Medizinrecht

Bestimmung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zur Gewährung von Unfallausgleich

Aktenzeichen  Au 2 K 15.1698

Datum:
6.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG BeamtVG § 30 Abs. 1 S. 1, § 35 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1 Maßstab der Minderung der Erwerbsfähigkeit für die Gewährung von Unfallausgleich (§ 35 Abs. 1 BeamtVG) ist die Fähigkeit, sich unter Nutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich im gesamten Bereich des Erwerbslebens bieten, einen Erwerb zu verschaffen; im Rahmen der Minderung der Erwerbsfähigkeit kommt es daher insbesondere auf den bisherigen Beruf, die bisherige Tätigkeit oder die Dienstfähigkeit des Beamten nicht an (stRspr, BVerwG BeckRS 2013, 48597). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2 Als objektives Messverfahren zum Nachweis einer Belastungsminderung der betroffenen Extremität kann die bestehende Muskelatrophie herangezogen werden, die zwingend mit einem Mindergebrauch des Arms einhergeht. (Rn. 48 und 49) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht über die vorliegende Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Klägerin hat im Hauptantrag keinen Anspruch auf Gewährung von Unfallausgleich aufgrund ihres Dienstunfalls vom 17. Januar 2013 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
a) Wird ein Beamter durch einen Dienstunfall verletzt, so wird ihm und seinen Hinterbliebenen gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG Unfallfürsorge gewährt. Die Unfallfürsorge umfasst gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BeamtVG Unfallausgleich i.S.v. § 35 BeamtVG. Ist ein infolge des Dienstunfalles verletzter Beamter in seiner Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate um mindestens 25 v.H. gemindert, so erhält er – solange dieser Zustand andauert – nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG neben den Dienstbezügen, den Anwärterbezügen oder dem Ruhegehalt einen Unfallausgleich. Die versorgungsrechtliche Minderung der Erwerbsfähigkeit ist gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG nach der körperlichen Beeinträchtigung im Allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen.
Maßstab der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist somit die Fähigkeit, sich unter Nutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich im gesamten Bereich des Erwerbslebens bieten, einen Erwerb zu verschaffen; im Rahmen der Minderung der Erwerbsfähigkeit kommt es daher insbesondere auf den bisherigen Beruf, die bisherige Tätigkeit oder die Dienstfähigkeit des Beamten nicht an (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2013 – 2 B 57/12 – juris Rn. 9; U.v. 21.9.2000 – 2 C 27.99 – BVerwGE 112, 92; VGH BW, U.v. 20.7.2016 – 4 S 2467/15 – juris Rn. 59; BayVGH, U.v. 29.7.2010 – 3 B 09.659 – juris Rn. 29; VG München, U.v. 15.12.2016 – M 12 K 16.2825 – juris Rn. 42; VG Augsburg, U.v. 28.10.2010 – Au 2 K 08.137 – juris Rn. 24).
Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist aufgrund eines ärztlichen Gutachtens festzustellen. Dabei bilden allgemeine Erfahrungssätze, in Tabellen und Empfehlungen enthaltene Richtwerte – also antizipierte Sachverständigengutachten – in der Regel die Basis für die Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch den Sachverständigen. Bei allen Richtwerten handelt es sich um Orientierungshilfen. Der Sachverständige kann sich an der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV) ebenso wie an Erfahrungswerten der gesetzlichen Unfallversicherung oder an Verwaltungsvorschriften zu § 35 BeamtVG orientieren. Die konkrete Bewertung muss jedoch stets auf die Besonderheiten der Minderung der Erwerbsfähigkeit des betroffenen Beamten abstellen, sei es, dass multiple Dienstunfallschäden vorhanden sind, sei es, dass zwischen dienstunfallunabhängigen und dienstunfallabhängigen körperlichen Beeinträchtigungen zu differenzieren ist. Maßgeblich ist, dass der Sachverständige bei seiner dienstunfallrechtlichen Bewertung als Maßstab die körperliche Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zugrunde legt (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 1.2.2013 – 3 ZB 11.1166 – juris Rn. 13; VG München, U.v. 15.12.2016 – M 12 K 16.2825 – juris Rn. 44).
Bei der Minderung der Erwerbsfähigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, die verwaltungsgerichtlich uneingeschränkt überprüfbar ist (vgl. BayVGH, U.v. 29.7.2010 – 3 B 09.659 – juris Rn. 48).
Für die Frage der kausalen Verknüpfung zwischen Unfallereignis und Körperschaden ist die von der Rechtsprechung entwickelte Theorie der wesentlichen Verursachung bzw. der zumindest wesentlich mitwirkenden Teilursache maßgeblich. Hiernach sind (mit-)ursächlich für einen eingetretenen Körperschaden nur solche Bedingungen im natürlich-logischen Sinn, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. BVerwG, U.v. 29.1.2009 – 2 A 3.08 – BayVBl 2009, 347). Als wesentliche Ursache kann auch ein Ereignis in Betracht kommen, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder beschleunigt, wenn ihm im Verhältnis zu den anderen denkbaren Ursachen nach natürlicher Betrachtungsweise eine überragende oder zumindest annähernd gleichwertige Bedeutung für den Eintritt des Schadens zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 7.5.1999 – 2 B 117.98 – juris Rn. 4). Umgekehrt ist das Unfallereignis dann nicht wesentliche Ursache für den Körperschaden, wenn das Ereignis von untergeordneter Bedeutung gewissermaßen der „letzte Tropfen“ war, der das „Fass zum Überlaufen“ brachte. Das Unfallereignis tritt dann im Verhältnis zu der schon gegebenen Bedingung (dem vorhandenen Leiden oder der Vorschädigung) derart zurück, dass die bereits gegebene Bedingung als allein maßgeblich anzusehen ist (ständige Rechtsprechung; vgl. bereits BVerwG, U.v. 20.4.1967 – II C 118.64 – BVerwGE 26, 332; vgl. weiter BayVGH, B.v. 4.12.2014 – 14 ZB 12.2449 – juris Rn. 6 m.w.N.; vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 5.5.2015 – 3 B 12.2148 – juris Rn. 30).
Nicht ursächlich im Sinn des Gesetzes sind demnach die sogenannten Gelegenheitsursachen, d.h. solche Bedingungen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht. Letzteres ist beispielsweise dann der Fall, wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte (vgl. BVerwG, B.v. 8.3.2004 – 2 B54.03 – juris Rn. 7). Der im Dienstunfallrecht maßgebliche Ursachenbegriff soll zu einer dem Schutzbereich der Dienstunfallfürsorge entsprechenden sachgerechten Risikoverteilung führen. Der Dienstherr soll nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie zurückzuführenden Unfallursachen belastet werden. Dem Beamten sollen dagegen diejenigen Risiken verbleiben, die sich aus anderen als dienstlichen Gründen, insbesondere aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben (BVerwG, B.v. 23.10.2013 – 2 B 34.12 – juris Rn. 8; vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 5.5.2015 – 3 B 12.2148 – juris Rn. 31).
Alle Tatbestandsvoraussetzungen für eine Dienstunfallanerkennung bzw. die geltend gemachten Unfallfolgen müssen zur Überzeugung der Behörde und des Gerichts vorliegen. Der Beamte trägt das Feststellungsrisiko bzw. die materielle Beweislast, dass die behauptete Schädigungsfolge wesentlich auf den Dienstunfall und nicht etwa auf eine anlagebedingte Konstitution zurückzuführen ist. Ein Anspruch ist nur dann anzuerkennen, wenn der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Körperschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwG, U.v. 25.2.2010 – 2 C 81.08 – NVwZ 2010, 708; BVerwG, B.v. 4.4.2011 – 2 B 7.10 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 4.12.2014 – 14 ZB 12.2449 – juris Rn. 7; vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 5.5.2015 – 3 B 12.2148 – juris Rn. 32; U.v. 29.7.2010 – 3 B 09.659 – juris Rn. 30).
Für die Verpflichtungsklage auf einen Unfallausgleich ist der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt für die Anspruchsvoraussetzungen die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – etwa des Widerspruchsbescheids (vgl. BayVGH, U.v. 5.5.2015 – 3 B 12.2148 – juris Rn. 23 unter Bezugnahme auf OVG Bremen, U.v. 29.10.2008 – 2 A 38/05 – juris Rn. 55; NdsOVG, B.v. 29.11.2000 – 2 L 3371/00 – juris Rn. 9).
b) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze sind im Fall der Klägerin die Voraussetzungen der Gewährung von Unfallausgleich aus § 30 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BeamtVG i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BeamtVG nicht gegeben.
Grund hierfür ist, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 25 v.H. nicht erreicht wird.
Zu dieser Überzeugung ist das Gericht aufgrund der nachvollziehbaren und plausiblen Darlegungen im durch das Gericht beauftragten unfallchirurgisch-orthopädischen Gutachten vom 14. Dezember 2016 (Blatt 106-137 der Gerichtsakte) nebst ergänzender Stellungnahme vom 10. Februar 2017 (Blatt 148-151 der Gerichtsakte) gelangt.
Der Gutachter hat insoweit – soweit ersichtlich – sämtliche zum Begutachtungszeitpunkt vorliegenden wesentlichen Arzt- und Befundberichte sowie Aufnahmen bildgebender Diagnostik – Röntgen, CT und MRT – ausgewertet (siehe Übersicht, S. 2 des Gutachtens; Blatt 107 der Gerichtsakte). Er hat auch die mit Klageerhebung durch die Klägerseite vorgelegten Gutachten berücksichtigt (S. 11 f. des Gutachtens; Blatt 116 f. der Gerichtsakte). Der Gutachter hat die Klägerin ferner am 28. November 2016 selbst untersucht und hierbei auch aktuelle Röntgenaufnahmen der linken Schulter in zwei Ebenen gefertigt. Hiervon ausgehend gelangt der Gutachter nach ausführlicher Wiedergabe der durchgeführten Eigenanamnese (Nr. 1), der Vorgeschichte der Schulterproblematik der Klägerin (Nr. 2), des Verlaufs der Heilung bzw. Therapie (Nr. 3), der aktuell seitens der Klägerin wahrgenommenen Beschwerden (Nr. 4) sowie selbst erhobener Befunde (Nr. 5) in seiner zusammenfassenden Beurteilung (Nr. 6) zu dem nachvollziehbaren und plausiblen Ergebnis, dass der Dienstunfall der Klägerin zu einer Schulterluxation links mit entsprechenden Verrenkungsmarken und Verletzungen geführt hat, d.h. einer Hill-Sachs-Läsion, einer Labrumläsion und knöcherner Bankart-Läsion, einer Verletzung am Bizepssehnenanker (SLAP Läsion) und Verletzungen der vorderen Gelenkkapsel, der glenerohumeralen Bänder und der Subskapularissehne. In der Gesamtschau aller klinischen und funktionellen Untersuchungsbefunde sowie der Ergebnisse bildgebender Diagnostik (Radiologie, MRT) ist aus Sicht des Gutachters unter Berücksichtigung der allgemein anerkannten Einschätzungsempfehlungen in der Literatur im Fall der Klägerin eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mehr als 25 v.H. nicht gegeben; diese ist vielmehr weiterhin mit 20 v.H. einzuschätzen (siehe zum Ganzen: S. 29-31 des Gutachtens, Blatt 134-136 der Gerichtsakte).
Der Gutachter verweist zur Begründung seines Ergebnisses nachvollziehbar und widerspruchsfrei darauf, dass bei der klinischen Untersuchung und Prüfung der Beweglichkeit der linken Schulter sich trotz Einschränkungen eine aktiv geführte Seitwärtshebung bis 100 Grad und Vorwärtshebung bis 110 Grad gezeigt hat. Die Rotationsbewegungen der linken Schulter sind im Seitenvergleich nicht sehr stark eingeschränkt. Es ist eine freie Beweglichkeit im Ellbogengelenk und auch der Handgelenke festzustellen gewesen. Bei der Prüfung der Kraft zeigte sich im Seitenvergleich eine Kraftminderung beim Heben und Senken des linken Arms im Schultergelenk von etwa einem Drittel. Allgemein weist der Gutachter jedoch darauf hin, dass die Messung der Beweglichkeit und auch der Kraftprüfung jedoch keine objektiven Verfahren sind, da sie von anderen Faktoren (z.B. Gegenspannung, Messfehlern) abhängig sind. Sie sind daher nur ein Kriterium unter mehreren bei der Gesamtbeurteilung. Als objektive Untersuchungsmethode hob der Gutachter hingegen die Messung der Umfangsmaße hervor. Er begründete diesen Ansatz nachvollziehbar und plausibel damit, dass ein erheblicher Mindergebrauch des betroffenen Arms zwingend mit einer verminderten Muskulatur an dem betroffenen Arm einhergeht. Bei den Umfangmaßen zeigte sich jedoch bei der Klägerin lediglich eine Seitendifferenz zu Ungunsten von links am Oberarm von 1 cm, was bei Rechtshändigkeit aus Sicht des Gutachters einen Normalbefund darstellt. Zeichen einer ausgeprägten Belastungsminderung mit einer Atrophie der Muskulatur waren nicht zu erkennen; lediglich war an der linken Schulter eine im Vergleich leichte Minderung der schulterumgreifenden Muskulatur festzustellen. Ansonsten bestanden keine Seitendifferenzen. Der Befund der Oberarme und der beiden Ellenbogengelenke war unauffällig. Bei der klinischen Untersuchung waren zwar die Zeichen für ein Impingement (Funktionsbeeinträchtigung der Gelenkbeweglichkeit) positiv. Am linken Schultereckgelenk war jedoch keine vermehrte Instabilität oder Verschieblichkeit festzustellen. In den Röntgenaufnahmen zeigten sich posttraumatische Veränderungen am Pfannenrand. Eine relevante Ormathrose (Gelenkverschleiß im Schultergelenk) ist jedoch nicht eingetreten. Insgesamt lassen sich aus Sicht des Gutachters keine Funktionsstörungen und Beeinträchtigungen feststellen, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 v.H. erreichen würden. Es bestehen nach seiner nachvollziehbaren Einschätzung lediglich Beeinträchtigungen, die unter Abgleich mit den Einschätzungsempfehlungen in der Literatur und unter Berücksichtigung der vorliegenden Situation mit 20 v.H. eingeschätzt werden könnten (siehe zum Ganzen: S. 24/29 des Gutachtens, Blatt 129/134 der Gerichtsakte; S. 14-17 des Gutachtens; Blatt 119-122 der Gerichtsakte; siehe auch Anlage „Messblatt für obere Gliedmaßen“, Blatt 137 der Gerichtsakte).
Auch in seiner auf Betreiben der Klägerseite eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 10. Februar 2017 (Blatt 148-151 der Gerichtsakte) weist der Gutachter nochmals plausibel darauf hin, dass die Messung der Beweglichkeit lediglich eine semi-objektive Untersuchung ist und als objektives Messverfahren zum Nachweis einer Belastungsminderung der betroffenen Extremität die bestehende Muskelatrophie herangezogen werden kann, die zwingend mit einem deutlichen bzw. ausgeprägten Mindergebrauch des Arms einhergeht. Eine relevante Differenz zwischen linkem und rechtem Arm fehlt jedoch bei der Klägerin. Der Gutachter weist abschließend zutreffend darauf hin, dass nicht die im Gutachten nachrichtlich wiedergegeben subjektiven Beschwerden der Klägerin (siehe hierzu S. 13 f. des Gutachtens; Blatt 118 f. der Gerichtsakte), sondern objektiv verifizierbare wissenschaftliche Daten und Befunde für die Minderung der Erwerbsfähigkeit maßgeblich sind.
Die vom Gutachter maßgeblich als objektives Messverfahren herangezogene Muskelatrophie ist auch nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ein anerkanntes Verfahren im Rahmen der Ermittlung der versorgungsrechtlichen Minderung der Erwerbsfähigkeit (vgl. etwa VG Saarland, U.v. 24.11.2008 – 3 K 1872/07 – juris Rn. 35 f.).
Der Gutachter hat seine Einschätzung im Einzelfall der Klägerin auch hinreichend in Relation zu Einschätzungsempfehlungen in der Literatur und sonstigen Leitlinien gesetzt, auch wenn er die herangezogenen Quellen nicht ausdrücklich benannt hat. Der Gutachter hat insoweit darauf hingewiesen, dass bei einer Versteifung des Schultergelenks von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H. auszugehen wäre. Bei einer Bewegungseinschränkung mit einer Vorwärtshebung oder Elevation bis 90° sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. gegeben. Eine Bewegungseinschränkung mit einer Vorwärtshebung und Seitwärtshebung bis 120° bedinge hingegen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 v.H. Eine konzentrische Bewegungseinschränkung um die Hälfte für sämtliche Bewegungen einschließlich der Rotationsbewegungen würde schließlich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H. ergeben (siehe zum Ganzen: S. 23 f. des Gutachtens; Blatt 128 f. der Gerichtsakte). Die vom Gutachter genannten Regelempfehlungen entsprechen im Wesentlichen der in der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV – enthaltenen Tabelle für den jeweiligen Grad der Schädigungsfolgen (GdS; vgl. Nr. 18.13: Schäden der oberen Gliedmaßen). Insbesondere ist dort für Bewegungseinschränkungen des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) ohne Versteifungen oder Instabilitäten – mithin ein Beschwerdebild, das dem der Klägerin entspricht – maximal ein Grad der Schädigungsfolgen von 20 v.H. vorgesehen.
Auch die durch die Klägerseite bereits mit Klageerhebung vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen vermögen das Ergebnis des gerichtlichen Sachverständigengutachtens nicht in Frage zu stellen.
Soweit es das für eine private Unfallversicherung erstellte Gutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 19. Oktober 2015 nebst ergänzender Stellungnahme vom 29. Dezember 2015 (Blatt 19-33 der Gerichtsakte) betrifft, so ist hier zwar bezüglich des linken Schultergelenks eine dauerhafte Funktionseinschränkung von 5/20 des „Armwerts“ festgestellt worden; in der ergänzenden Stellungnahme vom 29. Dezember 2015 (Blatt 75-78 der Gerichtsakte) ist dieses Ergebnis sogar noch auf 6/20 des „Armwerts“ angehoben worden. Für die streitgegenständliche Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit können die in der privaten Unfallversicherung verwendeten Bewertungszahlen („Gliedertaxe“) jedoch nicht herangezogen werden, da sie eine völlig andere Bewertungsstruktur haben. Dort wird dem Verlust von Gliedmaßen, etwa einem Arm, ein bestimmter Wert zugemessen (z.B. 70 v.H. der Versicherungssumme). Anschließend wird eine Beeinträchtigung des Arms in Bruchteilen bewertet, die wiederum Grundlage für die Kapitalentschädigung sind. Eine solche Beurteilung kann auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht übertragen werden, da diese nicht das Ergebnis einer Taxierung der Glieder ist, sondern den Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens bemisst. Die vorliegend ausgeworfenen Bruchteile von 5/20 bzw. 6/20 des „Armwerts“ entsprechen daher nicht etwa einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 v.H. oder 30 v.H. (vgl. zum Ganzen: BayLSG, U.v. 14.1.2004 – L 17 U 116/02 – juris Rn. 42; LSG Sachsen-Anhalt, U.v. 14.5.2003 – L 6 U 21/00 – juris Rn. 41). Nach alledem führt das genannte Gutachten nebst ergänzender Stellungnahme vorliegend von vornherein nicht weiter. Hierauf hat auch der gerichtlich bestellte Gutachter zutreffend hingewiesen (S. 23 des Gutachtens; Blatt 148 der Gerichtsakte).
Soweit es die Stellungnahme eines Unfallchirurgen vom 14. April 2016 (Blatt 80-86 der Gerichtsakte) betrifft, so ist bereits festzuhalten, dass es sich insoweit um ein bloße Beurteilung nach Aktenlage handelt, d.h. eine persönliche Untersuchung der Klägerin durch den Unfallchirurgen hat nicht stattgefunden. Der Aussage des Unfallchirurgen, dass auch und gerade aktiv-geführte Bewegungen für die Messung der Beweglichkeit des Schultergelenks maßgeblich seien (S. 5 der Stellungnahme), hat sich der gerichtlich bestellte Gutachter überdies angeschlossen (S. 24 des Gutachtens; Blatt 129 der Gerichtsakte). Wie bereits ausgeführt ist er jedoch der nachvollziehbaren und plausiblen Auffassung, dass eine Testung der Beweglichkeit nur ein Kriterium unter mehreren bei der Gesamtbeurteilung des Grads der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist. Vor diesem Hintergrund vermag die in der Stellungnahme des Unfallchirurgen vom 14. April 2016 erfolgte schlichte Übertragung der im unfallversicherungsrechtlichen Gutachten der Fachärztin für Orthopädie vom 19. Oktober 2015 enthaltenen Bewegungswerte der Klägerin in die zitierten Einschätzungsempfehlungen nicht zu überzeugen. Die so ermittelte Minderung der Erwerbsfähigkeit um 25 v.H. wird letztlich nicht anhand des maßgeblichen Einzelfalls der Klägerin substantiiert begründet.
2. Auch der aufgrund der Erfolglosigkeit des Hauptantrags zu entscheidende Hilfsantrag ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute Verbescheidung ihres Antrags auf Gewährung von Unfallausgleich aufgrund ihres Dienstunfalls vom 17. Januar 2013 (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Wie ausgeführt hat die Beklagte die Gewährung von Unfallausgleich zu Recht abgelehnt, da die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben sind (vgl. VG Augsburg, U.v. 15.2.2007 – Au 2 K 06.1135 – juris Rn. 20).
3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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