Aktenzeichen W 5 K 16.1357
AWaffV AWaffV § 4 Abs. 6, Abs. 1 Nr. 1 lit. b
Leitsatz
1 Die nicht rechtzeitige Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung rechtfertigt den Schluss auf eine fehlende Eignung ohne Weiteres. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Nach § 5 Abs. 2 WaffG besitzen Personen in der Regel die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, wenn sie wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind und seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind. Es sei denn, aus den konkreten Umständen der Taten bzw. der Persönlichkeit ergibt sich ein Anlass für ein Abweichen von der Regel. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
Der Klage, über die auch in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Klägers (vgl. Postzustellungsurkunde vom 11. August 2017, Bl. 31 der Gerichtsakte) entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig aber nicht begründet. Das im Bescheid des Landratsamts Sch. vom 27. Oktober 2016 verfügte Waffenbesitzverbot für erlaubnisfreie Waffen und Munition sowie die Anordnung, erlaubnisfreie Waffen oder Munition, die sich noch im Besitz des Klägers befinden, bzw. die von der Polizei sichergestellte Schreckschusswaffe an Berechtigte zu überlassen, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Kammer hat im Beschluss vom 2. März 2017 im Verfahren W 5 S. 17.132 ausgeführt:
„Das angeordnete Besitzverbot für erlaubnisfreie Waffen und Munition findet seine Rechtsgrundlage in § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG, nicht in § 41 Abs. 2 WaffG, so dass die Ausführungen des Bevollmächtigten des Antragstellers zur diesbezüglichen Gebotenheit einer Untersagung ins Leere gehen.
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG kann die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass der rechtmäßige Besitzer oder Erwerbswillige abhängig von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln, psychisch krank oder debil ist oder sonst die erforderliche persönliche Eignung nicht besitzt oder ihm die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Der Betroffene ist darauf hinzuweisen, dass er die Annahme mangelnder persönlicher Eignung im Wege der Beibringung eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung ausräumen kann (Satz 2).
1.1.1
Die Voraussetzungen für ein Waffenbesitzverbot wegen mangelnder persönlicher Eignung des Antragstellers liegen vor. Das Gericht folgt insoweit der zutreffenden Begründung des Bescheides des Landratsamtes A. vom 27. Oktober 2016 und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
Vorliegend sind Tatsachen gegeben, die die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller abhängig von berauschenden Mitteln ist. Er ist der Aufforderung des Landratsamts Sch. im Schreiben vom 29. Januar 2016, ein amts- oder fachärztliches oder fachpsychologisches Zeugnis über die geistige oder körperliche Eignung beizubringen, nicht nachgekommen. Damit war der Schluss auf die Nichteignung nach § 41 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 2, 4 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 6, Abs. 1 Nr. 1b AWaffV zulässig (vgl. BayVGH, B.v. 21.8.2015 – 21 C 15.1533 – juris).
Der Antragsteller ist auf diese Rechtsfolge gem. § 41 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 2 WaffG, § 4 Abs. 6 Satz 2 AWaffV im Schreiben vom 29. Januar 2016 hingewiesen worden. Aus diesem Schreiben ergeben sich auch die Gründe für die Gutachtensanordnung (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AWaffV). So hat die Waffenbehörde auf die vom Antragsteller unter Einfluss von Drogen oder Alkohol begangenen Straftaten sowie auf den Vorfall vom 24. November 2015 abgestellt, bei dem der Antragsteller unter Alkoholeinfluss auf seinem Grundstück mit einem Schreckschussrevolver herumgeschossen hat. Auch im Übrigen genügt das Schreiben den formellen Anforderungen des § 4 Abs. 3, § 6 AWaffV. Dem Antragsteller wurde eine angemessene Frist gesetzt, um sich zu der angekündigten Maßnahme zu äußern.
Die behördliche Anordnung der Beibringung eines Gutachtens war nach summarischer Prüfung auch anlassbezogen und im Hinblick auf das Gewicht der anlassgebenden Tatsachen und die Gefahren, die von einer Waffe in ungeeigneten Händen ausgehen können, verhältnismäßig. Der Antragsteller ist mit Verhaltensweisen aufgefallen, die auf eine Abhängigkeit von berauschenden Mitteln hinweisen. Bei den von ihm begangenen Straftaten stand er teilweise unter Drogeneinfluss und führte auch mehrmals unter Drogeneinfluss ein Fahrzeug. Bei der Polizei sind weitere Verstöße des Antragstellers in Verbindung mit Betäubungsmittelbesitz und -konsum aktenkundig. Schließlich hat der Antragsteller unter Alkoholeinfluss auch mit einer nicht erlaubnispflichtigen Waffe geschossen. Von Antragstellerseite wird die Alkoholisierung bei diesem Vorfall an sich nicht bestritten, es wird nur die Messmethode in Zweifel gezogen. Nach den vorliegenden Aktenunterlagen wurde jedoch der Alkoholtest nicht vor Ort durch die Polizei durchgeführt, sondern nach der Unterbringung im Krankenhaus in Werneck, so dass die Ausführungen des Bevollmächtigten des Antragstellers zur Herbeiführung einer hohen Atemalkoholkonzentration „durch einen Schluck Bier“ unbehelflich sind. Es ist nach vorläufiger Prüfung nicht zu beanstanden, dass die Waffenbehörde auch auf die durch die bei diesem Vorfall eingesetzten Polizeibeamten gemachten Wahrnehmungen zum Zustand des Antragstellers abgestellt hat, die in dieser Situation zu einer Einweisung des Antragstellers in das Psychiatrische Krankenhaus Werneck führten. Auch die übrigen Einwände des Antragstellerbevollmächtigten sind nicht zielführend.
Die nicht rechtzeitige Vorlage des Gutachtens rechtfertigt den Schluss auf eine fehlende Eignung ohne weiteres. Der Gesetzgeber hat dem Betroffenen in diesem Fall keinen alternativen Nachweis der waffenrechtlichen Eignung eröffnet (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 2 WaffG). Der Einwand des Antragstellers, dass keine Hinweise auf Eigen- oder Fremdgefährdung vorlägen, ist unbehelflich. Auf die Frage einer Eigen- oder Fremdgefährlichkeit kommt es nicht an, da nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG für ein Waffenverbot genügt, dass Tatsachen die Annahme einer Abhängigkeit von berauschenden Mitteln rechtfertigen. Mit Blick auf die erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, bedarf es keiner weiteren Voraussetzung (BayVGH, B.v. 21.8.2015 – 21 C 15.1533 – juris). Im Übrigen lassen sich aus der Tatsache, dass der Antragsteller wieder aus dem Psychiatrischen Krankenhaus entlassen wurde, keine Schlüsse über die waffenrechtliche Eignung des Klägers ziehen.
1.1.2 Nach Aktenlage spricht auch alles dafür, dass der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht die erforderliche Zuverlässigkeit für den Umgang mit genehmigungsfreien Waffen besitzt (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG). Dabei beurteilt sich der Begriff der Zuverlässigkeit ebenso nach § 5 WaffG wie im Bereich der erlaubnispflichtigen Waffen (BayVGH, B.v. 22.1.2014 – 21 ZB 13.1781 – juris). Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) WaffG besitzen Personen in der Regel die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, wenn sie – wie der Antragsteller im vorliegenden Fall – wegen einer vorsätzlichen Straftat mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe als 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden ist und seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind. Anhaltspunkte dafür, dass sich aus den konkreten Umständen der Taten bzw. der Persönlichkeit des Antragstellers, wie es in seinem damaligen Verhalten zum Ausdruck gekommen ist, ein Anlass für ein Abweichen von der Regel ergeben würde, sind vorliegend nicht ersichtlich.
2.2.3Der Antragsgegner hat das ihm zustehende Ermessen erkannt und zweckgerecht und im Rahmen der gesetzlichen Grenzen ausgeübt (Art. 40 BayVwVfG), nämlich den Besitz von erlaubnisfreien Waffen, insbesondere zur Abwehr der auch von erlaubnisfreien Waffen und Munition ausgehenden Gefahren (BT-Drs. 14/7758, S. 76) untersagt. Das Besitzverbot ist ein geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr. Ein milderes Mittel, das gleichermaßen geeignet wäre, die auch von erlaubnisfreien Waffen im Besitz des nicht geeigneten und wohl auch nicht zuverlässigen Antragstellers ausgehen, ist nicht ersichtlich. Das Waffenbesitzverbot ist auch nicht unverhältnismäßig. Der Antragsteller verfügt über andere Möglichkeiten, sich gegen Gefahren für sein Eigentum abzusichern.
1.2 Keinen Bedenken begegnet die Anordnung in Nr. 2 des Bescheids, erlaubnisfreie Waffen oder Munition, die sich noch im Besitz des Antragstellers befinden, bzw. die von der Polizei sichergestellte Schreckschusswaffe an Berechtigte zu überlassen. Rechtsgrundlage für diese Anordnung ist § 41 Abs. 1 i.V.m. § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WaffG. Nachdem die ursprünglich gesetzte Frist mit Schreiben des Landratsamts Sch. vom 1. Dezember 2016 bis 9. Dezember 2016 verlängert worden ist, ist auch die Fristsetzung für die Überlassung als angemessen anzusehen.“
Im für die vorliegende Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung (vgl. zu sog. Dauerverwaltungsakten BVerwG, U.v. 6.12.1978 – I C 23.76 – juris) liegt keine zugunsten des Klägers veränderte Sachlage vor. Aufgrund der mittlerweile eingetretenen weiteren polizeilich festgestellten Auffälligkeiten des Klägers wegen unerlaubten Besitzes oder Konsums von Betäubungsmitteln sowie der im Zusammenhang mit Drogenkonsum aufgetretenen Bedrohung mehrerer Polizeibeamter und der nachfolgenden vorläufigen Unterbringung des Klägers am 2. Juli 2017 sind weitere Tatsachen gegeben, die aus Sicht der Behörde die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger abhängig von berauschenden Mitteln ist. Neben der fehlenden Eignung des Klägers kann mittlerweile auch festgestellt werden, dass dem Kläger eindeutig die erforderliche Zuverlässigkeit für den Umgang mit genehmigungsfreien Waffen fehlt (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG). Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) WaffG, nach dem Personen in der Regel die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen, wenn sie – wie der Kläger im vorliegenden Fall – wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe als 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden sind und seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind, liegen vor. Anhaltspunkte dafür, dass sich aus den konkreten Umständen der Taten bzw. der Persönlichkeit des Klägers, wie sie in seinem damaligen Verhalten zum Ausdruck gekommen sind, ein Anlass für ein Abweichen von der Regel ergeben würde, sind vorliegend nicht ersichtlich.
Die Klage konnte deshalb insgesamt keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.