Aktenzeichen 6 Sa 16/17
Leitsatz
Für den fraglichen Zeitraum war trotz ausreichender Bescheinigung des behandelnden Facharztes über die allgemeinen Einschränkungen für eine Tätigkeit der Klägerin die negative Beurteilung der Einsatzfähigkeit durch den nicht nur fachkundigen sondern auch sachkundigen (was die Arbeitsplatzanforderungen anbelangt) Postbetriebsarzt ausschlaggebend. (Rn. 28 – 34)
Verfahrensgang
2 Ca 2426/16 2016-11-30 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 30.11.2016, Az. 2 Ca 2426/16, wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Berufung ist zulässig, sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist in der Sache nicht begründet.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Forderungen weder aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges noch des Schadensersatzes zu. Die Klägerin hat zwar ab 15.02.2016 ihre Arbeitsleistung angeboten, sie war aber zur Überzeugung des Gerichts nicht vor dem 02.11.2016 leistungsfähig. Es kann daher dahinstehen, ob und in welcher Form die Klägerin für die geltend gemachten Ansprüche aktiv legitimiert war.
Die Leistungsfähigkeit der Klägerin ist Voraussetzung dafür, dass sie ihre Arbeitsleistung ordnungsgemäß anbieten konnte. Für die Frage der Leistungsfähigkeit der Klägerin ist zum einen von dem gemäß BEM-Gespräch vom 07.12.2015 für die Klägerin identifizierten Arbeitsplatz im Bereich „integrierte Lesevideocodiermaschine-Videocodiertunnel“ auszugehen. Die Klägerin hat die in dem BEM-Gespräch wiedergegebenen Angaben nicht bestritten, dass andere für die Klägerin zuträgliche so genannte „Schonarbeitsplätze‘“ nicht frei sind und in absehbarer Zeit auch nicht frei werden. Sie hat auch nicht eine Beschäftigung auf einem solchen Arbeitsplatz geltend gemacht.
Zum anderen ist von den Einschätzungen des Postbetriebsarztes zur Leistungsfähigkeit der Klägerin auf dem identifizierten Arbeitsplatz uneingeschränkt auszugehen. Der Postbetriebsarzt ist insoweit die in besonderen Maße sach- als fachkundige Auskunftsperson. Sachkundig deshalb, da er den fraglichen Arbeitsplatz aus eigener Anschauung kannte und aus medizinischer Sicht mit seinen körperlichen und psychischen Beanspruchungen kannte, vgl. das Schreiben vom 22.04.2016. Darüber hinaus war er als Betriebsarzt auch fachkundig als Arzt und Arbeitsmediziner, daneben hat er die Klägerin nicht nur einmal im Rahmen von Eignungsuntersuchungen zur Erstellung eines Leistungsbildes selbst untersucht und auch die vom die Klägerin behandelnden Facharzt stammenden Atteste gekannt und in seine Einschätzungen einbezogen. Die entsprechende besondere Kompetenz ist auch nicht in Abrede gestellt worden. Das Gericht folgt daher der Einschätzung des sowohl sach- als auch fachkundigen Arztes. Eine eventuell andere Wertung oder Einschätzung durch das Gericht oder eine der Parteien ist demgegenüber ohne Bedeutung.
Für den fraglichen Zeitraum ergibt sich insbesondere aus dem Schreiben vom 22.04.2016, dass aufgrund genauer Kenntnis der Anforderungen für den Arbeitsplatz, Eignungsuntersuchung der Klägerin und in Kenntnis des letzten Attestes des die Klägerin behandelnden Facharztes eine Leistungsfähigkeit der Klägerin für den genannten Arbeitsplatz gerade nicht vorlag.
Dagegen spricht nicht, dass der Postbetriebsarzt nach eigener Untersuchung der Klägerin im Januar 2016 nach Vorlage des Attestes vom 05.02.2016 – das offensichtlich aus Sicht des behandelnden Arztes eine Besserung der Leistungsfähigkeit der Klägerin beinhaltete – die Klägerin nicht nochmals selbst untersuchte. Ob aufgrund des neuerlichen Attestes eine erneute Untersuchung erforderlich war oder dieses Attest auch so im Wesentlichen mit den eigenen Feststellungen übereinstimmte, oblag der Einschätzung des fachkundigen Arztes.
Die Einschätzung der Leistungsfähigkeit durch den Postbetriebsarzt ist auch nicht dadurch erschüttert, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin für den fraglichen Arbeitsplatz seit 02.11.2016 wohl gegeben ist – zumindest erfüllt die Klägerin dort seit dieser Zeit ihre Arbeitsaufgaben uneingeschränkt. Denn nach einem neuerlichen Attest des behandelnden Arztes erachtete der Postbetriebsarzt bereits im Juni 2016 eine dreimonatige Wiedereingliederungsmaßnahme als möglich, was bedeutet, dass auch der Postbetriebsarzt nach dieser Zeit die Wiederherstellung der vollen Leistungsfähigkeit der Klägerin für diesen Arbeitsplatz als möglich hielt, insbesondere für die Zeit nach der Wiedereingliederung, mithin auch für die Zeit ab 01.11.2016. Mit der Einschätzung des Postbetriebsarztes steht daher letztlich in Einklang, dass die Klägerin ab 02.11.2016 ihre Arbeit uneingeschränkt erbringt. Daraus ergibt sich aber entgegen der Ansicht der Klagepartei nicht, dass schon vor dem 01.11.2016 und insbesondere ab Februar 2016 die Leistungsfähigkeit der Klägerin bestanden hätte.
Gegen die Einschätzung der fehlenden Leistungsfähigkeit bis dorthin spricht nicht, dass im Jahr 2012 der Postbetriebsarzt aus arbeitsmedizinischer Sicht keine Bedenken gegen eine Beschäftigung der Klägerin im Bereich ILVM äußerte. Es ist weder ersichtlich, welches Krankheitsbild und welche gesundheitliche Einschätzung dem zugrunde lag und insbesondere welche Arbeitsplätze konkret damit gemeint waren und wie diese zu dem damaligen Zeitpunkt gestaltet waren.
Der Einschätzung des Postbetriebsarztes kann auch nicht entgegengehalten werden, dass er als Betriebsarzt parteiisch wäre und aus Gründen der Nähe zur Beklagten die Leistungsfähigkeit der Klägerin lange Zeit verneint habe. Hierfür gibt es keinerlei Anhaltspunkte, dagegen spricht auch seine Einschätzung vom Juni 2016.
Die Atteste des die Klägerin behandelnden Facharztes können die Einschätzung ebenso wenig erschüttern. Wie der Postbetriebsarzt mitteilte, ist der behandelnde Facharzt sicherlich fachkundig, was die abstrakte objektive Leistungsfähigkeit der Klägerin anbelangt, wie sie in den Attesten zum Ausdruck kommt. Diese Atteste hat der Postbetriebsarzt aber gerade ausdrücklich jeweils bei seiner Einschätzung mit berücksichtigt. Dies ändert aber nichts daran, dass diesem Arzt die nötige Sachkunde fehlte, da er den fraglichen Arbeitsplatz nicht selbst in Augenschein genommen hatte. Daran ändert auch nichts, dass das Attest vom 05.02.2016 auf Angaben der Rechtsanwältin zu den Anforderungen an den Arbeitsplatz beruhte. Auch dieses Attest legt lediglich abstrakt die Leistungsfähigkeit der Klägerin dar, besagt selbst aber nicht, dass die Klägerin an diesem bestimmten Arbeitsplatz dauerhaft leistungsfähig wäre.
Nachdem die Einschätzung des Postbetriebsarztes danach nicht erschüttert werden konnte, bedurfte es keiner weiteren Darlegungen der Beklagten zu dieser Einschätzung und infolge dessen auch keiner Erhebung eines Sachverständigengutachtens.
Mangels Leistungsfähigkeit stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Das Urteil des Arbeitsgerichts erweist sich daher im Ergebnis als richtig. Die Berufung ist zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG).