Strafrecht

Erfolgreiche Revision aufgrund der unklaren und lückenhaften Beweiswürdigung

Aktenzeichen  5 OLG 13 Ss 404/17

Datum:
13.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB StGB § 223 Abs. 1, § 303 Abs. 1
StPO StPO § 344 Abs. 2, § 349 Abs. 2, 4, § 353, § 354 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1 Die revisionsrechtliche Beurteilung ist auf die Prüfung beschränkt, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gegen gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Die Beweiswürdigung muss in sich schlüssig und nachvollziehbar sein und alle aus dem Urteil ersichtlichen Umstände würdigen, die Schlüsse zugunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zulassen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Landgericht hat seine Feststellungen zur Tatbegehung ausschließlich auf das vollumfängliche, glaubwürdige und nachvollziehbare Geständnis des Angeklagten gestützt. Eine Vernehmung von Zeugen oder eine Verlesung von Urkunden oder Attesten ist laut Urteil nicht erfolgt. Das landgerichtliche Urteil ist lückenhaft, da sich Feststellungen über die Verletzungsfolgen bei der Geschädigten und deren folgenlose Verheilung sich der Kenntnis des Angeklagten entziehen. Auch die Funktionsstörung des Rauchmelders und das Erfordernis, diesen auszutauschen, können nicht ausreichend durch das Geständnis des Angeklagten festgestellt werden.  (Rn. 6 – 7) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Tatbestand des § 303 Abs. 1 StGB ist grundsätzlich nur erfüllt, wenn die Substanz der Sache oder ihre technische Brauchbarkeit erheblich beeinträchtigt worden ist. Eine ohne nennenswerten Aufwand an Mühe, Zeit oder Kosten alsbald behebbare Beeinträchtigung der Substanz oder Brauchbarkeit der Sache reicht hingegen nicht aus (OLG Düsseldorf BeckRS 9998, 56377).  (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 29. Mai 2017 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung (Ziffer I 1 des Urteils) und Sachbeschädigung (Ziffer I 4 des Urteils) verurteilt wurde sowie hinsichtlich der hierfür verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Im Übrigen wird die Revision des Angeklagten verworfen.
II. Soweit das Urteil aufgehoben wird, wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Landshut zurückverwiesen.

Gründe

Die zulässige Revision des Angeklagten hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg, soweit der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung verurteilt worden ist sowie hinsichtlich der hierfür verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Im Übrigen war die Revision des Angeklagten zu verwerfen, § 349 Abs. 2, 4 StPO
1. Die Verfahrensrügen des Angeklagten bleiben ohne Erfolg, da sie nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO entsprechen und somit nicht ordnungsgemäß erhoben wurden. Es wurde bereits nicht dargelegt, ob die Beweistatsachen im Wege des Vorhalts eingeführt worden sind (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 60. Aufl. § 261 Rdn. 38a a.E.).
2. Die Revision hat allerdings teilweise mit der Sachrüge Erfolg. Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung nicht, nachdem die Beweiswürdigung hinsichtlich der Verletzungsfolgen bei der Geschädigten … und der Beschädigung des Rauchmelders unklar und lückenhaft ist.
a) Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Die revisionsrechtliche Beurteilung ist auf die Prüfung beschränkt, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gegen gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Die Beweiswürdigung muss in sich schlüssig und nachvollziehbar sein und alle aus dem Urteil ersichtlichen Umstände würdigen, die Schlüsse zugunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zulassen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 337 Rdnr. 26 ff m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.
b) Das Landgericht hat seine Feststellungen zur Tatbegehung ausschließlich auf das vollumfängliche, glaubwürdige und nachvollziehbare Geständnis des Angeklagten gestützt. Eine Vernehmung von Zeugen oder eine Verlesung von Urkunden oder Attesten ist laut Urteil nicht erfolgt.
aa) Worauf sich die Feststellungen über die Verletzungsfolgen bei der Geschädigten … und deren folgenlose Verheilung stützen, ergibt sich aus der Beweiswürdigung nicht. Diese entziehen sich der Kenntnis des Angeklagten. Insoweit ist das landgerichtliche Urteil lückenhaft.
bb) Auch die Funktionsstörung des Rauchmelders und das Erfordernis, diesen auszutauschen, hat das Landgericht nicht belegt. Auch diese Umstände können nicht ausreichend durch das Geständnis des Angeklagten festgestellt werden. Denn die Funktionsfähigkeit des Rauchmelders wurde nach den Urteilsgründen weder vom Angeklagten überprüft, noch wurde im Urteil ausreichend dargelegt, ob eine Reparatur möglich und wie hoch der Aufwand gewesen wäre. Der Tatbestand des § 303 Abs. 1 StGB ist grundsätzlich nur erfüllt, wenn die Substanz der Sache oder ihre technische Brauchbarkeit erheblich beeinträchtigt worden ist. Eine ohne nennenswerten Aufwand an Mühe, Zeit oder Kosten alsbald behebbare Beeinträchtigung der Substanz oder Brauchbarkeit der Sache reicht hingegen nicht aus (OLG Düsseldorf NJW 1993, 869). Hierzu liegen keine ausreichenden Feststellungen vor, Zeugen oder ein Sachverständiger wurden nicht gehört. Das Urteil des Landgerichts Landshut ist daher teilweise aus den genannten Gründen mit den zugrunde liegenden Feststellungen nach §§ 349 Abs. 4, 353 StPO aufzuheben.
Die Sache ist nach § 354 Abs. 2 S. 1 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Landshut zurückzuverweisen.

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