Aktenzeichen 22 ZB 16.1376
BayBO Art. 82 Abs. 1
BauGB § 35 Abs. 1
Leitsatz
1 Das in Art. 82 Abs. 1 BayBO niedergelegte Erfordernis eines Mindestabstands im Umfang des Zehnfachen der Gesamthöhe einer Windkraftanlage greift nicht gegenüber einer Wohnbebauung im Außenbereich, wenn es an einer auf § 35 Abs. 6 BauGB gestützten Satzung fehlt. (Rn. 15) (red. LS Andreas Decker)
2 Die Schutzwürdigkeit eines Anwesens im Außenbereich ist auf der Grundlage einer Einzelfallbeurteilung aller einschlägigen Kriterien vorzunehmen und bestimmt sich nicht allein nach seiner Lage im Außenbereich. (Rn. 18) (red. LS Andreas Decker)
3 Im Außenbereich wohnende Personen müssen im Regelfall damit rechnen, dass dort Anlagen entstehen, die auch während der Nachtzeit Immissionen verursachen. (Rn. 21) (red. LS Andreas Decker)
Verfahrensgang
M 1 K 15.1453 2016-04-05 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger ist eigenem Bekunden zufolge Eigentümer eines Grundstücks, auf dem seiner Darstellung nach sechs Gebäude stehen, die in ihrer Gesamtheit den Ortsnamen „K.“ tragen. In diesen Gebäuden befinden sich – ebenfalls nach den Angaben des Klägers – ein Natursteinsowie ein Garten- und Landschaftsbaubetrieb, ein Elektroplanungsbüro und ein Küchenstudio. Eines dieser Gebäude („K1“) wird – nach Darstellung des Landratsamts Freising in genehmigter Weise – für Wohnzwecke genutzt; die darin befindlichen Hauptaufenthaltsräume (Wohn- und Kinderzimmer) seien nach Süden hin ausgerichtet. Südlich und östlich dieses Wohnhauses befindet sich nach den Feststellungen, die das Verwaltungsgericht bei dem von ihm am 5. April 2016 eingenommenen Augenschein getroffen hat, ein Garten.
Der Kläger erstrebt im vorliegenden Rechtsstreit die Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, die das Landratsamt dem Beigeladenen am 19. März 2015 für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage mit einem Rotordurchmesser von 101 m und einer Gesamthöhe von 185,90 m erteilt hat.
Der für diese Anlage vorgesehene Standort befindet sich südsüdwestlich von K.;
die Entfernung zum Anwesen K1 beträgt 494,32 m. Die Flur zwischen diesem Anwesen und dem Anlagenstandort ist unbebaut; sowohl nach Westen als auch nach Osten hin wird sie durch Wald begrenzt.
Das Landratsamt hat die Genehmigung dieses Vorhabens durch Bescheid vom 8. Februar 2013 zunächst u. a. deshalb abgelehnt, weil das Bauamt in dieser Behörde die Auffassung vertreten hatte, von der geplanten Windkraftanlage gehe eine optisch bedrängende Wirkung aus. Der Abstand zwischen ihr und dem Garten des Klägers unterschreite das Dreifache der Anlagenhöhe nicht nur geringfügig; die in diesem Garten vorhandenen Bäume böten im Sommer nur einen geringen, im Winter keinen Sichtschutz.
Durch Urteil vom 13. Mai 2014 (M 1 K 13.995 – juris) hob das Verwaltungsgericht diesen Bescheid auf und verpflichtete den Beklagten, dem jetzigen Beigeladenen die beantragte Genehmigung zu erteilen. Das Verwaltungsgericht habe sich durch einen Augenschein davon überzeugt, dass die geplante Windkraftanlage von dem im Außenbereich liegenden Anwesen K1 aus zwar in voller Höhe zu sehen sein werde. Der Schutzanspruch einer im Außenbereich ausgeübten Wohnnutzung sei jedoch dahingehend gemindert, dass dem Betroffenen Maßnahmen (z.B. in Gestalt von Sichtblenden oder von Baumbewuchs) zugemutet werden könnten, durch die er den Wirkungen der Windkraftanlage ausweiche oder sich vor ihnen schütze.
Die Anträge des Beklagten und der zu jenem Rechtsstreit beigeladenen Standortgemeinde (der jetzige Kläger war an dem damaligen Verfahren nicht beteiligt), die Berufung gegen das Urteil vom 13. Mai 2014 zuzulassen, lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 1. Dezember 2014 (22 ZB 14.1594 – DVBl 2015, 314) ab. Die von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe dafür, innerhalb welcher Entfernungen eine Windkraftanlage eine optisch bedrängende Wirkung entfalte, seien für die Fallgestaltung entwickelt worden, dass eine solche Anlage auf eine nicht im Außenbereich liegende Wohnnutzung treffe. Vorliegend bestehe jedoch ein Konflikt zwischen zwei im Außenbereich liegenden Nutzungen, von denen allein die Windkraftanlage im Sinn von § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert sei. Eine im Außenbereich ausgeübte Wohnnutzung könne von einer Windkraftanlage nicht das gleiche Maß an Rücksichtnahme verlangen wie eine Wohnnutzung im Innenbereich oder gar in ausgewiesenen Wohngebieten. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass sich aus den Geländeverhältnissen keine optisch bedrängende Wirkung von der Qualität eines dem verfahrensgegenständlichen Vorhaben entgegenstehenden Belangs ableiten lasse, hätten der Beklagte und die damalige Beigeladene nicht zu erschüttern vermocht. Zudem habe sich die Wohnnutzung durch vorhandene Laubbäume bereits optisch abgeschirmt; dass ein weiterer Sichtschutz nicht herstellbar oder unzumutbar sei, hätten die seinerzeitigen Rechtsbehelfsführer nicht dargelegt.
Das Landratsamt erließ daraufhin den Genehmigungsbescheid vom 19. März 2015. Da ein im Verwaltungsverfahren vorgelegtes, im Auftrag des Beigeladenen erstelltes Gutachten ergeben hatte, dass in K. mit einer Geräuschgesamtbelastung von 44,8 dB(A) und einer astronomisch maximal möglichen Schattenwurfdauer von 48 Stunden und 49 Minuten pro Jahr bzw. 49 Minuten pro Stunde zu rechnen sei, wurde im Bescheid festgelegt, dass die von der Anlage ausgehenden Geräusche an den schutzwürdigen Räumen der nächstgelegenen Wohnhäuser in K. tagsüber einen Beurteilungspegel von 60 dB(A) und nachts einen solchen von 45 dB(A) nicht überschreiten dürften (Nebenbestimmung III.2.1). Ferner sei die Anlage mit einer Abschaltautomatik auszustatten, die zuverlässig und dauerhaft sicherstelle, dass in K. ein periodischer Schlagschattenwurf maximal an weniger als 30 Minuten je Tag und an weniger als 30 Stunden pro Jahr auftrete (Nebenbestimmung III.2.3).
Die gegen den Bescheid vom 19. März 2015 erhobene Anfechtungsklage des Klägers wies das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 5. April 2016 als unbegründet ab. Zu Unrecht beanspruche der Kläger für sein Anwesen für die Nachtzeit den Schutz eines reinen oder allgemeinen Wohngebiets. Das Landratsamt sei demgegenüber zutreffend von der Maßgeblichkeit des sich aus der Nummer 6.1 Satz 1 Buchst. c TA Lärm ergebenden Immissionsrichtwerts ausgegangen; die unterschiedliche Einstufung eines Gebiets für die Tageszeit einer- und die Nachtstunden andererseits sehe die Rechtsordnung nicht vor. Was die Beeinträchtigung des Anwesens des Klägers durch Schattenwurf angehe, so trage die Nebenbestimmung III.2.3 seinen Belangen auch mit Blickrichtung auf die von ihm nicht näher substantiierte Behauptung ausreichend Rechnung, der östlich und westlich seines Anwesens vorhandene Wald beeinflusse die Auswirkungen des Schattenwurfs. Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten optisch bedrängenden Wirkung verwies das Verwaltungsgericht auf die diesbezüglichen Ausführungen in seinem Urteil vom 13. Mai 2014 (M 1 K 13.995 – juris) und im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 1. Dezember 2014 (22 ZB 14.1954 – DVBl 2015, 314 Rn. 15 ff.); deren Richtigkeit sei durch den vom Verwaltungsgericht am 5. April 2016 eingenommenen Augenschein bestätigt worden.
Der Kläger beantragt, gestützt auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO,
die Berufung gegen das Urteil vom 5. April 2016 zuzulassen.
Der Beklagte und der Beigeladene beantragen jeweils,
den Antrag abzulehnen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da sich aus den Darlegungen in der Antragsbegründung vom 4. August 2016 (vgl. zu ihrer Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass die Voraussetzungen der Zulassungsgründe, die der Kläger für sich in Anspruch nimmt, vorliegen.
1. Besondere Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinn § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ergeben sich entgegen der in diesem Schriftsatz sinngemäß aufgestellten Behauptung nicht aus der Frage, ob im Licht der in Art. 82 Abs. 1 BayBO enthaltenen Regelung die Entfernung, bei deren Unterschreitung eine Windkraftanlage eine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung entfalte, abweichend von den in der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätzen mit dem Zehnfachen ihrer Gesamthöhe anzusetzen sei. Denn Art. 82 Abs. 1 BayBO ist vorliegend schon von seinen Tatbestandsvoraussetzungen her unanwendbar, da das Wohnanwesen des Klägers Bestandteil einer Splittersiedlung im Außenbereich im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB ist. Das Erfordernis eines Mindestabstands im Umfang des Zehnfachen der Gesamthöhe einer Windkraftanlage greift jedoch nur gegenüber solchen Wohngebäuden ein, die im Geltungsbereich eines von § 30 BauGB erfassten Bebauungsplans, in einem zusammenhängend bebauten Ortsteil im Sinn von § 34 BauGB oder in einem Gebiet liegen, für das eine auf § 35 Abs. 6 BauGB gestützte Satzung erlassen wurde.
Dass die sechs Hauptgebäude, die nach eigener Darstellung des Klägers gemeinsam den Weiler K. bilden, bauplanungsrechtlich dem Außenbereich zugehören, folgt mit zweifelsfreier Deutlichkeit aus den bei den Akten befindlichen Plänen und Karten (vgl. z.B. die Abbildung 1 in dem vom Beigeladenen eingereichten Schall- und Schattenwurfgutachten sowie Blatt 102, 114 und 135 der im Genehmigungsverfahren angefallenen Akte des Landratsamts). Auch der Kläger selbst spricht im Internetauftritt seines Unternehmens, auf den er eingangs des Abschnitts 1.1 der Antragsbegründung verwiesen hat und auf den das Gericht deshalb zurückgreifen darf, davon, K1 stelle einen „Einödhof“ dar. Vor allem aber ist er in der Antragsbegründung der im angefochtenen Urteil wiederholt (vgl. den zweiten und dritten Absatz des Abschnitts 2.2 sowie den zweiten Absatz des Abschnitts 2.3 der Entscheidungsgründe) enthaltenen Aussage, sein Anwesen liege im Außenbereich, nicht entgegengetreten.
2. Weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch besondere rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) werden durch das Vorbringen aufgezeigt, der im Anwesen K1 ausgeübten Wohnnutzung müsse – bezogen auf die Nachtzeit – ein höherer Schutzanspruch vor Geräuschen als die Einhaltung eines Beurteilungspegels von 45 dB(A) zugebilligt werden, wie er sich aus einer entsprechenden Heranziehung des in der Nummer 6.1 Satz 1 Buchst. c TA Lärm genannten Immissionsrichtwerts ergibt.
Der Kläger geht im Ansatz zutreffend davon aus, dass sich die Frage, welches Maß an Schallimmissionen im Außenbereich ausgeübte Wohnnutzungen hinnehmen müssen, gemäß der Nummer 6.6 Satz 2 TA Lärm nach der konkreten Schutzbedürftigkeit dieser Nutzung beantwortet. Rechtsprechung und Schrifttum stimmen weithin darin überein, dass in solchen Fällen zumeist der Ansatz der in der Nummer 6.1 Satz 1 Buchst. c TA Lärm für Dorf- und Mischgebiete vorgegebenen Immissionsrichtwerte sachgerecht ist (vgl. die Nachweise bei Feldhaus/Tegeder, TA Lärm, Sonderdruck aus Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, o. J., Nr. 6 Rn. 56, Fn. 101, sowie bei Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. IV, Stand Dezember 2006, TA Lärm Nr. 6 Rn. 15). Dieser Grundsatz beansprucht freilich keine generelle Gültigkeit; die sich danach ergebenden Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) für die Tageszeit und von 45 dB(A) für die lauteste Nachtstunde bezeichnen keine von der Einzelfallbeurteilung losgelöste Zumutbarkeitsschwelle (so zu Recht Feldhaus/Tegeder, a.a.O. Rn. 56). Die auf Seite 12 oben der Antragsbegründungsschrift aufgestellte Behauptung, es stelle eine besonders schwierig zu beantwortende Rechtsfrage dar, ob die Schutzwürdigkeit eines Anwesens allein aufgrund seiner Lage im Außenbereich bestimmt werden dürfe oder ob im Rahmen einer Einzelfallbeurteilung alle einschlägigen Kriterien heranzuziehen seien, ist vor diesem Hintergrund, vor allem aber angesichts des Wortlauts der Nummer 6.6 Satz 2 TA Lärm im Sinn der zweiten Alternative zu beantworten, ohne dass es zu diesem Zweck der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
Ernstliche Zweifel daran, dass das Verwaltungsgericht diese Einordnung jedenfalls im Ergebnis zutreffend vorgenommen hat, werden durch die Antragsbegründung gleichfalls nicht hervorgerufen. Gegen eine Anhebung der Schutzwürdigkeit des Wohnanwesens des Klägers spricht jedenfalls, dass die Splittersiedlung, in der es sich befindet, in hohem Maß durch gewerbliche Betätigungen geprägt ist: Während die Annahme eines Mischgebiets im Sinn von § 6 BauNVO voraussetzt, dass keine der Nutzungsarten „Wohnen“ und „Gewerbe“ ein deutliches Übergewicht über die andere gewonnen haben darf (BVerwG, B.v. 11.4.1996 – 4 B 51.96 – NVwZ-RR 1997, 463 m.w.N.), dominieren hier gewerbliche Anlagen eindeutig gegenüber den drei in K. bestehenden Wohneinheiten. Dies gilt umso mehr, als nach den eigenen Angaben des Klägers, wie sie sich aus dem Internetauftritt seines Unternehmens ergeben, zusätzlich zu den in Teil I der Gründe dieses Beschlusses erwähnten Gewerben in K. noch eine „Fleuristik“ sowie ein Möbelgeschäft und ein Café betrieben werden, das sich sogar für kleinere und mittelgroße Veranstaltungen eigne. Sollte vorliegend aufgrund von Besonderheiten des Einzelfalles ein Abweichen von der Regel angezeigt sein, dass im Außenbereich liegende Wohnanwesen den Schutz eines Dorf- oder Mischgebiets beanspruchen können, so wäre eine solche Abweichung deshalb keinesfalls im Sinn einer Anhebung, sondern eher in Gestalt einer Absenkung des Schutzniveaus (d.h. durch den Ansatz eines Immissionsrichtwerts, der zwischen den sich aus der Nummer 6.1 Satz 1 Buchst. b und den sich aus der Nummer 6.1 Satz 1 Buchst. c TA Lärm ergebenden Vorgaben liegt) in Erwägung zu ziehen.
Die Frage, ob die vom Kläger erstrebte Zubilligung eines Immissionsrichtwerts für die Nachtstunden, der einer anderen Gebietskategorie im Sinn der Nummer 6.1 Satz 1 TA Lärm als derjenigen entnommen wurde, die für die Tageszeit maßgeblich ist, von Rechts wegen dem Grunde nach überhaupt in Betracht kommt, kann vor diesem Hintergrund auf sich beruhen. Denn sein Wohnanwesen besäße auch dann keinen Schutzanspruch, der eine solche Vorgehensweise als geboten erscheinen ließe, wenn die in K. ausgeübten gewerblichen Nutzungen während der Nachtstunden akustisch nicht (nennenswert) hervortreten sollten. Das trifft nämlich auch für jene zahlreichen Gewerbegebiete im Sinn von § 8 BauNVO zu, in denen zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr die Arbeit ruht und in denen auch unabhängig hiervon während der Nacht keine lauten Maschinen in Betrieb sind.
Vor allem aber steht der Zuerkennung eines erhöhten Schutzanspruchs, der sich an den für Wohngebiete während der Nachtzeit geltenden Immissionsrichtwerten orientiert, entgegen, dass im Außenbereich wohnende Personen im Regelfall stets damit rechnen müssen, dass dort Anlagen entstehen, die auch während der Nachtzeit Immissionen verursachen; denn der Außenbereich ist nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 und 5 BauGB gerade dazu bestimmt, Raum für die Verwirklichung solcher Vorhaben zu bieten. Dass im Fall des Klägers eine solche Möglichkeit ausgeschlossen war, lässt die Antragsbegründung nicht erkennen. Der Umstand, dass das Vorhaben des Beigeladenen erst nachträglich zu der vom Kläger ausgeübten Wohnnutzung hinzutreten wird (vgl. zum Gesichtspunkt der zeitlichen Priorität als einen in die Bewertung der Schutzwürdigkeit ggf. einzustellenden Aspekt Feldhaus/Tegeder, TA Lärm, Sonderdruck aus Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, o. J., Nr. 6 Rn. 56), rechtfertigt angesichts der latenten Belastung auch der Liegenschaft des Klägers mit dem Risiko des Entstehens emittierender Anlagen in der Umgebung sowie deshalb keine Zubilligung eines höheren Grads an Schutzwürdigkeit, weil nur das Vorhaben des Beigeladenen, nicht aber die Wohnnutzung des Klägers im Sinn von § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert ist. Hieran würde sich nichts ändern, sollte das Anwesen K1 von einer der in § 35 Abs. 4 BauGB geregelten Fallgestaltungen erfasst werden. Denn dieser Bestimmung unterfallende Vorhaben bleiben, wie unmittelbar aus den Einleitungsworten des § 35 Abs. 4 BauGB folgt, grundsätzlich dem Anwendungsbereich des § 35 Abs. 2 BauGB zugeordnet; allenfalls kann bei ihnen von einer „Teilprivilegierung“ (vgl. Roeser in Berliner Kommentar zum BauGB, Stand Oktober 2015, § 35 Rn. 97; Rieger in Schrödter, BauGB, 8. Aufl. 2015, § 35 Rn. 167) gesprochen werden.
3. Ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils und keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache zeigt die Antragsbegründung insoweit auf, als sie sich gegen die Bewertung des vom Vorhaben des Beigeladenen hervorgerufenen Schattenwurfs durch das Verwaltungsgericht wendet.
Der Kläger hat diese Thematik im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstmals während des am 5. April 2016 eingenommenen Augenscheins angesprochen. Einer seiner Bevollmächtigten hat damals ausweislich der hierüber gefertigten Niederschrift geltend gemacht, „dass die Waldkulisse im Osten des Klägergrundstücks ebenso wie im Westen die Auswirkungen des Schattenwurfs der geplanten Anlage auf das Klägeranwesen negativ beeinflussen würde […]“. Nachdem sich das Verwaltungsgericht zu dem Gebäude in K. begeben hatte, in dem sich das vorerwähnte Planungsbüro befindet, brachte der Kläger ausweislich der Niederschrift vor, „dass die Wirkungen des Schattenwurfs, so wie sie durch die östliche Waldkulisse auftreten würden, auch diesen Bereich beeinträchtigen würden“. Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Urteil hierzu angemerkt, dieser Vortrag sei nicht näher substantiiert; die im Bescheid vom 19. März 2015 enthaltene Nebenbestimmung III.2.3 trage dem Anliegen des Klägers, vor unzumutbarem, durch das streitgegenständliche Vorhaben verursachtem Schattenwurf verschont zu bleiben, ausreichend Rechnung.
Die Begründung des Zulassungsantrags stellt die Richtigkeit dieser Bewertung weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht in einer Weise in Frage, die dem Kläger einen Anspruch auf Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 VwGO verschafft. Vielmehr erweist sich sein diesbezügliches Vorbringen nach wie vor als nicht hinreichend plausibel.
Der Schriftsatz vom 4. August 2016 führt mit Blickrichtung auf den behaupteten Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO insoweit aus, es stelle sich die Frage, „ob durch Reflexionen des Schattenwurfs im Bereich der Waldränder, die das klägerische Anwesen umgeben, weitere Beeinträchtigungen zu berücksichtigen sind, die zu einer Unzumutbarkeit gegenüber dem Zulassungsführer führen“; das Verwaltungsgericht hätte berücksichtigen müssen, dass es sich auch bei dem Schattenwurf auf den Waldrändern um bewegte Objekte handele, die selbst dann noch registriert würden, wenn sie sich nicht im unmittelbaren Blickfeld des Betroffenen befänden. Besondere tatsächliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ergäben sich aus der Problematik, „welche Beeinträchtigungen in zeitlicher und quantitativer Hinsicht aufgrund des auf die Waldkulisse projizierten Schattenwurfs“ aufträten.
Diese Gegenüberstellung der in der Antragsbegründung im Kontext des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO einer- und in Bezug auf den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO andererseits aufgestellten Behauptungen lässt es als vorstellbar erscheinen, dass der Kläger insoweit zwei voneinander zu unterscheidende, seiner Ansicht nach bestehende optische Gegebenheiten geltend macht, nämlich zum einen eine Verstärkung des vorhabensbedingten Schattenwurfs durch an den Waldrändern behauptetermaßen auftretenden „Reflexionen“, zum anderen eine zusätzliche Störwirkung, die sich daraus ergebe, dass er von seiner Wohnung aus die bewegten Schatten wahrnehme, die die verfahrensgegenständliche Anlage auf die Waldränder werfen werde.
3.1 Der erstgenannte der beiden vom Kläger behaupteten Kausalzusammenhänge wäre nur beachtlich, wenn er die physikalische Möglichkeit von „Reflexionen des Schattenwurfs“ (Seite 9 unten der Antragsbegründungsschrift) näher aufgezeigt hätte. Denn als „Reflexion“ wird sowohl im allgemeinen als auch im naturwissenschaftlichen Sprachgebrauch der Vorgang bezeichnet, dass Wellen (z.B. Licht oder Schall) auf ein für sie nicht (vollauf) durchgängiges Hindernis treffen und sie deswegen ihre Ausbreitungsrichtung (teilweise) ändern. Da das Wesen des Schattens gerade im Fehlen von Licht besteht, hätte es vor diesem Hintergrund näherer Darlegung durch den Kläger bedurft, dass Schatten „reflektiert“ werden kann; dahingehende Ausführungen fehlen indes zur Gänze.
3.2 Grundsätzlich zutreffend geht der Kläger demgegenüber davon aus, dass auch die Wälder, die die zwischen seinem Wohnanwesen und dem Standort der geplanten Windkraftanlage liegende offene Flur nach Osten und Westen hin begrenzen, teilweise vom Schattenwurf der geplanten Anlage erfasst werden (vgl. die grau unterlegte, die Reichweite des Schattenwurfs dieser Anlage kennzeichnende Fläche, wie sie aus der Anlage H zu dem im Genehmigungsverfahren vorgelegten Schall- und Schattenwurfgutachten ersichtlich ist). Auch insoweit hat der Kläger jedoch nicht in nachvollziehbarer Weise aufgezeigt, dass er von seiner Wohnung aus den auf diese Wälder geworfenen Schatten der geplanten Anlage in einer Intensität wahrnehmen wird, angesichts derer ihm die Nebenbestimmung III.2.3 des Genehmigungsbescheids keinen ausreichenden Schutz verschafft. Denn Schatten sind grundsätzlich nur auf hellen Flächen (in einer ins Gewicht fallenden Weise) sichtbar; auf schwarzem Grund treten sie optisch überhaupt nicht, auf dunklen Flächen allenfalls in sehr reduziertem Ausmaß in Erscheinung. Wälder, die sich in einer gewissen Entfernung vom Betrachter befinden, werden aber – wie allgemeinkundig ist – jedenfalls dann als (sehr) dunkle Flächen wahrgenommen, wenn sie aus Nadel- oder belaubten Laubbäumen bestehen; lediglich außerhalb der Vegetationsperiode kann Laubwald ggf. eine (hell-)graue oder bräunliche Kulisse bilden.
Das Lichtbild, das der Kläger dem Verwaltungsgericht während der mündlichen Verhandlung am 5. April 2016 übergeben hat, lässt es zwar als möglich erscheinen, dass die Ränder der von seinem Anwesen aus sichtbaren Wälder mit Laubbäumen bestanden sein könnten. Aus dem gleichen Lichtbild geht jedoch hervor, dass diese Waldränder von seinem Wohnanwesen so weit entfernt und so niedrig sind, dass es mangels näherer Darlegungen in der Antragsbegründung nicht vorstellbar erscheint, auf ihnen könnten Schattenbilder von einer Größe und einer Intensität entstehen, die – auch in der Zusammenschau mit dem Schattenwurf, der unmittelbar von der geplanten Windkraftanlage auf das Wohnanwesen des Klägers einwirkt – bei einem im Außenbereich liegenden Wohngebäude die in § 3 Abs. 1 BImSchG vorausgesetzte Grenze zu schädlichen Umwelteinwirkungen übersteigt. Ein dahingehender Schluss drängt sich umso weniger auf, als im Spätherbst, im Winter und im zeitigen Frühjahr (d.h. während der Abschnitte im Jahresverlauf, in denen die Wälder, die die vom Anwesen des Klägers aus sichtbare Landschaft begrenzen, ggf. eine hellere Färbung aufweisen) intensiver, langandauernder Sonnenschein nicht in gesteigerter Häufigkeit aufzutreten pflegt; entsprechend gering ist deshalb die Zahl der Tage, an denen sich auf den Waldrändern allenfalls ein deutlich wahrnehmbarer Schatten bilden kann. Als störend empfunden werden kann dieser Schatten ferner nur dann, wenn er sich bewegt; hiervon geht ausweislich der Ausführungen auf Seite 10 oben des Schriftsatzes vom 4. August 2016 offenbar auch der Kläger aus. Dies aber ist nur der Fall, wenn an Tagen, an denen es zu einer ggf. wahrnehmbaren Schattenbildung kommt, auch Wind weht, so dass der Rotor der geplanten Anlage in Gang gesetzt wird; dies ist keineswegs an jedem sonnigen Tag außerhalb der Vegetationsperiode der Fall.
Vor allem aber fällt ins Gewicht, dass es dem Kläger unschwer möglich ist, eine entgegen jeder Wahrscheinlichkeit gleichwohl eintretende Störwirkung bewegter Schattenbilder, die sich auf den Waldrändern u. U. bilden, durch auf seinem Grundstück zu schaffende optische Schutzvorkehrungen zu eliminieren oder zu begrenzen. Das Verwaltungsgericht hat es im angefochtenen Urteil unter Bezugnahme auf die diesbezüglichen Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 1. Dezember 2014 (22 ZB 14.1594 – DVBl 2015 Rn. 17) als zumutbar angesehen, dass der Kläger durch derartige Maßnahmen einer etwaigen optisch bedrängenden Wirkung, die sich zu seinen Lasten aus dem Vorhaben des Beigeladenen ergibt, entgegentritt. Die Möglichkeit und rechtliche Gebotenheit einer solchen Selbsthilfe wurde in der Begründung des Zulassungsantrags nicht angegriffen. Erst recht kann vom Kläger deshalb verlangt werden, dass er eine Beeinträchtigung, die sich ggf. aus bewegten, sich auf den Waldrändern im Osten und Westen seines Anwesen bildenden Schatten ergibt, durch Sichtschutzmatten oder vergleichbare Lösungen verhindert. Dies gilt umso mehr, als die zu diesem Zweck an den östlichen und westlichen Grundstücksgrenzen erforderlichen Blenden sowohl von ihrer notwendigen Höhe als auch von ihrer Lage her die Möglichkeit des Blicks „in die freie Natur“ deutlich weniger stören als das bei baulichen Vorkehrungen der Fall ist, durch die die optische Präsenz der verfahrensgegenständlichen Windkraftanlage als solche verringert wird.
Die Richtigkeit der in der Antragsbegründung (Seite 10 oben) anklingenden Behauptung, von bewegten Schattenbildern, die sich als Folge der Errichtung einer Windkraftanlage auf anderen Objekten als dem Wohngebäude des Betroffenen bilden, von dort aus aber u. U. wahrgenommen werden, gehe die gleiche Störwirkung aus, die der Verwaltungsgerichtshof im Urteil vom 29. Mai 2009 (22 B 08.1785 – BayVBl 2010, 114 Rn. 15) dem sich drehenden Rotor einer Windkraftanlage (und auch dies nicht mit Blickrichtung auf die Schattenwurfproblematik, sondern die hiervon ggf. ausgehende, optisch bedrängende Wirkung) beigemessen hat, kann vor diesem Hintergrund mangels Entscheidungserheblichkeit auf sich beruhen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht im Sinn von § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, die im Zulassungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da er in diesem Verfahren einen Antrag gestellt hat und er damit seinerseits ein Kostenrisiko eingegangen ist.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GKG in Verbindung mit der Empfehlung in den Nummern 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.