Verwaltungsrecht

Keine veränderte Sicherheitslage in Afghanistan

Aktenzeichen  Au 8 E 17.35023

Datum:
23.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123 Abs. 1
AsylG AsylG § 71 Abs. 1 S. 1, Abs. 5
VwVfG VwVfG § 51

 

Leitsatz

1 Die allgemeine Gefährdungslage in Afghanistan erreicht keine Intensität, in der die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit von Schaden an Leib und Leben für Jedermann die Rückkehr dorthin im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage ausschließt (BayVGH BeckRS 2017, 121557). (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2 Volkszugehörige der Hazara unterliegen in Afghanistan zwar noch einer gewissen Diskriminierung, sie sind derzeit und in überschaubarer Zukunft aber weder einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung ausgesetzt (ebenso BayVGH BeckRS 2017, 100326, BeckRS 2017, 122979). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz in einem Asylfolgeverfahren.
Der ohne Ausweispapiere in das Bundesgebiet eingereiste Antragsteller gibt an, 1980 im Iran (…) geboren und afghanischer Staatsangehöriger mit hazarischer Volks- und schiitischer Religionszugehörigkeit zu sein.
Nach seiner Einreise auf dem Landweg im November 2015 beantragte er am 1. April 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) die Anerkennung als Asylberechtigter.
In seiner auf Dari geführten Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 1. April 2016 gab er an, er sei im Iran geboren, seine Mutter sei in Deutschland, ein Bruder lebe in, der Vater sei verstorben. Er habe bis zur 8. Klasse die Schule besucht und eine dreijährige Ausbildung als Steinmetz für Grabsteine gemacht. Im Iran habe er Probleme mit einer Gruppe von Männern gehabt, als er eine junge Frau beschützt habe. Von ihnen sei er im Iran bedroht worden und sei weggezogen; sie hätten dann seine Mutter um Schmerzensgeld für einen fingierten Motorradunfall erpresst, nachdem er in einem Fall von ihnen Schmerzensgeld erhalten habe. Von ihnen sei er mehrfach verletzt worden.
Mit Bescheid vom 25. Mai 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen und dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Auf die Ausführungen zur Begründung des Bescheids wird verwiesen.
Die hiergegen vom Antragsteller erhobene Klage wies das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 16. August 2016 rechtskräftig ab (VG Augsburg, U.v. 16.8.2016 – Au 6 K 16.30738). Im gerichtlichen Verfahren trug der Antragsteller unter anderem vor, dass sich seine ganze Familie in Deutschland befinde und in Afghanistan die Taliban bzw. Daesh seien. Als Schiit und Hazara seien sie besonderer Verfolgung ausgesetzt.
Am 30. Juni 2017 stellte der Antragsteller mit Schreiben seiner Bevollmächtigten einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Zur Begründung machte er zum einen die Änderung der Sach- und Rechtslage geltend. Die Sicherheitslage und die wirtschaftliche Lage hätten sich in den letzten Monaten massiv verschlechtert. Dies wird u. a. auf die Stellungnahmen von UNHCR, Auswärtiges Amt (Reisewarnungen) gestützt. Auch die Versorgungslage verschlechtere sich aufgrund der großen Anzahl von Binnenflüchtlingen, fehlender Möglichkeiten des Zugangs zum Arbeitsmarkt und dadurch eingeschränktem Zugang zum Wohnungsmarkt. Rückkehrer seien konkret von Obdachlosigkeit bedroht. Die Umstände seien auch für junge, gesunde Erwachsene lebensgefährlich. Der Aufenthalt in Europa würde eine veränderte Sachlage darstellen, da dieser Umstand eine spezifische Gefahrenlage begründe. Es bestünde die Gefahr, Opfer von Verfolgung und Gewalt zu werden. Dazu werde ausdrücklich auf die Stellungnahme von Frau … verwiesen. Der Antragsteller sei im Iran aufgewachsen und dem Volke der Hazara angehörend, wodurch sich eine weitere Gefahrerhöhung ergebe. Hazara seien auch besonders gefährdet, Ziel der Taliban zu werden. Ihre Sicherheitslage habe sich in letzter Zeit extrem verschlechtert. Insofern werde zudem auf eine Stellungnahme von Professor … Bezug genommen. Ferner werde auf die aktuelle Rechtsprechung hinsichtlich im Iran aufgewachsener Hazara verwiesen. Außerdem könne der Antragsteller neue Beweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorlegen. Insofern werde auf die vorgenannten Stellungnahmen sowie die des UNHCR und des Weiteren auf die einschlägige Rechtsprechung verwiesen.
Mit Bescheid vom 22. August 2017, zugestellt am 26. August 2017, lehnte die Antragsgegnerin den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1). Des Weiteren lehnte sie den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 25. Mai 2016 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes ab (Nr. 2).
Der Antrag sei unzulässig, weil die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorliegen würden. Eine Änderung der Sach- und Rechtslage sei nicht gegeben. Bereits im Erstverfahren habe das Verwaltungsgericht gewürdigt, dass der Antragsteller im Iran gelebt habe und aus dem Iran eingereist sei. Soweit sich der Antragsteller auf eine Veränderung der Sach- und Rechtslage berufe, führe dies in seiner Person aber nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, da sich keine Änderung seiner individuellen Situation im Vergleich zum Vorverfahren ergebe. Aus der Zugehörigkeit des Antragstellers zur Volksgruppe der Hazaras folge nicht die Gefahr einer landesweiten Verfolgung. Auch der Wiederaufgreifensgrund des neuen Beweismittels liege nicht vor. Der Asylerstantrag sei nicht wegen fehlender Beweismittel oder fehlender Glaubhaftmachung abgelehnt worden. Auch wenn die Stellungnahmen im Zeitpunkt der gerichtlichen Verhandlung vom 16. August 2016 nicht vorgelegen hätten, hätte die Entscheidung im Erstverfahren nicht anders ergehen können. Nachdem sich die persönliche Situation des Antragstellers nicht geändert habe, indem er sich auf nunmehr vorliegende Erkenntnismittel berufe, komme ein Wiederaufgreifen auch im Ermessenswege nicht in Betracht.
Dagegen ließ der Antragsteller am 30. August 2017 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben, über die bisher noch nicht entschieden ist (Au 8 K 17.34447). Die Klage wurde bislang nicht begründet.
Mit Beschluss vom 18. Oktober 2017 ordnete das Amtsgericht … gegen den Antragsteller die Freiheitsentziehung zur Sicherung des Ausreisegewahrsams bis spätestens 24. Oktober 2017 an. Auf die Gründe der Entscheidung wird Bezug genommen.
Mit Telefax vom 20. Oktober 2017 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO beantragen,
Die Antragsgegnerin zu verpflichten, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass ein Asylverfahren durchgeführt wird.
Ferner wird gebeten,
der Antragsgegnerin mitzuteilen, dass das Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Antragsgegnerin der zuständigen Ausländerbehörde mitteilt, dass bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den gestellten Eilrechtsschutzantrag nach § 123 VwGO von der Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen abgesehen wird (Stillhaltezusage).
Zur Begründung verwies der Antragsteller zum Beleg der verschlechterten Sicherheitslage insbesondere für Hazara ohne familiären Rückhalt in Afghanistan auf weitere, aktuelle Gutachten. Außerdem wäre der Antragsteller aufgrund der Ankündigung der Bundesregierung, nur noch Straftäter abzuschieben, stigmatisiert. Schließlich verstoße eine Abschiebung gegen Art. 8 EMRK, weil die Mutter des Antragstellers schwer erkrankt und auf dessen Hilfe angewiesen sei. Auf die Einzelheiten der Antragsbegründung wird verwiesen.
Die Antragsgegnerin hat dem Gericht die elektronische Behördenakten im Asylfolgeverfahren vorgelegt, sich in der Sache aber nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch in den Verfahren Au 6 K 16.30738 und Au 8 K 17.34447, und der von der Antragsgegnerin übermittelten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bleibt ohne Erfolg.
1. Der Antrag ist dahingehend auszulegen (§ 88 VwGO), dass mit ihm begehrt wird, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO aufzugeben, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass vorläufig nicht aufgrund der nach Ablehnung des Folgeantrages ergangenen Mitteilung eine Abschiebung erfolgen darf.
Der so ausgelegte Antrag ist statthaft. Die Antragsgegnerin hat den Antrag des Antragstellers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag) bzw. auf Abänderung des Ausgangsbescheides im Erstverfahren abgelehnt, ohne eine weitere Abschiebungsandrohung zu erlassen, § 71 Abs. 5 Satz 1 Asylgesetz (AsylG). Mangels einer erneuten Abschiebungsandrohung bildet die im Bescheid vom 25. Mai 2016 enthaltene bestandskräftige Abschiebungsandrohung i.V.m. der Mitteilung an die Ausländerbehörde, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG die Grundlage für den Vollzug einer Abschiebung des Antragstellers. Da die nach §§ 24 Abs. 3, 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG an die Ausländerbehörde gerichtete Mitteilung keinen Verwaltungsakt darstellt (OVG LSA, B.v. 31.5.2000 – 2 R 186/00 – juris), diese Mitteilung somit in der Hauptsache auch nicht mit der Anfechtungsklage angefochten werden kann, ist vorläufiger Rechtschutz nach zutreffender Auffassung nicht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, sondern dergestalt zu gewähren, dass der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO aufgegeben wird, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass vorläufig nicht aufgrund der nach Ablehnung des Folgeantrages ergangenen Mitteilung eine Abschiebung erfolgen darf (vgl. grundlegend BVerfG, B.v. 16.3.1999 – 2 BvR 2131/95 – InfAuslR 1999, 256; VG München, B.v. 28.5.2014 – M 24 E 14.30698 – juris Rn. 17 m.w.N.).
Der Antrag ist auch zutreffend gegen die Antragsgegnerin gerichtet. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde kommt nur in begründeten Ausnahmefällen etwa dann in Betracht, wenn angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalles zu befürchten ist, dass die Antragsgegnerin gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde nicht mehr rechtzeitig den Vollzug der Abschiebung durch die beschriebene Mitteilung verhindern kann (vgl. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 71 AsylVfG Rn. 49).
2. Der Antrag ist jedoch in der Sache nicht begründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern (Regelungsanordnung).
Eine derartige einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO setzt sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes aufgrund Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in einem (etwaigen) Hauptsacheverfahren. Das Vorliegen eines derartigen Anordnungsgrunds und Anordnungsanspruchs ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 123 Rn. 54).
Wie sich aus § 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 AsylG ergibt, kann vorliegend einstweiliger Rechtsschutz nur gewährt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. VG Augsburg, B.v. 1.10.2015 – Au 4 E 15.30540 – juris Rn. 17).
Zwar hat der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Allerdings ist unter Berücksichtigung obiger Vorgaben und Grundsätze vorliegend kein Anordnungsanspruch gegeben. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Folgeantrags bzw. des Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens durch den Bescheid des Bundesamtes vom 22. August 2017 bestehen nicht.
Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist im Fall der Stellung eines erneuten Asylantrags nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags (Folgeantrag) ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Diese Vorschrift verlangt, dass sich die der Erstentscheidung zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Asylbewerbers geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Der Asylfolgeantrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG) und der Antrag rechtzeitig gestellt worden ist (§ 51 Abs. 3 VwVfG).
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylfolgeantrages des Antragstellers mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes. Auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Bundesamtes wird in vollem Umfang Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
a) Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass sich die dem ablehnenden Bescheid zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zu seinen Gunsten geändert hätte (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG).
Wie bereits im Einzelnen im Urteil vom 16. August 2016 ausgeführt, droht dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Afghanistan und hier insbesondere nach Kabul keine ernsthafte individuelle Bedrohung (VG Augsburg, U.v. 16.8.2016 – Au 6 K 16.30738 – Rn. 19 ff. des UA). An dieser Bewertung ist auch im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnismittel festzuhalten.
Die allgemeine Gefährdungslage in Afghanistan erreicht keine Intensität, in der nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit von Schaden an Leib und Leben für Jedermann die Rückkehr dorthin im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage ausschließt (vgl. zuletzt etwa BayVGH, B.v. 4.8.2017 – 13a ZB 17.30791 – juris Rn. 5 ff. m.w.N.). Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof für keine der Regionen Afghanistans angenommen und die Lage in Afghanistan nicht derart eingeschätzt, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3 AsylG anzunehmen wäre (für die in der Zentralregion gelegene Stadt Kabul, auf die das Verwaltungsgericht als möglichen Zielort der Abschiebung abgestellt hat: BayVGH, B.v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris – unter Bezugnahme auf U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris – und Verweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; zuletzt: B.v. 4.8.2017 – 13a ZB 17.30791 – juris Rn. 7). Auch in Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit weiterhin nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (vgl. BayVGH, B.v. 21.8.2017 – 13a ZB 17.30529 – juris Rn. 13). Hieran hält das Gericht auch in der vorliegenden Entscheidung fest.
Die Ausführungen des Antragstellers insbesondere zur Verschlechterung der Sicherheitslage gebieten kein Abweichen von dieser Bewertung. Sie berücksichtigen nicht die Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, wann eine für die Gewährung subsidiären Schutzes notwendige erhebliche individuelle Gefährdung anzunehmen sein kann (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – BVerwGE 136, 360 = NVwZ 2011, 56). Danach bedarf es für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte einer wertenden Gesamtbetrachtung auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos (BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – NVwZ-RR 2014, 487; U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – NVwZ 2012, 454). Ausgehend von mindestens 27 Millionen Einwohnern (vielfach wird eine höhere Bevölkerungszahl angenommen) und von 11.418 Opfern in Afghanistan (nach UNAMA) liegt die Gefahrendichte im Jahr 2016 landesweit erheblich unter 0,12% oder 1:800. Selbst dieses Risiko wäre weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt (BVerwG, B.v. 17.11.2011 a.a.O. Rn. 23). Auch die bisher bekannt gewordenen Zahlen für 2017 liegen in etwa in dieser Größenordnung. Anderes wird auch vom Antragsteller nicht genannt.
Soweit der UNHCR im Dezember 2016 („Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern Dezember 2016“ unter Bezugnahme auf die UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016) auf die Verschlechterung der Sicherheitslage hinweist, folgt hieraus nichts anderes. Vor dem Hintergrund anhaltender Besorgnis in Bezug auf die Sicherheitslage werden dort Empfehlungen für den Schutzbedarf ausgesprochen und verschiedene Risikoprofile aufgezeigt, ohne dass Zahlen genannt würden, die die bisherige Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in Frage stellen könnten. Die dortige Bewertung beruht zudem ebenso wie diejenige in den weiteren vom Antragsteller vorgelegten Stellungnahmen und Gutachten auf jeweils selbst angelegte Maßstäbe. Des Weiteren sind auch nach Auffassung des UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben (Richtlinien vom 19.4.2016, S. 10). Aus den sonstigen Ausführungen im vorliegenden Eilantrag ergeben sich ebenfalls keine anderen Ausgangsdaten, die darauf schließen ließen, dass die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in seinen jüngsten Entscheidungen zugrunde gelegten Erkenntnisse zwischenzeitlich unrichtig oder überholt wären.
Soweit sich der Antragsteller auf eine Gefährdung wegen der Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara beruft, gilt nichts anders. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist mit rechtskräftigem Urteil vom 3. Juli 2012 (Az. 13a B 11.30064 – juris) nach Würdigung und Bewertung der im Einzelnen genannten Erkenntnismittel im Wege einer Gesamtschau zur Überzeugung gelangt, dass diese Volksgruppe in Afghanistan zwar noch einer gewissen Diskriminierung unterliegt, derzeit und in überschaubarer Zukunft aber weder einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung noch einer erheblichen Gefahrendichte im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F. (nunmehr § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) ausgesetzt ist. Mit Beschlüssen vom 28. Februar 2014 (Az. 13a ZB 13.30390 – juris) vom 1. Dezember 2015 (Az. 13a ZB 15.30224 – juris) hat dies der Verwaltungsgerichtshof nochmals bestätigt (vgl. auch B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris und zuletzt: B.v. 14.8.2017 – 13a ZB 17.30807 – juris Rn. 17 ff.). Dem schließt sich das Gericht auch in der vorliegenden Entscheidung an.
Soweit der Antragsteller eine Stigmatisierung daraus ableitet, dass in der medialen Öffentlichkeit suggeriert würde, dass nur noch schwere Straftäter abgeschoben würden, vermag dies an oben genannter Einschätzung zur erforderlichen Gefahrendichte im Ergebnis nichts zu ändern. Weder geht aus den vorgelegten Stellungnahmen noch aus den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln hervor, dass es sich bei den gerade aus Deutschland abgeschobenen Rückkehrern um eine besonders schutzbedürftige Risikogruppe vergleichbar bspw. mit Dolmetschern oder Mitarbeitern von humanitären Hilfs- und Entwicklungsranghohen handeln würde. Die weiteren vom Antragsteller angeführten Aspekte, insbesondere dass er sich (zuletzt) ausschließlich im Iran aufgehalten habe, in Afghanistan über keine familiären Verbindungen verfüge, ein Rückkehrer aus dem Westen sei und als Analphabet über keinerlei Berufsausbildung verfüge, hat das Gericht bereits im Urteil vom 16. August 2016 berücksichtigt. Eine Veränderung der Sachlage kann hieraus jedenfalls nicht abgeleitet werden. Das Gericht würdigte in diesem Zusammenhang auch, dass der Antragsteller insoweit aus dem Kreis der jungen Männer in Afghanistan herausrage, da er nach eigenen Angaben als Steinmetz ausgebildet sei und entsprechende Berufserfahrung gesammelt habe. Es sei deshalb zu erwarten, dass der Antragsteller als alleinstehender gesunder Mann seinen Lebensunterhalt auch in Kabul sicherstellen könne. Im Übrigen seien unter Berücksichtigung der Auskunftslage insbesondere Rückkehrer aus dem Westen in einer vergleichsweise guten Position, die durchaus auch Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts eröffne (VG Augsburg, U.v. 16.8.2016 – Au 6 K 16.30738 – UA Rn. 19 und 29). Hierzu verhält sich die Antragsbegründung nicht bzw. nicht hinreichend substantiiert.
b) Der Antragsteller hat keine neuen Beweismittel vorgelegt, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). Die vom Antragsteller im Schriftsatz vom 20. Oktober 2017 (dort insbesondere S. 5 mit 8) in Bezug genommenen Gutachten und Stellungnahmen sind keine (neuen) Beweismittel, die geeignet sind, das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Tatsache zu beweisen. Denn bei der Annahme, dass der Antragsteller aufgrund der verschlechterten Sicherheitslage und seiner (besonderen) persönlichen Situation nicht in der Lage sei, seine Existenz zu sichern, insbesondere weil nach einer Regierungserklärung nur Straftäter abgeschoben werden würden und der Antragsteller deswegen als Rückkehrer stigmatisiert sei, handelt es sich um teils prognostische, teils rein rechtliche Schlussfolgerungen, die dem Beweis nicht zugänglich sind, sondern der genuin richterlichen Beurteilung unterliegen. Im Übrigen vermögen die angeführten „Beweismittel“ keine für den Antragsteller günstigere Entscheidung herbeizuführen. Insofern kann auf die oben unter a) gemachten Ausführungen verwiesen werden. Damit liegt aber insgesamt keine Glaubhaftmachung vor, aufgrund der von ernsthaften Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamtes im Bescheid vom 22. August 2017 auszugehen ist.
Die Voraussetzungen eines Wiederaufgreifens des Verfahrens im Ermessenswege nach § 51 Abs. 5 VwVfG durch Widerruf des Bescheides vom 25. Mai 2016 hinsichtlich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG sind ebenso wenig glaubhaft gemacht. Eine Reduzierung des behördlichen Ermessensspielraums der Antragsgegnerin auf Null mit der Folge ihrer Verpflichtung zu einem solchen Wiederaufgreifen ist auch mit Blick auf die zu schützenden Grundrechte des Antragstellers nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) nicht gegeben. Auch ist eine besondere Schutzbedürftigkeit der Mutter des Antragstellers in dem Sinne, dass sie auf die Anwesenheit und Unterstützung des Antragstellers zwingend angewiesen sei, nur behauptet aber nicht glaubhaft gemacht.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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