Arbeitsrecht

Wirksamkeit eines Entzugs des passiven Wahlrechts für Verbandsfunktionen für Mitglieder im Ruhestand in einer Vereinssatzung

Aktenzeichen  231 C 4507/17

Datum:
7.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 147049
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AGG § 1, § 3 Abs. 2, § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1
ZPO § 256
GG Art. 9 Abs. 1
GRCh Art. 12 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1

 

Leitsatz

Die im Ausschluss vom passiven Wahlrecht für Funktionen in einem Berufsverband liegende mittelbare Diskriminierung von Ruheständlern ist jedenfalls dann sachlich gerechtfertigt, wenn der Ausschluss dazu dient, sicherzustellen, dass eine langjährige Blockade von Delegiertenposten durch Ruheständler vermieden wird, die gewählten Delegierten den zur Erledigung ihrer Aufgaben notwendigen Kontakt zur Basis der aktiven Berufsangehörigen behalten und als ebenfalls Aktive die Glaubwürdigkeit der Berufsverbands in der Öffentlichkeit bei aktuellen bildungspolitischen Fragen fortgesetzt gewährleisten können. In die vorzunehmende Abwägung ist neben den betroffenen Grundrechtspositionen dabei auch die Satzungsautonomie des Vereins als gewichtiger Aspekt einzustellen. (Rn. 34 – 55)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die geänderte Klage ist nur zum Teil zulässig. Soweit sie zulässig ist, hat sie in der Sache jedoch keinen Erfolg.
I.
Die Klage ist nur teilweise zulässig.
1. Die Klageänderung ist zulässig. Die Zulässigkeit ergibt sich jedenfalls aus § 267 ZPO. Der Beklagte hat sich rügelos zur geänderten Klage eingelassen.
2. Die geänderte Klage ist in Ziffer des Klageantrags zulässig. Hinsichtlich der Ziffer des Klageantrags ist sie unzulässig.
a) In Ziffer ist die Klage zulässig.
Die Kläger haben ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf die Wirksamkeit der von ihnen angegriffenen Satzungsnorm (Klageantrag Ziff. 1). Darauf, zu welchem Zeitpunkt die entsprechende Satzungsnorm erneut angewandt werden wird, kommt es für das Bestehen eines Feststellungsinteresses nicht an. Die erforderliche Gegenwärtigkeit ist hier bereits durch die generelle Betroffenheit der Kläger als Mitglieder des Beklagten gegeben (vgl. Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl. 2017, § 256 Rn. 6, 8). Es liegt jedoch auch eine konkrete Betroffenheit vor. Es können jederzeit Nachwahlen erforderlich werden, so dass die in Streit stehende Norm nicht erst bei der nächsten regulären Delegiertenwahl im Jahr 2021, sondern jederzeit wieder zur Anwendung gelangen könnte.
b) Im Hinblick auf Ziffer ist die Klage unzulässig.
Es fehlt ein dahingehendes Feststellungsinteresse. Dem Rechtsschutzbedürfnis der Kläger ist mit Ziffer der Klage hinreichend Genüge getan. Die Kläger haben nicht dargetan, weshalb ein Interesse daran bestehen soll, neben der Feststellung der Unwirksamkeit der angegriffenen Satzungsnorm zusätzlich die Feststellung ihrer konkreten Berechtigung zur Kandidatur als stimmberechtigte Delegierte der Hauptversammlung bei allen verbandsinternen Wahlen des Beklagten zu erreichen. Nach dem klägerischen Vortrag müssen diese nur wegen dem in § 7 Abs. 7 der Satzung enthaltenen Ausschluss für Mitglieder im Ruhestand befürchten, vom Beklagten nicht zur Kandidatur für Verbandsfunktionen zugelassen zu werden. Ist die angegriffene Satzungsnorm jedoch unwirksam, stehen ihrer eventuellen Kandidatur auf Basis ihres Vortrags keine anderen Gründe entgegen. Hinzu kommt, dass die Berechtigung des Klägers zu 1) und des Klägers zu 2) unbedingt und für jeden Fall einer verbandsinternen Wahl in der gesamten Zukunft festgestellt werden soll. Das Gericht kann jedoch zum jetzigen Zeitpunkt weder darüber befinden, ob für alle zukünftigen Wahl tatsächlich alle Voraussetzungen für die Berechtigung zur Kandidatur vorliegen, beispielhaft sei insoweit nur die Fortdauer der Mitgliedschaft im Beklagten genannt, noch haben die Kläger ein dahingehendes Feststellungsinteresse dartun können.
II.
Im zulässigen Teil ist die Klage nicht begründet.
§ 7 Abs. 7 der Satzung des Beklagten ist nicht insoweit nichtig, als er eine Kandidatur für Verbandsfunktionen in den Bezirken und im Vorstand nur Mitgliedern ermöglicht, die sich nicht im Ruhestand befinden.
1. Der mit der Norm verbundene Entzug des passiven Wahlrechts für Verbandsfunktionen für Mitglieder im Ruhestand verstößt nicht gegen §§ 18, 7 Abs. 1 i.V.m. 1 AGG.
a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 AGG beim Beklagten erfüllt sind, es sich also um eine Vereinigung handelt, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören und bei der ein grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht. Die Vorschriften des 2. Abschnitts des AGG finden daher auf die Satzung des Beklagten Anwendung.
b) Eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG liegt nicht vor. Die streitbefangene Norm knüpft an den Ruhestand eines Mitglieds an und nicht an dessen Alter. Beim Ruhestand handelt es sich jedoch nicht um ein pönalisiertes Merkmal im Sinn des § 1 AGG.
c) Es liegt eine mittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG vor. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich zum Stichtag 9.6.2017 x…. Mitglieder des Beklagten im Ruhestand befanden, und von diesen x…. Mitglieder, also 94%, ein Lebensalter von 65 Jahren oder älter erreicht hatten. Die dem Anschein nach neutrale Anknüpfung an den Ruhestand benachteiligt daher Personen, die diese Altersgrenze überschritten haben, gegenüber anderen Personen in besonderer Weise wegen ihres Alters (vgl. Palandt/Ellenberger, 76. Aufl. 2017, AGG § 3 Rn. 3).
d) Es fehlt vorliegend jedoch an einer verbotenen Benachteiligung im Sinne des § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG. Die Klageseite konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen, dass die durch § 7 Abs. 7 der Satzung des Beklagten hervorgerufene mittelbare Diskriminierung wegen des Alters vorliegend nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.
1) Für diesen Umstand ist die Klageseite darlegungs- und beweisbelastet, da es sich beim Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes um ein negatives Tatbestandsmerkmal einer mittelbaren Diskriminierung nach § 3 Abs. 2 AGG handelt (Palandt/Ellenberger, aaO, Rn. 4; BT-Drucks. 16/1780, S. 35).
2) Die Anforderungen an eine sachliche Rechtfertigung dürfen nicht allzu hoch angesetzt werden, insbesondere müssen grundsätzlich nicht die höheren Anforderungen des § 8 AGG eingehalten werden, da diese Vorschrift nur die Rechtfertigung schwerwiegenderer, unmittelbarer Diskriminierungen betrifft (MüKoBGB/Thüsing, 7. Aufl. 2015, AGG § 3 Rn. 39).
Eine sachliche Rechtfertigung liegt vor, wenn die betreffende Vorschrift ein rechtmäßiges Ziel verfolgt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (BeckOKBGB/Fuchs, 43. Edition, Stand 15.06.2017, AGG § 3 Rn. 8).
Legitimes Ziel
i) Der Beklagte verfolgt hier mit der Beschränkung des passiven Wahlrechts für Mitglieder im Ruhestand legitime Ziele.
Der Begriff des legitimen Ziels im Sinne des AGG ist vom Gesetzgeber nicht hinreichend konkretisiert. Übereinstimmend lässt sich der Kommentarliteratur aber entnehmen, dass ein legitimes Ziel nicht auf Allgemeininteressen gerichtet sein muss, sondern auch individuelle Interessen zu einer Rechtfertigung führen können. Insgesamt ist dabei von einem großzügigen Ansatz auszugehen. Klare Grenze bleibt lediglich, dass nicht auf verdecktem Wege eine unmittelbare Diskriminierung herbeigeführt werden darf (Schrader/Schubert, in: Däubler/Bertzbach, AGG Handkommentar, 3. Aufl. 2013, § 3 Rn. 54; MüKoBGB/Thüsing, aaO, AGG § 10 Rn. 12.)
Grundsätzlich müssen die für die Diskriminierung angeführten Gründe billigenswert sein, mithin auf nachvollziehbaren, vernünftigen Entscheidungen beruhen (BAG, Urteil vom 28.01.2010, Az. 2 AZR 764/08; Bauer/Krieger, AGG-Kommentar, 4. Auflage 2015, § 3 Rn. 33; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG-Kommentar, 4. Auflage 2013, § 18 Rn. 69; Schrader/Schubert, in: Däubler/Bertzbach aaO, § 3 Rn. 58.)
Wie der Beklagte ausführt, verfolgt er durch die Vorschrift zum einen den Zweck, zu gewährleisten, dass die gewählten Delegierten den zur Erledigung ihrer Aufgaben notwendigen Kontakt zur Basis haben, indem sie mit aktiven Lehrern im Gespräch sind und Zugang zu den Lehrerzimmern haben. Ferner sollen die Delegierten für Mitglieder und Außenstehende Ansprechpartner auf Augenhöhe sein und die anfallenden Probleme aus eigener und vor allem aktueller Erfahrung kennen. Darüber hinaus nennt die Beklagte das Ziel der Nachwuchsförderung, dass dadurch erreicht werden soll, dass durch die neue Regelung eine langjährige Blockade von Delegiertenposten durch Ruheständler vermieden wird. Als weiteres Ziel wird angeführt, dass die Delegierten auf die Gestaltung des Bildungswesens Einfluss nehmen sollen und die Glaubwürdigkeit der Beklagten in der Öffentlichkeit bei aktuellen bildungspolitischen Fragen nicht dadurch gemindert werden soll, dass Beklagteninteressen von Mitgliedern im Ruhestand, die selbst gar nicht mehr in das schulische Tagesgeschehen involviert sind, nach außen vertreten werden.
All diese Erwägungen seitens der Beklagten beruhen auf nachvollziehbaren und vernünftigen Gründen, so dass nach dem oben genannten Maßstab von legitimen Zielen auszugehen ist.
Erforderlichkeit
ii) Die Maßnahme ist erforderlich. Es besteht kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Erreichung der genannten Ziele.
Ausreichender Vortrag der dafür darlegungs- und beweisbelasteten Klageseite, dass vorliegend zur Erreichung jedes der legitimen Ziele ein milderes Mittel bestehen würde, ist nicht erfolgt.
Die Klageseite bringt insoweit lediglich vor, dass sie als Regelung für vorzugswürdig hält, dass die Mitglieder im Ruhestand eigene Delegierte wählen, welche in der Hauptversammlung stimmberechtigt sind. Der Klageseite ist zuzugeben, dass durch eine derartige Regelung, legt man sie dahingehend aus, dass die bisherige Delegiertenanzahl durch die von den Mitgliedern im Ruhestand zu wählenden Delegierten nicht verringert wird, erreicht würde, dass es nicht zur dauerhaften Inanspruchnahme („Blockade“) der „herkömmlichen“ Delegiertenposten durch Mitglieder im Ruhestand kommt. Alle übrigen der oben genannten Ziele werden durch eine derartige Regelung hingegen nicht verwirklicht. Weder ist auf diese Weise sichergestellt, dass die Delegierten den engen, täglichen Kontakt zur Basis haben, noch ist sichergestellt, dass diese die anfallenden Probleme aus aktueller eigener Erfahrung kennen oder dass sie nach außen Positionen vertreten, mit denen sie im schulischen Tagesgeschehen selber befasst sind. Etwas anderes ergibt sich nicht durch das Abstellen auf Aushilfskräfte. Zum einen gilt, dass nur ein geringer Anteil von Mitgliedern im Ruhestand tatsächlich in der behaupteten Weise als Aushilfskraft tätig sein dürfte. Konkrete Zahlen tragen die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger jedenfalls nicht vor. In jedem Fall dürfte das entsprechende Deputat derart gering sein, dass die verfolgten Zwecke, nämlich die ungezwungene und permanenter Ansprechbarkeit im Schulalltag, gerade nicht erfüllt sein würde. Hinzu kommt, dass fraglich ist, ob der Vorschlag der Klageseite gleich geeignet wäre. Ihm könnte entgegenstehen, dass sich der Beklagte legitimerweise dazu entschieden hat, eine Abbildung der unterschiedlichen Mitgliedergruppen nicht in Abhängigkeit von deren Alter, sondern von deren regionalen Zuordnung vorzunehmen. Eine Regelung, wie sie die Klageseite vorschlägt, würde diesem Prinzip widersprechen und daher im aktuellen Satzungsgefüge des Beklagten einen bedenklichen Fremdkörper bilden.
Im Übrigen wendet sich die Klageseite ohne Erfolg gegen die Geeignetheit der Regelung des Beklagten.
Soweit die Klageseite an der geltenden Regelung bemängelt, dass der enge Kontakt zu den Mitgliedern auch für Ruheständler möglich ist, ist darauf zu verweisen, dass es sich hierbei nicht um eine gleichwertige Art von Kontakt handelt. Dem Beklagten geht es gerade darum, dass der Kontakt ungezwungen im alltäglichen beruflichen Bereich erfolgen kann, wo sich Kollegen im Lehrerzimmer zumindest einmal oder gleich mehrmals über den Tag verteilt auch ohne konkrete Verabredung begegnen und ins Gespräch kommen können. Ein Mitglied im Ruhestand könnte diese Art von Kontakt gerade nicht leisten.
Soweit die Kläger geltend machen, zahlreiche Delegiertenbezirke würden nicht nur aus einer, sondern aus mehreren Dienststellen bestehen, weshalb in diesen Bezirken bereits kein enger schulischer Kontakt erfolgen könne, verfängt dies nicht. Die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger tragen schon nicht konkret vor, wie häufig eine derartige Einteilung tatsächlich der Fall ist. In jedem Fall gilt aber, dass es zur Erreichung des avisierten legitimen Ziels bereits genügt, wenn der Kontakt zum Delegierten zumindest an seiner Dienststelle in der von dem Beklagten gewünschten intensiven und ungezwungenen Weise erfolgen kann. Bei im Ruhestand befindlichen Delegierten wäre dies hingegen an keiner Dienststelle der Fall. Sie müssten in jedem Fall mit den aktiven Lehrkräften Termine vereinbaren und wären nicht in der Lage, verteilt über den Tag der Mehrzahl ihrer Kollegen spontan und ungezwungen zu begegnen.
Soweit die Klageseite an der geltenden Regelung bemängelt, dass auch Mitglieder im Ruhestand im digitalen Zeitalter viele Möglichkeiten hätten, sich aktuelle Informationen zu beschaffen und zudem weiterhin über ihre aktiven Kollegen oder ihre Angehörige Eindrücke und Informationen direkt aus dem Schulalltag erhalten könnten, verfängt dies nicht. Notwendigerweise bleiben diese Eindrücke und Informationen rein mittelbarer Natur und ersetzen gerade nicht die von dem Beklagten gewünschten persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen aus erster Hand, die aus dem eigenen Berufsalltag gewonnen wurden. Insbesondere was den Einsatz von neuen Medien, neue Prüfungsformate oder die Auswirkungen der sozialen Netzwerke auf den Schulalltag angeht, dürfte das persönliche Erleben dieser Auswirkungen unumgänglich sein.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Regelung des Beklagten als zur Zweckerreichung geeignet. Andere mildere Mittel, die die genannten legitimen Ziele verwirklichen könnten, sind auch nach eingehender Prüfung und Überlegung durch das Gericht nicht ersichtlich.
Angemessenheit
iii) Die Regelung des Beklagten begegnet im Hinblick auf ihre Angemessenheit keinen Bedenken.
Insoweit ist zu prüfen, ob die benachteiligende Behandlung verhältnismäßig ist, mithin die erstrebten Ziele stärker wiegen als die mit der Behandlung einhergehende Beeinträchtigung. Es ist eine Gesamtabwägung der sich gegenüberstehenden Interessen vorzunehmen.
Vorliegend ist neben den bereits genannten Interessen zu berücksichtigen, dass das Verbot der Altersdiskriminierung grundrechtlichen Schutz nach Art. 21 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta genießt. Zu berücksichtigen ist daneben jedoch auch die Vereinsautonomie, welche gemäß Art. 9 Abs. 1 Grundgesetz bzw. Art. 12 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta ebenfalls unter besonderem grundrechtlichen Schutz steht.
Die zu treffende Gesamtabwägung geht zu Gunsten des Beklagten aus. Die Kläger konnten nicht dartun, dass vorliegend die – durchaus anerkennenswerten – Interessen der Mitglieder im Ruhestand die Interessen der aktiven Mitglieder überwiegen würden.
Es ist insoweit vom Gericht maßgebend die Vereinsautonomie mitzuberücksichtigen gewesen, also das Recht des Vereins, sich in freier Selbstbestimmung eine eigene innere Ordnung zu geben und die Vereinsangelegenheiten eigenverantwortlich regeln (BeckOKBGB/Schöpflin, aaO, § 21 Rn. 55).
Die Satzung eines Vereins muss dabei nicht stets eine „demokratische“ Willensbildung der Mitglieder ermöglichen. Die Vereinsautonomie kann gerade auch in der Weise ausgeübt werden, dass das Selbstverwaltungsrecht des Vereins satzungsmäßig beschränkt wird; eine solche Beschränkung stellt die Ausübung von Autonomie dar und es bedeutete eine Beschneidung dieser Autonomie, wenn solche Regelungen durch das Gericht für unzulässig erklärt würden (Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 20. Auflage 2016, Erster Teil. III. Die Vereinssatzung Rn. 39 f.).
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall: Die Mitgliedschaftsrechte, wozu auch das passive Wahlrecht gehört, können durch die Satzung umgestaltet werden (Palandt/Ellenberger, aaO, § 38 Rn. 1a). Aufgrund der Vereinsautonomie kann die Satzung sogar die Mitgliedschaft selbst von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen, etwa der Erfüllung bestimmter persönlicher Eigenschaften durch den Bewerber, wie z.B. ein bestimmtes Alter (BeckOK BGB/Schöpflin, aaO, § 38 Rn. 7). Die Satzung kann ferner vorsehen, dass die Mitgliedschaft mit dem Verlust der von der Satzung verlangten persönlichen Eigenschaften erlischt, wobei auch hier an das Erreichen eines bestimmten Alters angeknüpft werden darf (Jauernig/Mansel, BGB, 16, Aufl. 2015, § 38 Rn. 4; BayObLGZ 1979, 351; Palandt/Ellenberger, aaO, § 38 Rn. 5, BeckOKBGB/Schöpflin, § 38 Rn. 16). Nach § 10 S. 3 Nr. 5 AGG kann die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung an das Erreichen eines bestimmten Alters geknüpft werden. Diese Regelung wird überwiegend dahingehend verstanden, dass ermöglicht werden soll, jüngeren Arbeitnehmern eine Beschäftigungschance zu geben (Palandt/Weidenkaff, aaO, § 10 Rn. 3; Bauer/Kläger, AGG, 4. Auflage 2015, § 10 Rn. 39; Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl. 2010, § 10 Rn. 79). Wenn aber sogar die Beendigung der Mitgliedschaft an das Erreichen einer Altersgrenze geknüpft werden kann, dann ist erst recht der satzungsmäßige Ausschluss vom passiven Wahlrecht von Mitgliedern, die eine bestimmte Altersgrenze überschritten haben, zulässig, ebenso wie das weniger intensiv an das Alter anknüpfende Abstellen auf den Eintritt des betreffenden Mitglieds in den Ruhestand. Dies gilt insbesondere dann, wenn mit der entsprechenden Norm, wie hier, der Zweck verfolgt wird, eine Nachwuchsgewinnung und die Repräsentation durch im Berufsleben Aktive sicherzustellen.
Unter Anwendung dieses Maßstabs überwiegen vorliegend die Interessen des Beklagten an der Verwirklichung der angestrebten legitimen Ziele die Interessen der Kläger an einer Wählbarkeit für Verbandsfunktionen. Die weiterhin bestehenden Einflussnahmemöglichkeiten der Kläger sind angemessen. Die Beteiligung innerhalb des Beklagten durch eine Kandidatur für Verbandsfunktionen ist zwar ein wichtiges Mittel der Partizipation an und bei der Willensbildung des Beklagten. Zugleich kann auf diese Weise die jeweilige Persönlichkeit mit ihrem Erfahrungsschatz und ihren Fähigkeiten an der Verwirklichung der Vereinsziele mitwirken und den Vereinszweck fördern. Es handelt sich hierbei aber nicht um das einzige Mittel der Mitwirkung. Das aktive Wahlrecht, welches hier nicht inmitten steht, bildet in der Demokratie allgemein und so auch innerhalb eines pluralistischen Großvereins wie dem Beklagten, das weit entscheidendere Mittel zur Realisierung einer tatsächlichen Partizipationsgelegenheit für jedes Mitglied hinsichtlich der es betreffenden Entscheidungen (vgl. BAG, Urteil vom 17.06.2008, Az. 3 AZR 409/06). Mit der Einräumung des aktiven Wahlrechts wird damit auch den Klägern eine Einflussnahme auf die sie betreffenden Entscheidungen ermöglicht. Dass diese mittelbarer Natur ist, da die Kläger nicht selbst als Delegierte bei der Entscheidungsfindung beteiligt sind, schmälert die tatsächliche Einflussnahme zwar, erscheint jedoch angesichts der unbestrittenen Aufgabe der Delegierten, die Interessen ihrer Wähler zu vertreten, in einem Großverein wie dem Beklagten, dem es nicht möglich ist, eine Versammlung aller Mitglieder einzuberufen, als ein angemessener Ausgleich. Berücksichtigt man, dass die Kläger aufgrund ihres Ruhestands nur noch in geringem Maße von den gefällten Entscheidungen, die das aktive Schulleben zum Inhalt haben, wie etwa die Aufstellung der Lehrpläne oder der Ausgestaltung und Struktur des Gymnasiums im Allgemeinen, betroffen sind, ist auch der faktische Umfang dieser Einflussnahmemöglichkeit im vorliegenden Einzelfall nicht zu beanstanden. Die Kläger sind von künftigen Entwicklungen unabweisbar nicht mehr so intensiv betroffen wie ihre aktiven Kollegen. Der Zweck des Beklagten besteht gerade nicht nur aus der Mitwirkung in der „fundamentalen Bildungspolitik“, wie es die Klägerseite formuliert. Zu seinen Zielen gehört auch die Sicherstellung guter Arbeitsbedingungen für die einzelnen Lehrkräfte vor Ort. Entscheidet sich der Beklagte deshalb dafür, die jedenfalls insoweit unabweisbar unterschiedliche Betroffenheit durch Abstufungen bei der Mitwirkung an der Entscheidungsfindung des Vereins umzusetzen, begegnet das im hier geschehenen Rahmen keinen Bedenken. Es gilt das Prinzip der Mehrheitsherrschaft über die Satzung (Schöpflin, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, § 34 Rn. 27; Reuter, in: MüKoBGB, aaO, § 34 Rn. 20). Die Interessen des Beklagten überwiegen hierbei das klägerische Interesse an einer uneingeschränkten Wählbarkeit.
§ 7 Abs. 7 der Satzung greift aus diesem Grund nicht in unangemessener Weise in die Rechte der Kläger ein.
§ 7 Abs. 7 der Satzung des Beklagten verstößt daher nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach dem AGG und ist mithin aus diesem Grund nicht nichtig.
2. Die Norm ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz unwirksam.
a) Gleichbehandlung bedeutet nicht, dass alle Mitglieder die gleichen Rechte und Pflichten haben müssen. Das Vereinswesen dient auch dazu, spezielle Interessen zu artikulieren und zu bündeln und muss nicht immer politisch korrekt organisiert sein (Schöpflin, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, § 34 Rn. 28). Aufgrund des mitgliedschaftlichen Anspruchs auf Gleichbehandlung kann jedes Mitglied von dem Verein nur verlangen, dass es nicht sachwidrig schlechter gestellt wird, als andere Mitglieder (BeckOK BGB/Schöpflin, aaO, § 38 Rn. 21 f.).
b) Die Bestimmung des konkreten Differenzierungsgrundes liegt aber in der Autonomie des Vereines. Es kann sich um einen aus dem Vereinszweck ergebenden oder einen sonstigen sachlichen Grund handeln (Schöpflin, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, 2016, § 34 Rn. 32). Der Differenzierungsgrund muss insoweit nur einer Willkürkontrolle genügen, darf also nicht sachwidrig sein (Otto, in: Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrechts, 11. Aufl. 2016, IX. Die Vereinsmitglieder, Rn. 204; Schöpflin, ebenda). Die Prüfung ob ein sachlicher Grund vorliegt, muss aus Sicht des Vereinszwecks vorgenommen werden (Staudinger/Günter Weick, BGB, Neubearbeitung 2005, § 35 Rn. 13; Otto, in: Stöber/Otto, aaO, Rn. 205). Ist aus dieser Perspektive ein sachlich gerechtfertigter Grund gegeben, kann der Verein die Rechtsstellung der Mitglieder unterschiedlich ausgestalten und dabei auch in die Rechte von vorher eingetretenen Mitglieder eingreifen (BGHZ 55, 381; Palandt/Ellenberger, aaO, § 35 Rn. 3).
c) Hier ist ausgehend vom Vereinszweck vom Vorliegen eines rechtfertigenden sachlichen Grundes zum Ausschluss der Mitglieder im Ruhestand vom passiven Wahlrecht auszugehen. Der Beklagte verfolgt mit der streitbefangenen Satzungsregelung mehrere legitime Zwecke, welche nicht alle durch gleich wirksame mildere Mittel erreicht werden können und die sich auch bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung im Einzelfall wegen der maßgebenden Bedeutung der durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Vereinsautonomie als angemessen erweisen. Wegen der spezialgesetzlichen Regelungen des AGG muss zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen ein Gleichlauf mit den dort vorgesehenen Rechtfertigungsgründen, insbesondere also mit dem Vorliegen eines sachlichen Grundes, hergestellt werden (so im Ergebnis auch Schöpflin, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 5, § 34 Rn. 28). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb auf die vorstehenden Ausführungen zur Rechtfertigung der mittelbaren Ungleichbehandlung wegen des Alters nach dem AGG Bezug genommen. Diese gelten im vorstehenden Rahmen ebenso.
d) Im Hinblick auf die Abbildung der Vereinsgruppen in der Delegiertenversammlung hat sich der Beklagte für eine Abbildung nach regionalen Gesichtspunkten entschieden. Dies ist vor dem Hintergrund der insoweit geltenden Vereinsautonomie nicht zu beanstanden. Zwar wäre auch ein Schlüssel möglich, der an das Lebensalter anknüpft. Ein Zwang zur Abbildung der einzelnen Gruppen nach deren Alter besteht nicht.
e) Die Mitglieder des Beklagten im Ruhestand werden auch nicht in unzulässiger Weise von der Mitbestimmung im Verein ausgeschlossen. Die Grenzen der satzungsmäßigen Gestaltungsfreiheit eines Vereins sind überschritten, wenn die Geschicke des Vereins in jeder Hinsicht praktisch ausschließlich von bestimmten Mitgliedern gestaltet werden, auf deren Bestellung die übrigen Mitglieder keinen Einfluss haben und wenn auch sonst irgendeine nennenswerte Mitwirkung bei der Willensbildung des Vereins über die Mitgliederversammlung bzw. Delegiertenversammlung von vornherein ausgeschlossen ist (OLG Celle, Beschluss vom 18. Oktober 1994 – Az. 20 W 20/94).
Dies ist hier aber nicht der Fall. Die Mitglieder im Ruhestand haben das volle aktive Wahlrecht und können wie alle anderen Mitglieder auch Delegierte wählen, die die von ihnen für richtig befundenen Ansichten vertreten und die sich für die von ihnen favorisierten Themen einsetzen. Es kann vor diesem Hintergrund nicht ernsthaft angenommen werden, dass ihnen keine nennenswerten Mitbestimmungsmöglichkeiten mehr verblieben.
3. Sonstige Unwirksamkeitsgründe bezüglich der streitbefangenen Norm waren weder ersichtlich noch vorgetragen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO analog. § 708 Nr. 11 ZPO ist entsprechend anzuwenden bei Streitigkeiten nicht vermögensrechtlicher Art (Herget in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 708 Rn. 13; Götz, in: MüKoZPO, 5. Aufl. 2016, § 708 Rn. 20). So lag es hier.
IV.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3, 5 ZPO, 48 Abs. 2 S. 1 GKG. Bei einem Streit um den Ausschluss aus einem Verein liegt der Streitwert bei 2.000 € (OLG Koblenz, Beschluss vom 09. Juni 1989 – Az. 5 W 374/89). Das Klägerinteresse betreffend die Feststellung der Nichtigkeit einer Satzungsnorm bzw. der Berechtigung zur Kandidatur war daher mit ein Streitwert von 1.000 € zutreffend abgebildet.

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