Aktenzeichen AN 5 K 15.00769
KunstUrhG § 22, § 23, § 33
StGB § 130
VwGO § 166
ZPO § 114
RL 2003/10/EG
Leitsatz
1 Eine versammlungsrechtliche Beschränkung, die sich bei der Festsetzung eines maximalen Schalldruckpegels eines Megaphons an der RL 2003/10/EG über „Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (Lärm)“ zur Vermeidung von Gesundheitsschäden orientiert, ist zulässig. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Versammlung kann dahingehend beschränkt werden, dass das Fotografieren von Gegendemonstranten bzw. anderen unbeteiligten Personen zur Vermeidung einer einschüchternden Wirkung verboten wird. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine Klage auf Feststellung, dass drei Verfügungen aus dem Bescheid der Beklagten, die die von ihm angezeigte Versammlung vom 18. April 2015 beschränkten, rechtswidrig waren.
Der Kläger meldete am 15. April 2015 die Durchführung einer Versammlung „Arbeit – Zukunft – Heimat! Kapitalismus zerschlagen!“ im Stadtgebiet der Beklagten mit ca. 20 Teilnehmern am 18. April 2015 in der Zeit von 9:45 Uhr bis 11:15 Uhr auf der … vor dem …-Haus, zwischen … und Bushaltestelle an.
Die Polizeiinspektion … wurde am 16. April 2015 insbesondere um Stellungnahme gebeten, ob die Festlegung von Grenzwerten und über die standardmäßigen Beschränkungen hinausgehende Beschränkungen für erforderlich gehalten würden.
Am 17. April 2015 meldete das Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus eine Versammlung mit dem Thema „Keine Nazipropaganda in … und anderswo“ mit ca. 100 Teilnehmern im Zeitraum 18. April 2000 9:30 – 11:30 Uhr auf der …, zwischen … und …, auf der Grünfläche westlich Ecke … und auf der Bushaltestelle vor dem … an. Mit Bescheid der Beklagten vom 17. April 2015 wurde die Versammlung des Bündnisses gegen Rechtsextremismus und Rassismus unter anderem dahingehend beschränkt, dass die Versammlungsorte einzuhalten seien und die Lautstärke auf einen maximalen Schalldruckpegel von 85 dB(A) – gemessen 5 m vor der Mündung des Schalltrichters des Megaphons oder eines einzelnen Lautsprechers – zu begrenzen sei. Den Anweisungen der Polizei zur Lautstärkeregulierung sei Folge zu leisten.
Mit Bescheid vom 17. April 2015, der dem Kläger per E-Mail vorab am 17. April 2015 zur Kenntnis übermittelt wurde, beschränkte die Beklagte die vom Kläger angezeigte Versammlung vom 18. April 2015 unter anderem wie folgt:
„(…)
1.7 Die Lautstärke ist auf einen maximalen Schalldruckpegel von 85 dB(A) – gemessen 5 m vor der Mündung des Schalltrichters des Megaphons oder eines einzelnen Lautsprechers – zu begrenzen. Anweisungen der Polizei zur Lautstärkeregulierung ist Folge zu leisten.“
(…)
1.11 Das Fotografieren von Gegendemonstranten bzw. anderen unbeteiligten Personen oder eine diese dem Verhalten ähnliche Geste ist verboten.
1.12 In Versammlungsreden und Sprechchören sowie auf Transparenten haben alle Aussagen zu unterbleiben, die das NS-Regime, sowie Organisationen bzw. Untergruppierungen und deren (auch selbsternannten) Folgeorganisationen sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich der Nachfolge und Ersatzorganisationen sowie unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlungen billigen, rechtfertigen oder verharmlosen. Gleiches gilt für etwa zu verbreitende Druckwerke und musikalische Darbietungen.
(…)
Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass zur Gefährdung der öffentlichen Sicherheit festzustellen sei, dass sich aus der Wahl des Versammlungsortes im öffentlichen Raum und der Wahl der Kundgebungsmittel unmittelbare Gefahren für die Sicherheit und Ordnung insbesondere des Fußgängerverkehrs, des Straßenverkehrs sowie die Rechtspositionen der Anlieger und unbeteiligten Dritten konkret ergäben. Immissionsschutzrechtlich sei die Lautstärke auf einen Höchstwert von 85 dB(A) zu begrenzen. Die konkret festgelegten Grenzwerte ermöglichten einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Veranstalters an einer den adäquaten Möglichkeiten zur Meinungskundgabe und den Interessen Dritter an der Einhaltung des Lärmschutzes und berücksichtigten die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit in ausreichender Weise. Durch das Fotografieren und den Versuch der Individualisierung werde eine einschüchternde Wirkung erzielt. Hierdurch werde Druck auf die betroffenen Personen ausgeübt. Die Beschränkung, in Versammlungsreden, Sprechchören sowie auf Druckwerken und musikalischen Darbietungen Aussagen zu unterlassen, die eine billigende, verherrlichende, rechtfertigende oder verharmlosende Wirkung zu Personen, Organisationen und Handhabungen des NS-Regimes hervorrufen könnten, sei insbesondere auch deshalb erforderlich und gerechtfertigt, um strafrechtlichen Verstößen gegen § 130 StGB vorzubeugen (Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG).
Der Kläger hat am 11. Mai 2015 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach gegen den Bescheid mit dem Ziel erheben lassen, festzustellen, dass die beschränkenden Verfügungen in den Nrn. 1.1.7, 1.1.11 und 1.1.12 rechtswidrig sind. Zudem beantragt der Kläger, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm seinen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes beizuordnen.
Zur Begründung der Klage wurde insbesondere ausgeführt, dass die genannten Beschränkungen den Kläger in seinen Rechten aus Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 GG verletzten. Die Lautstärkebegrenzung auf 85 dB(A) schränke die Außenwirkung der Versammlung von vorneherein unangemessen ein. Es werde aus politischen Gründen eine Ungleichbehandlung betrieben, da den Gegendemonstranten regelmäßig das Erzeugen von infernalischem Lärm ohne weiteres gestattet werde. Die Beschränkung genüge nicht dem Erfordernis der Bestimmtheit von Verwaltungsakten. Es sei nicht erkennbar, ob hier eine verbindliche Regelung getroffen werde oder ob es sich um einen unverbindlichen Hinweis handele. Voraussetzung für die Erfüllung des Bestimmtheitsgrundsatzes in solchen Fällen sei, dass für den Verhandlungsleiter erkennbar sei wie der Lautstärkepegel zu bemessen sei. Insbesondere sei darzulegen, ob es sich um einen Mittelungspegel, einen Spitzenpegel oder einen Dauerschallpegel handeln solle. Fehlten solche Angaben, sei die Auflage zu unbestimmt. Im Allgemeinen werde bei Kundgebungen eine Lärmpegelbegrenzung auf Höchstwerte von 90 dB(A) – gemessen in 1 m Entfernung von der nächstgelegenen Hauswand eines bewohnten Hauses – verfügt. Die beschränkende Verfügung zum Fotografierverbot sei zu unbestimmt. Es bleibe offen, was „eine diesem Verhalten ähnliche Geste“ sein solle. Außerdem werde durch diese Formulierung bereits die Ablichtung von größeren Personengruppen, die rein äußerlich nicht als Gegner, Sympathisanten oder lediglich interessierte Bürger erkennbar seien, untersagt, was eine bildliche Dokumentation des Versammlungserfolges für den Veranstalter unmöglich mache. Durch diese Formulierung wäre selbst das Fotografieren von Gegendemonstranten, die gerade Straftaten gegen Versammlungsteilnehmer begehen, untersagt und somit die Aufklärung von Straftaten erschwert. Die beschränkende Verfügungen Nummer 1.1.12 werde inhaltlich überhaupt nicht begründet. Die Behörde verkenne, dass nach dem Wortlaut der beschränkenden Verfügung bereits die Billigung, Rechtfertigung oder Verharmlosung von unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlungen untersagt worden sei. Der Begriff „Handlungen“ beinhalte auch Handlungen, die während der NS-Herrschaft durchgeführt worden seien, ohne als Ausprägung der Gewalt- und Willkürherrschaft im engeren Sinne bezeichnet werden zu können. Durch den Begriff „Handlungen“ werde die Beschränkung zudem unbestimmt. Ein Feststellungsinteresse sei gegeben, da es sich um massive Grundrechtsverstöße der Versammlungsbehörde handle und weil der Kläger auch künftig Versammlungen in … anzumelden und zu organisieren beabsichtige.
Die Beklagte ist der Klage mit Schriftsatz vom 22. Juni 2015 mit dem Ziel der Klageabweisung entgegengetreten. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass aus der Formulierung der Lautstärkeregelung in Nr. 1.1.7 deutlich werde, dass eine verbindliche Regelungen bestehe. Eine identische Regelung sei im Übrigen auch für die Gegenversammlung getroffen worden. Würde man eine Begrenzung auf 90 dB(A) – gemessen in 1 m Entfernung von der nächsten Hauswand eines Wohnhauses – zulassen, würde dies in 5 m Entfernung von den Lautsprechern zu Schalldruckpegeln von ca. 115 dB(A) führen. Dies entspreche dem Lärm eines Presslufthammers in 1 m Entfernung. Die Grenze für Gehörschäden bei kurzzeitiger Einwirkung liege bei Schalldruckpegeln von ca. 120 dB(A). Da sich gerade im nahen Umfeld von Versammlungen Menschen aufhalten, wäre eine solche Auflage nicht zu verantworten. Das Fotografierverbot in Nummer 1.1.11 sei damit begründet, dass durch das Fotografieren und den Versuch der Individualisierung eine einschüchternde Wirkung erzielt und hierdurch Druck auf die betroffenen Personen ausgeübt werde. Es könne sich der Beklagte auch nicht erschließen, welchen Zweck ein Fotografieren hinsichtlich des angezeigten Versammlungsthemas sonst haben sollte. Die Beschränkung in Nummer 1.1.12 sei auf Seite 12 des Bescheides begründet worden. Die zuständige Behörde könne eine Versammlung insbesondere dann beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen durch die Versammlung die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft gebilligt, verherrlicht, gerechtfertigt oder verharmlost werde, auch durch das Gedenken an führende Repräsentanten des Nationalsozialismus, und dadurch die unmittelbare Gefahr einer Beeinträchtigung der Würde der Opfer bestehe. Von dieser gesetzlichen Möglichkeit sei mit der getroffenen Beschränkung Gebrauch gemacht worden. Außerdem diene sie dazu, möglichen Straftaten im Sinne des § 130 StGB vorzubeugen. Die Gegenkundgebung habe ebenfalls auf dem … stattgefunden. Es seien durchaus vergleichbare Beschränkungen getroffen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen liegen hier bei der Klägerseite nicht vor.
Selbst wenn der Kläger nicht in der Lage sein sollte, die Kosten der Prozessführung zu bestreiten, bietet jedenfalls die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Diese liegt stets dann vor, wenn eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung spricht. Bei der dabei vom Gericht anzustellenden vorläufigen Prüfung dürfen im Hinblick auf die Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Es genügt, wenn sich die Erfolgsaussichten bei summarischer Prüfung als offen darstellen (BayVGH, B.v. 21.12.2009 – 19 C 09.1723 – juris Rn. 2).
Rechtsgrundlage der angegriffenen Beschränkungen ist § 15 Abs. 1 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG). Danach kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist oder ein Fall des Art. 12 Abs. 1 BayVersG vorliegt. Der Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht. Unter „öffentlicher Ordnung“ wird die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln verstanden, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird (BVerfG, B.v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81 u.a. – juris Rn. 77). Erforderlich ist im konkreten Fall jeweils eine Gefahrenprognose. Diese enthält zwar stets ein Wahrscheinlichkeitsurteil; dessen Grundlagen können und müssen aber ausgewiesen werden. Demgemäß bestimmt das Gesetz, dass es auf „erkennbaren Umständen“ beruhen muss, also auf Tatsachen, Sachverhalten und sonstigen Einzelheiten (BVerfG, B.v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81 u.a. – juris Rn. 80).
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
1. Soweit der Kläger die immissionsschutzrechtliche Beschränkung unter Nr. 1.7 Satz 1 des Bescheides angreift, wonach die Lautstärke auf einen maximalen Schalldruckpegel von 85 dB(A) – gemessen 5 m vor der Mündung des Schalltrichters des Megaphons oder eines einzelnen Lautsprechers – zu begrenzen ist, bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Beschränkung ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
Ohne eine immissionsschutzrechtliche Beschränkung wäre die öffentliche Sicherheit in Form der Gesundheit des Einzelnen unmittelbar gefährdet.
Die Beschränkung ist auch ermessensgerecht. Sie ist geeignet Gesundheitsschäden zu vermeiden und erforderlich, da ein milderes Mittel nicht ersichtlich ist. Außerdem ist die Beschränkung angemessen. Die Beklagte hat hier die Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Klägers mit seinem Versammlungsthema angemessen gehört zu werden und den gegenläufigen Interessen von Passanten, Anwohnern und eingesetzten Polizisten sachgerecht vorgenommen. Zwar ist der Schutzbereich des Grundrechts der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) insoweit eröffnet, weil dieses Grundrecht auch das Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich Art und Inhalt einer Versammlung und damit grundsätzlich auch die Verwendung von Lautsprechern oder Megaphonen als Hilfsmittel umfasst. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ist aber nicht unbeschränkt gewährleistet und Eingriffe in das Grundrecht sind bei Versammlungen unter freiem Himmel zur Wahrung kollidierender Interessen Dritter gemäß Art. 8 Abs. 2 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zulässig. Vorliegend hat sich die Beklagte zulässigerweise, um Gesundheitsschäden zu vermeiden, hinsichtlich des Grenzwertes von 85 dB(A) an der Richtlinie 2003/10/EG über „Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (Lärm)“ orientiert, welche durch die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung vom 6. März 2007 in das nationale Recht umgesetzt wurde. Im Übrigen galt für die Gegendemonstration ausweislich des Bescheids vom 17. April 2015 gegenüber dem Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus der gleiche Immissionsgrenzwert.
2. Soweit der Kläger die Beschränkung unter Nr. 1.11 des Bescheides angreift, wonach das Fotografieren von Gegendemonstranten bzw. anderen unbeteiligten Personen oder eine diese dem Verhalten ähnliche Geste verboten ist, bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung ebenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Beschränkung ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
Ohne eine solche Beschränkung wäre die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit umfasst mit der Einhaltung der Rechtsordnung auch die Vorschriften des Kunsturhebergesetzes sowie des Rechts am eigenen Bild, das Ausfluss des durch Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechtes ist. Ein Fotografierverbot kann gerechtfertigt sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass derjenige, der die Lichtbilder herstellt, diese ohne Einwilligung der abgebildeten Personen (§ 22 KunstUrhG) und ohne sonstige Rechtfertigungsgründe (§ 23 KunstUrhG) veröffentlicht und sich dadurch nach § 33 KunstUrhG strafbar macht. Bereits das Fotografieren einer Person, die sich in der Öffentlichkeit aufhält, kann ohne Einwilligung des Abgebildeten einen unzulässigen Eingriff in das geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen, da schon dadurch das Erscheinungsbild des Betroffenen in einer bestimmten Situation von seiner Person abgelöst, datenmäßig fixiert und seiner Kontrolle und Verfügungsmacht entzogen wird. Insbesondere kommt nach ständiger Rechtsprechung ein Verbot des Fotografierens von Gegendemonstranten und unbeteiligten Dritten in Betracht, wenn damit eine einschüchternde Wirkung erzielt werden soll. Von einer solchen Gefahr ging die Beklagte vorliegend zu Recht aus. Denn es ist allgemein bekannt, dass rechte wie linke Extremisten dazu übergegangen sind, Fotografien der jeweiligen Gegner – gegebenenfalls unterlegt mit Namen und Adresse – in Internetbeiträgen zu veröffentlichen (sog. Outingaktionen, dazu Ullrich, DVBl. 2012, 666/668 f.). Eine solche Gefahr der Verbreitung von Bild- und Videoaufnahmen im Internet zur Bloßstellung, Anprangerung und sogar Beleidigung sowie Einschüchterung opponierender Personen und Gegendemonstranten bestand auch vorliegend. So teilte die Polizeiinspektion … gegenüber der Beklagten mit, dass hinsichtlich des für den 18. April 2015 zu erwartenden Personenkreises nach Erkenntnissen des Staatsschutzes vornehmlich von Mitgliedern der Gruppierung „…“ auszugehen sei. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Kommunalwahlkampf 2013/2014 der „…“, deren Mitglieder nach Erkenntnissen des Staatsschutzes ebenfalls zu einem nicht unerheblichen Teil der Gruppierung „…“ zuzuordnen seien, sei es zu einer Vielzahl von Bedrohungs-, Beleidigungs-, Nötigungs- bis hin zu Körperverletzungsdelikten zwischen „Links“ und „Rechts“, die wechselseitig begangen worden seien, gekommen. Dass bei einer solchen Vorgeschichte die konkrete Gefahr besteht, dass nicht bloß die politische Auffassung der jeweils anderen Gruppierung bekämpft wird, sondern auch die diese Auffassung vertretenen Personen selbst und es mittels Individualisierung der jeweiligen Personen auch zu gezielten Angriffen auf diese Personen in deren alltäglichem Leben außerhalb des Demonstrationsgeschehens kommen kann, liegt auf der Hand. Durch die Beschränkung wird eine Einschüchterung der Gegendemonstranten verhindert. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Die Beschränkung ist zudem verhältnismäßig. Soweit der Kläger insoweit geltend macht, dass selbst das Fotografieren von Gegendemonstranten, die gerade Straftaten gegen die Versammlungsteilnehmer begehen, untersagt sei, und somit die Aufklärung von Straftaten durch die Ermittlungsbehörden mithilfe der Kundgebungsteilnehmer erschwert werde, ist zu entgegnen, dass es die Aufgabe der Polizei – und nicht der Versammlungsteilnehmer – ist, Straftaten Dritter zu dokumentieren. Außerdem ist zur bildlichen Dokumentation der Versammlung nicht die Ablichtung des gesamten Demonstrationsgeschehens, wie vom Kläger gewünscht, erforderlich.
Soweit der Kläger anführt, die Bestimmung sei zu bestimmt, da offen bleibe, was in Nummer 1.11 des Bescheids unter einer „diesem Verhalten ähnliche Geste“ verstanden werden könne, greifen die Bedenken des Klägers nicht durch. Die Auflage ist nach Auffassung des Gerichts für den Kläger bestimmt genug und vollziehbar. Denn aus der Begründung der Beschränkung des streitgegenständlichen Bescheids (S. 12) wird deutlich, dass eine Individualisierung von Personen verhindert werden sollte. Daher unterfallen alle Mittel, die eine solche Individualisierung ermöglichen, unter das in Nummer 1.11 genannte Verhalten. Insbesondere ist dabei an die Fertigung von Videoaufnahmen zu denken.
3. Soweit der Kläger den Teil der Beschränkung unter Nr. 1.12 des Bescheides angreift, wonach in Versammlungsreden und Sprechchören sowie auf Transparenten, in zu verbreitenden Druckwerken und musikalischen Darbietungen alle Aussagen zu unterbleiben haben, die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlungen billigen, rechtfertigen oder verharmlosen, bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Beschränkung ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
Die Beschränkung unter Nr. 1.12 muss im Zusammenhang mit deren Begründung im streitgegenständlichen Bescheid (Seite 12) gelesen werden. Daraus wird deutlich, dass gerade solche Aussagen unterbleiben müssen, die die Tatbestände des § 130 StGB und Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG erfüllen und auf die in der Begründung ausdrücklich Bezug genommen wird. Folglich sind gerade diese „Handlungen“ des NS-Regime in Nr. 1.12 gemeint, die die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft prägten. Eine solche Beschränkung ist geeignet, erforderlich und angemessen.
Im Übrigen folgt das Gericht in analoger Anwendung von § 117 Abs. 5 VwGO den Gründen des angefochtenen Bescheides und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Gründe ab.
Da die Klage deshalb nach alldem keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen.