Arbeitsrecht

Zulassung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters eines Abgeordneten als Syndikusanwalt

Aktenzeichen  BayAGH III – 4 – 7/2017

Datum:
27.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BRAK-Mitt – 2018, 44
Gerichtsart:
Anwaltsgerichtshof
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BRAO § 7 Nr. 8, § 46 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3, Nr. 4, Abs. 4, Abs. 5, § 46a Abs. 1

 

Leitsatz

1 Bei der Abgrenzung zwischen anwaltlicher Tätigkeit von sonstigen Tätigkeiten eines Juristen ist bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen. Die anwaltliche Tätigkeit muss im Rahmen des Anstellungsverhältnisses die qualitativ und quantitativ ganz eindeutig prägende Leistung sein.  (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der wissenschaftliche Mitarbeiter eines Abgeordneten erledigt keine Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers im Sinne von § 46 Abs. 5 BRAO, wenn er Petenten Rechtsrat erteilt, die sich an den Abgeordneten in dessen Funktion als politischer Mandatsträger gewandt haben.  (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Beigeladenen.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf € 50.000,00 festgesetzt.
V. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1. Die Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des Ablehnungsbescheides und die Verurteilung der Beklagten zu einer Zulassung als Syndikusanwalt erstrebt, ist als Verpflichtungsklage zulässig (§§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO); sie ist fristgerecht erhoben (§§ 112 c Abs. 1 BRAO, 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO), die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens war nicht veranlasst (Art. 15 BayAGVwGO).
2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg: Der Senat vermochte sich letztlich nicht davon zu überzeugen, dass die hier streitgegenständliche Tätigkeit als „Büroleiter im Range eines wissenschaftlichen Mitarbeiters” den Voraussetzungen der §§ 46 a Abs. 1, 46 Abs. 2-5 BRAO entspricht. Es handelt sich nach Ansicht des Senates im Kern um eine politische Tätigkeit, die auch dann nicht „anwaltlich” im genannten Sinne ist, wenn man berücksichtigt, dass sich das Berufsbild der Rechtsanwälte und deren Tätigkeiten geändert haben (vgl. hierzu etwa BT-Drs. 18/5201, Seite 13 f., 19).
Die Voraussetzungen von § 46 Abs. 3 Nr. 3 und 4 BRAO liegen nicht vor und soweit bei der Tätigkeit des Klägers Rechtsangelegenheiten betroffen sind, handelt es sich nicht um solche „des Arbeitgebers” gemäß § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO. Selbst wenn man davon ausginge, dass einzelne Elemente der Beschäftigung solche „anwaltlicher” Natur sind, würden diese die Tätigkeit nicht im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO „prägen”.
Im Einzelnen:
a) Bedenken hat der Senat bereits hinsichtlich der Voraussetzungen von §§ 46 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 7 Nr. 8 BRAO, d. h., es ist fraglich, ob die Tätigkeit hier mit dem Beruf des Rechtsanwalts und insbesondere seiner Stellung als unabhängigem Organ der Rechtspflege vereinbar ist. Zwar enthalten die Arbeitsverträge ausdrücklich die Feststellung, der Kläger sei nicht Angehöriger des öffentlichen Dienstes. Gleichwohl bestehen Bedenken im Hinblick auf eine möglicherweise bestehende „Staatsnähe” bzw. im Hinblick auf eine Beeinträchtigung des Berufsbildes der freien Advokatur (siehe hierzu AGH Hamm, Urteil vom 28.04.2017 – 1 AGH 66/16 Tz. 28, 32). Bereits nach der älteren Rechtsprechung des BGH soll, im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege, das Erscheinungsbild einer von staatlichen Einflüssen freien Advokatur geschützt werden (etwa BGH, Beschluss vom 21.03.2011 – AnwZ(B) 33/10 Tz. 5, 8). Es erscheint zweifelhaft, ob dies unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Arbeitgeber ein Mitglied des Bundestages ist, gewährleistet ist, ob also die beruflichen Sphären von Anwaltschaft und öffentlichem Dienst bzw. – hier – Bundestagsmandat ausreichend abgrenzbar sind (vgl. BGH, a.a.O., Tz. 5). So ist anerkannt, dass die Belange der Rechtspflege auch dann gefährdet sein können, wenn bei Rechtssuchenden die Vorstellung entstehen kann, der Rechtsanwalt könne wegen seiner „Staatsnähe” mehr für sie bewirken als andere Rechtsanwälte (BGH, a.a.O.; Feuerich/Weyland-Vossebürger, BRAO, 9. Aufl., § 7 Rn. 96). Bestand beispielsweise in dem vom AGH Hamm in dem mit Urteil vom 28.04.2017, a.a.O., entschiedenen Fall die Gefahr einer Wahrnehmung nach außen als „behördlicher Repräsentant”, so liegt hier die Gefahr einer Wahrnehmung als „politischer” Repräsentant wohl nicht fern (siehe hierzu auch BGH, Beschluss vom 26.11.2007 – AnwZ(B) 99/06 Tz. 6 ff. -Leiter des Personal-, Haupt- und Ordnungsamtes einer Gemeinde).
Zumal die Beklagte in dieser Hinsicht offensichtlich keine Bedenken hatte, mag in dieser Hinsicht eine Vereinbarkeit im Sinne von § 7 Nr. 8 BRAO noch unterstellt werden.
b) Für nicht gegeben erachtet allerdings werden die Erfordernisse der §§ 46 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 46 Abs. 2-5 BRAO:
Es ist nicht davon auszugehen, dass das hier streitgegenständliche Arbeitsverhältnis durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1-4 BRAO genannten Merkmale „geprägt” wird. Es handelt sich um eine an politischen Gegebenheiten ausgerichtete Tätigkeit für einen politischen Mandatsträger und, zumal vor dem Hintergrund der Unterscheidung zwischen Judikative und Legislative, entspricht die Stellung des Klägers als Jurist nicht derjenigen eines Rechtsanwalts, der unabhängiges Organ der Rechtspflege sein soll. Zwar ist es ohne weiteres plausibel, dass die aufgeworfenen Fragen, auch die Rechtsfragen, die erforderliche „Breite und Tiefe” aufweisen, wie sie von der Rechtsprechung für erforderlich gehalten werden (siehe z. B. AGH Hamburg, Urteil vom 22.06.2017 – AGH I ZU (SYN) 11/2016). Der Senat ist indes der Auffassung, dass die rechtlichen Angelegenheiten hier stets einen Bezug zu den Aufgaben eines politischen Mandatsträgers aufweisen.
aa) Die Voraussetzungen von § 46 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BRAO erscheinen hier gegeben; dass der Kläger mit unterschiedlichsten Rechtsproblemen befasst ist, ist naheliegend; ebenso, dass er im Wahlkreisbüro des Abgeordneten Dr. h.c. M., beispielsweise was die Anliegen von Petenten anbelangt, weitere Aufklärungsarbeit zu leisten und Lösungen zu finden hat.
bb) Als nicht vorliegend erachtet der Senat jedoch die Voraussetzungen von § 46 Abs. 3 Nr. 3, 4 BRAO:
Es ist nicht ersichtlich, inwiefern der Kläger „Rechtsverhältnisse zu gestalten” hätte oder wie weit er „selbständig” Verhandlungen führt. Soweit er in seiner Tätigkeitsbeschreibung vom 18.03.2016 angibt, er arbeite Arbeitsverträge für die anderen Mitarbeiter des Büros aus, genügt dies nicht. Offensichtlich sind im Wahlkreisbüro 8 Mitarbeiter beschäftigt – die Befassung mit deren Arbeitsverträgen jedoch führt nicht dazu, dass die anwaltliche Tätigkeit insoweit „prägend” im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO wäre. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist bei der Abgrenzung zwischen anwaltlicher Tätigkeit von sonstigen Tätigkeiten eines Juristen bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen. Die anwaltliche Tätigkeit muss im Rahmen des Anstellungsverhältnisses die qualitativ und quantitativ ganz eindeutig prägende Leistung sein (siehe etwa BT-Drs. 18/5201, Seite 19, 29). Dies ist hier nicht erkennbar.
Auch die ebenfalls angeführte „Beratung bei Gesetzesvorhaben” ist, selbst wenn man die „Kontaktaufnahme mit Fraktion, anderen Abgeordneten, Ministerien etc.” mitberücksichtigt, nicht geeignet, um das Erfordernis von § 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO zu erfüllen. Der Senat sieht hier eine gewisse Nähe des Sachverhaltes zu dem vom Hessischen AGH mit Urteil vom 08.05.2017 entschiedenen (1 AGH 14/16, = BRAK-Mitteilungen 17, 248 m. Anm. Offermann-Burckart – Referentin für Rechtspolitik bei einer Stiftung). Soweit der Kläger Gutachten zu Gesetzgebungsverfahren etc. erstellt, geht es dabei um generell abstrakte Regelungen, es fehlt jedoch der jeweilige Bezug zu einem konkreten Streitfall bzw. zu einer konkreten Fallgestaltung des Arbeitgebers. Die Tätigkeit zielt nicht auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen oder die Verwirklichung von Rechten des Arbeitgebers, sondern unterstützt den Inhaber eines politischen Amtes bei dessen Ausübung (siehe hierzu Hessischer AGH, a.a.O.).
Dabei wird nicht verkannt, dass in jüngerer Zeit mehrfach größere Anwaltskanzleien mit der Erarbeitung von Gesetzesentwürfen beauftragt wurden, beispielsweise im Bereich des sogenannten „Netzausbaubeschleunigungsgesetzes”. Dieser Umstand allein macht die Tätigkeit jedoch noch nicht zu einer fachlich unabhängigen anwaltlichen Tätigkeit im Sinne von § 46 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 46 Abs. 2, 3 BRAO.
Gegen die Befugnis des Klägers, nach außen verantwortlich aufzutreten, siehe § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO, spricht im Übrigen bereits die Stellungnahme von Dr. h.c. Mi. vom 16.06.2016, dort Seite 3, wo ausgeführt wird, soweit der Kläger einen Antwortvorschlag unterbreite, werde dieser wegen der „angenehmeren Außenwirkung” von ihm, als Mandatsträger, unterzeichnet. Dies widerspricht der üblichen Vorgehensweise eines Anwaltes.
Soweit der Kläger anführt, er bearbeite „vertragsrechtliche” Probleme seines Arbeitgebers bzw. er führe für diesen „Vergleichsverhandlungen”, gilt nichts anderes: Es sind dies keine Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers im Sinne von § 46 Abs. 5 BRAO, davon abgesehen, dass nicht erkennbar ist, inwiefern ein Bundestagsabgeordneter „Vergleichsverhandlungen” zu führen hat (abgesehen womöglich von dessen privatem Bereich). Wenn der Kläger (im Schriftsatz vom 31.01.2017) angibt, er erteile Petenten Rechtsrat, so handelt es sich auch dabei nicht um „Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers” im Sinne von § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO. Als Abgeordneter mag der Arbeitgeber gehalten sein, sich in dieser Funktion, als politischer Mandatsträger, um Anliegen von Bürgern aus seinem Wahlkreis zu kümmern. Es handelt sich nach Ansicht des Senates dabei jedoch um eine eher politische Aufgabe; selbst wenn ein Petent rechtliche Probleme, beispielsweise im Zusammenhang mit einer Baugenehmigung, haben sollte, so sind diese keine Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers. Es sind vielmehr Rechtsprobleme von Bürgern, um die sich deren Wahlkreisabgeordneter kümmert und für die eine (politische) Lösung zu finden ist.
Der Kläger erläutert weiter, er handele „gerade auch im Außenverhältnis als Entlastungsmaßnahme für den Abgeordneten”: Eine solche Entlastungsmaßnahme stellt indes keine anwaltliche Tätigkeit dar, wie sie – auch unter Beachtung der neueren Entwicklung des Anwaltesberufes -dem anwaltlichen Berufsbild entspricht.
dd) Soweit der Kläger (auf Seite 4 oben der Klageschrift) darauf hinweist, seine Bezeichnung als „wissenschaftlicher Mitarbeiter” sei „nur den Gegebenheiten innerhalb der Personalverwaltung des Deutschen Bundestages geschuldet”, ist dies zwar nur ein eher formaler Aspekt: Er zeigt aber, dass die Tätigkeit von der Unabhängigkeit her gerade nicht mit einer „anwaltlichen” im Sinne von § 46, 46 a BRAO vergleichbar ist.
Immerhin erhält der Arbeitgeber des Klägers Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern, vgl. § 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG – was ebenfalls als Indiz gegen eine „anwaltliche” Tätigkeit sprechen dürfte (wobei nicht verkannt wird, dass auch das Gesetz die Mitarbeiter nicht dem „öffentlichen Dienst” zuordnet, siehe § 12 Abs. 3 Satz 8, 9 AbgG).
c) Aus der Vernehmung der Zeugin D. vom 27.11.2017 ergibt sich nichts anderes: Auch die von ihr geschilderten Umstände führen nicht zur Annahme einer anwaltlichen Tätigkeit des Klägers im Sinne des Gesetzes. Die Durchführung von „Bürgersprechstunden” dürfte kaum unter § 46 Abs. 3, 4 BRAO fallen; dasselbe gilt etwa für das von der Zeugin erwähnte Verfassen von Grußworten für Veranstaltungen in Vereinen. Was Petitionen anbelangt, so mag sein, dass Rechtsanwälte solche für ihre Mandanten verfassen und an die zuständige Volksvertretung senden; hier indes geht es offensichtlich darum, eine Lösung mit Hilfe des Abgeordneten (=Arbeitgebers des Klägers), mithin bereits vorher, zu finden. Auch hier überwiegt daher nach Auffassung des Senates der politische Bezug und wird der Kläger nicht im Sinne der zitierten gesetzlichen Vorschriften anwaltlich tätig. Die Wahrnehmung des Klägers „als Wahlkreismitarbeiter” durch die Zeugin belegt ebenfalls nicht dessen Tätigkeit als Rechtsanwalt.
II.
Kosten: §§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, 154 Abs. 1, 3 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, 167 Abs. 2 VwGO, 709 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß §§ 194 Abs. 1 BRAO, 52 Abs. 3 GKG festgesetzt.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung, §§ 112 e BRAO, 124 VwGO waren nicht gegeben: Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die nach Auffassung des Senates weder besondere Schwierigkeiten noch eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2, 3 aufweist. Soweit der Senat eine Vergleichbarkeit mit dem zitierten Beschluss des hessischen AGH vom 08.05.2017 – 1 AGH 14/16 sieht, wurde hiervon nicht abgewichen.

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