Medizinrecht

Zulassungsausschuß, Entziehung der Zulassung, SGB V

Aktenzeichen  L 12 KA 7/17

Datum:
6.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 152637
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 103 Abs. 4 a
SGB V § 95 Abs. 6
SGB V § 95 Abs. 9 b

 

Leitsatz

1. Die Anwendung des Grundtatbestandes des § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V auf medizinische Versorgungszentren (MVZ) wird durch die Regelungen in § 95 Abs. 6 Satz 3 und 4 SGB V nicht in Frage gestellt. Hier werden vielmehr weitere Zulassungsentziehungstatbestände benannt, die zu denen des Satzes 1 hinzutrafen.
2. Die in § 95 Abs. 6 Satz 3 SGB V vorgesehene Schonfrist gilt nur für die dortigen Gründe der Zulassungsentziehung und nicht für die in § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V genannten Gründe.

Verfahrensgang

S 49 KA 469/16 2016-12-13 Endurteil SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.12.2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1).
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das Sozialgericht München hat mit dem angefochtenen Urteil vom 13.12.2016 die Klage der Klägerin gegen den Beschluss des Beklagten vom 21.04.2016 zu Recht im Haupt- und Hilfsantrag abgewiesen. Der Senat verweist zur Begründung auf die zutreffenden Darlegungen des Sozialgerichts. Die Ausführungen im Berufungsverfahren führten zu keiner anderen Bewertung.
Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 21.04.2016 den Widerspruch gegen die Entziehung der Zulassung der Klägerin im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
Gemäß § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V ist die Zulassung zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt.
§ 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V gilt für alle zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer und damit auch für ein MVZ (§ 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
Die Anwendung des Grundtatbestandes des § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V auf MVZ wird durch die Regelungen in § 95 Abs. 6 Satz 3 und 4 SGB V nicht in Frage gestellt, vielmehr werden hier nur weitere Zulassungsentziehungstatbestände benannt, die zu denen des Satzes 1 hinzutreten (vgl. § 95 Abs. 6 Satz 3 SGB V: „auch dann zu entziehen“).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche und tatsächliche Beurteilung von Entziehungsentscheidungen ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BSG vom 17.08.2011 – B 6 KA 18/11 B, juris Rdn. 11).
Vorliegend ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass im MVZ der Klägerin seit dem 30.06.2015 keine Ärzte mehr tätig sind. Damit ist zum einen der Entziehungsgrund gemäß § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V des nicht mehr Ausübens der vertragsärztlichen Tätigkeit gegeben.
Der von Seiten der Klägerin gegen die Entscheidung des Beklagten vorgebrachte Einwand, dass die Frist des § 95 Abs. 6 Satz 3 SGB V nicht eingehalten sei, greift nicht durch.
Nach § 95 Abs. 6 Satz 3 SGB V ist einem MVZ die Zulassung auch dann zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen länger als sechs Monate nicht mehr vorliegen. Soweit Satz 3 noch auf die Gründungsvoraussetzungen nach § 95 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB V verweist, handelt es sich um ein redaktionelles Versehen, weil die entsprechenden Vorschriften zur Fachübergreiflichkeit durch GKV-VSG mit Wirkung vom 23.07.2015 aufgehoben worden sind. Grund für eine Zulassungsentziehung nach Satz 3 ist daher nur noch der Wegfall der Gründungsvoraussetzungen nach § 95 Abs. 1 a Satz 1 SGB V. Die dort genannten Gründungsvoraussetzungen beziehen sich auf Fälle, in denen nach Zulassung des MVZ die Gründereigenschaft bei einem oder mehreren Gesellschaftern der MVZ-Trägergesellschaft gemäß § 95 Abs. 1 a Satz 1 erster Halbsatz SGB V verloren geht oder die nach § 95 Abs. 1 a Satz 1, 2. Halbsatz SGB V zulässige Rechtsform für das MVZ aufgegeben wird.
Hierum handelt es sich nicht, soweit die Zulassung des MVZ wegen der in § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V genannten Gründen des nicht mehr Ausübens der vertragsärztlichen Tätigkeit sowie des Wegfalls der Zulassungsvoraussetzungen entzogen wurde.
Die in Satz 3 vorgesehene Schonfrist gilt nur für die dortigen Gründe der Zulassungsentziehung und nicht für die in Satz 1 geregelten weiteren Gründe (vgl. hierzu Kremer/Wittmann Vertragsärztliche Zulassungsverfahren 2. Aufl. 2015 Rdn. 1451 sowie Ladurner, Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV, Kommentar 2017, § 27 Ärzte-ZV Rdn. 49).
Der Beschluss des Beklagten vom 21.04.2016 ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil er den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 23.11.2015 bestätigt hat, mit dem noch während des mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 20.07.2015 angeordneten Ruhens der Zulassung der Klägerin vom 21.07.2015 bis 31.12.2015 die Entziehung der Zulassung der Klägerin mit Wirkung zum 31.12.2015 von Amts wegen verfügt wurde.
Hintergrund der Ruhensanordnung vom 20.07.2015 war, dass nach dem Ausscheiden der Dres. L. und R. zum 30.06.2015 keine Ärzte mehr im MVZ der Klägerin tätig waren. Die Klägerin wurde in dem Beschluss u. a. daraufhin hingewiesen, dass eine zulässige Teilnahme des MVZ an der vertragsärztlichen Versorgung die Nachbesetzung der Stelle eines Hausarztes mit dem AF 1,0, mindestens jedoch mit 20 Wochenstunden, sowie die Bestimmung eines ärztlichen Leiters voraussetzt.
Nachdem in der Sitzung des Zulassungsausschusses vom 23.11.2015 keine der vorgenannten Voraussetzungen zum weiteren zulässigen Betrieb eines MVZ erfüllt war und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit seiner Aussage, dass keine neuen Arztstellen mehr erworben und in das MVZ eingebracht werden sollen und er die Zulassung des MVZ nur bis zur Entscheidung über die bei Gericht anhängige Arztstelle K. noch erhalten wolle, klar zu erkennen gegeben hat, dass diese Voraussetzungen auch in Zukunft nicht mehr erfüllt werden sollen, ist es nicht zu beanstanden, dass der Zulassungsausschuss bereits in der Sitzung am 23.11.2015 von Amts wegen der Klägerin die Zulassung für das MVZ mit Wirkung zum 31.12.2015 entzogen hat.
Dasselbe würde gelten, wenn entgegen der hier vertretenen Ansicht für die zugrunde liegenden Entziehungsgründe die Sechs-Monatsfrist des § 95 Abs. 6 Satz 3 SGB V einschlägig wäre. Auch bezüglich dieser Frist ist deren Einhaltung ausnahmsweise dann nicht zwingend, wenn – wie hier – der Entfall der Entziehungsgründe innerhalb der sechsmonatigen Frist ausgeschlossen werden kann (vgl. Ladurner a.a.O., Rdn. 58).
Die Entziehung der Zulassung ist auch verhältnismäßig. Der Zulassungsausschuss Ärzte A-Stadt Stadt und Land bzw. der Beklagte war nicht verpflichtet, dem vom Bevollmächtigten der Klägerin in der Sitzung des Zulassungsausschusses am 23.11.2015 gestellten Antrag auf Anordnung eines weiteren Ruhens der Zulassung des MVZ vom 01.01.2016 bis 30.06.2016 zuzustimmen, nachdem die vorher gewährte Anordnung des Ruhens der Zulassung vom 21.07.2015 bis 23.11.2015 erfolglos abgelaufen war. Gemäß § 95 Abs. 5 Satz 1 SGB V ist eine Anordnung des Ruhens der Zulassung möglich, wenn der Vertragsarzt bzw. das MVZ seine Tätigkeit nicht mehr ausübt, die Aufnahme aber in angemessener Frist zu erwarten ist. Von einer Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit durch das MVZ der Klägerin war aber nicht mehr auszugehen. Gegen ein nochmaliges Anordnen des Ruhens der Zulassung des MVZ spricht schon die vom Klägerbevollmächtigten in der Sitzung des Zulassungsausschusses vom 23.11.2015 für seinen Antrag gegebene Begründung, wonach der Rechtsstreit bezüglich der Arztstelle K. noch bei Gericht anhängig sei und er bis zur Entscheidung die MVZ-Zulassung erhalten wolle. Neue Arztstellen sollten nicht mehr erworben werden und in das MVZ eingebracht werden.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war aber bereits mit Beschluss vom 20.07.2015 bezüglich des Ruhens der Zulassung des MVZ vom 21.07.2015 bis 31.12.2015 darauf hingewiesen worden, dass, wenn eine Nachbesetzung der Arztstelle innerhalb der genannten Frist nicht erfolgen sollte, dies zur Folge hätte, dass eine Fortführungsfähigkeit der Arztstelle mangels tatsächlicher Entfaltung einer ärztlichen Tätigkeit nicht mehr angenommen werden könne. Letztlich sollte die Zulassung des MVZs der Klägerin nur noch als leere Hülse aufrechterhalten bleiben, um den Parallelrechtsstreit bezüglich der Arztstelle der Frau K. überhaupt noch führen zu können. Dass eine Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit im MVZ der Klägerin gerade nicht beabsichtigt war und ist, ergibt sich auch aus den Darlegungen im Parallelverfahren L 12 KA 79/16. Dort wurde von der Klägerseite eingehend geschildert, dass die im MVZ alt der Klägerin bestehenden Arztstellen in das MVZ neu (Träger Radiologisch-Nuklearmedizinisches Diagnostikzentrum A.-Str./A-Stadt GmbH) überführt werden sollten. Dies wurde gerade auch bezüglich der Arztstelle der Frau K. geschildert. Danach sollte auch bei Frau K. die Arztstelle des MVZ alt in eine Zulassung gemäß § 95 Abs. 9 b SGB V umgewandelt werden, wobei Frau K. die Zulassung erhalten sollte. Die sodann zugelassene Ärztin sollte auf ihre Zulassung zum Zwecke der Anstellung im MVZ neu gemäß § 103 Abs. 4 a SGB V verzichten. Nach alledem kam die Anordnung eines weiteren Ruhens ab 01.01.2016 nicht mehr in Frage, sondern allein die getroffene Entscheidung, der Klägerin die Zulassung für das MVZ zu entziehen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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