Medizinrecht

Umwandlung des Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit in das eines Berufssoldaten

Aktenzeichen  M 21 K 15.4029

Datum:
19.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 125743
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO analog § 113 Abs. 1 Satz 4
GG Art. 33 Abs. 2
SG § 3 Abs. 1
SG § 4 Abs. 1 Nr. 2
SG § 37
SG § 39

 

Leitsatz

1 Die Umwandlung des Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit in das eines Berufssoldaten setzt ein noch fortbestehendes aktives Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit voraus. Ist der Zeitsoldat bereits aus dem Dienst ausgeschieden, erledigt sich die Klage auf Umwandlung des Dienstverhältnisses. (Rn. 24 und 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für eine Fortsetzungsfeststellungsklage besteht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes kein berechtigtes Interesse, wenn der behauptete Schaden nicht durch konkrete Angaben dargelegt wird. Dies setzt eine Gegenüberstellung des Einkommens bei einer (rechtzeitigen) Umwandlung und des möglichen Einkommens aus einer anderen beruflichen Tätigkeit voraus. (Rn. 27 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
3 Multiple Sklerose mit vorherrschend schubförmigem Verlauf schließt nach der wehrmedizinischen Bewertung die Dienstfähigkeit eines Soldaten dauerhaft aus. (Rn. 38 – 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage, die zulässigerweise (§§ 173 Satz 1 VwGO, 264 Nr. 3 ZPO) auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt worden ist, ist weder zulässig, noch begründet.
Die Klage ist zwar statthaft, aber mangels berechtigten Feststellungsinteresses (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) unzulässig.
Die Umwandlung des Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit in das eines Berufssoldaten setzt, wie sich aus § 4 Abs. 1 Nr. 2 SG und dem dort verwendeten Begriff „Umwandlung“ ergibt, zwingend ein noch fortbestehendes aktives Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit voraus (vgl. nur BayVGH, B.v. 30.6.2016 – 6 CE 16.678 – juris Rn. 14 m.w.N.).
Nach den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigten Angaben der Beklagten ist der Kläger am 31. August 2017 aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit ausgeschieden. Deshalb hat sich seine ursprüngliche, im Hauptantrag auf die Verpflichtung zur Übernahme in das Verhältnis eines Berufssoldaten und im Hilfsantrag auf entsprechende Verbescheidung gerichtete Klage mit Ablauf der Zeit, für die der Kläger in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen war (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SG), erledigt, weil sie jedenfalls unbegründet geworden ist.
Infolgedessen ist nunmehr die Fortsetzungsfeststellungsklage, auf die der Kläger hat umstellen lassen, zwar statthaft. Sie ist aber nicht von dem erforderlichen berechtigten Feststellungsinteresse getragen (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
An der gerichtlichen Feststellung, dass die Behörde einen bestimmten Verwaltungsakt zu einem bestimmten Zeitpunkt hätte erlassen müssen, kann ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bestehen, wenn wegen des behördlichen Vorgehens eine Klage auf Schadensersatz oder Entschädigung anhängig oder zu erwarten ist und diese Klage Aussicht auf Erfolg hat. Dies ist nicht der Fall, wenn sich bei summarischer Prüfung sicher absehen lässt, dass ein Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch nicht besteht (vgl. nur BVerwG, B.v. 4.9.2008 – 2 B 13/08 – juris Rn. 9 m.w.N.).
An diesen Voraussetzungen fehlt es.
Es ist noch keine Klage des Klägers auf Schadenersatz oder Entschädigung bei den ordentlichen Gerichten anhängig. Eine solche Klage ist nach seinem Vorbringen auch (noch) nicht zu erwarten. Im Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 8. September 2017 wird nicht behauptet, dass die Erhebung einer solchen Klage fest beabsichtigt ist, sondern lediglich berichtet, der Kläger habe Amtshaftungsansprüche gegenüber der Beklagten bereits geltend gemacht. Überdies fehlt es auch an (konkreten) Angaben über den Schaden, der dem Kläger entstanden sein soll. Die Behauptung eines eingetretenen Schadens setzt auch in einer Konstellation wie der vorliegenden zwingend eine Gegenüberstellung der Einkommensverhältnisse bzw. des verbleibenden Gewinns, die/der bei rechtzeitiger Umwandlung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten zu erwarten gewesen wäre, und der finanziellen Verhältnisse, die sich aufgrund einer etwaigen anderweitigen beruflichen Tätigkeit ergeben haben, sowie eine jedenfalls annähernde Angabe der Schadenshöhe voraus (vgl. nur OVG NW, B.v. 23.1.2003 – 13 A 4859/00 – juris Rn. 16 m.w.N.).
Auf die Frage, ob ein Amtshaftungsbegehren des Klägers insbesondere wegen eigener Herbeiführung des Endes seines Zeitsoldatenverhältnisses nach § 839 Abs. 3 BGB oder § 254 Abs. 1 BGB (sicher) ausgeschlossen ist, kommt es nicht mehr an.
Dafür, dass ein berechtigtes Feststellungsinteresse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog aus anderen Gründen gegeben sein könnte, ist weder etwas vorgetragen, noch sonst etwas ersichtlich.
Zudem ist die Klage auch nicht begründet, weil der Bescheid des BAPersBw vom 27. März 2015 und dessen Beschwerdebescheid vom 1. September 2015 im maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung des Verpflichtungsbegehrens (vgl. nur Gerhardt, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 113 Rn. 103 m.w.N.) rechtmäßig gewesen sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt haben (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Einen Anspruch auf Übernahme hat der Kläger nicht gehabt. Sein Anspruch auf ermessenfehlerfreie Entscheidung über seinen Umwandlungsantrag vom 7. Januar 2014 ist durch diese Bescheide erfüllt worden.
Im Einzelnen:
Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 SG bedarf es zur Umwandlung des Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten einer Ernennung. Gemäß § 3 Abs. 1 SG ist der Soldat nach Eignung, Befähigung und Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse, Glauben, religiöse oder politische Anschauungen, Heimat, ethnische oder sonstige Herkunft zu ernennen und zu verwenden. Soldaten auf Zeit – wie der Kläger – können bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 SG in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten berufen werden (§ 39 Nr. 3 SG). Jedoch geben weder Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (kurz: GG) noch das SG dem Bewerber, der alle tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten erfüllt, einen Anspruch auf Übernahme in dieses Amt.
Schon allein daran war das Begehren des Klägers gescheitert, soweit er die Verpflichtung zur Übernahme in das Verhältnis eines Berufssoldaten geltend gemacht hatte.
Sein Anspruch auf ermessenfehlerfreie Entscheidung über seinen Umwandlungsantrag vom 7. Januar 2014 ist durch die angegriffenen Bescheide aus folgenden Gründen erfüllt worden.
Der Dienstherr legt die Anforderungen, denen ein Bewerber in körperlicher Hinsicht genügen muss, in Ausübung seiner Organisationsgewalt fest. Subjektive Rechte der Bewerber werden hierdurch grundsätzlich nicht berührt. Dem Dienstherrn steht hierbei ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Ein Soldat, der diesen Anforderungen nicht genügt, ist auch dann nicht geeignet, wenn er in Friedenszeiten zumutbar verwendet werden kann. Demgegenüber ist dem Dienstherrn kein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage eröffnet, ob der Bewerber den vom Dienstherrn festgelegten – laufbahnbezogenen – Voraussetzungen in gesundheitlicher Hinsicht genügt. Der Spielraum des Dienstherrn bei der Bestimmung der körperlichen Anforderungen für eine Verwendung im Wehrdienstverhältnis rechtfertigt keine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte bei der Beurteilung der daran anknüpfenden körperlichen Eignung. Es ist zu prüfen, ob der Bewerber den Anforderungen genügt und ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich daran – bei Soldaten – bis zum Erreichen des Endes der Dienstzeit oder der Altersgrenze mit überwiegender Wahrscheinlichkeit etwas ändert (vgl. zu all dem BayVGH, B.v. 9.6.2017 – 6 ZB 16.1993 – juris Rn. 13 ff. m.w.N.).
Gemessen an den vorgenannten, obergerichtlichen Grundsätzen hat dem Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung seines Verpflichtungsbegehrens die uneingeschränkte – gerichtlich voll überprüfbare – körperliche Eignung, die nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 SG zwingende Tatbestandsvoraussetzung für die Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten ist, gefehlt.
Der Kläger leidet unstreitig – so wie es im Arztbrief des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz vom 31. März 2017 diagnostiziert ist – an einer Multiplen Sklerose mit vorherrschend schubförmigem Verlauf.
In der Gesundheitsnummer 78 der Anlage 5.03 zur Zentralvorschrift A1-831/0-4000 „Wehrmedizinische Begutachtung“ wird der Erkrankung Multiple Sklerose die Gradation VI zugewiesen, die nach Anlage 1/2 der ZDv 46/1 – welche hier gemäß Ziffer 5.1 der Zentralvorschrift A1-831/0-4000 „Wehrmedizinische Begutachtung“ gilt – festzustellen ist, sofern ein Befund die Wehrdienstfähigkeit bzw. Dienstfähigkeit dauerhaft ausschließt.
Es ist nicht ersichtlich, dass die Regelungen in der ZDv 46/1 gegen höherrangiges Recht verstoßen oder aus einem anderen Grund rechtswidrig sind (vgl. BVerwG, B.v. 24.2.2005 – 1 WB 58/04 – juris Rn. 4). Insbesondere deckt sich die gerichtlich voll überprüfbare (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2000 – 6 B 18/00 – juris Rn. 4 m.w.N.), typisierende wehrmedizinische Bewertung, nach welcher die Erkrankung Multiple Sklerose die Dienstfähigkeit eines Soldaten dauerhaft ausschließt, mit den sonstigen medizinischen Erkenntnissen, die zu dieser Erkrankung aktuell vorliegen (so im Ergebnis bereits OVG NW, U.v. 11.6.1979 – I A 2355/77 – juris).
Nach der gültigen Leitlinie „Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose“ (http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-050l_S2e_Multiple_Sklerose_ Diagnostik_Therapie_2014-08_abgelaufen.pdf) ist die Multiple Sklerose die häufigste neurologische Erkrankung, die im jungen Erwachsenenalter zu bleibender Behinderung und vorzeitiger Berentung führt. Die Krankheitsprogression ist bei der schubförmigen und progredienten Verlaufsform ab einem bestimmten Grad der Behinderung vergleichbar rasch. Nur ca. 10 bis 15% der Patienten haben im Verlauf der Erkrankung keine Schübe. Bei etwa einem Drittel der Patienten führt die Multiple Sklerose zu vorzeitiger Berentung (vgl. zu all dem a.a.O., S. 3). Spastik ist kein typisches Frühzeichen einer multiplen Sklerose, tritt jedoch im weiteren Verlauf außerordentlich häufig auf (bei bis zu 70% der Patienten). Der Muskeltonus kann permanent (tonische Spastik), aber auch intermittierend (einschießende, phasische Spastik) gesteigert sein. Wesentliche Folge der spastischen Tonuserhöhung ist die Einschränkung der Mobilität. Generell kann Spastik die Aktivitäten des täglichen Lebens ebenso wie die Teilhabe am sozialen und beruflichen Leben der betroffenen Patienten erheblich beeinträchtigen (vgl. zu all dem a.a.O., S. 26). Das Fatigue-Syndrom bezeichnet eine abnormal erhöhte Erschöpfbarkeit, unter der 60 bis 90% der Multiple Sklerose-Betroffenen leiden und die bereits frühzeitig im Krankheitsverlauf auftreten kann. Mit knapp 50% ist sie sogar das häufigste Symptom der multiplen Sklerose in dieser Patientengruppe. Häufig beeinflusst die Fatigue die körperliche und/oder geistige Leistungsfähigkeit der Art, dass Alltag und berufliche Anforderungen nicht mehr bewältigt werden können und die Lebensqualität erheblich eingeschränkt ist (vgl. a.a.O., S. 28). Kognitive Störungen schränken Lebensqualität, berufliche Leistungsfähigkeit und soziale Funktionsfähigkeit erheblich ein und kommen bei 40 bis 65% der Multiple Sklerose-Erkrankten vor. Sie sind unabhängig von körperlicher Behinderung oder Verlaufsform, können bereits frühzeitig im Krankheitsverlauf auftreten, sind mit kortikaler Atrophie korreliert und manifestieren sich eher mit interindividuell unterschiedlichen, umschriebenen Defiziten als mit einem generellen Abbau kognitiver Funktionen (vgl. a.a.O., S. 29).
Die in dem Arztbrief des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz vom 31. März 2017 unter Verweis auf ein NEDA-4-Paradigma formulierte Kritik an der dargelegten wehrmedizinischen Bewertung der Erkrankung Multiple Sklerose greift schon deshalb nicht durch, weil sie die wehrmedizinische Einschätzung angesichts der in der gültigen Leitlinie „Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose“ zum Ausdruck gekommenen medizinischen Erkenntnisse zu dieser Erkrankung nicht als fehlerhaft belegt. NEDA beinhaltet keine grundsätzlich neuen medizinischen Erkenntnisse etwa zu Auswirkungen und Verlauf der Multiplen Sklerose, sondern steht (lediglich) für ein Therapieziel (vgl. nur https://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=54857 sowie den Arztbrief des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz vom 31. März 2017).
Vor diesem Hintergrund kommt die für die Erteilung einer militärärztlichen Ausnahme allein zuständige (vgl. Kap. D 01.01 des AU Nr. 80 FA InspSan Nr. 6.2) Beratende Ärztin des BAPersBw in ihrer Stellungnahme vom 1. Juni 2017 schlüssig und überzeugend zu dem Ergebnis, dass selbst unter Erteilung und Einhaltung strikter Auflagen mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze weder die Dienst- und Verwendungsfähigkeit noch die Einsatzfähigkeit des Klägers, noch eine Stabilität im Krankheitsverlauf besonders unter wehrdiensteigentümlichen Belastungen gewährleistet werden kann und lehnt die Erteilung einer militärärztlichen Ausnahme für die Übernahme des Klägers als Berufssoldat ab.
Diese Stellungnahme der Beratenden Ärztin des BAPersBw vom 1. Juni 2017 deckt sich überdies insbesondere mit dem Begutachtungsergebnis des Sanitätszentrums Bad Reichenhall vom 11. Dezember 2014 und der Einschätzung des Beratenden Arztes des BAPersBw vom 2. März 2015. Sie wird auch insbesondere nicht durch den Arztbrief des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz vom 31. März 2017 erschüttert oder gar wiederlegt. In diesem Arztbrief wird zwar ein über die letzten drei Jahre stabiler Verlauf der Erkrankung beim Kläger ohne neu auftretende Veränderungen/Herde hervorgehoben und es wird ihm darin eine sehr gute medizinische Prognose gestellt. Der Arztbrief äußert sich aber insbesondere nicht zum Punkt der Dienstfähigkeit des Klägers bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze.
Nach all dem war die Klage abzuweisen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

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