Aktenzeichen M 10 K 16.511
EBV § 20
VwGO § 113 Abs. 1
Leitsatz
1 Ein Gemeindebürger kann nicht rügen, dass der Gemeinderat möglicherweise unrichtige oder unvollständige Informationen für seine Willensbildung gehabt haben soll. (Rn. 27) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Der erhebliche Anstieg der neuen Wassergebühr gegenüber der vorher erhobenen Wassergebühr (hier: Steigerung um ca. 116%) ist für sich genommen ohne jeglichen Belang. (Rn. 31) (red. LS Alexander Tauchert)
3 Zweck und innere Rechtfertigung der über die Gebühren umzulegenden Kosten der kalkulatorischen Verzinsung ist die Gewährleistung eines Ausgleichs für die durch die Aufbringung des in der Anlage gebundenen Kapitals seitens der Gemeinde zu tragenden finanziellen Belastungen. (Rn. 33) (red. LS Alexander Tauchert)
Tenor
I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens gesamtverbindlich zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage gegen den Wassergebührenbescheid der Beklagten vom 19. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Januar 2016 ist zulässig. Die Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der angefochtene Gebührenbescheid vom 19. Januar 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Der Eigenbetrieb „Wasserwerk …“ war für die Beklagte zuständig für die Festsetzung der Wassergebühren. (1.). Es liegt eine wirksame Beitrags- und Gebührensatzung vor (2.), aufgrund derer der angefochtene Gebührenbescheid ohne Rechtsfehler erlassen wurde (3.).
1. Aufgrund § 2 Abs. 4 der Betriebssatzung vom 27. Juli 2005, zuletzt geändert mit Satzung vom 1. Dezember 2011 ist das Wasserwerk zuständig für den Erlass von Bescheiden zum Vollzug der Wasserabgabesatzung und der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung, insbesondere für die Erhebung von öffentlichen Abgaben.
2. Die Wasserabgabesatzung sowie die Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung – soweit diese für die Gebührenerhebung und damit als Rechtsgrundlage für den angegriffenen Gebührenbescheid Anwendung findet, nur insoweit ist die Rechtsgrundlage auf Mängel zu überprüfen – sind rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach Art. 8 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) können Gemeinden, Landkreise und Bezirke für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen und ihres Eigentums Benutzungsgebühren erheben. Die Wasserversorgungseinrichtung im Gemeindegebiet der Beklagten, an welche auch die Kläger angeschlossen sind, ist mit der Wasserabgabesatzung vom 28. Juli 2011 als öffentliche Einrichtung gewidmet (§ 1 Abs. 1 WAS). Die Wasserabgabesatzung stützt sich dabei auf die Ermächtigungsnorm des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Gemeindeordnung (GO), wonach Gemeinden die Benutzung ihres Eigentums und ihrer öffentlichen Einrichtungen regeln können und aus Gründen des öffentlichen Wohls den Anschluss an unter anderem den Anschluss an die Wasserversorgung vorschreiben und vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Vorschriften die Benutzung dieser Einrichtungen zur Pflicht machen können. Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen und die inhaltliche Richtigkeit der Wasserabgabesatzung wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
Auch die Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung ist im Gebührenteil nicht zu beanstanden und als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid heranzuziehen. Hinsichtlich der 2. Änderungssatzung der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung vom 18. Dezember 2013 haben die Kläger Einwände gegen das formell ordnungsgemäße Zustandekommen vorgetragen. Diese greifen jedoch nicht durch. Der Vortrag der Kläger, der Gemeinderat sei bei der Beschlussfassung nicht richtig informiert gewesen, kann im vorliegenden Verfahren, in welchem die Rechtmäßigkeit eines Gebührenbescheids überprüft wird, keine Berücksichtigung finden. Unstreitig lag ein Beschluss des Gemeinderats über die Änderungssatzung vom 17. Dezember 2013 vor. Wenn der Kläger zu 1) als damaliges Mitglied des Gemeinderats der Meinung ist, der Beschluss sei rechtswidrig, weil er nicht ausreichend oder falsch informiert gewesen sei, hätte er direkt gegen den Beschluss vorgehen müssen bzw. eine Entscheidung des Plenums herbei führen müssen über die streitige Frage, ob alle und die richtigen Informationen vorgelegen hatten. Ein Gemeindebürger kann nicht rügen, dass der Gemeinderat möglicherweise unrichtige oder unvollständige Informationen für seine Willensbildung gehabt haben soll.
Soweit die Kläger Bedenken gegen die inhaltliche Richtigkeit der Änderungssatzung zur Beitrags- und Gebührensatzung betreffend den Gebührenteil geltend machen, insbesondere die Festsetzung der Wassergebühr von 1,17 Euro/m³ entnommenem Wasser nach § 10 Abs. 1 Satz 2 BGS/WAS mit einer Kalkulationsrüge angreifen, kann dem nicht gefolgt werden.
Nach ständiger Rechtsprechung genügt es nicht, wenn ein Kläger ohne jegliche substantiierte Belegung lediglich behauptet, die bestimmten Beitrags- oder Gebührensätze seien nicht ordnungsgemäß ermittelt worden. Zwar verlangt der Grundsatz der Amtsermittlung des § 86 Abs. 1 VwGO, dass das Gericht alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Möglichkeiten zur Aufklärung des für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts ausschöpft, die geeignet erscheinen, die dafür erforderliche Überzeugung zu gewinnen. Diese Pflicht findet aber in der Mitwirkungspflicht der Beteiligten eine Grenze. Sie besteht nicht nur darin, dass das Gericht die Beteiligten zur Erforschung des Sachverhalts mit heranziehen kann, sondern auch und gerade darin, dass die Kläger die zur Begründung ihrer Rechtsbehelfe oder ihrer Einwendungen dienenden Tatsachen und Beweismittel nach § 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO angeben sollen. So lange sie dieser Pflicht nicht nachkommen, überprüfbare und einem Beweis zugängliche Tatsachen vorzutragen, braucht das Gericht der bloßen Möglichkeit fehlerhaft bestimmter Beitragssätze nicht nachzugehen. Dass es für einen Kläger nicht ganz einfach ist, die vom Beklagten ermittelten Beitragssätze auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, entbindet ihn nicht davon, sich im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht selbst durch Akteneinsicht sachkundig zu machen, notfalls mit Hilfe eines von ihm beauftragten Sachverständigten (BayVGH, B.v. 2.2.2014 – 20 ZB 14.1744 – juris Rn. 6; BVerwG, U.v. 17.4.2002 – 9 CN 1.01 – BVerwGE 116, 188).
Die von den Klägern vorgetragenen Rügen sind nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Gebührenfestsetzung zu verneinen oder zumindest derart in Frage zu stellen, dass sich dem Gericht weitere Ermittlungen aufdrängen würden. Hierbei ist zunächst auch zu erwähnen, dass der Einwand der Kläger, sie hätten das Gutachten des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes (im Folgenden: BKPV) nicht einsehen können, irrelevant ist. Zum einen haben die Kläger bei der Beklagten vor Klageerhebung unstreitig Akteneinsicht genommen. Unklar ist, warum die Kläger hierbei das Gutachten des BKPV (nach ihrem Vortrag) nicht einsehen konnten. Jedenfalls hat die Beklagte das fragliche Gutachten dem Gericht im Rahmen der Aktenvorlage für das Klageverfahren vorgelegt. Den Klägern war es seither möglich, das Gutachten bei Gericht einzusehen.
2.1 Der erhebliche Anstieg der neuen Wassergebühr in Höhe von 1,17 Euro/m³ Abwasser gegenüber der vor dem Jahr 2014 von der Beklagten erhobenen Wassergebühr in Höhe von 0,54 Euro/m³ entnommenem Wasser ist für sich genommen ohne jeglichen Belang. Es besteht kein irgendwie gearteter Vertrauensschutz der Kläger dahin, dass die Gebühr nicht auch deutlich angehoben wird, solange die Anhebung aufgrund der (Neu-)Kalkulation gerechtfertigt ist (VG München, U.v. 10.11.2016 – M 10 K 15.4549 – juris Rn. 57).
2.2 Auch der Einwand einer fehlerhaften kalkulatorischen Verzinsung greift nicht durch. Die Kläger machen hier im Wesentlichen geltend, die Höhe des Zinssatzes von 3% sei weit überhöht.
Nach Art. 8 Abs. 3 Satz 1 KAG soll, wie auch nach § 12 KommHV, eine angemessene Verzinsung des Anlagekapitals berücksichtigt werden. Nach Nr. 6 der Verwaltungsvorschrift zur kommunalen Haushaltsverordnung (VVKommHV) sollte sich der Zinssatz für die Verzinsung des Anlagekapitals (§ 87 Nr. 2 KommHV) an einem mehrjährigen Mittel der Kapitalmarktrenditen orientieren. Zweck und innere Rechtfertigung der über die Gebühren umzulegenden Kosten der kalkulatorischen Verzinsung ist die Gewährleistung eines Ausgleichs für die durch die Aufbringung des in der Anlage gebundenen Kapitals seitens der Gemeinde bzw. hier des Beklagten zu tragenden finanziellen Belastungen. Dies beruht auf dem Gedanken, dass das in der Anlage gebundene Eigenkapital die Gemeinde nicht zur Erfüllung anderweitiger öffentliche Aufgaben eingesetzt werden und daher an anderer Stelle zu Lasten des allgemeinen Haushalts keine Zinserträge erwirtschaften oder Zinsleistungen für Fremdkapital ersparen kann (BayVGH, B.v. 13.12.2012 – 20 ZB 12.1158 – juris Rn. 7). Deshalb erscheint der vom Beklagten gewählte Zinssatz im Hinblick auf die von ihm dargelegten langfristigen Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen noch als angemessen. Eine Orientierung nur an der derzeitigen geringeren Verzinsung greift zu kurz, da sie gerade die längerfristigen Zinsschwankungen in einem breiteren Rahmen außer Acht lässt. Zwar kann der kalkulatorische Zinssatz für die jeweilige Kalkulationsperiode nach den aktuellen Gegebenheiten – mit der Gefahr mehr oder weniger großer Schwankungen – aktualisiert werden. Es ist aber auch möglich, einen auf längere Sicht beizubehaltenden Zinssatz zu wählen, der sich dementsprechend an den langfristigen Perioden zu orientieren hat (BayVGH, B.v. 5.5.2008 – 4 BV 07.614 – juris Rn. 10). Gerade bei langlebigen Anlagegütern ist das Abstellen auf das langjährige Mittel von Geld- oder Kapitalmarktrenditen sachlich begründet, jedenfalls ist die Beklagte nicht verpflichtet, sich nur an aktuellen Zinsverhältnissen zu orientieren und dabei gegebenenfalls unter Inkaufnahme erheblicher Gebührensprünge ständig nachzusteuern (BayVGH, U.v. 22.9.2011 – 4 N 10.315 – juris Rn. 16).
2.3 Im Übrigen sind die von den Klägern angestellten Berechnungen, nach denen für den gesamten Bemessungszeitraum von einer Kostenüberdeckung für das Wasserwerk auszugehen sei, für das Gericht in keiner Weise nachvollziehbar. Eine für das Gericht verständliche Auseinandersetzung mit dem von der Beklagten für die Gebührenkalkulation zugrunde gelegten Gutachten des BKPV liegt nicht vor. Mit Schriftsatz vom 21. September 2017 hat die Beklagte ein weiteres Gutachten des BKPV vom 19. September 2017 in Form einer Nachkalkulation für die Jahre 2010 bis 2013 vorgelegt, durch welches die Unterdeckung für den fraglichen Zeitraum weiter belegt wird. Die Nachkalkulation kommt zu einer Unterdeckung in Höhe von insgesamt – 282.965,47 Euro.
Hinsichtlich der Konzessionsabgaben ist folgendes auszuführen: Das Einstellen einer Konzessionsabgabe in die Gebührenkalkulation zur Festsetzung der Wassergebühren wird kritisch gesehen (s. hierzu VG Kassel, U.v. 27.3.2017 – 6 K 412/13.KS – juris). Nach dem Vortrag des Klägers handelt es sich hierbei um einen Betrag in Höhe von insgesamt 172.754,- Euro, der in den Jahren 2009 mit 2012 vom Wasserwerk an den Gemeindehaushalt abgeführt worden sei. Letztlich kann eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Frage der Ansatzfähigkeit von Konzessionsabgaben bei der Kalkulation von Wassergebühren im vorliegenden Rahmen unterbleiben, da Konzessionsabgaben in der Nachkalkulation außer Betracht geblieben sind. Auch die Nachkalkulation vom 19. September 2017 kommt im Ergebnis zu einer deutlichen Unterdeckung und somit im Ergebnis zu einer notwendigen Gebührenerhöhung.
Auch sonstige Rechtsfehler sind nicht erkennbar; die hier anzuwendenden gebührenrechtlichen Bestimmungen der Beitrags- und Gebührensatzung des Beklagten sind rechtmäßig.
3. Der auf die Beitrags- und Gebührensatzung des Beklagten gestützte Gebührenbescheid vom 19. Januar 2015 ist rechtmäßig. Nach § 12 Abs. 1 BGS/WAS ist Gebührenschuldner, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld Eigentümer des Grundstücks oder ähnlich zur Nutzung des Grundstücks dinglich berechtigt ist. Nach § 12 Abs. 3 BGS/EWS sind mehrere Gebührenschuldner Gesamtschuldner.
Ansonsten ist zwischen den Beteiligten im Wesentlichen unstrittig, dass der Betrag der Wassergebühr richtig ermittelt und festgesetzt wurde. Dass die Beklagte für 1/12 der Verbrauchsmenge im angefochtenen Bescheid die bisherige, niedrigere Gebühren angesetzt hat, wirkt sich zugunsten der Kläger aus. Eine Beschwer der Kläger ist insoweit nicht ersichtlich.
Damit ist die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.