Verwaltungsrecht

Feststellung einer Nichtberechtigung durch eine tschechische Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  11 ZB 17.1151

Datum:
6.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133222
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 24a Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2, § 25 Abs. 3a, § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, S. 2
BayVwVfG Art. 44 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4
StVG § 28 Abs. 3 Nr. 6
GKG § 47, § 52 Abs. 1, Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2, § 152 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Fahrerlaubnisbehörde ist nach § 28 Abs. 4 S. 2 FeV zum Erlass eines nicht konstitutiven, lediglich die Rechtslage feststellenden Verwaltungsakts ermächtigt. Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er ein Bedürfnis für eine klarstellende Feststellung der sich aus § 28 Abs. 4 S. 1 FeV ipso iure ergebenden Rechtslage gesehen hat. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die fehlende rechtliche Notwendigkeit einer solchen Bescheidung folgt aus dieser Gesetzessituation und macht den Verwaltungsakt damit nicht rechtswidrig. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 6 K 16.777 2017-04-26 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die behördliche Feststellung, dass ihn seine tschechische Fahrerlaubnis der Klassen A und B nicht berechtigt, fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu führen.
Nachdem er ein von der Fahrerlaubnisbehörde gefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten zu seiner Fahreignung nicht beigebracht hatte, verzichtete der Kläger am 10. Februar 2004 auf seine Fahrerlaubnis der Klassen A1, A18, B, L und M und gab den Führerschein ab.
Am 17. Juni 2016 stellte die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Würzburg anlässlich einer Vorsprache fest, dass er im Besitz eines am 21. Juni 2006 in Tschechien ausgestellten und bis 20. Juni 2016 gültigen Führerscheins war, der einen deutschen Wohnsitz auswies, und versah diesen mit einem Sperrvermerk. Mit Bescheid vom 30. Juni 2016 stellte sie gestützt auf § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 FeV fest, dass der Kläger nicht berechtigt ist, in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen, und führte dazu aus, es liege im besonderen öffentlichen Interesse, dass für die Polizei im Rahmen einer Verkehrskontrolle sofort ersichtlich sei, dass der tschechische Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland nicht gültig sei und mögliche Sicherheitsrisiken für andere Verkehrsteilnehmer minimiert würden. Es lägen bis heute keine Nachweise dafür vor, dass der Kläger seine Fahreignung wiedergewonnen habe.
Hiergegen ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Nichtigkeitsfeststellungsklage, hilfsweise Anfechtungsklage erheben, die das Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 26. April 2017 mit der Begründung abwies, dass Nichtigkeitsgründe gemäß Art. 44 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG nicht vorlägen und die Feststellung rechtmäßig sei. Trotz des Ablaufs des Führerscheins sei eine behördliche Feststellung der Inlandsungültigkeit weder objektiv unmöglich noch von vornherein sinnlos oder überflüssig, weil auch ein abgelaufener EU-Führerschein – über die Wirkungen des zuvor angebrachten Sperrvermerks hinaus – noch Rechtswirkungen entfalten könne. So liefen die in dem Führerschein ausgewiesenen, nach § 23 Abs. 1 FeV unbefristet erteilten Fahrerlaubnisklassen A und B nicht mit jenem ab (§ 24a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 FeV). Es berühre auch nicht den Bestand der Fahrerlaubnis, wenn ein Führerschein nach Ablauf nicht umgetauscht werde (§ 25 Abs. 3a FeV). Gemäß § 30 Abs. 2 Satz 2 FeV werde eine inländische Fahrerlaubnis unter erleichterten Voraussetzungen erteilt, wenn eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis nach oder vor Begründung eines Wohnsitzes im Inland ablaufe bzw. abgelaufen sei. Das Führen eines Kraftfahrzeugs mit einem ungültigen EU-Führerschein werde im Gegensatz zum Fahren ohne Fahrerlaubnis nur als Ordnungswidrigkeit gemäß § 75 Nr. 4 FeV geahndet. Eine Eintragung in das Fahreignungsregister setze gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 6 StVG eine entsprechende Feststellung voraus; ein Sperrvermerk genüge hierfür nicht. Auch wenn Tschechien zum 1. Juli 2016 das Wohnsitzprinzip eingeführt habe, schließe dies nicht einen Umtausch des abgelaufenen Führerscheins im Ausland aus, mit der Folge, dass die Ungültigkeit im Inland nicht mehr ohne weiteres zu erkennen sei und er als Grundlage für die Erneuerung eines Führerscheins im Inland verwendet werden könne. Das Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde im Rahmen der Feststellung gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV sei intendiert, wenn Zweifel am Bestehen einer Fahrerlaubnis bestünden.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Aus der Antragsbegründung ergeben sich keine – was der Kläger sinngemäß allein geltend macht – ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Sie liegen vor, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 21.1.2009 – 1 BvR 2524/06 – NVwZ 2009, 515 = juris Rn. 34 m.w.N.).
Die Behauptung des Klägers, der streitgegenständliche Bescheid sei nicht erforderlich gewesen bzw. es habe ein „nachträgliches Feststellungsinteresse“ gefehlt, führt nicht zur Zulassung der Berufung. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 28 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 6. Oktober 2017 (BGBl I S. 3549/3553), feststellen durfte, dass der am 21. Juni 2006 ausgestellte tschechische Führerschein ihn nicht berechtigt, Fahrzeuge im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu führen. Dass sie hierzu nicht verpflichtet ist und dass ein unter Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip ausgestellter EU-Führerschein unmittelbar kraft Gesetzes von Anfang an unwirksam ist, ändert nichts daran, dass die Fahrerlaubnisbehörde nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV zum Erlass eines nicht konstitutiven, lediglich die Rechtslage feststellenden Verwaltungsakts ermächtigt ist (vgl. BVerwG, U.v. 25.8.2011 – 3 C 25/10 – BVerwGE 140, 256 = juris Rn. 15 ff.). Hiermit in Einklang stehen das vom Kläger in Bezug genommene Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 29. August 2011 (W 6 K 11.280 – juris Rn. 14), in dem eine behördliche Verpflichtung zu einer positiven Feststellung der Berechtigung aufgrund eines tschechischen Führerscheins verneint wird, als auch das angefochtene Urteil, in dem die behördliche Berechtigung zu einer negativen Feststellung bejaht wird. Der vermeintliche Widerspruch besteht nicht. Abgesehen davon würde die Abweichung eines erstinstanzlichen Gerichts von einer eigenen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 VwGO auch keinen Zulassungsgrund darstellen.
Bereits der Gesetzgeber hat mit Schaffung der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV zum Ausdruck gebracht, dass er ein Bedürfnis für eine klarstellende Feststellung der sich aus § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV ipso iure ergebenden Rechtslage sieht (vgl. die Verordnungsbegründung, BR-Drs. 851/08, S. 6 a. E.). Die Feststellungsbefugnis der Fahrerlaubnisbehörde lässt sich folglich nicht mit der fehlenden rechtlichen Notwendigkeit, über die Berechtigung im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV eine behördliche Entscheidung herbeiführen zu müssen, verneinen. Auch schränkt der Ablauf der Geltungsdauer eines Führerscheins und die Anbringung eines Sperrvermerks das der Fahrerlaubnisbehörde eingeräumte Entschließungsermessen zum Erlass des feststellenden Verwaltungsakts jedenfalls dann nicht ein, wenn von dem die Fahrerlaubnis ausweisenden Dokument noch rechtliche Wirkungen oder ein zur Beeinträchtigung der Rechtssicherheit geeigneter Rechtsschein ausgehen, wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend dargelegt hat (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Entsprechend ist anerkannt, dass eine Behörde einen Verwaltungsakt, der nicht wirksam bzw. unwirksam geworden ist, zur Beseitigung eines Rechtsscheins aufheben darf (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 43 Rn. 198). Im Interesse der Verkehrs- und Rechtssicherheit rechtfertigen die mit Ablauf des Führerscheins fortbestehende klägerische Fahrerlaubnis im Ausland und die somit nicht ausgeschlossene Umtausch-, Ersatz- oder Erneuerungsmöglichkeit im Ausland den Erlass eines im Fahrerlaubnisrecht vorgesehenen Verwaltungsakts, der eine Eintragung in das Fahreignungsregister ermöglicht, das für die zuständigen Stellen eine möglichst breite, zuverlässige Erkenntnisgrundlage schaffen soll. Nicht maßgeblich ist die innere und damit nicht verifizierbare Tatsache, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Kläger von einer derartigen Möglichkeit Gebrauch machen würde; insbesondere vor dem Hintergrund, dass ihm schon bei Beantragung der in Tschechien erteilten Fahrerlaubnis hätte klar sein müssen, dass diese aufgrund seines deutschen Wohnsitzes in Deutschland keine Geltung beanspruchen kann.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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