Aktenzeichen M 21 K 16.35302
Leitsatz
Auf wirtschaftliche Gründe gestützte Vorfluchtgründe sind nicht asylrelevant. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klagen werden als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Über die Klagen konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klagen haben nach den von der Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung konkretisierten Klageanträgen (vgl. nur Ortloff/Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 91 Rn. 11) nur die Verpflichtungen zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und (jeweils hilfsweise) zur Zuerkennung subsidiären Schutzes sowie zur Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG zum Gegenstand.
Die Klagen sind zwar zulässig, aber insgesamt offensichtlich unbegründet.
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bundesamtsbescheids vom 29. November 2016 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet, welche die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Folge hat (§ 78 Abs. 1 AsylG), sind nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen. Es muss sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage zumindest eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben (vgl. nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat zudem den unbestimmten Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG dann vorliegt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (hier: § 77 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Dieselben Anforderungen sind auch an eine gerichtliche Entscheidung über das offensichtliche Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG und an die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet zu stellen (vgl. zu all dem nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3 m.w.N.; BVerfG, B.v. 27.9.2007 – 2 BvR 1613/07 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Darlegung, worauf das Offensichtlichkeitsurteil im Einzelnen gestützt wird, erfordert vor allem dann besondere Sorgfalt, wenn das Bundesamt den Antrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – juris Rn. 10 m.w.N.). Steht, wie im Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG), nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. nur BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben sind die Klagen insgesamt als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes liegen offensichtlich nicht vor (§ 30 Abs. 1 AsylG). Das Vorbringen des Klägers zu 1., der im Kern angeben hat, Sierra Leone aus wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben, ist schon nicht asylrelevant. Deswegen wäre es bereits Sache des Bundesamts gewesen, die Asylanträge der Kläger als offensichtlich unbegründet abzulehnen.
In der mündlichen Verhandlung ist in der Sache erstmals geltend gemacht worden, der Klägerin zu 2. drohe eine Beschneidung in Sierra Leone und es bestehe die Gefahr, dass sie der Bondo Society beitreten müsse, der die Schwester des Klägers zu 1. angehöre.
Wenn dieses neue Vorbringen den Tatsachen entspräche, hätte es vom Kläger zu 1. bereits in seiner Bundesamtsanhörung geltend gemacht werden können und müssen. Es kann den Klägern deshalb nicht abgenommen werden.
Die Kläger haben überdies auch unter Berücksichtigung des (neuen) Vorbringens zum Gesundheitszustand des Klägers zu 1. in der mündlichen Verhandlung offensichtlich keinen Anspruch auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots, insbesondere des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Zudem wurde Sierra Leone am 17. März 2016 von der Weltgesundheitsorganisation als ebolafrei erklärt (vgl. https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/SierraLeoneSicherheit.html). Darüber hinaus wäre Ebola in Sierra Leone als allgemeine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG zu werten, so dass eine Überwindung der Sperrwirkung dieser Vorschrift verfassungsrechtlich nur dann möglich wäre, wenn die Kläger „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würden“ (vgl. nur BayVGH, B.v. 24.7.2015 – 9 ZB 14.30457 – juris Rn. 11 m.w.N.). Das ist weder geltend gemacht worden noch ist dafür sonst auch nur ansatzweise etwas ersichtlich.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.
Das Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).