Steuerrecht

Widerruf einer Gaststättenerlaubnis wegen Unzuverlässigkeit des Gastwirts

Aktenzeichen  22 ZB 17.1794

Datum:
10.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133283
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2
GastG § 15 Abs. 2

 

Leitsatz

Die bloße Leistungswilligkeit steht der Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit nicht entgegen. Erforderlich ist zusätzlich die objektive Möglichkeit des Betroffenen, bestehende Schulden innerhalb überschaubarer Frist zu tilgen und das Entstehen neuer Schulden zu verhindern. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 K 16.3117 2017-05-18 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich im vorliegenden Rechtsstreit gegen einen Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2016, durch den – gestützt auf § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG – die ihr erteilte Gaststättenerlaubnis widerrufen wurde. Der Vorwurf der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit wurde im Bescheid auf folgende Tatsachen gestützt:
1. Steuerrückstände beim Finanzamt München:
Stand
Höhe in Euro
12.10.2011
19.323,09
29.02.2012
22.064,35
02.08.2012
26.327.01
04.09.2012
27.250,44
26.09.2012
28.234,13
17.10.2012
27.654,13
27.11.2012
27.128,82
17.01.2013
32.188,52
04.04.2013
22.501,12
Im Hinblick auf den zum 4. April 2013 eingetretenen Rückgang der Steuerschulden und die am 28. Januar 2013 erfolgte vollständige Tilgung der damaligen Rückstände der Klägerin bei der AOK Bayern in Höhe von 16.674,99 € durch ihren Ehemann räumte die Beklagte der Klägerin am 9. April 2013 die Möglichkeit ein, bis zum Endes des gleichen Jahres die steuerlichen Hauptforderungen in Höhe von 16.471,62 € abzutragen und beim Finanzamt zumindest einen Teilerlass der aufgelaufenen Säumniszuschläge zu erwirken. Andernfalls sei mit der Einleitung eines auf Widerruf der Gaststättenerlaubnis gerichteten Verfahrens zu rechnen.
Die Steuerrückstände beim Finanzamt entwickelten sich in der Folgezeit nach der Darstellung im verfahrensgegenständlichen Bescheid wie folgt:
Stand
Höhe in Euro
08.07.2013
19.636,71
26.08.2013
18.315,39
25.10.2013
18.933,65
11.03.2014
19.156,41
21.03.2016
21.353,84
20.05.2016
28.779,42
2. Rückstände beim Kassen- und Steueramt der Beklagten:
Stand
Höhe in Euro
28.01.2013
1.425,75
21.03.2016
513,00
3. Rückstände bei Sozialversicherungsträgern:
Gläubiger bzw. Einziehungsstelle
Stand
Höhe in Euro
Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe
06.06.2014
21.03.2016
20.05.2016
6.062,32
7.531,52
8.260,08
AOK Bayern
21.03.2016
1.894,82
Knappschaft
21.03.2016
20.05.2016
4.270,02
4.216,84
4. Nach Darstellung im Bescheid vom 9. Juni 2016 hat die Klägerin am 1. Dezember 2011 außerdem die Offenbarungsversicherung abgegeben.“
Die gegen diesen Bescheid erhobene Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 18. Mai 2017 als unbegründet ab.
Die Klägerin beantragt, gestützt auf § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO, gegen diese Entscheidung die Berufung zuzulassen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da sich aus der Antragsbegründung vom 9. Oktober 2017 (vgl. zur Maßgeblichkeit der darin enthaltenen Darlegungen § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass die Klägerin einen Anspruch auf Durchführung eines Berufungsverfahrens besitzt.
Soweit sie sich auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 VwGO bezieht, lassen die Ausführungen in dem vorgenannten Schriftsatz nicht einmal ansatzweise erkennen, warum die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist oder ihr grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Entsprochen werden kann dem Antrag aber auch nicht unter dem Blickwinkel ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Als ein diesen Zulassungsgrund betreffendes Vorbringen kann die in der Antragsbegründung aufgestellte Behauptung verstanden werden, die Klägerin arbeite an einer geordneten Übergabe ihrer Gaststätte, um alle Gläubiger befriedigen zu können. Außerdem habe sie stets versucht, durch Mehrarbeit und die Hereinnahme finanziell leistungsfähiger Partner frisches Kapital zu beschaffen sowie durch Umsatzsteigerungen Schulden abtragen zu können. Die Klägerin macht damit der Sache nach geltend, sie sei willens, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Aus dieser Behauptung, die sie in detaillierterer Form bereits im ersten Rechtszug aufgestellt hat (vgl. die Klagebegründungsschrift vom 23.9.2016), ergäben sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vom 18. Mai 2017 jedoch selbst dann nicht, wenn die diesbezüglichen Darstellungen zutreffen sollten. Denn bloße Leistungswilligkeit lässt den Tatbestand der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit so lange nicht entfallen, als zu diesem subjektiven Umstand nicht die objektive Möglichkeit des Betroffenen hinzutritt, aufgelaufene Verbindlichkeiten innerhalb überschaubarer Frist wegzufertigen und das Entstehen neuer Schulden zu verhindern. Dass die Klägerin im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (d.h. bei Bekanntgabe des Widerrufsbescheids) über die zu diesem Zweck erforderlichen finanziellen Mittel verfügte, macht die Begründung des Zulassungsantrags jedoch nicht geltend. Der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass sie damals wirtschaftlich nicht ausreichend leistungsfähig war (vgl. vor allem den auf Seite 13 unten des Urteils vom 18.5.2017 beginnenden Absatz), setzt die Begründung des Zulassungsantrags nicht nur nichts entgegen; auf Seite 2 oben des Schriftsatzes vom 9. Oktober 2017 räumt die Klägerin vielmehr ein, die Bewertung ihrer wirtschaftlichen Lage sei wohl unter „objektiven Gesichtspunkten richtig“.
Soweit im gleichen Schreiben eine ihr günstigere gerichtliche Ermessensentscheidung für angezeigt erachtet wird, bleibt außer Betracht, dass den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Klageverfahren, in denen über die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten zu befinden ist, kein materieller Ermessensspielraum zusteht. Gleiches gilt bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 GastG für die vollziehende Gewalt selbst.
Der Kostenausspruch beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit der Empfehlung in der Nummer 54.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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