Aktenzeichen M 21 K 16.32033
Leitsatz
Ist die Belehrung über die Folgen des Nichtbetreibens des Verfahrens (§ 33 Abs. 4 AsylG) nur in der deutschen Sprache erfolgt und nicht gegen Empfangsbestätigung übermittelt worden, kann das Verfahren nicht wegen Nichtbetreibens eingestellt werden, wenn der Asylsuchende nicht zur Anhörung erscheint. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Bescheid des Bundesamtes vom 21. Juli 2016 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Beides ist hier der Fall.
Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens wegen Nichtbetreibens des Verfahrens gemäß § 32 i.V.m. § 33 Abs. 1 AsylG lagen nicht vor.
Nach § 33 Abs. 1 AsylG in der Fassung des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390 f.) gilt der Asylantrag als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. Nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 AsylG wird vermutet, dass der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wenn er einer Aufforderung zur Vorlage von für den Antrag wesentlichen Informationen gemäß § 15 oder einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 nicht nachgekommen ist.
Dabei kann dahinstehen, ob die Ladung durch das Bundesamt zur Anhörung am 7. Juli 2016 dem Kläger wirksam zugestellt worden ist. Denn jedenfalls ist der Kläger nicht ausreichend auf die nach § 33 Abs. 1 und 3 AsylG eintretenden Rechtsfolgen hingewiesen worden.
Gemäß § 33 Abs. 4 AsylG ist der Ausländer auf die nach den Absätzen 1 und 3 eintretenden Rechtsfolgen schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen. Der Nachteil, den der Asylbewerber infolge der Rücknahmefiktion erleiden kann, ist nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Betroffene auf die gesetzliche Regelung hingewiesen wird. Diesen im Gebot eines fairen Verfahrens wurzelnden rechtsstaatlichen Anforderungen hat der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 33 Abs. 4 AsylG entsprochen.
Soll der Hinweis seiner Aufgabe gerecht werden, gerade im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Norm für Rechtsklarheit zu sorgen, muss er freilich den Besonderheiten des Adressatenkreises Rechnung tragen. Es ist zu berücksichtigen, dass der Asylbewerber sich in einer ihm fremden Umgebung befindet, mit dem Ablauf des deutschen Asylverfahrens nicht vertraut und in aller Regel der deutschen Sprache nicht mächtig ist (VG Augsburg, B.v. 17.11.2016 – Au 3 S. 16.32189 – juris Rn. 28). Unabhängig vom erforderlichen Inhalt der Belehrung ist deren Übersetzung in eine Sprache, die der Ausländer beherrscht, unentbehrlich.
Darüber hinaus verlangt § 33 Abs. 4 AsylG ausdrücklich, dass der Ausländer gegen Empfangsbestätigung auf die Rechtsfolgen hinzuweisen ist. Die Vorschrift lässt damit eine anderweitige Zustellung, auf Grund der sich der Ausländer die Bekanntgabe unabhängig von der tatsächlichen Kenntnis zurechnen lassen muss, gerade nicht zu.
Diesen Anforderungen genügt der allgemeine (und im Hinblick auf das Schriftformerfordernis von Entschuldigungsgründen auch unzutreffende) Hinweis auf die Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung in der Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten und Allgemeine Verfahrenshinweise nicht.
Die Belehrung zu § 33 AsylG in der Ladung zur Anhörung ist dann ausschließlich in deutscher Sprache erfolgt und dem Kläger im Übrigen nicht gegen Empfangsbestätigung übermittelt worden. Die Zustellungsfiktion der Ladung nach § 10 Abs. 2 AsylG ersetzt die für die Belehrung erforderliche tatsächlich erforderliche und durch Empfangsbestätigung nachzuweisende Kenntnis des Klägers über die Belehrung nicht.
Danach konnte das Asylverfahrens des Klägers jedenfalls mangels hinreichender Belehrung nach § 33 Abs. 4 AsylG nicht aufgrund eines Nichtbetreibens des Verfahrens gemäß § 32 i.V.m. § 33 Abs. 1 AsylG eingestellt werden. Der entsprechende Bescheid des Bu8ndesamtes ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, so dass der Klage vollumfänglich stattzugeben ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).