Verwaltungsrecht

Vertretung durch einen Rechtsanwalt bei Verlängerung der Sicherungshaft

Aktenzeichen  4 T 1047/17, 4 T 1395/17

Datum:
22.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 158565
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 2 Abs. 14 Nr. 5, § 4, § 14 Abs. 1,  § 59 Abs. 1, § 62 Abs. 3 S. 3, § 106 Abs. 2
FamFG § 425

 

Leitsatz

1. Ob sich für den Betroffenen im Verfahren über die vorangegangene Haftanordnung ein Verfahrensbevollmächtigter bestellt hat, hat das für die Entscheidung über einen Antrag auf Verlängerung der Sicherungshaft zuständige Amtsgericht grundsätzlich nicht von Amts wegen zu prüfen.(Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist dem Haftrichter ausnahmsweise bekannt, dass der Betroffene in dem vorangegangenen Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten wurde, so muss er den Betroffenen fragen, ob dieser ihn auch im Verfahren über die Haftverlängerung vertreten soll, und gegebenenfalls dem Rechtsanwalt eine Teilnahme an der persönlichen Anhörung des Betroffenen ermöglichen.  (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

8 XIV 51/17 2017-03-21 Bes AGROSENHEIM AG Rosenheim

Tenor

1. Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der mit Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim vom 21.03.2017, Az. 8 XIV 51/17 angeordneten und bis 13.04.2017 vollzogenen Haft wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der mit Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 13.04.2017, Az. 1 XIV 72/17 angeordneten und bis 10.05.2017 vollzogenen Haft wird zurückgewiesen.
3. Der Betroffene trägt die Kosten beider Beschwerdeverfahren.
4. Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für beide Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
5. Der Geschäftswert wird auf jeweils 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Der Betroffene ist tunesischer Staatsangehöriger. Er reiste am 20.03.2017 mit dem Zug EN 294 (Mailand – München) nach Deutschland ein. Bei der polizeilichen Kontrolle gegen 07.30 Uhr konnte er sich mit keinen aufenthaltslegitimierenden Dokumenten ausweisen, er legte den kontrollierenden Beamten nur einen tunesischen Reisepass vor. Der Betroffene wurde am 20.03.2017 (Bl. 8/9 – 4 T 1047/17) wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise polizeilich vernommen. Hier äußerte er, er sei mit einer Italienerin verheiratet, habe nach Amsterdam gewollt und danach wieder zurück nach Italien. Er wolle nicht in Deutschland bleiben, er wolle sofort zurück nach Italien.
Die beteiligte Behörde verfügte am 20.03.2017 die Abschiebung des Betroffenen nach Tunesien (Bl. 15/17 – 4 T 1047/17)
Mit Schreiben vom 21.03.2017 (Bl. 1/7 – 4 T 1047/17) beantragte die beteiligte Behörde beim Amtsgericht Rosenheim die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 18.04.2017. Zur Begründung führt sie aus, die EURODAC-Recherche sei negativ verlaufen. Der Betroffene solle nach Tunesien abgeschoben werden. Es liege ein Haftgrund gemäß § 62 Abs. 3 Nr. 5 in Verbindung mit § 2 Abs. 14 Nr. 5 AufenthG vor. Der Betroffene habe sich gegenüber den Polizeibeamten äußerst unkooperativ gezeigt. Sein Verhalten sei äußerst renitent gewesen mit Herumschreien, Spucken und gegen die Zellentür schlagend. Er habe auch versucht, sich selbst zu verletzen, indem er in das eigene Knie gebissen habe, mit dem Kopf gegen die Wand gerannt sei bis zur Bewusstlosigkeit und einen kleinen metallenen Gegenstand verschluckt habe. Nachdem er selbst durch drei ihn fixierende Beamte und Kunststoffhelm nicht zu beruhigen gewesen sei, sei er in das ISK Wasserburg transportiert und dort nach dem Unterbringungsgesetz eingewiesen worden. In der Klinik habe er den leitenden Arzt und das Pflegepersonal beiseite geschubst und versucht, zu fliehen, was durch eine Sicherheitstür verhindert werden konnte.
Am 21.03.2017 hörte der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Rosenheim den Betroffenen mündlich an (Bl. 19/20 – 4 T 1047/17). Hier äußerte der Betroffene u.a., er wolle keinesfalls nach Tunesien zurück, weil er dort nichts habe. Wenn er nach Tunesien zurückgebracht werde, würde er sofort wieder nach Italien reisen. Mit Beschluss vom selben Tag (Bl. 21/24 – 4 T 1047/17) ordnete das Amtsgericht Rosenheim gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung bis spätestens 18.04.2017 an. Hiergegen legte der Betroffene mit Anwaltsschreiben vom 01.04.2017 Beschwerde ein (Bl. 28/29 – 4 T 1047/17), die er mit Schreiben vom 10.04.2017 und 15.06.2017 begründete. Er beantragte zudem, festzustellen, dass der angefochtene Beschluss ihn in seinen Rechten verletzt hat, sowie die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe. Das Amtsgericht Rosenheim half der Beschwerde mit Beschluss vom 05.04.2017 (Bl. 31 – 4 T 1047/17) nicht ab.
Mit Schreiben vom 12.04.2017 (Bl. 1/7 – 4 T 1395/17) beantragte die beteiligte Behörde beim Amtsgericht Mühldorf die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung für weitere 30 Tage bis zum 12.05.2017. Aufgrund des bisherigen renitenten Verhaltens des Betroffenen bedürfe es zur Rückführung eines Charterfluges in ärztlicher und polizeilicher Begleitung. Der nächstmögliche Charterflug finde am 10.05.2017 statt. Mit Verfügung vom 12.04.2017 (Bl. 25 – 4 T 1395/17) bestimmte das Amtsgericht Mühldorf Anhörungstermin auf den 13.04.2017; eine Ladung des Verfahrensbevollmächtigten zu diesem Termin erfolgte nicht. Nach richterlicher Anhörung des Betroffenen am 13.04.2017 (Bl. 26/27 – 4 T 1395/17) ordnete das Amtsgericht Mühldorf mit Beschluss vom selben Tag (Bl. 28/32 – 4 T 1395/17) die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 11.05.2017 an und wies den Antrag der beteiligten Behörde im Übrigen zurück. Nachdem die Überstellung am 10.05.2017 geplant sei, könne ein weiterer Tag bewilligt werden, um im Falle des Scheiterns des Rückführungsversuchs am 10.05.2017 die Möglichkeit zu haben, gegebenenfalls einen Verlängerungsantrag stellen zu können. Eine darüber hinausgehende Verlängerung bis 12.05.2017 sei nicht geboten. Hiergegen legte der Betroffene mit Anwaltsschreiben vom 21.04.2017 Beschwerde ein (Bl. 34/35 – 4 T 1395/17), die er mit Schreiben vom 08.05.2017 und 15.06.2017 begründete. Er beantragte auch hier, festzustellen, dass der angefochtene Beschluss ihn in seinen Rechten verletzt hat, sowie die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe. Das Amtsgericht Rosenheim half der Beschwerde mit Beschluss vom 11.05.2017 (Bl. 44/45 – 4 T 1395/17) nicht ab.
Der beauftragte Richter des Landgerichts Traunstein hörte den Betroffenen am 19.04.2017 im Beschwerdeverfahren Az. 4 T 1047/17 persönlich an.
Der Betroffene wurde am 10.05.2017 abgeschoben. II.
1. Gegen die Anordnungen der Haft zur Sicherung der Abschiebung ist gemäß § 106 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 58 Abs. 1 FamFG das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Die Beschwerden wurden fristgerecht innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist (§ 63 Abs. 1 FamFG) eingelegt und sind zulässig. Da sich das Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim vom 21.03.2017 (Az. 4 T 1047/17) durch Erlass des Beschlusses des Amtsgerichts Mühldorf vom 13.04.2017 (Az. 4 T 1395/17) und das Beschwerdeverfahren gegen letzteren Beschluss durch die Abschiebung des Betroffenen am 10.05.2017 erledigt haben, kann nach § 62 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 FamFG jeweils die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft begehrt werden.
2. Die Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der mit Beschlüssen des Amtsgerichts Rosenheim vom 21.03.2017 und des Amtsgerichts Mühldorf vom 13.04.2017 angeordneten Haft sind unbegründet.
a) Der Betroffene ist aufgrund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Seine Einreise war unerlaubt, da er den erforderlichen Pass nach § 3 AufenthG oder Aufenthaltstitel nach § 4 AufenthG nicht besaß (§ 14 Abs. 1 AufenthG).
Soweit der Betroffene angegeben hat, er sei lediglich auf der Durchreise in die Niederlande gewesen, berechtigte ihn dies nicht zur Einreise in die Bundesrepublik.
Gleiches gilt für die behauptete Eheschließung mit einer italienischen Staatsangehörigen. Der Betroffene ist ausweislich der Auskunft des tunesischen Generalkonsulats in Mailand vom 16.02.2017 (Bl. 54 – 4 T 1047/17) ledig.
b) Der Anordnung der Abschiebehaft lag jeweils ein zulässiger und ausreichend begründeter Haftantrag der beteiligten Ausländerbehörde vom 21.03.2017 und vom 12.04.2017 zugrunde. Für Abschiebehaftanträge werden insbesondere Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (vgl. § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3-5 FamFG). Inhalt und Umfang der erforderlichen Darlegung bestimmen sich nach dem Zweck des Begründungserfordernisses. Es soll gewährleisten, dass das Gericht die Grundlagen erkennt, auf welche die Behörde ihren Antrag stützt, und dass das rechtliche Gehör des Betroffenen durch die Übermittlung des Haftantrags nach § 23 Abs. 2 FamFG gewahrt wird (BGH vom 22. Juli 2010, V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511). Die Darlegungen dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falles ansprechen (BGH vom 15.09.2011, FGPrax 2011, 317). Für Anträge auf Verlängerung der Haft gelten die Vorschriften über die erstmalige Antragstellung entsprechend (§ 425 Abs. 3 FamFG).
aa) Aus den Haftanträgen der beteiligten Behörde vom 21.03.2017 und 12.04.2017 geht eindeutig hervor, dass der Betroffene nach Tunesien abgeschoben werden soll (Ziffer IV. e) und f) der jeweiligen Anträge). Soweit in der Begründung zu den Haftgründen von Italien die Rede ist, handelt es sich unzweifelhaft um ein offensichtliches Schreibversehen.
bb) Der Antrag vom 21.03.2017 enthält eine in einzelne zeitliche Abschnitte gegliederte nachvollziehbare zeitliche Darstellung, dass die beteiligte Behörde voraussichtlich den regelmäßigen Zeitraum von vier Wochen für die beabsichtigte Abschiebung nach Tunesien benötigt (vgl. Ziffer IV f), Bl. 5). Zwei Wochen werden benötigt für die Anbietung an die tunesischen Behörden und weitere zwei Wochen für die Abschiebebescheiderstellung an den Betroffenen, Übersendung der Überstellungsdaten, Flugbuchung, Organisation des Abschiebepersonals mit ärztlichem Dienst und Organisation der tatsächlichen Überstellung.
Der Antrag vom 12.04.2017 enthält eine schlüssige Begründung dafür, dass eine Verlängerung der Haft erforderlich ist. Das Verhalten des Betroffenen, der sich massiv den polizeilichen Maßnahmen wiedersetzt hat und sich wiederholt selbst verletzt hat, erfordere eine Abschiebung per Charterflug mit polizeilicher und ärztlicher Begleitung. Der nächstmögliche entsprechende Charterflug nach Tunesien, der durch die zentrale Ausländerbehörde des Landes Sachsen gebucht werden konnte, finde erst am 10.05.2017 statt, was eine entsprechende Verlängerung der Haft erforderlich mache. Der Umstand, dass sich erst im Nachhinein herausgestellt hat, dass der nächstmögliche Charterflug nicht innerhalb des erfahrungsgemäß üblichen zeitlichen Rahmens möglich ist, macht den Haftantrag vom 21.03.2017 nicht unzulässig.
cc) In den Haftanträgen ist ausgeführt, dass dem Betroffenen nach § 59 Abs. 1 AufenthG die Abschiebung angedroht wurde.
c) Das Einvernehmen der zuständigen Staatsanwaltschaft Traunstein lag vor. Im Übrigen ist dieses Einvernehmen nach der aktuellen Fassung des § 72 Abs. 4 AufenthG nicht mehr erforderlich.
d) Es bestand der Haftgrund der Fluchtgefahr nach §§ 62 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 5, 2 Abs. 14 Ziffer 5 AufenthG.
Nach §§ 62 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 5, 2 Abs. 14 Ziffer 5 AufenthG ist gegen einen Ausländer Haft zur Sicherung der Abschiebung anzuordnen, wenn im Einzelfall Gründe vorliegen, die auf den in § 2 Abs. 14 AufenthG festgelegten Anhaltspunkten beruhen, und deshalb der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung durch Flucht entziehen will. Zu den in § 2 Abs. 14 AufenthG festgelegten konkreten Anhaltspunkten für die Fluchtgefahr gehört nach Nr. 5 dieser Vorschrift die ausdrückliche Erklärung des Ausländers, dass er sich der Abschiebung entziehen wollte. Eine solche Erklärung liegt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung vor, wenn der Ausländer klar zum Ausdruck bringt, dass er nicht freiwillig in den in der Abschiebungsandrohung genannten Zielstaat reisen und sich vor allem auch nicht für eine behördliche Durchsetzung seiner Verfügung zur Rückführung zur Verfügung halten würde (BGH, Beschluss vom 12.05.2016 – V ZB 27/16).
So liegt der Fall hier.
Nach seiner Festnahme hat der Betroffene gespuckt, herumgeschrien und gegen die Zellentür geschlagen. Darüber hinaus hat er sich selbst verletzt, indem er sich gebissen hat, mit dem Kopf bis zur Bewusstlosigkeit gegen die Wand gerannt ist und einen kleinen metallenen Gegenstand verschluckt hat. Nachdem er durch drei ihn fixierende Beamte und einen Kunststoffhelm nicht zu beruhigen war, wurde er ins kbo-Inn-Salzach-Klinikum verbracht, wo er das Pflegepersonal und den Arzt beiseite geschubst hat, um zu fliehen, was nur durch eine Sicherheitstür verhindert werden konnte.
In seiner richterlichen Anhörung vor dem Amtsgericht Rosenheim am 21.03.2017 hat er angegeben, er wolle auf keinen Fall nach Tunesien zurück. Wenn er dorthin zurückgebracht werde, würde er sofort wieder nach Italien reisen. Gegenüber dem beauftragten Richter des Landgerichts Traunstein hat er ausgeführt, nicht abgeschoben werden zu wollen, und seine Einlassung, er wolle zurück nach Italien, wiederholt.
Die Kammer hat aufgrund dieser Äußerungen und des renitenten Verhaltens des Betroffenen keine Zweifel daran, dass sich der Betroffene einer Abschiebung nach Tunesien nicht freiwillig gestellt hätte, sondern im Falle einer Freilassung untergetaucht wäre.
e) Die Haft war nicht wegen des während der Abschiebehaft gestellten Asylantrages aufzuheben. Da gegen den Betroffenen gemäß § 62 Abs. 3 Ziffer 5 AufenthG Sicherungshaft verhängt wurde, stand die Asylantragstellung der Aufrechterhaltung der Haft nicht entgegen (§ 14 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 4 AsylG). Noch vor Ablauf der Frist von vier Wochen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 AsylG) wurde der Asylantrag am 12.04.2017 abgelehnt.
f) Der Haftgrund ist auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (§ 62 Abs. 1 AufenthG) zu bejahen, da ein milderes Mittel als die Inhaftierung des Betroffenen zur Sicherung der Zurückschiebung nicht gegeben war. Meldeauflagen, die Verwahrung des Passes oder die Verfügung, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten waren entweder nicht möglich oder nicht geeignet, um die Abschiebung sicherzustellen. Der Betroffene hatte – wie bereits ausgeführt – nicht glaubhaft dargetan, dass er sich einer Zurückschiebung nicht entziehen will, § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG.
g) Die Verletzung der Benachrichtigungspflicht aus Art. 104 Abs. 4 GG (Az. 4 T 1395/17) führt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zur Rechtswidrigkeit der Anordnung der Haft, da diese nicht den sachlichen Inhalt der Haftanordnung bzw. der späteren Entscheidungen über ihre Fortdauer berührt (z.B. BVerfGE 16, 119 (124); BGH, Beschluss vom 21.01.2016 – V ZB 6/14).
h) Soweit gerügt wird, dass der Verfahrensbevollmächtigte durch das Amtsgericht Mühldorf im Verfahren Az. 1 XIV 72/17 (= 4 T 1395/17) nicht zum Anhörungstermin am 13.04.2017 geladen wurde, kann die unterlassene Ladung zwar grundsätzlich zur Rechstwidrigkeit der Haft führen (z.B. BGH, Beschluss vom 20.05.2016 – V ZB 140/15). Jedoch hatte sich der Verfahrensbevollmächtigte im Zeitpunkt der Ladung zur Anhörung und in dem Verfahren vor dem Amtsgericht Mühldorf noch nicht bestellt, so dass seine Ladung nicht veranlasst war. Das Beschwerdegericht vertritt insoweit – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – die Auffassung, dass es sich hier um ein eigenständiges Verfahren handelt, in welchem eine gesonderte Bestellung des Verfahrensbevollmächtigten erforderlich ist, da das Amtsgericht Mühldorf für die Entscheidung über den Verlängerungsantrag gem. § 416 Satz 2 FamFG originär zuständig war (BGH, Beschluss vom 02.03.2017 – V ZB 122/15).
Hinzu kommt vorliegend, dass das Amtsgericht Mühldorf ausweislich des Akteninhalts im Zeitpunkt der Ladung und der Anhörung keine Kenntnis von der vorherigen Bestellung des Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren vor dem Amtsgericht Rosenheim (Az. 8 XIV 51/17 = 4 T 1047/17) hatte. Dieser ist insbesondere im Rubrum des Beschlusses vom 21.03.2017, der dem Amtsgericht Mühldorf bekannt war, nicht aufgeführt.
Letztlich hat der Betroffene nicht ausgeführt, weshalb das Verfahren im Falle der Ladung des Verfahrensbevollmächtigten zum Anhörungstermin zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.
i) Die Abschiebehaft wurde in der zentralen Abschiebehafteinrichtung in Mühldorf am Inn vollzogen (§ 62a Abs. 1 AufenthG).
j) Das Verfahren wurde von der beteiligten Behörde mit der nötigen Beschleunigung betrieben. Diese hat sich aufgrund des von Anfang an renitenten Verhaltens des Betroffenen unverzüglich um einen begleiteten Charterflug bemüht. Die Abschiebung erfolgte dann mit dem nächstmöglichen Flug.
3. Die Anträge auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe waren zurückzuweisen, da die Beschwerden keine Aussicht auf Erfolg hatten (§ 76 Abs. 1 FamFG, § 114 Satz 1 ZPO). Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe setzt neben der Bedürftigkeit des Betroffenen voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (vgl. BGH vom 20.05.2016, V ZB 140/15). Die Beschwerden waren nicht erfolgreich.
Die Verfahrenskostenhilfe war auch nicht wegen der Schwierigkeit der Rechtslage zu gewähren. Da das Verfahrenskostenhilfeverfahren nicht dem Zweck dient, über zweifelhafte Rechtsfragen abschließend vorweg zu entscheiden, darf ein Gericht die Erfolgsaussicht nicht verneinen, wenn eine solche Rechtsfrage zu klären ist, auch wenn das Gericht in der Sache zu Ungunsten des Antragstellers entscheiden möchte. Entsprechendes muss dann gelten, wenn sich in tatsächlicher Hinsicht schwierige und komplexe Fragen stellen. (vgl. BGH a.a.O.). Solche schwierigen Fragen stellen sich in den vorliegenden Verfahren nicht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
5. Die Festsetzung des Geschäftswerts der Beschwerde beruht auf §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 GNotKG.

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