. Das entspricht nicht der im Rahmen der Gesundheitsministerkonferenz erarbeiteten und ohne Weiteres nachvollziehbaren Anforderung, wonach der Sprachtest (Niveau C1) unter anderem ein Gespräch mit einem Angehörigen derselben Berufsgruppe (20 Minuten) umfassen muss.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat erachtet dabei für jeden Antragsteller die Hälfte des in Nr. 16.1 (Erteilung einer Approbation) des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013 genannten Betrags als angemessen. Dieser Betrag (15.000,00 Euro) ist unter Berücksichtigung der Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren, so dass sich insgesamt ein Streitwert von 30.000,00 Euro errechnet (7.500,00 Euro x 4).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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