Verwaltungsrecht

Erfolgloses Asylverfahren in Belgien – Zweitantragsverfahren

Aktenzeichen  B 1 K 17.31991

Datum:
26.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 10 Abs. 2, § 71 a
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
VwGO VwGO § 58 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Der Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klagen haben keinen Erfolg, weil sie unbegründet sind (Nr. 1); sie erweisen sich darüber hinaus bereits als unzulässig (Nr. 2).
1. Die Klagen sind in der Sache nicht begründet. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 07.03.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Diese können damit nicht beanspruchen, dass der streitgegenständliche Bescheid aufgehoben wird. Sie haben auch keinen Anspruch darauf, dass (hilfsweise) zu ihren Gunsten das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt wird.
a) Das Bundesamt hat zu Recht entschieden, dass die in Deutschland angebrachten Asylanträge als Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylG unzulässig sind.
§ 71a Abs. 1 AsylG hat zur Voraussetzung, dass der Ausländer in einem sicheren Drittstaat erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen hat. Ein weiteres Asylverfahren (Zweitantragsverfahren) ist in diesem Falle nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Dies kommt nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 VwVfG vor allem in Betracht, wenn sich die dem ursprünglichen Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat bzw. neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Nach § 51 Abs. 2 VwVfG ist der Antrag nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen im früheren Verfahren geltend zu machen. Zudem muss der Antrag binnen drei Monaten nach Erlangung der Kenntnis vom Wiederaufgreifensgrund durch den Betroffenen gestellt werden, § 51 Abs. 3 VwVfG.
Nach diesen Maßstäben kann der Bescheid des Bundesamts vom 07.03.2017 rechtlich nicht beanstandet werden. Die Kläger haben in Belgien, einem sicheren Drittstaat im Sinne des § 26a AsylG, ihr Asylverfahren erfolglos durchgeführt (vgl. aa)) und die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens liegen nicht vor (vgl. bb)). Auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht liegen keine Rechtsfehler vor, die zur Aufhebung des angegriffenen Bescheids führen (vgl. cc)).
aa) Das Asylverfahren der Kläger wurde in Belgien erfolglos durchgeführt. Schon nach Lage der Akten deutet alles klar darauf hin, dass die Kläger ihr Asylverfahren in Belgien erfolglos durchlaufen haben. So hat das Königreich Belgien im Dublin-Verfahren mitgeteilt, dass sich seine Zuständigkeit für die Bearbeitung der (weiteren) Asylanträge der Kläger aus Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung ergebe (Bl. 115/117 d.A.). Diese Norm kommt aber nur dann zum Zug, wenn der Asylantrag in dem anderen Mitgliedstaat bereits abgelehnt worden ist. Für einen Abschluss der Asylverfahren in Belgien spricht weiter, dass die Kläger nach ihrem bereits ca. 2,5-jährigen Aufenthalt in Belgien die Aufforderung erhalten haben, das Land zu verlassen („order de quitter la territoire“ – Bl. 93/94 d.A.). Auch der von der Klägerseite im Rahmen der Erstanhörung vorgetragene (zeitliche) Zusammenhang dahin, dass sie, nachdem sie keine staatliche Unterstützung in Belgien mehr erhalten hätten, für ca. drei Jahre für einen (reichen) Mann gearbeitet hätten (Bl. 75, 83 d.A.), spricht dafür, dass die Asylverfahren der Kläger in Belgien erfolglos abgeschlossen waren – die Einreise nach Belgien soll im Jahr 2010 erfolgt sein, die Aufforderung, das Land zu verlassen hatten die Kläger sodann im Jahr 2012 erhalten und im weiteren haben die Kläger zu 1 und 2 für ca. drei Jahre bis zur Ausreise nach Deutschland im Jahr 2015 für eine Privatperson in Belgien gearbeitet, nachdem ihnen Leistungen für Asylbewerber offenbar im Jahr 2012 in Belgien aufgrund des erfolglosen Abschlusses des Asylverfahrens nicht mehr gezahlt worden waren.
Die Angaben, die die Klägerin zu 2 anlässlich der mündlichen Verhandlung telefonisch mitgeteilt hat, bestätigen deutlich den Befund, dass die Asylverfahren der Kläger in Belgien erfolglos abgeschlossen waren. Sie hat ausgeführt, dass sie in Belgien zu den Gründen ihrer Ausreise aus Armenien mündlich angehört worden seien. Die Asylanträge seien negativ verbeschieden worden und sie hätten mit der Hilfe eines Rechtsanwalts dagegen geklagt. Dies sei erfolglos verlaufen. Die negative Verbescheidung der Asylanträge und die entsprechende (erfolglose) Klage seien bereits vor 2012 erfolgt, nämlich bevor sie die Aufforderung erhalten hätten, das Land zu verlassen. Nach dieser Aufforderung hätten sie wiederum Klage erhoben, die ebenfalls erfolglos geblieben sei. Die Klägerin zu 2 hat auch auf Nachfrage deutlich bestätigt, dass beide (Klage-)Verfahren in Belgien abgeschlossen und für die Familie der Kläger negativ ausgegangen seien. Nach dem Abschluss dieser beiden Verfahren hätten sie sich wegen der gesundheitlichen Situation des Klägers zu 1 erneut an die belgische Behörde gewandt. In diesem dritten Verfahren sei es jedoch nur noch um Frage der Auswirkung der Krankheiten auf das Bleiberecht in Belgien gegangen. Den Abschluss dieses dritten Verfahrens hätten sie nicht mehr abgewartet, sondern seien vorher nach Deutschland ausgereist. Damit bestätigen die Angaben der Klägerin zu 2 den bereits aus den Akten zu gewinnenden Befund, dass das Asylverfahren der Kläger in Belgien, mithin das Verfahren, in dem es um die Prüfung ging, ob die Kläger mit Blick auf ihr Herkunftsland Armenien die Zuerkennung internationalen Schutzes beanspruchen können, abgeschlossen war. Soweit es um die Frage weitere Frage geht (ging), ob krankheitsbedingte Gründe einer Rückkehr nach Armenien entgegenstehen, betrifft (betraf) dies nicht die Thematik des internationalen Schutzes, sondern die Frage, ob ggf. Abschiebungsverbote vorliegen.
bb) In der vorliegenden Sache hat das Bundesamt zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorliegen, die Asylanträge vielmehr als unzulässig abzulehnen sind.
Die Kläger zu 1 und 2 haben gegenüber dem Bundesamt ausdrücklich angegeben und nach Rückübersetzung gegen Unterschrift bestätigt, dass sie keine neuen Gründe und Beweismittel haben, die nicht in dem früheren Verfahren in Belgien geltend gemacht wurden und die ein neues Asylverfahren rechtfertigen würden (Bl. 71, 79 d.A.). Es liegen mithin keine Gründe vor, die ein Wiederaufgreifen im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG rechtfertigen könnten. Wenn aber der Ausländer selbst gegenüber dem Bundesamt ausdrücklich bestätigt, dass er über keinerlei neue Gründe verfügt, sondern vielmehr seine gesamte Fluchtgeschichte bereits in dem abgeschlossenen Asylverfahren im anderen Mitgliedstaat gewürdigt wurde, so bedurfte es von Seiten des Bundesamts auch keiner weiteren Ermittlungen, die lediglich ins Blaue hinein hätten erfolgen und die die Sache in keiner Weise hätten befördert können. Insbesondere war mangels jeglicher neuer Gründe bzw. Beweismittel ein Abgleich der in Belgien vorgetragenen Gründe mit den in Deutschland vorgebrachten (neuen) Gründen [solche wurden eben verneint] weder veranlasst noch möglich.
cc) Unter den gegebenen Umständen kann schließlich nicht beanstandet werden, dass das Bundesamt vor dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheids die Kläger zu 1 und 2 nicht zu einer (weiteren) persönlichen Anhörung geladen hat. Wenn die Kläger zu 1 und 2 selbst angeben, über keine neuen Gründe und Beweismittel zu verfügen, die nicht bereits Gegenstand des Asylverfahrens in Belgien gewesen sind (vgl. die Ausführungen unter bb)), so erscheint das Absehen von einer (weiteren) Anhörung nach der Erstbefragung jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft; § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylG erlaubt der Behörde, von einer Anhörung im Ermessenswege abzusehen, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist.
Bestätigt wird die rechtliche Tragfähigkeit der behördlichen Vorgehensweise unabhängig von diesen Erwägungen auch dadurch, dass der Gesetzgeber – um dem Beschleunigungsgedanken im Zweitantragsverfahren stärker zur praktischen Wirksamkeit zu verhelfen – im Rahmen der Novellierung des Asylgesetztes von August 2016 insbesondere Änderungen im Bereich des hier ebenfalls einschlägigen § 29 AsylG realisiert hat. Das VG Ansbach weist in diesem Kontext zutreffend darauf hin (B.v. 11.1.2017 – AN 2 S 16.32491; s. auch VG Frankfurt (Oder), B.v. 21.4.2017 – 6 L 554/16.A u.a. – juris), dass nach § 29 Abs. 2 AsylG eine persönliche Anhörung vor der Zulässigkeitsentscheidung nunmehr in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. b bis Nr. 4 AsylG erforderlich ist (§ 29 Abs. 2 Satz 1 AsylG), nicht aber für eine hier einschlägige Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG. Für diesen Fall gibt das Bundesamt gemäß § 29 Abs. 2 Satz 2 AsylG dem Ausländer (nur) Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Abs. 3 AsylG. Der Wortlaut des § 29 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 71 Abs. 3 AsylG ist insoweit eindeutig. Eine persönliche Anhörung ist damit jedenfalls seit der Novellierung nicht mehr zwingend notwendig, wobei nach dem Wortlaut des § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylG auch schon bisher unter der dort genannten Voraussetzung – diese liegt im Falle der Kläger wie oben dargelegt vor – nach rechtlich einwandfreier Ermessensbetätigung von einer Anhörung abgesehen werden konnte. Mit der Einführung der novellierten Verfahrensvorschrift wird ersichtlich ein Verfahrensgleichlauf für Folgeantragsteller und Zweitantragsteller eingeführt. Vorliegend wurden die Kläger zu 1 und 2 jedoch ohnehin persönlich dazu befragt, ob sie neue Gründe und Beweismittel hätten, die ein neues Asylverfahren rechtfertigen sollen, was sie jedoch (siehe oben) klar verneint haben (vgl. zum Ganzen BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, § 71a AsylG, Rn. 3 ff. m.w.N.).
b) Des Weiteren hat es das Bundesamt ohne Rechtsfehler abgelehnt, zu Gunsten der Kläger, insbesondere des Klägers zu 1, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots festzustellen.
Aus der Erkrankung des Klägers zu 1 ergibt sich kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot. Das Bundesamt hat in Bezug auf seine gesundheitliche Situation im Falle seiner Rückkehr oder Rückführung in sein Heimatland zutreffend angenommen, dass dem Kläger zu 1 keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine solche Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Sätze 3 und 4 AufenthG). Abzustellen ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG).
In der Sache selbst schließt sich das Gericht in diesem Punkt zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen zunächst den Gründen des angefochtenen Bescheides an und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist zur Sache sowie zum Klagevorbringen das Folgende auszuführen:
Bei der Auslegung des Begriffs der Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist im Grundsatz kein anderer Maßstab anzulegen als der im asylrechtlichen Prognosemaßstab verankerte Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr für den Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefahrensituation statuiert. Für eine beachtliche Wahrscheinlichkeit reicht es nicht aus, wenn eine Verfolgung oder sonstige Rechtsgutverletzung im Bereich des Möglichen liegt; vielmehr muss eine solche mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Das ist anzunehmen, wenn die für die Rechtsgutverletzung sprechenden Umstände größeres Gewicht haben als die dagegen sprechenden Tatsachen und deshalb ihnen gegenüber überwiegen. Dieses größere Gewicht ist nicht rein quantitativ zu verstehen, sondern im Sinne einer zusammenfassenden Bewertung des Sachverhalts bei verständiger Würdigung aller objektiven Umstände dahingehend, ob sie bei einem vernünftig denkenden, besonnen Menschen eine ernsthafte Furcht vor der Rechtsgutverletzung rechtfertigt. Dabei sind auch die Zumutbarkeit eines mit der Rückkehr verbundenen Risikos und der Rang des gefährdeten Rechtsguts von Bedeutung. Erheblich ist eine Gefahr, wenn der Umfang der Gefahrenrealisierung von bedeutendem Gewicht ist. Das ist der Fall, wenn sich durch die Rückkehr der unter dem Gesichtspunkt der Leibes- und Lebensgefahr hier in Betracht kommende Gesundheitszustand des Betroffenen wegen geltend gemachter unzureichender medizinischer Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat der Abschiebung in einem angemessenen Prognosezeitraum wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands kann nicht schon dann gesprochen werden, wenn „lediglich“ eine Heilung eines gegebenen Krankheitszustands des Ausländers im Abschiebungszielland nicht zu erwarten ist. Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll dem Ausländer nicht eine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes der Bundesrepublik Deutschland sichern, sondern vor gravierender Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren. Daher ist eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands auch nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustands anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden und/oder existenzbedrohenden Zuständen, kurz: bei existentiellen Gesundheitsgefahren. Das folgt insbesondere aus dem der Vorschrift immanenten Zumutbarkeitsgedanken. Konkret ist eine Verschlimmerung einer Erkrankung, wenn sie alsbald nach Rückführung des Betroffenen im Zielland zu erwarten ist. Bereits aus dem Wortlaut des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG – „dort“ – folgt, dass die das Abschiebungshindernis begründenden Umstände an Gegebenheiten im Abschiebungszielland anknüpfen müssen. Soweit eine geltend gemachte Gesundheitsverschlechterung ihren Grund in Gegebenheiten und Vorgängen im Aufenthaltsland Deutschland findet, kann sie dem Bundesamt gegenüber nicht als Abschiebungshindernis geltend gemacht werden (vgl. OVG NRW, B.v. 30.12.2004 – 13 A 1250/04.A mit zahlreichen weiteren Nachweisen; siehe ferner BayVGH, B.v. 12.8.2015 – 11 ZB 15.30054 – juris).
In der vorliegenden Sache ist zu berücksichtigen, dass psychische Erkrankungen in Armenien behandelbar sind und dies grundsätzlich kostenfrei erfolgt (IOM, Länderinformationsblatt Armenien, August 2014, S. 16). An medizinisch-sozialen Einrichtungen des Ministeriums für Arbeit und Soziales gibt es beispielsweise das „Stress Centre“, das medizinische Rehabilitationsmaßnahmen im psychologischen Gesundheitsbereich implementiert. In diesem Zentrum wird die Behandlung ernsthafter psychischer Syndrome und die Wiederherstellung der geistigen Gesundheit bei stationärer Aufnahme bzw. in ambulanter Umgebung angeboten (IOM, Länderinformationsblatt Armenien, August 2014, S. 18). Medikamente zur Behandlung psychischer Erkrankungen können grundsätzlich von jedem praktizierenden Arzt verschrieben werden. In der Praxis wird der Patient jedoch an eine Spezialeinrichtung überwiesen, die eine Untersuchung vornimmt und entsprechende Medikamente verschreibt. In Eriwan ist dies z.B. die Psychiatrische Klinik Avan. In ländlichen Regionen ist auch denkbar, dass ein nicht spezialisierter Arzt entsprechende Medikamente verschreibt, insbesondere wenn es (auch) einen neurologischen Aspekt gibt. Für die beim Kläger zu 1 diagnostizierte paranoid-halluzinatorische Schizophrenie sind Medikamente in Armenien verfügbar. Erhältlich ist beispielsweise das Präparat „Solian“, das etwa bei akuten und chronischen schizophrenen Störungen, produktiven Zuständen mit Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Denkstörungen u.dgl. eingesetzt wird (vgl. Auskunft der Botschaft in Eriwan an das Bundesamt vom 02.04.2014, Gz. RK 516.80 E – Schizophrenie, siehe zu den Anwendungsgebieten des Präparats http://www.apotheken-umschau.de/Medikamente/Beipackzettel/Solian-200mg-8425012.html).
Ebenfalls verfügbar ist in Armenien das Medikament Seroquel (vgl. Auskunft der Botschaft in Eriwan an das Bundesamt vom 02.04.2014, Gz. RK 516.80 E – Schizophrenie), das auf dem Wirkstoff Quetiapin basiert. Dabei handelt es sich ebenso wie bei dem Präparat Olanzapin, das dem Kläger zu 1 in Deutschland verabreicht wird, um ein atypisches Neuroleptikum. Dieses wird zur Behandlung psychischer Störungen wie der hier vorliegenden paranoiden Schizophrenie eingesetzt. Auch eine weitere Quelle älteren Datums berichtet davon, dass in Armenien die wichtigsten Psychopharmaka in den psychiatrischen Institutionen zur Verfügung stehen, was durch die WHO und den Europarat bestätigt wurde. Es wird eine „essential drug list“ geführt, die Präparate enthält, die immer verfügbar sein sollten (Bundesamt für Migration der Schweiz vom 04.02.2012, Focus Armenien – Psychiatrische und psychologische Versorgung, S. 11).
Psychiatrische und psychologische Betreuung erhält man in Armenien in staatlichen psychiatrischen Krankenhäusern (Medizinische Zentren für Psychiatrie), in „sozial-psycho-neurologischen Zentren“ und in psychiatrischen Abteilungen regionaler Polikliniken. Insgesamt gibt es elf psychiatrische Krankenhäuser, fünf von ihnen bieten auch ambulante Behandlung an. Das Angebot an psychologischer und psychiatrischer Versorgung ist in der Hauptstadt Eriwan grösser als in den Provinzen. Die psychiatrischen Zentren in Eriwan sind jedoch allen armenischen Bürger zugänglich (Bundesamt für Migration der Schweiz, Focus Armenien – Psychiatrische und psychologische Versorgung vom 04.02.2012, S. 6).
Auch in einer weiteren Auskunft von IOM/ZIRF vom 29.06.2016 (Az. ZC136/29.06.2016), die in der mündlichen Verhandlung eingeführt wurde, wird bestätigt, dass eine paranoide Schizophrenie mit ambulanter und medikamentöser Therapienotwendigkeit in Armenien behandelbar ist. Es wird auf das Republican Psychiatric Center in Eriwan verwiesen sowie darauf, dass einschlägige Medikation verfügbar ist (ausdrücklich genannt wird das Präparat Clozapin, das kostengünstig unter dem Namen Azaleptine erhältlich ist). Nach den Ausführungen des behandelnden Facharztes benötigt der Kläger zu 1 eine dauerhafte Behandlung mit Olanzapin oder einem artverwandten Medikament (Arztbericht vom 27.02.2017). Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass Präparate zur Behandlung der paranoiden Schizophrenie in Armenien ebenso verfügbar sind wie in Deutschland. Soweit in einem weiteren Attest als internistische Begleiterscheinung ein Asthma bronchiale genannt wird, das in Erregungszuständen auftrete und zu Erstickungsanfällen führe, ist festzustellen, dass in Armenien auch Medikamente zur Behandlung dieses Krankheitsbildes erhältlich sind (vgl. die in der mündlichen Verhandlung eingeführte Auskunft von IOM/ZIRF vom 07.01.2013 (Az. ZC1/ 07.01.2013)).
Ergänzend ist zu bemerken, dass sich der Kläger zu 1 bei der hier grundsätzlich zu bejahenden Behandelbarkeit der vorliegenden Krankheiten auf den in seinem Herkunftsland maßgeblichen Behandlungsstandard verweisen lassen muss. Es ist vor dem Hintergrund, dass Medikamente für psychische Erkrankungen der hier vorliegenden Art in Armenien erhältlich sind (siehe oben), nicht zu erwarten, dass im Falle einer Rückkehr des Klägers zu 1 in sein Heimatland die Krankheit nicht so weit eingedämmt bzw. unter Kontrolle gebracht werden kann, dass eine solche Verschlechterung seines Gesundheitszustands eintreten wird, die zu einem Erreichen der Schwelle des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führt.
Dabei ist prognostisch davon auszugehen, dass dem Kläger zu 1 die erforderliche medizinische Behandlung und Medikation in Armenien auch zugänglich sein wird. Nach der o.g. Auskunft von IOM/ZIRF vom 29.06.2016 wird die Behandlung der paranoiden Schizophrenie in Armenien vom Staat übernommen. Der Patient muss sich dazu mit einem Ausweis und einer Epikrise in dem Republikanischen Psychiatrischen Zentrum anmelden. Daraufhin wird er, wenn notwendig, für eine Behandlung und kostenlose Medikamente registriert werden. Außerdem kann sich der Kläger zu 1 bei der Agentur für Medizinische und Soziale Expertise für einen Invaliditätsgrad anmelden und so eine kostenlose Behandlung wie Invaliditätsrente erhalten. Auch andere Quellen berichten davon, dass bestimmte Personengruppen wie etwa Behinderte der 1. und 2. Gruppe in lokalen Polykliniken kostenfreie Medikamente erhalten bzw. als Behinderte der 3. Gruppe eine Erstattung in Höhe von 50% der anfallenden Kosten in Anspruch nehmen können (vgl. IOM, Länderinformationsblatt Armenien, August 2015, S. 1/2). Sollte der Kläger zu 1 ggf. phasenweise bzw. in gewissem Umfang arbeitsfähig sein, ist er auf den Einsatz seiner Arbeitskraft zu verweisen. Gänzlich ausgeschlossen erscheint jedwede berufliche Tätigkeit keineswegs, denn nach dem Vortrag der Kläger zu 1 und 2 soll die Erkrankung bereits in Belgien bestanden haben – so hat die Klägerin zu 2 etwa anlässlich der mündlichen Verhandlung davon berichtet, sie hätten krankheitsbedingt einmal einen bleiberechtlichen Status für ein Jahr erhalten – und gleichwohl sei es ihnen möglich gewesen, für ca. drei Jahre für einen (reichen) Mann gearbeitet zu haben. Das Problem sei nach der Darstellung des Klägers zu 1 vor allem gewesen, dass dieser Mann zu wenig Lohn bezahlt habe (Bl. 75, 83 d.A.). Jedenfalls ist die Klägerin zu 2 im Falle ihrer Rückkehr nach Armenien auf den Einsatz ihrer Arbeitskraft zu verweisen; die Kläger zu 3 und 4 sind nicht mehr in einem Alter, in dem sie die ständige Betreuung durch ihre Mutter benötigen, vielmehr kann auch der Kläger zu 1 unterstützend tätig werden bzw. die Kinder können (in allernächster Zukunft) einen Kindergarten bzw. die Schule besuchen.
Soweit im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 21.06.2017 (Gz. 508-516.80/3 ARM) ausgeführt wird, dass in Armenien viele Medikamente in guter Qualität hergestellt und zu einem Bruchteil der in Deutschland üblichen Preise verkauft werden, jedoch nicht immer alle Präparate vorhanden seien, wird ebenfalls erläutert, dass importierte Medikamente dagegen überall erhältlich und ebenfalls billiger als in Deutschland seien (S. 19 des Lageberichts). Sollte es demnach einmal vorkommen, dass trotz Registrierung des Klägers zu 1 für seine kostenlose Behandlung und Medikation (s. oben) sich einmal ein Engpass in Bezug auf die Verfügbarkeit des benötigten armenischen Präparats ergibt, so kann der Kläger zu 1 vor-übergehend auf überall erhältlich importierte Arzneimittel ausweichen. Frei zugänglichen Quellen im Internet (z.B. www.medikamente-per-klick.de) ist zu entnehmen, dass das Medikament Olanzapin 10 mg bereits in Deutschland zu einem Preis von ca. 1,00 EUR pro Tablette angeboten wird (70 Tabletten zu 69,65 EUR). Es zeigt sich deutlich, dass der Kläger zu 1 keine Medikamente benötigt, die bereits in Deutschland als besonders hochpreisig einzustufen wären. In Armenien sind aber gerade importierte Medikamente billiger als in Deutschland (vgl. S. 19 des Lageberichts).
Sollten sonst (Zu-)Zahlungen zu Medikamenten oder sonstigen medizinischen Leistungen zu erbringen sind, gelten die oben gemachten Ausführungen zum Einsatz der Arbeitskraft der Klägerin zu 2 und ggf. des Klägers zu 1 entsprechend. Schließlich ist einzubeziehen, dass die Familie der Kläger im Falle ihrer Rückkehr keineswegs auf sich alleine gestellt sein wird, sondern über Verwandtschaft in Armenien verfügt. Die Klägerin zu 2 hat anlässlich der mündlichen Verhandlung von ihrer in Armenien lebenden Mutter berichtet sowie einer Tante und Cousinen der Mutter; ihr Ehemann habe Geschwister in Armenien. Die Klägerin zu 2 hat darauf hingewiesen, dass seit ca. einem Jahr und auch aktuell kein Kontakt mit den Verwandten bestehe, doch ist nichts dafür ersichtlich, dass dieser Kontakt im Falle der Rückkehr der Kläger – gerade in Bezug auf die nahen Angehörigen wie die genannte Mutter der Klägerin zu 2 und die Geschwister des Klägers zu 1 – wieder hergestellt werden kann und auf diese Weise auch die im Rahmen der familiären bzw. verwandtschaftlichen Verbundenheit übliche Unterstützung in Anspruch genommen werden kann, insbesondere zur besseren Bewältigung gewisser, mit jeder Abschiebung gleichsam unvermeidlich einhergehender Anfangsschwierigkeiten. Erforderlichenfalls kann von staatlicher Seite vorübergehender Wohnraum für drei Monate zur Verfügung gestellt werden (vgl. vgl. IOM, Länderinformationsblatt Armenien, August 2015, S. 2).
2. Die Klagen sind im Übrigen wegen Versäumung der Klagefrist bereits unzulässig.
a) Der Bescheid des Bundesamts vom 07.03.2017 sollte den Klägern unter derjenigen Anschrift zugestellt werden, die dem Bundesamt zuletzt mitgeteilt worden war. Eine anderweitige Zuweisung als diejenige vom 26.03.2015, mit der den Klägern als Wohnsitz die dezentrale Unterkunft für Asylbewerber in der … in … zugewiesen wurde, war dem Bundesamt nicht bekannt. Die frühere Bevollmächtigte hatte, als sie den Umstand des Kirchenasyls mitteilte, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Kirchenasyl (nur) bis zum 31.12.2015 andauern sollte, was insofern schlüssig erschien, als damit gerade die Möglichkeit einer Überstellung nach Belgien – die entsprechende Frist lief bis zum 30.12.2015 – zwar nicht rechtlich, wohl aber faktisch unmöglich gemacht wurde.
Den Klägern wurden die notwendigen Belehrungen (vgl. § 10 Abs. 7 AsylG) erteilt, so dass sie den Zustellversuch des Bescheids vom 07.03.2017 nach § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG gegen sich gelten lassen müssen. Nachdem in der Behördenakte nicht ausdrücklich vermerkt ist, wann das Anschreiben des Bundesamts vom 07.03.2017, mit dem der Bescheid vom selben Tag zugestellt werden sollte, zur Post gegen wurde, ist davon auszugehen, dass jedenfalls am in der Akte dokumentierten Tag des erfolglosen Zustellversuchs (09.03.2017) die Zustellung als bewirkt gilt. Die Klagefrist von einer Woche nach § 71a Abs. 4 i.V.m. § 36, § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG begann folglich spätestens am 10.03.2017 zu laufen und endete am 16.03.2017, so dass der streitgegenständliche Bescheid jedenfalls seit dem 17.03.2017 bestandkräftig ist.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass nach der Beendigung des Kirchenasyls bestimmten Behörden eine neue Anschrift der Kläger möglicherweise bekannt gewesen sein mag. Die Pflichten aus § 10 Abs. 1 AsylG bestehen vielmehr unabhängig davon, dass sich beteiligte Behörden ggf. untereinander benachrichtigen (vgl. BeckOK AuslR/ Preisner AsylG § 10 Rn. 9-12; Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage, § 10 AsylG, Rn. 8 m.w.N.), was hier jedoch ohnehin gerade nicht erfolgt ist. Die Kläger zu 1 und 2 wurden qualifiziert darüber belehrt, dass sie den genannten Stellen – Bundesamt, Ausländerbehörde und im Falle eines Gerichtsverfahrens auch dem Verwaltungsgericht – jeden Wohnungswechsel mitteilen müssen. Sie wurde explizit belehrt, dass dies auch dann gilt, wenn eine neue behördliche Zuweisungsentscheidung vorliegt, denn die Zuweisungsbehörden seien in der Regel andere Behörden (Bl. 11 ff. d.A., Bl. 23 ff. d.A.). Nachdem dem Bundesamt im Nachgang zur Beendigung des Kirchenasyls weder von einer anderen (öffentlichen) Stelle noch von den Klägern selbst mitgeteilt worden ist, dass sie eine andere Wohnung bezogen haben, konnte das Bundesamt Zustellungen an die Kläger unter der dieser Behörde zuletzt mitgeteilten Anschrift bewirken, mithin unter der Anschrift … in ….
Auch aus dem Umstand, dass sich die Notwendigkeit des Bezugs einer neuen Wohnung möglicherweise dadurch ergeben hat, dass die Kläger nach dem Verlassen des offenen Kirchenasyls, mit dem sie sich Ende des Jahres 2015 dem behördlichen Zugriff faktisch entzogen und ihre Überstellung nach Belgien vereitelt haben, nicht wieder in ihre vormalige Wohnung einziehen konnten oder wollten – aus welchen Gründen auch immer – lässt sich im vorliegenden Verfahren nichts zu ihren Gunsten herleiten. Denn auch für diese Konstellation gelten die Vorschriften des Asylgesetzes uneingeschränkt (weiter), wenn die Kläger – wie hier – ihre Asylanträge nach der Beendigung des Kirchenasyls aufrechterhalten und eine Sachentscheidung des Bundesamts begehren. Die Kläger beanspruchen dann für sich zu Recht, dass das Bundesamt ein ordnungsgemäßes Verfahren unter Beachtung der maßgeblichen Normen durchführt. Im Gegenzug treffen jedoch auch die Kläger (weiterhin) alle ihnen kraft Gesetzes auferlegten Pflichtgen und Obliegenheiten, über die sie – wie hier – ordnungsgemäß belehrt wurden. Dazu gehört aber eben auch, dass dem Bundesamt ein Wohnungswechsel unverzüglich mitgeteilt wird.
Gründe, die eine Wiedereinsetzung in die nach allem versäumte Klagefrist rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen geschweige denn glaubhaft gemacht und im Übrigen auch sonst nicht ersichtlich. Der Bevollmächtigte der Kläger hat insoweit lediglich in seinem Klageantrag von einer Bekanntgabe am 22.05.2017 gesprochen, ohne zu thematisieren, dass den Klägern mit Anschreiben des Bundesamts vom 19.05.2017 der Bescheid nur „nochmals als KOPIE für ihre Unterlagen“ übermittelt wurde.
Mit der „nochmaligen“ Übermittlung einer „KOPIE“ für die Unterlagen der Kläger wurde jedoch die Rechtsbehelfsfrist nicht noch einmal neu eröffnet. Es liegt gerade kein neuer bzw. weiterer Verwaltungsakt vor, wenn die Behörde lediglich eine Kopie des bestandskräftigen Verwaltungsakts für die Unterlagen des Betreffenden übermittelt, denn es fehlt insoweit an der von § 35 VwVfG vorausgesetzten Regelungswirkung. Selbst eine wiederholende Verfügung eröffnet nicht die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs gegen den unanfechtbaren Verwaltungsakt. Es ist in der vorliegenden Sache auch nichts dafür ersichtlich, dass das Bundesamt mit der Zurverfügungstellung einer Kopie für die Unterlagen der Kläger (konkludent) ein Wiederaufgreifen abgelehnt hätte; auch in dieser Hinsicht liegt hier mangels Regelungswirkung kein weiterer Verwaltungsakt des Bundesamts vor, der zulässiger Gegenstand einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage sein könnte. Für das Vorliegen einer neuen Regelung würde beispielsweise sprechen, wenn sich tragende Erwägungen der Behörde in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht entscheidend geändert hätten, wobei es freilich auf die Erklärung der Behörde ankommt (vgl. zum Ganzen Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage, § 51, Rn. 57 m.w.N.). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Eine wiederholende Verfügung, der es an der Regelungswirkung mangelt, liegt vielmehr vor, wenn der vorangegangene Verwaltungsakt ohne erneute Sachentscheidung lediglich wiederholt wird (vgl. Windoffer in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 35, Rn. 89). Nach diesen Maßstäben liegt in der hier gegebenen Konstellation kein neuer bzw. weiterer Verwaltungsakt vor, der die Rechtsbehelfsfrist neu auslöst. Das Bundesamt hat keine neue Sach- und/oder Rechtsprüfung vor der Übermittlung der Kopie vorgenommen und schon gar keine abweichenden Regelungen oder Begründunginhalte in den Bescheid aufgenommen. Auch aus der Sicht der Kläger, die sich nicht selbst an das Bundesamt gewandt und etwa um Überprüfung gebeten haben, ob ein Wiederaufgreifen in Frage kommt, ist mit der in dem Anschreiben vom 19.05.2017 verwandten Formulierung, dass die Kläger anbei „nochmals“ den Bescheid als KOPIE für ihre Unterlagen erhalten, nichts dafür ersichtlich, dass das Bundesamt hier eine neue/weitere Regelung getroffen hätte, die die Rechtsbehelfsfrist von Neuem auslösen würde.
Der Bescheid vom 07.03.2017 ist damit bereits vor Klageerhebung in Bestandskraft erwachsen.
b) Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht daraus, dass die dem Bescheid vom 07.03.2017 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung:unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO wäre. Die Kläger haben diese Problematik im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO durch ihren Bevollmächtigten ausführlich vortragen lassen. Sie wurde auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert. Es wird zwar durchaus in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten, der Zusatz, dass „die Klage in deutscher Sprache abgefasst sein muss“, sei irreführend (so etwa VGH BW, U.v. 18.4.2017 – A 9 S 333/17 – juris). Diese Auffassung teilt das erkennende Gericht nicht und schließt sich der in der Rechtsprechung ebenfalls stark vertretenen Auffassung an, dass eine Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung:insoweit nicht gegeben ist (vgl. etwa VG Magdeburg, B.v. 23.6.2017 – 2 B 603/17; B.v. 23.5.2017 – 8 B 223/17; VG Berlin, U.v. 24.1.2017 – 21 K 346.16 A, B.v. 19.5.2017 – 6 L 383.17 A – alle juris, teilweise m.w.N.; s. ferner VG Regensburg, B.v. 3.7.2017 – RO 9 S 17.33824 n.v.). Das erkennende Gericht schließt sich den zutreffenden Erwägungen an, die das VG Münster in einem Gerichtsbescheid vom 6. Juni 2017 – 4 K 4967/16.A (juris) – zusammengestellt hat:
„Es gilt auch nicht die Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO. Die Jahresfrist ist dann einschlägig, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung:unterblieben oder unrichtig erteilt worden wäre. Dies ist hier nicht der Fall, auch wenn die Rechtsbehelfsbelehrung:des in Rede stehenden Bescheides den Passus enthält, dass die Klage „in deutscher Sprache abgefasst“ sein muss.
Ebenso im Ergebnis VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 15. November 2016 – 14a L 2496/16.A -; VG Berlin, Urteil vom 24. Januar 2017 – 21 K 346.16 A -; VG Berlin, Beschluss vom 16. November 2016 – 6 L 1249.16 A -; VG Saarland, Urteil vom 19. Dezember 2016 – 3 K 2501/16 -; VG Hamburg, Beschluss vom 11. Januar 2017 – 4 AE 94/17 -; eine Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung:demgegenüber annehmend VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18. April 2017 – A 9 S 333/17 -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24. Juni 2016 – 3a K 4187/15.A -; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2016 – 22 K 4119/15.A -; VG Hannover, Beschluss vom 15. September 2016 – 3 B 4870/16 – (jeweils juris).
Eine Rechtsbehelfsbelehrung:ist unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht enthält oder einen zusätzlichen unrichtigen oder irreführenden Hinweis aufweist, der generell geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen. (Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. März 2016 – 3 PKH 5. 15 -, juris, Rn. 6, vom 31. August 2015 – 2 B 61.14 -, juris, Rn. 8, und vom 16. November 2012 – 1 WB 3.12 -, juris, Rn. 14.)
Gemäß § 58 Abs. 1 VwGO ist der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich zu belehren. Die hier streitige Rechtsbehelfsbelehrung:enthält die nach § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben zur Klageerhebung. Sie enthält auch keinen zusätzlichen unrichtigen oder irreführenden Hinweis, der zu einer Unrichtigkeit im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO führt. Die Formulierung „in deutscher Sprache abgefasst“ ist kein Hinweis auf die Form der Klageerhebung, sie schließt insbesondere die mündliche Klageerhebung zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (vgl. § 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO) nicht aus.
Dem Verb „abfassen“ kommt im Rechtsverkehr nicht zwangsläufig die Bedeutung einer schriftlichen Äußerung zu. Die Erläuterung des Verbes „abfassen“ im Duden ist insofern nicht eindeutig, wenn diese anführt, dass „einem vorgegebenen, nicht allzu umfangreichen Stoff die entsprechende sprachliche Form geben“ gemeint ist. Zwar weisen die zusätzlich angeführten Synonyme („anfertigen, aufschreiben, aufsetzen, ausarbeiten, formulieren, niederschreiben, schreiben, verfassen, zu Papier bringen, [gehoben] niederlegen“) oftmals einen Bezug zur Schriftlichkeit auf. Allerdings zeigt die Aufzählung der Synonyme, dass „abfassen“ als Oberbegriff sonstige „Verkörperungen“ nicht ausschließt. Unabhängig davon erscheint ein Abstellen auf Synonyme für die Definition bzw. Begriffsbestimmung des „Abfassens“ nicht geeignet, weil Synonyme Begriffe mit bloß ähnlicher oder sinnverwandter Bedeutung darstellen.
Für einen fehlenden Bezug zur Schriftform spricht ferner, dass verschiedene Gesetze (z. B. „schriftlich abzufassen“ in § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 41a Abs. 1 Satz 1 StPO und § 84 Satz 1 ArbGG, „schriftlich abgefasst“ in § 129 Abs. 1 Satz 1 BGB und § 311 Abs. 2 Satz 3 ZPO) „abfassen“ mit der Ergänzung „schriftlich“ verwenden, was überflüssig bzw. redundant erscheint, wenn die Schriftform dem Abfassen bereits immanent wäre. Für eine Offenheit des Begriffs „Abfassen“ für andere Formen als die Schriftform spricht ferner, dass der Gesetzgeber neben der Möglichkeit, etwas „schriftlich abzufassen“ auch die Möglichkeit betont, etwas „elektronisch abzufassen“ (vgl. u.a. § 118 Abs. 2 Satz 3, § 119 Abs. 2 Satz 6 VwGO).
Selbst wenn jedoch die Begrifflichkeit des Abfassens einer schriftlichen Fixierung entspräche, ließe sich der verwendeten Rechtsbehelfsbelehrung:nicht entnehmen, dass der Rechtssuchende „selbst“ für die Schriftform zu sorgen hat. Durch die Formulierung im Passiv und durch das Partizip „abgefasst“ überlässt es die Rechtsbehelfsbelehrung:der handelnden Person, ob der Rechtsbehelf selbst schriftlich eingelegt werden soll oder ob sie Hilfspersonen – wie den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zwecks Niederschrift – in Anspruch nimmt. Denn auch ein mündlich zur Niederschrift erhobener Rechtsbehelf wird vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (in deutscher Sprache) schriftlich abgefasst. Die Klageerhebung zur Niederschrift stellt in diesem Sinne eine Unterform der Schriftlichkeit dar (Vgl. zu Letzterem Geiger, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 81 Rn. 11.).
Der in Rede stehende Passus der Rechtsbehelfsbelehrung:beschreibt danach, dass der Rechtsbehelf dem Gericht in deutscher Sprache vorliegen muss, um wirksam zu sein. Da sich die fragliche Rechtsbehelfsbelehrung:des Bundesamtes (allein) an einen ausländischen Adressatenkreis richtet, ist der Hinweis „in deutscher Sprache abgefasst“ dahin zu verstehen, dass das Erfordernis der Klageerhebung in deutscher Sprache betont bzw. verdeutlicht werden soll.
Ebenso VG Oldenburg, Beschluss vom 20. Oktober 2016 – 15 B 5090/16 -, juris, Rn. 10; VG Berlin, Beschluss vom 19. Mai 2017 – 6 L 383.17 A -, juris, Rn. 27.
Der Hinweis auf die Notwendigkeit der Klageerhebung in deutscher Sprache ist ebenfalls richtig. Gemäß § 55 VwGO i.V.m. § 184 GVG ist die Gerichtssprache Deutsch. Eingaben in anderer Sprache können danach keine fristwahrende Wirkung entfalten. (Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1990 – 9 B 506.89 -, juris, Rn. 2; Kissel/Mayer, GVG, 8. Auflage 2015, § 184 Rn. 5, m.w.N.)
Der Hinweis auf die Notwendigkeit der Klageerhebung in deutscher Sprache wird auch nicht dadurch unrichtig, dass Eingaben in anderer Sprache ausnahmsweise dann fristwahrende Wirkung entfalten können, wenn sie einen noch verständlichen Hinweis in deutscher Sprache enthalten, es werde ein Rechtsbehelf eingelegt. (Vgl. VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2016 – 22 K 4119/15.A -, juris, Rn. 64; offenlassend VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18. April 2017 – A 9 S 333/17 -, juris, Rn. 32.)
Denn für die Wirksamkeit der Klageerhebung kommt es im Einklang mit der Formulierung der Rechtsbehelfsbelehrung:auch in dieser Konstellation darauf an, ob einer deutschen Formulierung die Einlegung des Rechtsbehelfs zu entnehmen ist. Ein Anspruch auf einen Dolmetscher zum Zweck der mündlichen Klageerhebung zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in einer Fremdsprache besteht nicht.“
Für durchgreifend hält das Gericht insbesondere den Hinweis des VG Münster auf verschiedene andere Gesetze, die von „schriftlich abfassen“ sprechen, also das hier von Seiten des Bundesamts verwendete Verb „abfassen“ mit dem Zusatz „schriftlich“ verwenden, was jedoch überflüssig wäre, wenn die Schriftform dem Begriff des Abfassens, so wie es der Gesetzgeber eben versteht, bereits immanent wäre. Abgerundet werden die Erwägungen zu Recht durch den Hinweis des VG Münster auf eine andere gesetzliche Formulierung dahin, dass etwas „elektronisch abzufasen“ ist. Diese Überlegungen des VG Münster verfangen umso mehr, als es sich gerade (auch) um die Verwaltungsgerichtsordnung selbst handelt, die von „schriftlich abfassen“ oder „elektronisch abfassen“ spricht, so dass mit der hier verwendeten Formulierung des reinen „Abfassens“ keineswegs irrtümlich der Eindruck erweckt wird, eine Klageerhebung beim Urkundsbeamten des Gerichts, der die entsprechende Niederschrift abfasst, wäre nicht möglich.
3. Insgesamt werden die Klagen daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO, § 83b AsylG abgewiesen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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