Erbrecht

Entbindung von der Verpflichtung zum Unterhalt entbindet nicht von der Verpflichtung zur Übernahme von Bestattungskosten

Aktenzeichen  M 12 K 17.1489

Datum:
7.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB XII SGB XII § 74
BestG Art. 14, Art. 15
BestV § 1, § 15, § 19

 

Leitsatz

1. Anders als im Zivilrecht besteht die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht und infolgedessen auch die Verpflichtung, die Kosten der Ersatzvornahme zu tragen, unabhängig davon, ob die Familienverhältnisse zu dem Verstorbenen intakt gewesen sind und Kontakt bestanden hat. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Pflicht, im Bestattungsgesetz eine Ausnahme oder Einschränkung der Bestattungspflicht in Fällen vorzusehen, in denen die familiären Verhältnisse gestört waren, besteht aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO.
Rechtsgrundlage für den Bescheid ist Art. 14 Abs. 2 Satz 2 Bestattungsgesetz – BestG. Danach kann eine Gemeinde von einem Bestattungspflichtigen Ersatz der notwendigen Kosten verlangen, wenn sie gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG für die Bestattung des Verstorbenen Sorge tragen musste, weil der nach § 15 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Bestattungsverordnung -BestVBestattungspflichtige seiner Bestattungspflicht nicht nachgekommen ist und Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 BestG nicht möglich, nicht zulässig oder nicht erfolgsversprechend gewesen sind.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Als Tochter des Verstorbenen gehört die Klägerin zum Kreis derjenigen Angehörigen, die gemäß Art. 15 Abs. 1 BestG i.V.m. §§ 15, 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 b BestV bestattungspflichtig sind. Die Überführung der Verstorbenen musste vorliegend von der Beklagten von Amts wegen durchgeführt werden, da weder die Klägerin noch ihre weiteren Geschwister einen Bestattungsauftrag erteilt haben und Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BestG innerhalb der Bestattungsfrist des § 19 Abs. 1 BestV nicht erfolgversprechend waren, nachdem die Klägerin auf eine entsprechende Aufforderung der Beklagten mitgeteilt hat, sie gehe davon aus, von der Bestattungspflicht entbunden zu sein.
Die Ermessensausübung der3 Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden, § 114 VwGO. Ermessensfehler sind nicht erkennbar. Die Beklagte ist bei ihrer Entscheidung, die Klägerin zur Tragung der entstanden Bestattungskosten heranzuziehen, zutreffend davon ausgegangen, dass es sich um einen Fall des sog. intendierten Ermessens handelt. Daraus folgt, dass in der Regel nur die Entscheidung für die Inanspruchnahme des Pflichtigen ermessensfehlerfrei ist (BayVGH, B.v. 9. 6. 2008 – 4 ZB 07.2815 – juris Rn. 6). Anders als im Zivilrecht besteht die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht und infolgedessen auch die Verpflichtung, die Kosten der Ersatzvornahme zu tragen, unabhängig davon, ob die Familienverhältnisse zu dem Verstorbenen intakt gewesen sind und Kontakt bestanden hat (Klingshirn in Klingshirn/Drescher/Thimet, Bestattungsrecht in Bayern, Stand April 2014, Erl. XIX Rn. 7). Da die Bestattungspflicht vorrangig der Gefahrenabwehr und der Einhaltung der Bestattungsfristen dient, knüpft das Gesetz die Bestattungspflicht vielmehr formal an die Verwandtschaft zum Verstorbenen. Hintergrund der gesetzlichen Regelung in Art. 15 Abs. 2 BestG und §§ 1, 15 BestV ist dabei der Gedanke, dass die in diesen Vorschriften genannten Angehörigen eines Verstorbenen diesem im Sinne einer Solidargemeinschaft – ungeachtet ihrer persönlichen Beziehungen zueinander – allein schon aufgrund der familiären Verbundenheit regelmäßig näher stehen als die Allgemeinheit (BayVGH, B.v. 17.1.2013 – 4 ZB 12.2374 – juris Rn. 7). Dies entspricht auch dem Interesse der Allgemeinheit an der rechtmäßigen, wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Steuergeldern. Eine Pflicht, im Bestattungsgesetz eine Ausnahme oder Einschränkung der Bestattungspflicht in Fällen vorzusehen, in denen die familiären Verhältnisse gestört waren, besteht aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht (BayVGH, B.v. 9.6.2008 a.a.O.).
Ermessenserwägungen sind deshalb lediglich im Fall außergewöhnlicher Umstände, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen können, angezeigt (BayVGH, B.v. 9.6.2008 a.a.O.). Solche außergewöhnlichen Umstände kommen nur bei schweren Straftaten des Verstorbenen zulasten des an sich Bestattungspflichtigen, die zu einer Verurteilung des Verstorbenen geführt haben, in Betracht (HessVGH, U.v. 26.10.2011 – 5 A 1245/11 – juris; BayVGH, B.v. 9.6.2008 a.a.O.; BayVGH, U.v. 17. 1. 2013 – 4 ZB 12.2374). Ein derartiger Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Die Klägerin trägt zwar vor, Opfer schwerer Straftaten ihres verstorbenen Vaters gewesen zu sein, vorliegend fehlt es aber, wie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt, an einer strafrechtlichen Verurteilung. Ohne eine solche Verurteilung fehlt es aber an außergewöhnlichen Umständen, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen können, da die strafrechtliche Bewertung der von der Klägerin vorgetragenen Taten des Verstorbenen durch die ordentliche Gerichtsbarkeit erfolgen muss. Die Feststellung im Urteil des Kreisgerichts F… vom …. Oktober 2014, …84, der Vater der Klägerin sei gegenüber seinen Familienmitgliedern tätlich geworden, habe einen Kassettenrecorder zerstört und andere Handlungen vorgenommen, die ein Zusammenleben unmöglich machten, führt zu keiner anderen Bewertung, da sich hieraus nicht ergibt, wem gegenüber der Kläger genau tätlich wurde und wie sich diese Tätlichkeiten darstellten. Zudem handelt es sich bei dem Urteil um ein Scheidungsurteil eines Familiengerichts, so dass es an einer strafrechtlichen Bewertung im Urteil fehlt.
Da die familiäre Verbundenheit aber nicht Voraussetzung der Bestattungspflicht ist, besteht diese auch in Fällen, in denen die familiären Verhältnisse gestört waren. Aus denselben Erwägungen vermag auch die grundlegende und nachhaltige Abwendung der Klägerin vom Vater ein Absehen von der Kostentragungspflicht nicht zu begründen (vgl. HessVGH, U.v. 26.10.2011 a.a.O., BayVGH, B.v. 17.1.2013 a.a.O.).
Vorliegend ergeben sich auch keine außergewöhnlichen Umstände daraus, dass das Sozialreferat der Landeshauptstadt München mit Schreiben vom 27. Juni 2014 von Unterhaltsforderungen gegen die Klägerin bezüglich ihres verstorbenen Vaters abgesehen hat. Aus dem Schreiben des Sozialreferats vom 25. Juni 2014 ergibt sich nicht, dass das Sozialreferat die Klägerin allein aufgrund der Gewalttätigkeit ihres Vaters nicht zum Unterhalt herangezogen hat, vielmehr hat es berücksichtigt, dass der Vater der Klägerin in der Vergangenheit sich seiner Unterhaltspflicht entzogen hat. Die Unterhaltspflichtverletzungen des Vaters stellen zwar Verfehlungen des Verstorbenen dar; diese sind jedoch nicht mit schweren Straftaten von erheblichem Gewicht gleichzusetzen (HessVGH, U.v. 26.10.2011 a.a.O.; BayVGH, B.v. 17. 1. 2013, a.a.O.). Zudem fehlt es, wie oben bereits dargestellt, an einer strafrechtlichen Verurteilung.
Des Weiteren ist es unerheblich, dass die Bestattungsgemeinde nach deren Vortrag auf die Geltendmachung der Erstattungskosten gegenüber der Klägerin verzichtet hat, da diese Ermessensausübung in keiner Hinsicht für die Beklagte bindend ist.
Die Höhe der geltend gemachten Kosten ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist gem. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG zur Erstattung der notwendigen Kosten der Bestattung verpflichtet. Notwendige Kosten der Bestattung sind sämtliche Kosten der Beklagten, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG aufwenden musste, um eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewähren (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 25.9.2001 – 1 S 974/01 – juris; a.A. VGH Baden-Württemberg, U.v. 15.11.2007 – 1 S 2720/06 – juris). Darunter fallen auch die Kosten für die Überführung in ein Krematorium in …, da die Überführung der Leiche des Verstorbenen ins Krematorium eine der Bestattung vorausgehende notwendige Verrichtung war und die Beklagte nach ihrem eigenen unwidersprochenen Vortrag über kein eigenes Krematorium verfügt und sich auch keines in … befindet. Der Kostenrahmen darf hierbei den in § 74 SGB XII vorgegebenen erstattungsfähigen Rahmen nicht überschreiten. Anhaltspunkte, dass die geltend gemachten Kosten nicht notwendig im Sinne o.g. Vorschrift wären, sind weder ersichtlich noch vorgetragen worden.
Auch die Entscheidung, die Klägerin als Schuldnerin heranzuziehen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Als Geschwister der Verstorbenen sind die Klägerin, ihre Schwester und ihr Bruder im selben Grad mit dem Verstorbenen verwandt, § 15 Satz 2 BestV. Gleichrangig Pflichtige sind Gesamtschuldner im Sinne von § 421 BGB. Die Entscheidung, welchen von mehreren Gesamtschuldnern die Beklagte heranzieht, fällt in ihren weiten Ermessenspielraum. Grenzen ergeben sich lediglich durch das Willkürverbot und offenbare Unrichtigkeiten. Ausreichend ist deshalb, wenn die Wahl des Schuldners unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität geeignet und zweckmäßig erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.1993 – 8 C 57/91 – NJW 1993, 1667; VG München, U.v. 30.9.2004 – M 10 K 04.2800 – juris). Gemessen an diesen Vorgaben ist die Schuldnerauswahl der Beklagten vorliegend rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat ein Wahlrecht, ob sie die Gesamtschuldner anteilig oder in voller Höhe in Anspruch nimmt oder ob sie sich nur an einen der Gesamtschuldner wegen ihrer Forderung wendet (vgl. Beck‘sche Online-Kommentar BGB, § 421 Rn. 11). Als Gläubigerin kann die Beklagte die Leistung zwar insgesamt nur einmal beanspruchen; die Klägerin und ihre Geschwister sind vor einem Rechtsmissbrauch durch die Beklagte jedoch rechtlich dadurch geschützt, dass die Zahlung des Restbetrages der Bestattungskosten durch einen der Gesamtschuldner nach § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB auch für den anderen Gesamtschuldner wirkt und die Forderung gegenüber allen Gesamtschuldnern zum Erlöschen bringt. Die Klägerin kann bei ihren Geschwistern zivilrechtlich Regress nehmen.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf
§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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