Arbeitsrecht

Entlassung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis auf Antrag nach Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens

Aktenzeichen  M 19L DK 17.2000

Datum:
23.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 161887
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 11 Abs. 6
BayDG Art. 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
BayDG Art. 57 Abs. 2 Nr. 2, Art. 58 Abs. 2 S. 2 Nr. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BayDG vorliegen.

Gründe

I.
Der am … 1974 geborene Beklagte war Studienrat und an der staatlichen Berufsschule … …-Schule … als Lehrer tätig. Er ist disziplinar- und strafrechtlich nicht vorbelastet.
Das Amtsgericht Freising verurteilte den Beklagten mit Strafbefehl vom 7. November 2016, rechtskräftig seit 24. November 2016, wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Schriften in Tatmehrheit mit Sichverschaffen einer kinderpornographischen Schrift in sieben tateinheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Sichverschaffen einer jugendpornographischen Schrift in Tatmehrheit mit Besitzverschaffen von jugendpornographischen Schriften in zwei tatmehrheitlichen Fällen, strafbar nach §§ 184b Abs. 3, 184c Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 52, 53 Strafgesetzbuch (StGB), zu einer Geldstrafe in Höhe von 150 Tagessätzen zu je 95 €, insgesamt 14.250 €. Als Beweismittel wurden insbesondere seine Einlassung und ITforensische Gutachten angegeben.
Ferner bewahrte der Beklagte am 5. Februar 2016 in seiner Wohnung einen USB-Stick und einen Laptop auf, obwohl er wusste, dass sich darauf 17 Posing-Bilder sowie eine Posing-Videodatei von unter 14-Jährigen und neun Posing-Bilder von 14 bis 17-Jährigen befanden. Weiter tauschte er am 30. Mai 2013 zwischen 22:25 Uhr und 22:26 Uhr und am 23. Juni 2013 zwischen 15:25 Uhr und 15:36 Uhr mit dem Chatpartner live:* … Nachrichten zu sexuellen Übergriffen an Kindern aus. Diese Sachverhalte stehen ebenfalls fest aufgrund seiner Einlassung und ITforensischer Gutachten.
Mit Disziplinarklage vom 8. Mai 2017 verfolgte der Kläger das Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.
Der Kläger teilte mit Schreiben vom 3. November 2017 mit, dass der Beklagte auf seinen Antrag mit Ablauf des 25. Oktober 2017 aus dem Beamtenverhältnis entlassen wurde.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Disziplinar-, Straf- und Personalakten sowie die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Das Disziplinarverfahren war nach dem Ausscheiden des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis einzustellen; im Einstellungsbeschluss war über die Kostentragung zu entscheiden (1. und 2.). Weiter wird eine Feststellung zum Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Satz 2 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) hinsichtlich einer erneuten Ernennung zum Beamten bei einem bayerischen Dienstherrn getroffen (3.).
1. Mit dem Eintritt der Wirksamkeit der Entlassung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis beim Freistaat Bayern mit Ablauf des 25. Oktober 2017 kann eine Disziplinarmaßnahme nach Art. 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayDG nicht mehr verhängt werden, weil der Beklagte nicht mehr dem Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 1 BayDG unterfällt. Das gerichtliche Disziplinarverfahren konnte deshalb nach Art. 57 Abs. 2 Nr. 2 BayDG durch Beschluss eingestellt werden. Diesen erlässt nach Art. 43 Abs. 4 Nr. 3 BayDG die Kammervorsitzende ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter.
2. Über die Kosten des Verfahrens ist nach Art. 72 Abs. 4 Satz 2 BayDG i.V.m. § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu entscheiden. Danach ergibt sich die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist.
Hier entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen, da gegen ihn ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses eine Disziplinarmaßnahme, nämlich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach Art. 11 BayDG, verhängt worden wäre. Er hätte damit auch in diesem Fall die Kosten des Verfahrens zu tragen gehabt, so dass es sachgerecht erscheint, ihm auch nach der Einstellung des Verfahrens dessen Kosten aufzuerlegen.
Der Beklagte wurde durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Freising vom 7. November 2016 wegen Besitzes und Sichverschaffen kinder- und jugendpornographischer Schriften sowie Besitzverschaffen von jugendpornographischen Schriften (§§ 184b Abs. 3, 184c Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 52, 53 StGB) zu einer Geldstrafe in Höhe von 150 Tagessätzen zu je 95 € verurteilt. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen dieser Verurteilung gilt die Indizwirkung des Strafbefehls nach Art. 25 Abs. 2, Art. 55 BayDG; außerdem wurden die Taten vom Beklagten eingeräumt und durch ein ITforensisches Gutachten belegt. Weiter sind ihm der Besitz von Posingbildern und einer Posing-Videodatei von unter 14-jährigen bzw. von 14- bis 17-jährigen am 5. Februar 2016 vorzuwerfen. Hinzu kommen Chats mit dem Chatpartner live:* … zu sexuellen Übergriffen an Kindern am 30. Mai und 23. Juni 2013. Auch insoweit sind seine Einlassung und ITforensische Gutachten als Beweismittel heranzuziehen.
Durch die im Strafbefehl abgeurteilten Vorsatzstraftaten hat der Beklagte ein schweres außerdienstliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) begangen. Der Strafrahmen dieser Taten beträgt drei bzw. zwei Jahre (§ 184b Abs. 3, § 184c Abs. 1 Nr. 2 StGB bzw. § 184c Abs. 3 StGB). Außerdem weisen die Taten einen Bezug zu seinem Amt als Studienrat auf (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 21.1.2015 – 16a D 13.1805 – juris Rn. 37). Letzteres gilt auch für die nicht vom Strafbefehl erfassten Vorwürfe.
Durch sein Verhalten hat der Beklagte gegen seine Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 BeamtStG i.V.m. den genannten strafrechtlichen Vorschriften) und gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen.
Auch wenn die strafrechtliche Verurteilung hier nur auf eine Geldbuße lautet, sind die konkreten Tatumstände (Vielzahl und Inhalt der Bilder) so schwerwiegend, dass das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig zerstört ist. Dies gilt auch in Anbetracht des Umstands, dass der Beklagte als Berufsschullehrer auch volljährige Schüler unterrichtet; ein beträchtlicher Anteil seiner Schülerinnen und Schüler ist jedenfalls minderjährig und entspricht dem auf den Bildern dargestellten Personenkreis.
Milderungsgründe, die ein Absehen von der Höchststrafe erforderlich gemacht hätten, sind bei der im Rahmen der vorliegenden Kostenentscheidung gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung des Gerichts nicht ersichtlich. Insbesondere ist der Milderungsgrund der erheblich geminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) nicht erkennbar. Ungeachtet des Vortrags des Beklagten zu einer begonnenen Therapie und einer möglicherweise vorliegenden psychischen Erkrankung sieht das Gericht eine erheblich geminderte Schuldfähigkeit angesichts der leichten Einsehbarkeit der vorliegend verletzten Kernpflicht nicht als gegeben an.
3. Der Beklagte darf bei einem bayerischen Dienstherrn nicht erneut zum Beamten ernannt werden.
Nach der Einstellung des Disziplinarverfahrens aufgrund der Entlassung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis kann im gerichtlichen Verfahren die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BayDG getroffen werden (vgl. Art. 57 Abs. 2 Nr. 2 a.E. i.V.m. Art. 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BayDG).
Nach Art. 11 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Halbs. 1 BayDG wird nach der Entlassung des Beamten auf eigenen Antrag die erneute Ernennung zum Beamten bei einem bayerischen Dienstherrn ausgeschlossen, wenn der Beamte nach Einleitung eines Disziplinarverfahrens auf eigenen Antrag aus dem Beamtenverhältnis entlassen wurde und ohne diese Entlassung aus dem Dienst entfernt worden wäre, wenn also die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis aufgrund der Disziplinarklage nur deshalb nicht erfolgt ist, weil das Beamtenverhältnis vor der gerichtlichen Entscheidung im Disziplinarverfahren durch den Entlassungsantrag beendet wurde.
Dies ist hier der Fall. Wie dargestellt (vgl. 2.) hätte die Disziplinarklage zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis geführt.

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