Arbeitsrecht

Antrag einer Gewerkschaft auf Feststellung – Verstoß des Personalratsvorsitzenden  gegen Vorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes durch Äußerung in der Personalversammlung

Aktenzeichen  M 14 P 16.3196

Datum:
27.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 163127
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BPersVG § 28 Abs. 1 S. 1, § 48 Abs. 1 S. 1, § 52 Abs. 1 S. 1
RVG § 23 Abs. 3 S. 2, § 33
GKG § 52 Abs. 2
VwGO § 67 Abs. 4 S. 4 u. 7
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Gegenstandswert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist eine in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft.
Der Beteiligte zu 1) war bis zum 31. Mai 2016 Vorsitzender des örtlichen Personalrats. Auch in der aktuellen, seit 1. Juni 2016 laufenden Wahlperiode ist er Mitglied im örtlichen Personalrat. Seit diesem Tag ist er überdies Vorsitzender des Gesamtpersonalrats.
Am 3. März 2016 leitete der Beteiligte zu 1) eine Personalversammlung des örtlichen Personalrats. In dieser sprach der Vorsitzende des Antragstellers ein Grußwort. Anschließend äußerte sich der Beteiligte zu 1). Am Folgetag versandte er eine E-Mail an alle Beschäftigten des … in der Dienststelle … mit einem Link zu den im Intranet veröffentlichten Redebeiträgen der Personalversammlung im Umfang von insgesamt 47 Seiten, soweit ihm diese zur Verfügung gestellt worden waren. Hierauf wird Bezug genommen.
Am 16. Juli 2016 stellte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München einen Antrag
letztendlich mit dem Inhalt auf Feststellung, dass die auf der Personalversammlung getätigten Äußerungen des Beteiligten zu 1) mit den Vorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes nicht in Einklang stehen.
Er trug zur Begründung vor, der Feststellungsantrag sei zulässig. Statt eines Antrags auf Ausschluss eines Personalratsmitglieds sei bei Ablauf der Amtszeit oder bereits erfolgtem Ausscheiden aus dem Personalrat ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Handelns des Personalratsmitglieds zulässig. Eine hohe Wahrscheinlichkeit spreche dafür, dass sich die im Antrag gestellten Rechtsfragen unter denselben Verfahrensbeteiligten wieder stellen würden, weil der Beteiligte zu 1) nach wie vor Mitglied des örtlichen Personalrats sei, daneben des Gesamtpersonalrats und ferner dessen Vorsitzender. Der Antrag sei auch begründet. Schwerwiegend sei, dass der Beteiligte zu 1) den Eindruck erweckt habe, er spreche für den gesamten örtlichen Personalrat, wohingegen die dort vertretenen Mitglieder des Antragstellers seinen Redebeitrag nicht gekannt hätten. Die Ausübung psychischen Drucks sei als grobe Pflichtverletzung des Beteiligten zu 1) einzustufen. Eine solche stelle auch die Versendung eines an alle Beschäftigten gerichteten Rundschreibens mit den von ihm getätigten herabwürdigenden Äußerungen sowie den unwahren und verleumderischen Unterstellungen dar. Würden seine Aussagen über das Abstimmungsverhalten der Personalratsmitglieder des Antragstellers zutreffen, wäre dies eine bewusste Verletzung der Schweigepflicht. Die Aussagen seien aber auch inhaltlich unrichtig. Die öffentlich geäußerten Angriffe auf den Antragsteller seien sämtlich unwahr und in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen der Mitarbeiter in seine Amtsführung zu erschüttern.
Der Beteiligte zu 1) beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Er führte aus, der Antrag sei bereits unzulässig. Weil die Antragsformulierung seine sämtlichen Äußerungen auf der Personalversammlung umfasse, sei sie zu unbestimmt. Außerdem fehle das Feststellungsinteresse, weil sich die Feststellung auf einen in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen und nicht rückgängig zu machenden Sachverhalt beziehe. Da der Beteiligte zu 1) nicht mehr Vorsitzender des örtlichen Personalrats sei, werde er nicht mehr in die Situation kommen, als Sitzungsleiter einer Personalversammlung auf Äußerungen von Herrn G. zu replizieren. Jedenfalls sei der Antrag als Globalantrag, der auch einen Sachverhalt umfasse, der nicht begründet sei, insgesamt unbegründet.
Die Beteiligte zu 2) stellte keinen Antrag.
Der Antragsteller entgegnete mit Schreiben vom 22. November 2016, der Antrag bringe exakt zum Ausdruck, was gewollt sei, nämlich die Feststellung, dass die auf der Personalversammlung getätigten Äußerungen des Beteiligten zu 1) mit den Bestimmungen zur Neutralitätspflicht nicht vereinbar seien. Ein Feststellungsinteresse bestehe wegen der gegebenen hohen Wiederholungsgefahr. Der Antrag sei zulässig, obwohl der Antragsgegner nicht mehr Vorsitzender des örtlichen Personalrats sei. Ein Globalantrag liege nicht vor; das Begehren beziehe sich vielmehr auf einen konkreten Einzelfall, der mehrere Aussagen umfasse.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Unterlagen und die Gerichtsakte, auch im Wahlanfechtungsverfahren M 14 P 16.1396, verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Er ist bereits unzulässig.
1.1. Dem Antragsteller fehlt die Antragsbefugnis.
In personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ist die Antragsbefugnis gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner personalvertretungsrechtlichen Rechtsposition betroffen werden kann. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht (Rehak in Lorenzen/Etzel/Gerhold u.a., Bundespersonalvertretungsgesetz, Online-Kommentar juris, 62. Update 6/2017, § 83 Rn. 42a). Der Antragsteller muss danach einen Sachverhalt vortragen, aus dem sich ergibt, dass ihm das geltend gemachte Recht zusteht. Auch schon für die Frage der Zulässigkeit eines Antrags ist damit materielles Recht maßgeblich.
Ein materielles Recht des Antragstellers, das von den Äußerungen des Beteiligten zu 1) auf der Personalversammlung am 3. März 2016 betroffen sein könnte, liegt jedoch nicht vor. Eine Gewerkschaft gehört nicht zu den Mitgliedern der Personalversammlung, die nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) aus den Beschäftigten der Dienststelle besteht und nach § 48 Abs. 1 Satz 2 BPersVG vom Vorsitzenden des Personalrats geleitet wird. Das Einberufungsrecht einer Gewerkschaft zu einer Personalversammlung nach § 49 Abs. 3 BPersVG ist hier ebenso wenig betroffen wie das Teilnahmerecht eines Beauftragten einer Gewerkschaft mit beratender Stimme nach § 52 Abs. 1 Satz 1 BPersVG.
Eine Antragsbefugnis des Antragstellers ergibt sich auch nicht aus § 28 Abs. 1 Satz 1 BPersVG. Nach dieser Vorschrift kann eine in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Personalrat wegen grober Vernachlässigung seiner gesetzlichen Befugnisse oder wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beim Verwaltungsgericht beantragen. Hat sich das auf Ausschluss eines Personalratsmitglieds gerichtete Antragsbegehren während eines Beschlussverfahrens aus irgendeinem Grunde erledigt, kann der Antragsteller, soweit ein Feststellungsinteresse hierfür besteht, beantragen festzustellen, dass die konkrete Handlung oder Unterlassung, die zur Einleitung des Verfahrens geführt hat, nicht mit den Vorschriften des Personalvertretungsrechts in Einklang steht. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass eine in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft generell beantragen kann, festzustellen, dass der Vorsitzende des Personalrats bei der Leitung einer Personalversammlung gegen Vorschriften des Personalvertretungsrechts verstoßen hat. Dies würde auf die nicht gewollte Anerkennung eines allgemeinen Kontrollrechts der Gewerkschaften hinauslaufen (OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 31.5.1988, CL 16/86 – juris Rn. 15 ff.; Rehak in Lorenzen/Etzel/Gerhold u.a., a.a.O., § 83 BPersVG Rn. 44). Hier hat sich das Antragsbegehren nicht während eines Beschlussverfahrens erledigt, sondern war dies bereits bei Antragstellung. Die Wahlperiode, in der der Beteiligte zu 1) Vorsitzender des örtlichen Personalrats war, ist am 31. Mai 2016 abgelaufen. Der Feststellungsantrag beim Verwaltungsgericht wurde jedoch erst am 21. Juli 2016 und damit nach Erledigung gestellt. Eine in einer Dienststelle vertretene Gewerkschaft ist aber nicht befugt, in einem personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren überprüfen zu lassen, ob der Vorsitzende einer Personalvertretung in seiner Eigenschaft als Leiter einer Personalversammlung seine Pflichten verletzt hat (OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 31.5.1988, CL 16/86 – juris Ls.).
1.2. Dem Antrag fehlt weiter das Feststellungsinteresse.
Ein Ausschlussverfahren kann grundsätzlich nicht mehr mit gestaltender Wirkung betrieben werden, wenn das betreffende Personalratsmitglied nach Beendigung der Amtszeit wieder in den Personalrat gewählt wurde und die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung nicht fortgesetzt hat (Lorenzen in Lorenzen/Etzel/Gerhold u.a., a.a.O., § 28 Rn. 26). Ein Feststellungsinteresse besteht in diesem Fall ausnahmsweise dann, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass sich der tatsächliche Vorgang wiederholen wird und sich die anknüpfenden Rechtsfragen unter denselben Verfahrensbeteiligten wiederum stellen werden. Ansonsten sind die Gerichte nicht zur gutachterlichen Klärung einer Rechtsfrage berufen.
Eine solche Wiederholungsgefahr liegt jedoch nicht vor. Der Beteiligte zu 1) ist in der aktuellen Wahlperiode nur noch einfaches Mitglied des örtlichen Personalrats, nicht mehr dessen Vorsitzender. Die Leitung einer Personalversammlung obliegt jedoch nach § 48 Abs. 1 Satz 2 BPersVG dem Vorsitzenden. Als Vorsitzender des Gesamtpersonalrats hat der Beteiligte zu 1) in einer Personalversammlung allenfalls als Gast ein Rederecht, nicht aber die Sitzungsleitung. Auch die Veröffentlichung der Redebeiträge obliegt ihm nicht mehr. Dass eine Wiederholungsgefahr nicht besteht, zeigt sich auch daran, dass es seit der Personalversammlung am 3. März 2016 keine vergleichbare Situation mehr gab. Dem Feststellungsinteresse des Antragstellers ist damit Genüge getan, wenn er bei einem erneuten Vorfall ein gerichtliches Verfahren anstrengen kann.
2. Der Antrag ist darüber hinaus auch nicht begründet.
Der Antrag bezieht sich nach seiner umfassenden Formulierung auf alle vom Beteiligten zu 1) in der Personalversammlung am 3. März 2016 getätigten Äußerungen. Davon ist jedoch der Großteil unbedenklich. So hat der Beteiligte zu 1) in seiner Funktion als Vorsitzender des Personalrats (§ 48 Abs. 1 Satz 2 BPersVG) die Veranstaltung eröffnet, das Hausrecht ausgeübt, die Gäste begrüßt, Gedenken moderiert, ausgeführt, dass keine Anträge eingegangen seien, ein Resümee über die Wahlperiode gezogen und die Redner durch An- und Schlussmoderation begleitet. All diese Äußerungen verstoßen selbst nach dem Vortrag des Antragstellers nicht gegen Vorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes.
Für eine Kostenentscheidung ist im Personalvertretungsrecht kein Raum.
Der Gegenstandswert wird nach § 23 Abs. 3 Satz 2, § 33 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) auf den Auffangwert (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG -) festgesetzt.

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