Verwaltungsrecht

Unzulässiger Eilantrag gegen die Abschiebungsandrohung wegen Fristversäumung

Aktenzeichen  M 21 S 17.47338

Datum:
18.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
AsylG AsylG § 10 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 34, § 36 Abs. 3

 

Leitsatz

Ist die Zustellung des Bescheides an den Antragsteller unter der letzten bekannten Anschrift gescheitert, muss er diese gegen sich gelten lassen. Die Zustellung gilt mit der Aufgabe zur Post als bewirkt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt R. B., M. Straße 30 IV, 8. R. wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der nicht ausgewiesene Antragsteller ist nach eigenen Angaben nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste am 26. Mai 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 20. Juli 2015 bei dem Bundesamt für … (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 18. August 2016 brachte der Antragsteller zur Begründung seines Asylbegehrens vor, als er 21 Jahre alt gewesen sei, habe seine Stiefmutter in der Stadt herum erzählt, dass er mit seinem Halbbruder Sex habe. Ihm sei dann vom Stammesoberhaupt erklärt worden, dass es nicht gestattet sei, dass zwei Männer zusammenverkehrten. Sein Bruder und er seien deswegen auch zusammengeschlagen worden. Sie hätten am nächsten Tag für die Urteilsverkündung wiederkommen sollen und seien dann noch in derselben Nacht geflohen. Seine Stiefmutter habe dies erzählt, weil sie ihn als Erbe habe wegschaffen wollen. Er sei tatsächlich homosexuell. Er und sein Halbbruder hätten mit zwölf Jahren Geschlechtsverkehr gehabt. Seine Mutter habe sie erwischt, als sie 21 Jahre alt gewesen seien. Er habe noch andere Freunde, mit denen er Sex habe. Trotzdem habe er Gefühle für Frauen. Auch in Deutschland habe er eine Beziehung zu einem Mann gehabt.
Mit Bescheid vom 16. Mai 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, andernfalls wurde die Abschiebung nach Nigeria angedroht. Schließlich wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, der Antragsteller habe zunächst einen familieninternen Konflikt vorgetragen. In seinem freien Vortrag habe er erklärt, dass er nicht homosexuell sei. Erst auf eine Nachfrage habe er aus asyltaktischen Gründen auf seine angebliche Homosexualität umgeschwenkt. Die Antworten auf die Fragen hätten wie auswendig gelernt gewirkt. Dem Antragsteller habe die Möglichkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative zur Verfügung gestanden. Abschiebungsverbote seien nicht ersichtlich.
Der Bescheid kam am 19. Mai 2017 als unzustellbar zurück. Auf der Postzustellungsurkunde vom 17. Mai 2017 heißt es, der Adressat sei unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln. Auf Nachfrage des Bundesamtes erklärte die für den Antragsteller zuständige Ausländerbehörde, dieser sei nach wie vor unter der angegebenen Anschrift wohnhaft.
Der Antragsteller hat am 29. August 2017 durch seinen Bevollmächtigten Klage erhoben (M 21 K 17. 47338), mit der er beantragt, den Bescheid vom 16. Mai 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Gleichzeitig beantragt er,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen sowie dem Kläger Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Herrn Rechtsanwalt R. B., M. Straße 30 IV, 8. R. beizuordnen.
Zur Begründung führt er aus, aufgrund seiner Homosexualität habe er mit Verfolgung und Tötung zu rechnen. Das Bundesamt habe Auskünfte und Stellungnahmen sachverständiger Stellen heranziehen müssen. Zudem seien die humanitären Verhältnisse in Nigeria katastrophal.
Das Bundesamt hat mit Schreiben vom 31. August 2017 die Akten vorgelegt und sich weder zu der Klage noch zu dem Antrag geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in diesem und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag ist unzulässig.
Gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu stellen. Zwar ist die Zustellung des streitbefangenen Bescheides an den Antragsteller gescheitert. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 AsylG muss der Ausländer Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle aufgrund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen. Dies war vorliegend offenkundig diejenige Adresse, die der Kläger auch bei seiner Klageerhebung angegeben hat. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG gilt die Zustellung jedoch mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt. Danach gilt der Bescheid jedenfalls am 17. Mai 2017 als zugestellt, sodass die Antragsfrist am 24. Mai 2017 verstrichen ist.
Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden weder geltend gemacht noch sind solche sonst ersichtlich, zumal der Antragsteller auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt hat. Insbesondere hat der Antragsteller sich zu der sich aufdrängenden Frage, warum eine Zustellung an seiner Anschrift gescheitert ist, nicht geäußert.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bleibt schon deswegen ohne Erfolg, weil die erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt worden ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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