Arbeitsrecht

Zugangsrecht eines Betriebsratsmitglieds zum Betrieb nach wegen abweichendem Zustimmungsbeschluss des Betriebsrates offensichtlich unwirksamer Kündigung – Einstweiliger Rechtsschutz

Aktenzeichen  3 TaBVGa 15/17

Datum:
17.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrVG BetrVG § 78 S. 1, § 103 Abs. 1
ArbGG ArbGG § 85 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Aus § 78 S. 1 BetrVG folgt ein Zutrittsrecht auch einzelner Betriebsratsmitglieder zum Betrieb zur Ausübung ihres Amtes, solange dieses dauert und u.a. das Arbeitsverhältnis nicht beendet ist; dabei kann – während über die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten wird – grundsätzlich im einstweiligen Rechtsschutz das Zutrittsrecht nur geltend gemacht werden, wenn die Kündigung mangels Zustimmung des Betriebsrates oder deren Ersetzung durch das Arbeitsgericht (§ 103 BetrVG) oder aus sonstigen Gründen offensichtlich unbegründet ist (so schon LAG München BeckRS 2010, 65906). (Rn. 27) (red. LS Ulf Kortstock)
2. Die Zustimmung des Betriebsrats nur zu einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist (die hier nach teilweise widersprüchlichen Fassung des Sitzungsprotokolls und Beweisaufnahme über die tatsächliche Beschlussfassung zu Grunde gelegt wurde) deckt keine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitgebers; die tatsächliche Zustimmung des Betriebsrates ist erforderlich, der Arbeitgeber kann sich nicht auf eine etwa fehlerhafte Mitteilung des Abstimmungsergebnisses durch den Betriebsratsvorsitzenden verlassen (keine Anwendung der Spährentheorie). (Rn. 29 – 40) (red. LS Ulf Kortstock)
3. Einem Zutrittsrecht zur Ausübung des Amtes als Betriebsratsmitglied steht nicht die – streitige – verbale und physische Bedrohung des Geschäfts- und des Betriebsleiters durch das Betriebsratsmitglied entgegen, wenn die Bedrohten nicht mehr im Betrieb tätig sind. (Rn. 42) (red. LS Ulf Kortstock)

Verfahrensgang

17 BVGa 31/17 2017-09-21 Bes ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 21.09.2017 – 17 BVGa 31/17 – abgeändert und wie folgt gefasst:
Die Beteiligte zu 3) hat dem Antragsteller zur Ausübung seines Amtes als Mitglied des Beteiligten zu 2) Zutritt zum gesamten Betriebsgelände des … Marktes … in München zu gewähren.

Gründe

I.
Der mit einem Grad der Behinderung von 30 behinderte und einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Antragsteller ist seit dem 18.03.2002 bei der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin in deren Markt in München … beschäftigt. Er ist Mitglied des dort gebildeten und zu 2) beteiligten Betriebsrats.
Aufgrund von einzelnen streitigen Vorfällen stellte die Arbeitgeberin den Antragsteller am 28.09.2017 von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei und erteilte ihm ein mündliches Hausverbot. Außerdem beschloss die Arbeitgeberin, dem Antragsteller zu kündigen.
Der Antragsteller berichtete der Vorsitzenden des Betriebsrats und anderen in einer Pause der am 29.08.2017 stattfindenden Betriebsratsversammlung über die erfolgte Freistellung und das ausgesprochene Hausverbot. Daraufhin wurde die Betriebsversammlung abgebrochen. Am 30.08.2017 fand eine außerordentliche Betriebsratssitzung statt, über die das Betriebsratsmitglied … als Protokollführerin das als Anlage BR4 eingereichte Protokoll fertigte, für dessen Inhalt auf Bl. 212–213 d.A. Bezug genommen wird. Dieses Protokoll wurde von der Betriebsratsvorsitzenden nicht unterzeichnet. Sie fertigte zusammen mit dem Betriebsratsmitglied … das Protokoll von Bl. 69–73 d.A., auf das für seinen Inhalt im Einzelnen verwiesen wird. Nach dem Protokoll wurde nach einer Diskussion und nach einer 10-minütigen Pause wie folgt abgestimmt:
„7.
Beschlussfassung 1:
geplante fristlose Kündigung zum 30.11.2017
Abstimmung:
6 Stimmen mit JA
0 Stimmen mit NEIN
3 Stimmen mit ENTHALTUNG
Beschlussfassung 2:
hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.11.2017
Abstimmung:
8 Stimmen mit JA
0 Stimmen mit NEIN
1 Stimme mit ENTHALTUNG“
Im Anschluss daran hieß es im Protokoll:
„Somit ist einer fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung von Herrn … zum 30.11.2017 zugestimmt.“
Herr … unterzeichnete das Protokoll als Protokollführer und die Betriebsratsvorsitzende in ihrer Funktion.
Nach der vom Antragsteller mit Nichtwissen bestrittenen Behauptung des Betriebsrats teilte die Betriebsratsvorsitzende dem Geschäftsleiter der Arbeitgeberin, Herrn … unmittelbar im Anschluss an die Sitzung mit, „dass der Betriebsrat der außerordentlichen Kündigung zugestimmt habe.“ Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt erhielt die Arbeitgeberin das Protokoll der Betriebsratssitzung vom 30.08.2017 und legte es dem Antrag zur Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen (fristlosen) Kündigung des Antragstellers vom 04.09.2017 an das Integrationsamt bei.
Nach telefonischer Mitteilung des Integrationsamtes am 18.09.2017, dass es die Frist für die beantragte Zustimmung zu der außerordentlichen (fristlosen) Kündigung des Antragstellers verstreichen lassen werde, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis des Antragstellers mit dem am 19.09.2017 um 09:00 Uhr übergebenen Schreiben vom 19.09.2017 „außerordentlich fristlos mit sofortiger Wirkung“ (Anlage K1 = Bl. 77 d.A.). Der Bescheid des Integrationsamts über die gemäß § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX als erteilt geltende Zustimmung ging bei der Arbeitgeberin am 19.09.2017 um 09:14 Uhr per Fax ein (Anlage AG2 = Bl. 60 f. d.A.).
Mit Schreiben vom 20.09.2017 erteilte die Arbeitgeberin dem Antragsteller anlässlich des Vorfalls am 28.08.2017 ein Hausverbot bezogen auf sämtliche Gebäude sowie Gelände aller Standorte ihrer Vertriebsmarken und behielt sich bei Zuwiderhandlung vor, ohne weitere Ankündigung Strafantrag gemäß § 123 StGB zu stellen (Anlage K3 = Bl. 149 d.A.).
Mit dem am 11.09.2017 beim Arbeitsgericht München eingereichten Antrag hat der Antragsteller den Zutritt zum gesamten Betriebsgelände des Marktes in München- … zur Ausübung seines Amtes als Mitglied des Betriebsrats begehrt. Das Zutrittsrecht begründe sich aus § 78 Satz 1 BetrVG und folge aus der Mitgliedschaft des Antragstellers im Betriebsrat. Die außerordentliche fristlose Kündigung sei offensichtlich unwirksam, weil der Betriebsrat ausweislich des Protokolls nicht der ausgesprochenen außerordentlichen fristlosen Kündigung, sondern einer „fristlosen Kündigung zum 30.11.2017“ sowie einer „hilfsweisen ordentlichen Kündigung zum 30.11.2017“ zugestimmt habe (§ 103 BetrVG).
Die sog. Sphärentheorie gelte nicht im Rahmen des § 103 BetrVG. Es hätte der Arbeitgeberin nach Einsichtnahme in das Protokoll oblegen, eine Klarstellung beim Betriebsrat zu erwirken. Schließlich liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB nicht vor. Die nicht sofortige Befriedigung seines Zutrittsrechts bedeute einen temporären, endgültigen Rechtsverlust.
Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt:
1.Die Beteiligte zu 3) hat dem Antragsteller zur Ausübung seines Amtes als Mitglied des Beteiligten zu 2) Zutritt zum gesamten Betriebsgelände des … Marktes … in München zu gewähren.
2.Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1. wird der Beteiligten zu 3) ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, angedroht.
Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat haben erstinstanzlich beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Aufgrund der zwischenzeitlich ausgesprochenen außerordentlichen fristlosen Kündigung und der damit verbundenen Beendigung der Mitgliedschaft des Antragstellers im Betriebsrat bestehe das begehrte Zutrittsrecht des Antragstellers nicht. Die Kündigung sei auch nicht offensichtlich unwirksam. Der Betriebsrat hat behauptet, dass sich die Zustimmung unter anderem aus Ziff. 7, letzter Satz des Protokolls ergebe. Möglicherweise liege ein Protokollierungsfehler vor. Dem Betriebsrat habe ausweislich des Protokolls Ziff. 4, letzter Absatz zur Beschlussfassung eine Anlage zur geplanten fristlosen Kündigung vorgelegen. Die streitgegenständliche Kündigung sei gemäß § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt, weil der Antragsteller den Geschäftsleiter … am 29.08.2017 und den Betriebsleiter … am 28.08.2017 verbal und physisch bedroht habe.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge durch Beschluss vom 21.09.2017 zurückgewiesen, weil bereits ein Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden sei, § 85 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 292, 920 Abs. 2, 936 ff. ZPO. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, dass dem Antragsteller kein eigenständiger Anspruch auf Zutritt zum Betrieb zur Ausübung seines Betriebsratsamts zustehe. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass die außerordentliche fristlose Kündigung vom 19.09.2017 offensichtlich unwirksam sei. Selbst wenn man zugunsten des Antragstellers davon ausginge, dass von einem wirksamen Zustimmungsverfahren und einer wirksamen Zustimmung dann nicht auszugehen sei, wenn im Zeitpunkt der Abgabe der Kündigungserklärung dem Arbeitgeber die Tatsachen bekannt sein oder – weil offensichtlich – hätten bekannt sein müssen, aus denen die Unwirksamkeit oder das Nichtvorliegen eines Betriebsratsbeschlusses folge, sei im vorliegenden Fall nicht von einer offensichtlich unwirksamen Kündigung wegen Nichterfüllung des Zustimmungserfordernisses nach § 103 Abs. 1 BetrVG auszugehen. Aus dem Protokoll ergebe sich keinesfalls zwingend, dass die in der Anhörung vom 21.09.2017 durch die Darlegung des Betriebsratsvertreters glaubhaft gemachte Zustimmungserklärung der Betriebsratsvorsitzenden zur außerordentlichen fristlosen Kündigung nicht durch eine entsprechende Beschlussfassung gedeckt sei, insbesondere wegen des letzten Satzes der Ziff. 7 des Protokolls. Deshalb halte es die Kammer nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass die Arbeitgeberin allein schon durch die Einsichtnahme in das Protokoll auf einen die (Un-)Wirksamkeit der Kündigung durchschlagenden Fehler bei der Zustimmungserklärung der Betriebsratsvorsitzenden hätte erkennen müssen. Angesichts der Drucksituation im Hinblick auf § 626 Abs. 2 BGB und § 91 SGB IX hätten keine weiteren Erkundungsobliegenheiten der Arbeitgeberin bestanden, gegen die sie hätte verstoßen können. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 2 BGB sei nach den glaubhaft gemachten Behauptungen der Bedrohungen von Vorgesetzten zu bejahen. Es sei stark zu bezweifeln, dass der wichtige Grund durch eine zu Gunsten des Antragstellers ausfallende Interessenabwägung ausgeräumt werden könne. Weitere Unwirksamkeitsgründe für die Kündigung seien nicht ersichtlich.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller noch am 21.09.2017 Beschwerde beim Landesarbeitsgericht München eingelegt und am 29.09.2017 begründet. Zwar gehe das Arbeitsgericht zutreffend davon aus, dass das Zutrittsrecht des Antragstellers als Betriebsratsmitglied zum Betrieb der Arbeitgeberin zur Ausübung seiner Betriebsratstätigkeiten nach Ausspruch der fristlosen Kündigung nur dann bestehe und im Wege einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden könne, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam sei.
Diese Voraussetzung läge allerdings vor. Die Kündigung sei schon deshalb offensichtlich unwirksam, weil sie vom Betriebsratsbeschluss vom 30.08.2017 nicht gedeckt sei, § 103 BetrVG. Der Beschluss „geplante fristlose Kündigung zum 30.11.2017“ und die Kündigung „Hiermit kündigen wir Ihr Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos mit sofortiger Wirkung“ seien – für jeden Kündigenden sofort und ohne weiteres ersichtlich – nicht inhaltlich kongruent. Die Formulierung in Ziff. 7, letzter Satz des Protokolls, „Somit ist einer fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung … zum 30.11.2017 zugestimmt“ sei mit dem Beschluss zu einer „fristlosen Kündigung zum 30.11.2017“ vereinbar; stünde sie zu der Beschlussfassung im Widerspruch, sei sie inhaltlich falsch. Jedenfalls habe die Arbeitgeberin gewusst, dass die mündliche Mitteilung der Betriebsratsvorsitzenden nicht mit dem nach dem Protokoll gefassten Beschluss übereinstimme. Die Abweichung sei offensichtlich gewesen. Deshalb habe die Arbeitgeberin nicht mehr auf die mündliche Mitteilung der Betriebsratsvorsitzenden zur Zustimmung vertrauen dürfen und hätte den Betriebsrat zur Klarstellung oder zu einer erneuten Beschlussfassung auffordern müssen. Die Sphärentheorie gelte nicht im Anwendungsbereich des § 103 BetrVG. Eine Drucksituation habe nicht bestanden, weil die Arbeitgeberin den Antrag beim Integrationsamt nach dem angeblichen Vorfall am 28.08.2017 bis zum 11.09.2017 hätte stellen können und ihr das Protokoll jedenfalls schon am 04.09.2017 vorgelegen habe. Soweit der Betriebsrat behauptet habe, seine Vorsitzende habe dem Geschäftsleiter … mitgeteilt, der Betriebsrat habe der außerordentlichen Kündigung zugestimmt, sei diese Behauptung trotz Bestreitens durch den Antragsteller nicht glaubhaft gemacht worden. Nunmehr behaupte der Betriebsrat lediglich, er habe „beiden Kündigungen“ zugestimmt. Damit sei nicht ausgesagt, dass einer außerordentlichen fristlosen Kündigung zugestimmt worden sei. Schließlich sei ein Verfügungsgrund zu bejahen. Der Antragsteller sei auf die sofortige Anspruchserfüllung angewiesen, da die nicht sofortige Befriedigung einen zumindest temporären endgültigen Rechtsverlust bedeute. Es könne dem Antragsteller nicht zugemutet werden, den Anspruch in einem Hauptsacheverfahren zu verfolgen. Die Zwangsvollstreckung finde nur aus rechtskräftigen Beschlüssen der Arbeitsgerichte statt (§ 85 Abs. 1 ArbGG). Bis zur Erlangung eines solchen Titels mit einem Zeitraum über mehrere Monate bis zu einem Jahr oder länger wäre der Antragsteller an einer Betriebsratstätigkeit gehindert.
Der Antragsteller beantragt unter Rücknahme des Antrags zu 2,
in Abänderung des angefochtenen Beschlusses durch einstweilige Verfügung anzuordnen, dass die Beteiligte zu 3) dem Antragsteller zur Ausübung seines Amtes als Mitglied des Beteiligten zu 2) Zutritt zum gesamten Betriebsgelände des … Marktes … in München zu gewähren habe.
Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen,
und behaupten, es läge eine Zustimmung des Betriebsrats zu der ausgesprochenen außerordentlichen fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Antragsteller vor. Der Betriebsrat nimmt hierfür Bezug auf Ziff. 7, letzter Absatz, aber auch auf Ziff. 4, letzter Absatz des Protokolls. Bei der dort genannten „Anlage zur geplanten fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung zum 30.11.2017“ handele es sich um eine zusammenfassende Darstellung der Kündigungsgründe aus Sicht der Arbeitgeberin, die dem Betriebsrat zu Beginn der außerordentlichen Betriebsratssitzung übergeben worden sei. Aus dem Text der Anlage gehe an mehreren Stellen eindeutig hervor, dass die Arbeitgeberin beabsichtige, eine außerordentliche und fristlose Kündigung auszusprechen, so unmittelbar auf Seite 1 unter „Kündigungsgründe“, wo es wortwörtlich heiße: „Wir beabsichtigen, Herrn … fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30.11.2017 zu kündigen.“ Die Beschlussfassung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung werde durch eine erste Version des Sitzungsprotokolls bestätigt, die den tatsächlichen Beschlussgegenstand zutreffend mit „Beschlussfassung 1: Das Gremium stimmt über die fristlose Kündigung aufgrund der vorliegenden Gründe ab“ ausweise. Die hilfsweise ordentliche Kündigung per 30.11.2017 sei als „Beschlussfassung 2“ gekennzeichnet worden.
Da mit der Sitzungsniederschrift der Betriebsratssitzung als Privaturkunde im Sinne des § 416 ZPO nicht bewiesen werde, ob ein Beschluss gefasst worden und welchen Inhalt er habe, verbleibe es für die innere Richtigkeit des Protokolls bei den allgemeinen zivilprozessualen Regeln, insbesondere die Richtigkeit der behaupteten Tatsache durch Zeugenbeweis zu führen. Der Betriebsrat behauptet, dass beide Beschlüsse in der Sitzungsvorlage, die jedem Betriebsratsmitglied zu Beginn der Betriebsratssitzung am 30.08.2017 vorgelegen habe, angekündigt gewesen seien. Die Ankündigung zu der außerordentlichen und fristlosen Kündigung lautete auszugsweise wörtlich: „Fristlose Kündigung“. Der Beschluss betreffend die außerordentliche Kündigung sei ohne einen Zusatz „zum 30.11.2017“ gefasst worden. Zur Glaubhaftmachung bezieht sich der Betriebsrat auf die eidesstattliche Versicherung der Betriebsratsvorsitzenden … und die Einvernahme der präsenten Zeugen … und des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden …. Unmittelbar nach der Betriebsratssitzung habe die Betriebsratsvorsitzende dem Geschäftsleiter Herrn … telefonisch mitgeteilt, dass „beiden Kündigungen“ zugestimmt worden sei. Darüber hinaus fehle es an einem Verfügungsgrund. Weder dem Betriebsrat als Organ noch dem Antragsteller persönlich drohe ein Nachteil. Ein Verfügungsgrund im Sinne der §§ 935, 940 ZPO zu Gunsten des Betriebsratsmitglieds könne allenfalls dann gegeben sein, wenn glaubhaft gemacht werde, dass die ausgesprochene fristlose Kündigung auf willkürlichen und unsachlichen Gründen beruhe oder allein der Entfernung aus dem Betriebsratsamt dienen solle.
Die Arbeitgeberin trägt vor, dass es auf den Willen des Betriebsrats, wie er von der Betriebsratsvorsitzenden gegenüber der Arbeitgeberin unmittelbar im Anschluss an die Beschlussfassung kommuniziert worden sei, ankäme. Das Ergebnis sei „klar und eindeutig“, dass der Betriebsrat auch über eine fristlose Kündigung abgestimmt habe. Zur Glaubhaftmachung legt die Arbeitgeberin die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsleiters … vor und stellt ihn als präsenten Zeugen. Diese fristlose Kündigung liege wegen der Formulierung in Ziff. 7, letzter Satz des Protokolls auf der Hand. Den behaupteten Widerspruch zwischen Beschlussfassung und Protokoll habe weder der Schwerbehindertenvertreter noch das Integrationsamt gesehen.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf den Inhalt der Schriftsätze des Antragstellers vom 29.09.2017 (Bl. 128–150 d.A.) und vom 13.11.2017 (Bl. 227–232 d.A.), des Schriftsatzes des Beteiligten zu 2) vom 06.11.2017 (Bl. 198–213 d.A.) und der Beteiligten zu 3) vom 06.11.2017 (Bl. 214–217 d.A.) sowie auf das Protokoll der Anhörung vom 16.11.2017 (Bl. 233–241 d.A.) verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Die nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO, und damit zulässig.
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Arbeitgebern hat unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses dem Antragsteller zur Ausübung seines Amtes als Mitglied des Betriebsrats Zutritt zum gesamten Betriebsgelände des … Marktes zu gewähren.
a) Gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung auch im Beschlussverfahren gemäß den dort in Bezug genommenen §§ 916 ff. ZPO zulässig. Der Erlass einer sog. Leistungsverfügung, durch die der geltend gemachte Anspruch nicht nur gesichert, sondern bereits befriedigt wird, setzt voraus, dass der Antragsteller einen zu sichernden Verfügungsanspruch hat (§§ 916 Abs. 1, 920 Abs. 2, 936 ZPO) und ein Verfügungsgrund gegeben ist (§§ 935, 940 ZPO) (vgl. Spinner in Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 9. Aufl. 2017, § 85, Rn. 29; Schoob in Boecken/Düwell/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Aufl. 2016, § 85 ArbGG, Rn. 11 ff.; ausführlich auch LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.09.2009 – 17 TaBVGa 1372/09 – unter II. 1. der Gründe; LAG München, Beschluss vom 18.11.2009 – 11 TaBVGa 16/09).
b) Der danach erforderliche Verfügungsanspruch ist gegeben.
aa) Aus § 78 Satz 1 BetrVG, wonach Mitglieder des Betriebsrats in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden dürfen, begründet sich das Recht auch des einzelnen Betriebsratsmitglieds auf Zutritt zum Betrieb (vgl. Fitting, BetrVG, 27. Aufl. 2014, § 78, Rn. 9; vgl. auch schon LAG München, Beschluss vom 28.09.2005 – 7 TaBV 58/05 – II. 1. der Gründe m.w.N.; ebenso LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.09.2009 – 17 TaBVGa 1372/09 – a.a.O.; LAG München, Beschluss vom 18.11.2009 – 11 TaBVGa 16/09, a.a.O.). Das Zugangsrecht ist lediglich an die Mitgliedschaft im Betriebsrat gebunden, die gemäß § 24 Nr. 3 BetrVG mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlischt. Kündigt der Arbeitgeber dem Betriebsratsmitglied, endet deshalb seine Mitgliedschaft im Betriebsrat und sein Zugangsrecht, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn das Betriebsratsmitglied Kündigungsschutzklage erhebt. In diesem Fall bleibt die Wirksamkeit der Kündigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses offen. Zugunsten des Betriebsratsmitglieds kann deshalb während des Kündigungsschutzverfahrens keine einstweilige Verfügung zum Schutz der Betriebsratstätigkeit erlassen werden (vgl. Fitting, a.a.O., § 24 Rn. 17 m.w.N.). Zulässig ist eine einstweilige Verfügung allerdings dann, wenn der Arbeitgeber die Kündigung ohne Zustimmung des Betriebsrats oder eine die Zustimmung ersetzende arbeitsgerichtliche Entscheidung nach § 103 BetrVG ausgesprochen hat oder die Kündigung aus einem anderen Grunde offensichtlich unbegründet ist (vgl. Fitting, a.a.O., § 24 Rn. 17 m.w.N.; Düwell in Düwell, BetrVG, 4. Aufl. 2014, § 24, Rn. 11). Im Fall einer offensichtlich unwirksamen Kündigung wird auf die rechtzeitig eingelegte Kündigungsschutzklage mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass das Arbeitsverhältnis des Betriebsratsmitglieds durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so dass auch dessen Mitgliedschaft im Betriebsrat nicht erloschen ist (vgl. Walker, Der einstweilige Rechtschutz im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren, 1993, Rn. 815).
bb) Danach ist ein Zutrittsrecht des Antragstellers zum Betriebsgelände der Arbeitgeberin zur Ausübung seiner Betriebsratstätigkeit zu bejahen, § 78 S. 1 BetrVG.
(1) Der Antragsteller hat durch Vorlage des von der Betriebsratsvorsitzenden unterzeichneten Protokolls hinreichend glaubhaft gemacht, § 294 Abs. 1 ZPO, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zur ausgesprochenen außerordentlichen fristlosen Kündigung nicht erteilt hat und die Kündigung deshalb wegen Fehlens der nach § 15 Abs. 1 KSchG und § 103 Abs. 1 BetrVG erforderlichen Zustimmung offensichtlich unwirksam ist. Nach Ziff. 7 des Protokolls hat der Betriebsrat lediglich einer „geplante(n) fristlose(n) Kündigung zum 30.11.2017“ mit sechs von neun möglichen Stimmen zugestimmt. Diese Protokollierung hat gegenüber dem das Ergebnis der Beschlussfassung zusammenfassenden letzten Satz der Ziff. 7 „Somit ist einer fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung von Herrn … zum 30.11.2017 zugestimmt.“ Vorrang. Nach der Regelung in § 34 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat die Niederschrift den Wortlaut der Beschlüsse und die Stimmenmehrheit, mit der sie gefasst wurden, zu enthalten. Im Übrigen stehen der Beschluss und der Inhalt der Ziff. 7, letzter Satz des Protokolls nicht im Widerspruch zueinander, weil dort gerade nicht als Ergebnis der Beschlussfassung die Zustimmung zu einer „fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung“, sondern zu „einer fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung…zum 30.11.2017“ wiedergegeben worden ist. Darüber hinaus zeigt der Sprachgebrauch des Betriebsrats, dass er die fristlose Kündigung und die außerordentliche Kündigung synonym verwendet. In der mündlichen Anhörung vor dem Arbeitsgericht am 21.09.2017, in der es bereits um den Inhalt des Betriebsratsbeschlusses vom 30.08.2017 ging, behauptete der Betriebsrat, dass die Betriebsratsvorsitzende unmittelbar nach der Sitzung vom 30.08.2017 dem Geschäftsleiter … mitgeteilt habe, „dass der Betriebsrat der außerordentlichen Kündigung zugestimmt.“ Die Beschlussfassung „fristloser Kündigung zum 30.11.2017“ hätte nach diesem Sprachgebrauch eine „außerordentliche Kündigung zum 30.11.2017“ bedeutet.
Für die Richtigkeit der Wiedergabe der Beschlussfassung, einer außerordentlichen Kündigung (mit sozialer Auslauffrist) zum 30.11.2017 zuzustimmen, spricht zudem der Umstand, dass bis zur mündlichen Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht München am 16.11.2017 und somit lange nach der Beschlussfassung am 30.08.2017 keine Einwendung gegen die Richtigkeit der Niederschrift gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2 BetrVG erhoben worden ist. Eine solche Einwendung kann sich insbesondere auf die Wiedergabe der Beschlüsse und Stimmenmehrheiten beziehen (vgl. Fitting, a.a.O., § 34 Rn. 28). Werden Einwendungen erhoben, ist die Betriebsratsvorsitzende verpflichtet, diese dem Betriebsrat zur Kenntnis zu bringen, der dann in der folgenden Sitzung feststellen kann, ob ggf. die Niederschrift zu berichtigen ist (vgl. Fitting, a.a.O., § 34, Rn. 30 und 31). Durch die Ordnungsvorschrift des § 34 Abs. 2 Satz 2 BetrVG soll erreicht werden, dass Zweifel an der Richtigkeit der Niederschrift möglichst bald entweder ausgeräumt oder aktenkundig gemacht werden.
Demgegenüber kann es auf die Anlage der Arbeitgeberin zur Beschlussfassung am 30.08.2017 für die Auslegung des Beschlusses nicht ankommen. Zum einen ist diese Anlage selbst ungenau, weil sie an der prominenten Stelle der Überschrift, auf die sich die Betriebsratsvorsitzende für die Beschlussfassung in ihrer Zeugeneinvernahme bezog, gerade die missverständliche Formulierung der „geplanten fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung zum 30.11.2017“ enthält. Ihr fehlt auch ein abschließender konkreter Antrag. Zum anderen hat der Betriebsrat abweichend von der Anlage BR3 beschließen können, nur einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 30.11.2017 zustimmen zu wollen, nachdem eine fristgemäße Kündigung wegen des besonderen Kündigungsschutzes des Antragstellers gemäß § 15 Abs. 1 KSchG nicht zulässig war.
Gleichfalls gibt die als Anlage BR2 vorgelegte Tagesordnung keinen Aufschluss darüber, ob die fristlose Kündigung mit oder ohne Datum zur Entscheidung gestellt bzw. beschlossen worden ist. Für die Beschlussfassung über die hilfsweise ordentliche Kündigung, die (auch) zum 30.11.2017 ausgesprochen werden sollte, ist gleichfalls kein Kündigungsdatum genannt.
(2) Die Behauptung, der Betriebsrat habe der ausgesprochenen außerordentlichen fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Antragstellers vorab zugestimmt, lässt sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit aus der Mitteilung der Betriebsratsvorsitzenden … an den Geschäftsleiter … begründen, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob diese telefonisch oder schriftlich erfolgt ist.
In seiner eidesstattlichen Versicherung hat der Geschäftsleiter … lediglich bestätigt, er sei darüber informiert worden, „dass der Betriebsrat soeben der fristlosen Kündigung und der hilfsweise ordentlichen Kündigung von Herrn … zum 30.11.2017 zugestimmt habe.“ Im Anschluss an die vorstehenden Ausführungen kann diese Formulierung auch die „fristlose Kündigung zum 30.11.2017“ umfassen. Auf eine Einvernahme des präsenten Zeugen … in der mündlichen Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht München am 16.11.2017 hat die Kammer verzichtet. Dem Beschluss zur Zustimmung zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung eines Betriebsratsmitglieds kommt konstitutive Bedeutung zu; die sog. „Sphärentheorie“, wonach es auf Mängel bei der Beschlussfassung für die Wirksamkeit der Betriebsratsanhörung nicht ankäme, weil sie der Sphäre des Betriebsrats zuzurechnen seien, gilt nicht für die Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG (Fitting, a.a.O., § 103 BetrVG, Rn. 38; siehe schon BAG 28.03.1984 – 2 AZR 391/83 –). Die erforderliche Zustimmung zur Kündigung setzt an sich einen wirksamen Beschluss voraus (§ 15 Abs. 1 KSchG). Ein Vertrauensschutz der Arbeitgeberin war im vorliegenden Fall wegen der Protokollierung der nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BetrVG maßgeblichen Beschlussfassung „fristlose Kündigung zum 30.11.2017“ nicht in Betracht zu ziehen. Für die Arbeitgeberin war erkennbar, dass die fristlose Kündigung nach dem Willen des Betriebsrates, wie er in der Beschlussfassung zum Ausdruck kommt, erst zum 30.11.2017 ausgesprochen werden sollte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat keinen Rechtsanspruch auf Protokollberichtigung hat, wie die Arbeitgeberin ausführt. Werden etwaige Zweifel am Inhalt der Beschlussfassung nicht seitens der Betriebsratsvorsitzenden auf Nachfrage der Arbeitgeberin ausgeräumt, hat die Arbeitgeberin sicherheitshalber die Ersetzung der Zustimmung beim Arbeitsgericht zu beantragen. Für dieses Verfahren war trotz des Laufs der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB noch ausreichend Zeit. Die kündigungsrelevanten Vorfälle datierten vom 28. und 29.08.2017, so dass die Zwei-Wochen-Frist am 11.09.2017 ablief. Die Beschlussfassung war der Arbeitgeberin jedenfalls bis zum 04.09.2017 mitgeteilt worden, weil sie das Protokoll ihrem Antrag an das Integrationsamt vom 04.09.2017 beigefügt hatte.
(3) Nach der Einvernahme der präsenten Zeugen … und … konnte die Kammer in freier Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit annehmen, der Betriebsrat habe am 30.08.2017 mehrheitlich die Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Antragsteller beschlossen, §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 2, 286 ZPO.
(a) Zwar hat die Zeugin … bekundet, sie habe am 30.08.2017 gefragt, „wer… für die fristlose Kündigung“ sei und es hätten sich sechs Mitglieder des Betriebsrats gemeldet, die mit „ja“ gestimmt hätten. Mit dieser Aussage hat sie die behauptete Tatsache, der Betriebsrat habe einer „außerordentlichen fristlosen Kündigung“ mehrheitlich zugestimmt, jedoch nicht bestätigt. Lediglich in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 12.10.2017 hat die Zeugin … angegeben, der Beschluss betreffend die außerordentliche Kündigung sei ohne einen Zusatz „zum 30.11.2017“ gefasst worden.
Jedenfalls hat die Kammer trotz ihrer Beeidigung gemäß §§ 391, 392 ZPO erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin ….
So hat die Zeugin … in der eidesstattlichen Versicherung vom 12.10.2017 nach Belehrung über die Strafbarkeit der Abgabe einer vorsätzlich oder auch nur fahrlässig falschen Versicherung an Eides statt angegeben, der Beschluss betreffend die außerordentliche Kündigung sei ohne einen Zusatz „zum 30.11.2017“ gefasst worden. Tatsächlich liegt weder nach dem Protokollentwurf noch nach dem von der Betriebsratsvorsitzenden unterschriebenen Protokoll ein solcher Beschluss vor. Es soll jeweils ein Beschluss zur fristlosen Kündigung beschlossen worden sein. Darüber hinaus hat die Zeugin in der eidesstattlichen Versicherung und der Zeugeneinvernahme ausgesagt, die Sitzungsvorlage (Anlage BR2) habe jedem Betriebsratsmitglied zu Beginn der Betriebsratssitzung am 30.08.2017 vorgelegen. Die textliche Abfassung dieser Tagesordnung deutet demgegenüber eher darauf hin, dass es sich um ein nachträglich erstelltes Kurzprotokoll der Zeugin handelt. So ist unter Ziff. 3 der Tagesordnung wiedergegeben: „Information, dass Herr … und Herr … gleich zu Beginn der Sitzung kommen werden“; gem. dem Protokoll hat die Zeugin … den Betriebsrat informiert, „dass die Herr … und Herr … gleich zu dieser Sitzung erscheinen werden.“ Weiterhin ist in der Tagesordnung aufgeführt, welche Informationen beide Herren geben. Dies dürfte regelmäßig im vornherein unbekannt sein. Auch spricht die Angabe der Pausenzeit, die im vornherein regelmäßig unbekannt sein dürfte, gegen die Annahme einer vor Beginn der Betriebsratssitzung gefertigten Tagesordnung. Schließlich ist unter Ziff. 8 aufgeführt „Frau… erwähnt unsere WhatsApp-Gruppe als Infoportal“. Dies ist ein Bericht über das, was Frau … zur WhatsApp-Gruppe gesagt hat und findet sich wortgleich im Protokoll mit „Frau … erwähnt noch einmal unsere WhatsApp-Gruppe mit der Bitte an Frau … das als Infoportal „intern BR“ zu nutzen.“
Darüber hinaus schien die Zeugin … ein eigenes Interesse daran zu haben, dass der Antragsteller infolge der Kündigung aus dem Betrieb ausscheidet. Der Zeugin …, die den Betriebsratsvorsitz seit acht Jahren innehat, musste bekannt sein, dass einem Betriebsratsmitglied nicht ordentlich aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt werden kann (§ 15 Abs. 1 KSchG) und dass die Kündigungsfrist eines seit 15 Jahren beschäftigten Arbeitnehmers gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats beträgt, so dass ein Kündigungstermin 30.11.2017 nicht in Betracht kam. Dabei handelt es sich nicht um besondere arbeitsrechtliche Kenntnisse, über die regelmäßig nur eine Juristin verfügt, sondern um Grundkenntnisse, die jedem Betriebsratsmitglied auf ersten Schulungen vermittelt werden, die es im eigenen Interesse kennt und die es bei immer wieder vorkommenden Kündigungen von Mitarbeitern auch regelmäßig anwendet. Eine Neutralität in der Amtsführung hätte daher von der Betriebsratsvorsitzenden erwarten lassen, gegenüber der Arbeitgeberin der Antragstellung im Bezug auf die fristgemäße Kündigung zum 30.11.2017 zu widersprechen und sich im Betriebsrat gegen eine Zustimmung zu dieser beabsichtigten Kündigung auszusprechen. Gegen ihre Neutralität spricht auch, dass die Zeugin … die Protokollierung nachträglich an sich gezogen hat statt etwaige Korrektur- und Ergänzungswünsche hinsichtlich der Protokollierung mit der ursprünglich als Protokollführerin benannten Frau … vorzunehmen. Das von ihr gefertigte Protokoll, das immerhin eine Privaturkunde im Sinne des § 416 ZPO ist, die zum Zwecke des Nachweises der Ordnungsgemäßheit und Rechtsgültigkeit der Betriebsratsbeschlüsse angefertigt wird (vgl. Fitting, a.a.O., § 34 Rn. 5), ist demgegenüber an verschiedenen Stellen falsch oder unrichtig. So hat sie die Tatsache, dass ursprünglich Frau … Protokollführerin war, im korrigierten Protokoll nicht mehr erwähnt. Die Bezeichnung des Betriebsratsmitglieds … als Protokollführer ist falsch, da er ursprünglich nicht als Protokollführer bestimmt worden war und die Betriebsratsvorsitzende selbst nach ihren Bekundungen das Protokoll geschrieben hat. Ziff. 5 des Protokolls gibt die Diskussion des Betriebsrats unvollständig wieder, weil es die Auseinandersetzung im Gremium über die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Antragsteller zu entlassen wäre, unerwähnt lässt. Dass darüber gesprochen worden ist, hat der Zeuge … mit eigenen Worten geschildert und auf Nachfrage des Gerichts bestätigt. Soweit Ziff. 5 interne Probleme des Betriebsrats mit dem Antragsteller benennt, dürften diese für die Frage einer außerordentlichen fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses keine Rolle spielen. Soweit die Zeugin … diese Diskussion zuließ bzw. selbst in die Diskussion eingeführt hat (vgl. Anlage BR4, Ziff. 3: „Frau … erwähnte auch die immer wiederkehrenden Unstimmigkeiten mit Herrn … im Betriebsrat.“) ergeben sich weitere Anhaltspunkte für eine jedenfalls nicht neutrale Einstellung der Betriebsratsvorsitzenden gegenüber dem Antragsteller. Schließlich ist es nicht nachvollziehbar, dass die Zeugin … die wegen ihrer Erschöpfung am 30.08.2017. die Protokollberichtigung an einem anderen Tag gemacht haben will, das Protokoll in der zentralen Frage der Beschlussfassung fehlerhaft korrigiert haben will.
(b) Im Gegensatz zu der Zeugin … hat der Zeuge … ausgesagt, dass der Betriebsrats („wir“) nicht gewollt habe, „dass der Antragsteller auf die Straße kommt. Wir wollten ihm noch helfen und ihn deshalb erst zum 30.11.2017 entlassen.“ Danach hätte der Betriebsrat eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 30.11.2017 beschlossen. Diese Aussage des Zeugen … ist glaubhaft. Der Zeuge … hat sie mit eigenen Worten im Zusammenhang bekundet und sie auf zweimalige Frage der Vorsitzenden wiederholt. Auch wenn die deutschen Sprachkenntnisse des Zeugen … eingeschränkt sein mögen, so waren seine Erklärungen ihrem Inhalt klar. Er hat wiederholt betont, dass der Antragsteller ja ein Kollege gewesen sei, man ihm eine Chance geben wollte und er „auf jeden Fall die nächsten drei Monate noch sein Geld bekommen“ sollte. Wenn der Zeuge … gleichwohl auf die Frage des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats: „Gab es als erstes eine Abstimmung über eine außerordentliche fristlose Kündigung ohne drei Monate?“ mit „Ja.“ geantwortet hat, ist dadurch seine ursprüngliche Erklärung nicht widerlegt. Gerade sein „sprachliches Gefälle“, das der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats feststellte, und die Schnelligkeit der Antwort „Ja“ indizieren, dass es sich dabei um eine abgesprochene Fragestellung gehandelt hat.
c) Der für den Erlass der begehrten Leistungsverfügung erforderliche Verfügungsgrund ist ebenfalls zu bejahen.
Der Anspruch des Antragstellers auf Zutritt zum Betrieb ist im Anschluss an die vorstehenden Ausführungen gegeben. Es kann dem Antragsteller nicht zugemutet werden, diesen Anspruch auf Zutritt in einem Hauptsacheverfahren zu verfolgen, dessen rechtskräftiger Abschluss nicht vor dem nächsten Jahr erwartet werden kann. Nur aus einem rechtskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts aber könnte er die Zwangsvollstreckung betreiben, § 85 Abs. 1 ArbGG. Angesichts der in der mündlichen Anhörung vor der Beschwerdekammer deutlich gewordenen Weigerungshaltung der Arbeitgeberin, die sich einer vergleichsweisen Einigung trotz erheblicher Zugeständnisse des Antragstellers verweigerte, muss davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller vor Abschluss der Beschwerdeinstanz sein Zutrittsrecht nicht durchsetzen könnte. Während dieses Zeitraums wäre der Antragsteller an einer uneingeschränkten Betriebsratstätigkeit gehindert, ohne dass es hierfür eine sachliche Rechtfertigung gäbe. Der Einwand des Betriebsrats, die Betriebsratstätigkeit könne von den übrigen Mitgliedern des Betriebsrats ausgeübt werden, trifft nicht zu. Es geht nicht darum, ob der Betriebsrat ohne Durchsetzung des Zutrittsrechts des Antragstellers nicht funktionsunfähig wäre. Maßgeblich ist vielmehr, dass die betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben gerade auch vom Antragsteller und von dem Betriebsrat in der gewählten Zusammensetzung uneingeschränkt wahrgenommen werden können (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.09.2009 – 17 TaBVGa 1372/09 – unter II. 2. b)). Weitergehende berechtigte Interessen der Arbeitgeberin, die dem Zutrittsrecht entgegengesetzt werden könnten, bestehen nicht. Sowohl der Geschäftsleiter … als auch der Betriebsleiter … werden nicht mehr in dem betreffenden Markt beschäftigt. In der Anlage BR3 berichtet die Arbeitgeberin nicht über verbale oder körperliche Auseinandersetzungen des Antragstellers mit anderen Vorgesetzten oder Kollegen. Im Übrigen endet die Mitgliedschaft des Antragstellers im Betriebsrat und sein aus § 78 Satz 1 BetrVG abgeleitetes Zutrittsrecht mit der rechtskräftigen Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung oder falls der Antragsteller im nächsten Jahr nicht erneut in den Betriebsrat gewählt werden würde. Schließlich gewährt hier vorliegende einstweilige Verfügung dem Antragsteller das Recht auf Zutritt nur zur Erfüllung von Aufgaben des Betriebsrats. Durch die Freistellung des Antragstellers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung hat die Arbeitgeberin selbst für einen größeren zeitlichen Spielraum des Antragstellers in der Erledigung dieser Angelegenheiten gesorgt.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 2 Abs. 2 GKG.
IV.
Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt, § 92 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 85 Abs. 2 ArbGG.

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