Aktenzeichen S 38 KA 135/17
Leitsatz
1. Das Arzneimittel “Spasmo Mucosolvan” ist nach Punkt 31 der Anlage III AM-RL von der Verordnung zu Lasten der GKV ausgeschlossen, unabhängig von der Indikation, für die es eingesetzt wird (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 02.04.2014, L 12 KA 115/12). (Rn. 13)
2. Der gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) hat die primäre “Auslegungshoheit” für von ihm erlassene Richtlinien. Dies gilt aber nur bei auslegungsbedürftigen Regelungen, nicht jedoch bei Regleungen, die eindeutig sind. (Rn. 14)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der angefochtene Bescheid der Prüfungsstelle ist als rechtmäßig anzusehen.
Nach § 31 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Strittig zwischen den Beteiligten ist, ob „Spasmo-Mucosolvan“ gemäß Punkt 31 der Anlage III AM-RL von der Verordnung ausgeschlossen ist. In der linken Spalte der Anlage III AM-RL werden unter Ziffer 31 als nicht verordnungsfähig genannt „Hustenmittel: fixe Kombinationen von Antitussiva oder Expectorantien, oder Mukolytika untereinander oder mit andenen Wirkstoffen“. In der rechten Spalte werden als Rechtsgrundlagen angegeben der gesetzliche Verordnungsausschluss verschreibungspflichtiger Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten (§ 34 Abs. 1 Satz 6 SGB V, § 13 AM-RL; verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Behandlung sogenannter Bagatellerkrankungen), Verordnungsausschluss aufgrund von Rechtsverordnung für fixe Kombinationen von Expectorantien und Antitussiva (Verordnungsausschluss nach § 92 Abs. 1 S. 1 HS 3 SGB V i.V.m. § 16 Abs. 1 und 2 AM-RL) und Verordnungsausschluss verschreibungspflichtiger Arzneimittel dieser Richtlinie (Verordnungsausschluss nach § 92 Abs. 1 S. 1 HS 3 SGB V i.V.m. § 16 Abs. 1 und 2 AM-RL).
„Spasmo-Mucosolvan“ ist zugelassen zur Behandlung akuter und chronischer Atemwegserkrankungen, die mit spastischen Verengungen, veränderter Sekretbildung und gestörtem Sekrettransport einhergehen, insbesondere bei spastischen Bronchitiden und Asthma bronchiale. Es enthält eine fixe Wirkstoffkombination, bestehend aus Beta-2-Sympathomimetikum (Clenbuterol) und Mukolytikum (Ambroxol). Bei Atemwegserkrankungen handelt es sich um Entzündungen der Atemwege, seien diese akut oder chronisch. So treten sogenannte spastische Bronchitiden vorwiegend bei Kleinkindern auf. Dies stellt eine vorübergehende Erkrankung meist im Verlauf einer Infektion dar, das heißt es liegt eine akute Atemwegserkrankung vor. Während es sich bei dem asthma bronchiale um eine chronische Atemwegserkrankung handelt.
Das Gericht ist der Auffassung, dass das Arzneimittel „Spasmo-Mucosolvan“ von einer Verordnung zu Lasten der GKV ausgeschlossen ist. Nach § 10 Abs. 1 und § 16 Abs. 3 AM-RL sind die nach den Abs. 1 und 2 des § 16 AM-RL in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel in einer Übersicht als Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie zusammengestellt. Wie sich aus Anlage III AM-RL unter Punkt 31 ergibt, sind „Hustenmittel: fixe Kombinationen von Antitussiva oder Expektorantien, oder Mukolytika untereinander oder mit anderen Wirkstoffen“ von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen. Der Begriff Hustenmittel ist eine allgemeine Bezeichnung für Medikamente, die der Behandlung von Husten dienen, unabhängig von den eigentlichen Ursachen. Hierunter ist „Spasmo-Mucosolvan“ zu subsummieren. Die Arzneimittelrichtlinie und auch die Anlage III stellen eine Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebotes dar. In § 16 Abs. 2 Ziff. 5 AM-RL, auf die sich die Anlage III bezieht, ist geregelt, es sei als unwirtschaftlich anzusehen, wenn anstelle von fixen Wirkstoffkombinationen das angestrebte Behandlungsziel mit therapeutisch gleichwertigen Monopräparaten medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger erreicht werden könne. Daraus schließt das Gericht, dass es sich – wie die Beklagte ausgeführt hat – um einen wirkstoffbezogenen Ausschluss handelt. In diesem Sinne hat sich das Bayerische Landessozialgericht in seiner Entscheidung vom 02.04.2014 (Az. L 12 KA 115/12) zur Verordnung von „Tetra Gelomyrtol“ geäußert. Auch hierbei handelt es sich um eine fixe Kombination mehrerer Wirkstoffe. Das Bayerische Landessozialgericht hat wie folgt ausgeführt: „Eine fixe Kombination kann nicht nur dann problematisch sein, wenn die Wirkungen der einzelnen Bestandteile möglicherweise gegenläufig sind, sondern auch dann, wenn die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Wirkungen einen gewissen Sinn macht. Denn deren Zusammenspiel kann dann nicht je nach dem konkreten Krankheitsstadium und der individuellen Befindlichkeit variiert werden, weil die Menge der verschiedenen Wirkstoffe im Verhältnis zueinander in unveränderter Weise besteht.“ Deshalb sei die Verordnung von Monopräparaten statt einer fixen Kombination von Wirkstoffen grundsätzlich wirtschaftlicher. Es komme auch nicht darauf an, für welche Indikation das Arzneimittel zugelassen oder konkret verordnet worden sei. Das Gericht ist der Auffassung, dass für die Verordnung von „Spasmo-Mucosolvan“ nichts anderes gilt.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Schreiben der KBV vom 19.05.2009, wonach sich die Arbeitsgruppe Arzneimittel-Richtlinie beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit Fragen der Auslegung der AM-RL befasst und zu „Spasmo Mucosolvan“ die Auffassung vertreten habe, unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes nach § 12 SGB V und § 9 der Arzneimittel-Richtlinie bestünden bei der Indikation Asthma keine weiteren Einschränkungen nach der Arzneimittel-Richtlinie. Zwar ist der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 92 SGB V für die erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten zuständig und mit ihm dessen Arbeitsgruppen. Er kann daher auf dieser Rechtsgrundlage Arzneimittelrichtlinien erlassen und festlegen, welche Arzneimittel verordnungsfähig sind und welche nicht. Insofern besitzt der G-BA auch grundsätzlich eine primäre Auslegungshoheit, die auch möglichen Auslegungen Dritter grundsätzlich vorgeht. Dies setzt aber voraus, dass die Regelungen auslegungsbedürftig sind. Nachdem hier nach Auffassung des Gerichts die Regelungen eindeutig sind, besteht kein Raum für eine Auslegungsbedürftigkeit, auch nicht durch den G-BA. Als zusätzlicher Aspekt ist zu nennen, dass die Regelungen Außenwirkung entfalten und klare Regelungen nicht einfach durch Auslegungen ins Gegenteil verkehrt werden können. Der G-BA hätte vielmehr qua seiner Kompetenz und Zuständigkeit (§ 92 Abs. 1 AM-RL) die Möglichkeit gehabt, in diesem Punkt die Arzneimittelrichtlinie abzuändern. Warum davon nicht Gebrauch gemacht wurde, ist nicht nachvollziehbar.
Selbst wenn es rechtlich zulässig wäre, die Verordnungsfähigkeit des Arzneimittels von der jeweiligen Indikation abhängig zu machen, ist fraglich, ob bei der Patientin L.G. die Erkrankung asthma bronchiale vorliegt. Die Dokumentation enthält hierfür zwar gewisse Hinweise. Jedoch fällt bei der Durchsicht der getätigten Verordnungen auf und wäre gegebenenfalls zu berücksichtigen, dass bei der Patientin keine weiteren Asthmamittel verordnet wurden.
Auch für eine Ausnahmeverordnung bei einem medizinisch begründeten Einzelfall nach § 31 Abs. 1 S. 4 SGB V in Verbindung mit § 16 Abs. 5 AM-RL gibt es keinerlei Anhaltspunkte, zumal hierfür auch nicht die erforderliche Begründung seitens des beigeladenen Arztes erfolgte.
Aus den genannten Gründen war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.