Aktenzeichen 071 T 3436/17
Leitsatz
Ein die Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigendes Verheimlichen von Bezügen kann darin bestehen, dass der Schuldner im Insolvenzverfahren bewusst falsche Angaben zur Unterhaltspflicht gegenüber seinem Ehegatten gemacht hat, um in der Wohlverhaltensphase Pfändungsfreibeträge in Anspruch nehmen zu können. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
1 IK 666/14 2017-09-14 Bes AGAUGSBURG AG Augsburg
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 14.09.2017 (Az. 1 IK 666/14) wird zurückgewiesen.
II. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Beschwerdewert wird auf EUR^ … festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Hinsichtlich des zugrundeliegenden Sachverhalts wird auf den Beschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 14.09.2017 Bezug genommen.
II.
Das Erstgericht hat der Schuldnerin zu Recht die Erteilung der Restschuldbefreiung gemäß den § 295 Abs. 1 Nr. 3, § 296 Abs. 1 InsO versagt. Denn die Schuldnerin hat von ihrer Abtretungserklärung (§ 287 Abs. 2 InsO) erfasste Bezüge gegenüber dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder verheimlicht und damit die Masse um einen Betrag von insgesamt EUR geschädigt.
1. Aufgrund ihrer Angabe Anfang 2015, wonach ihr Ehemann eine Rente von EUR ^|,-/Monat beziehe, hat die Schuldnerin in den Jahren 2015 und 2016 infolge Berücksichtigung ihres vermeintlich unterhaltsberechtigten Ehemannes gemäß § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO erhöhte Pfändungsfreibeträge bei ihrem Arbeitseinkommen in Anspruch genommen. Insbesondere auf den Bezug dieses Arbeitseinkommens bezog sich ihre Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 InsO.
2. Die Schuldnerin hat die wahre Einkommenslage ihres Ehemannes, die zu der ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Pfändungsfreibeträgen führte, auch im Sinne des § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO „verheimlicht“.
a) Der Begriff des „Verheimlichens“ ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 22.10.2009, Az.: IX ZB 249/08, RdNr. 11) dahin zu verstehen, dass er mehr verlangt als ein schlichtes Verschweigen. Einen Vermögensgegenstand verheimlicht, wer diesen bewusst der Kenntnis des Treuhänders entzieht. Ein schlichtes Unterlassen ist danach nur dann als ein „Verheimlichen“ zu bewerten, wenn den Schuldner eine Rechtspflicht zur Offenbarung des betreffenden Vermögensgegenstandes dem Treuhänder gegenüber traf. Eine grundsätzliche Pflicht, den Treuhänder unaufgefordert über Vermögensgegenstände zu unterrichten, enthält § 295 Abs. 1 InsO im Gegensatz zu § 290 Abs. 1 Nr. 5, 97 InsO ausdrücklich nicht.
b) Ob im vorliegenden Fall in diesem Sinne eine Offenbarungspflicht der Schuldnerin anzunehmen wäre, kann indes dahinstehen. Denn die Schuldnerin hat hier nicht etwa durch ein Unterlassen, sondern durch ein aktives Tun verheimlicht.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat die Schuldnerin im Insolvenzverfahren durchgängig seit Januar 2015 angegeben, ihr Ehemann beziehe eine Rente von EUR ^J,-/Monat. In Wahrheit beliefen sich die Einnahmen ihres Ehemannes bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Juni 2014) auf Beträge von über EUR ^|,-/Monat; er erzielte im Jahr 2015 durchschnittliche Einnahmen von EUR …J/Monat und im Jahr 2016 von EUR …Monat. Die Einlassung der Schuldnerin, sie habe gemeint, für ihren Ehemann gelte eine „pfändbare Untergrenze von ca. EUR …|,-“, überzeugt schon deshalb nicht, weil sich damit allenfalls ein Verschweigen, nicht aber eine positive Falschangabe erklären lässt. Das Beschwerdegericht hält es daher für erwiesen, dass die Schuldnerin über die Einkommensverhältnisse ihres Ehemannes durchgängig bewusste Falschangaben gemacht hat, die erst im Januar 2017 zufällig bei Routinekontrollen der Gläubigerin auffielen.
c) Eine bewusste Falschangabe des Schuldners zu seinen Bezügen im Sinne des § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO erfüllt den Tatbestand des „Verheimlichens“ im Sinne dieser Norm. Das muss nach Auffassung des Beschwerdegerichts auch für den Fall gelten, dass diese bewusste Falschangabe bereits im Insolvenzverfahren gemacht wurde. Denn eine derartige Lüge ist dem Schuldner weder unter dem Regime des § 290 InsO noch unter demjenigen des § 295 InsO erlaubt. Macht der Schuldner daher im Verlauf des Insolvenzverfahrens bewusst unwahre einschlägige Angaben und wirken diese – wie von ihm beabsichtigt – in der Wohlverhaltensphase fort, weil sie auch dort zugrunde gelegt werden, so dauert seine Verheimlichungshandlung fort und begründet auch in der Wohlverhaltensphase eine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO.
Eine andere Beurteilung würde weder der Unrechtsabsicht des Schuldners noch dem Ziel des Gesetzgebers gerecht, den Schuldner auch in der Wohlverhaltensphase zu einer vollständigen Abführung der dem Treuhänder zustehenden Beträge anzuhalten (vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 192).
d) Dem vorstehenden Verständnis des Begriffs des „Verheimlichens“ kann nicht entgegengehalten werden, dass den Gläubigern nach § 292 Abs. 2 S. 1 InsO die Möglichkeit offensteht, den Treuhänder mit der besonderen Überwachung des Schuldners zu beauftragen. Wie begrenzt eine derartige Überwachungsmöglichkeit ist, belegt gerade der vorliegende Fall, in dem die bewussten Falschangaben der Schuldnerin nur aufgrund des Sonderwissens einer Gläubigerin zufällig auffielen. Dass der Schuldner gehalten ist, dem Treuhänder wahrheitsgemäße Auskünfte zu erteilen, verspricht im Falle bewusst falscher Angaben keine allzu große Erfolgsaussicht.
Die Rechtsfolge einer Versagung der Restschuldbefreiung dürfte im Übrigen zumindest im Falle bewusst unwahrer Angaben des Schuldners weder eine unverhältnismäßige Sanktion darstellen, noch kann in derartigen Fällen dem Schuldner eine Unklarheit über seine Pflichtenstellung zugute gehalten werden.
III.
Zur Frage einer honorierungswürdigen Selbstanzeige der Schuldnerin hat das Erstgericht im angegriffenen Beschluss vom 14.09.2017 das Erforderliche ausgeführt; dem wird beigetreten.
IV.
Der vorliegende Fall wirft die Frage auf, inwieweit gravierende Obliegenheitsverletzungen des Schuldners während des Insolvenzverfahrens, die in das Restschuldbefreiungsverfahren fortwirken, im Rahmen des § 295 Abs. 1 InsO berücksichtigungsfähig sind. Damit ist eine grundsätzliche Frage der Pflichtenstellung des Schuldners angesprochen, die eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 ZPO rechtfertigt.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 InsO i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Beschwerdewert war gemäß § 47 GKG, § 4 InsO i.V.m. § 3 ZPO zu bestimmen.