Aktenzeichen Au 4 V 17.586
VwGO VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
BayVwVfG BayVwVfG Art. 43 Abs. 1
GG GG Art. 13 Abs. 2
Leitsatz
1 Für die Durchsuchungsanordnung im Zusammenhang mit der Verwaltungsvollstreckung eines Bescheids aus dem öffentlich-rechtlichem Waffenrecht ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet (Fortführung von VG Augsburg BeckRS 2014, 56759). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 § 46 Abs. 4 S. 2 WaffG regelt nur die Durchsuchung zum Zweck der sofortigen Sicherstellung als unverzügliche Wegnahme unter Begründung behördlichen Gewahrsams entweder zur Sicherung einer Besitzuntersagung (§ 46 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 WaffG) oder bei tatsachengestützten Anhaltspunkten einer Gefahr für die Allgemeinheit zur umgehenden Beseitigung dieser Gefahr (§ 46 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 WaffG). (Rn. 8 – 9) (redaktioneller Leitsatz)
3 Das Gericht überprüft im Rahmen des § 46 Abs. 4 S. 2 WaffG nur das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen und regelmäßig nicht die Rechtmäßigkeit des zu vollziehenden Verwaltungsakts. Die Vollstreckung eines offenkundig und prima facie rechtswidrigen Verwaltungsakts ist jedoch nicht gestattet; insoweit findet eine Prüfung des Gerichts statt (Fortführung von VG Augsburg BeckRS 2014, 56759). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
4 In Ausnahmefällen kann es ausreichen, wenn die behördliche Anordnung der sofortigen Sicherstellung und der die Wohnungsdurchsuchung gestattende Beschluss dem Betroffenen gleichzeitig bzw. kurz nacheinander zur Kenntnis gebracht werden. Allerdings muss der Betroffene nach Bekanntgabe der Grundverfügung die Möglichkeit haben, die Waffen und Munition freiwillig herauszugeben (Fortführung von VG Augsburg BeckRS 2014, 56759). (Rn. 17 und 19) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antragstellerin wird gestattet, die Wohnung des Antragsgegners und sämtliche zugehöriger Nebengebäude im Anwesen …, zum Zwecke der Sicherstellung der in der Waffenbesitzkarte Nr. … vom 2.9.1999 eingetragenen Schusswaffen sowie von im Besitz des Antragsgegners befindlicher Munition in der Zeit von 4.00 Uhr bis längstens 21.00 Uhr (Tageszeit im Sinne von § 104 Abs. 3 StPO) zu durchsuchen. Verschlossene Haus- und Zimmertüren und Behältnisse dürfen geöffnet werden. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Eventuelle sonstige (Mit-)Gewahrsamsinhaber der genannten Wohnung haben die mit der Durchsuchung einhergehenden Beeinträchtigungen ihrer Rechte zu dulden.
III. Diese Anordnung ist für den Zeitraum ab Zustellung dieses Beschlusses bis einschließlich 1. September 2017 befristet.
IV. Die Anordnung wird mit Bekanntgabe an den Antragsgegner wirksam. Die Antragstellerin wird mit der Zustellung dieses Beschlusses im Wege der Amtshilfe beauftragt.
V. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsgegner ist Inhaber einer Waffenbesitzkarte (Nr. …), in die drei Waffen eingetragen sind. Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der Durchsuchung der Wohnung zum Zwecke der Sicherstellung der Schusswaffen.
Mit Bescheid vom 21. April 2017, der dem Antragsgegner noch nicht zugestellt wurde, widerruft die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner die Waffenbesitzkarten (Nr. 1 des Bescheidtenors). Zudem wird verfügt, dass mit Zustellung des Bescheides die im Besitz des Antragsgegners befindliche Waffenbesitzkarte und die in seinem Besitz befindlichen Schusswaffen und vorhandene Munition im Rahmen der Vollzugshilfe durch die Polizei sofort sichergestellt werden (Nr. 2).
Zur Begründung wird ausgeführt, dass nachträglich Tatsachen eingetreten seien, die zur Versagung der Waffenbesitzkarte hätten führen müssen, da der Antragsgegner nicht mehr die erforderliche Zuverlässigkeit besitze. Es lägen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigten, dass er Waffen oder Munition nicht sorgfältig verwahren werde. Die ehemalige Lebensgefährtin des Antragsgegners habe von dessen Anwalt ein Schreiben erhalten, welches auf einen angeblichen Lagerort (versperrtes Kellerabteil im Haus der Lebensgefährtin) von Waffen hinweise. Die besagten Waffen seien dann auch dort gefunden worden. Dabei handele es sich um drei Kleinkaliberpistolen, einen bearbeiteten Automatikkarabiner mit Schalldämpfer und verkürztem Lauf, einen geladenen Schießkugelschreiber (verbotener Gegenstand), ein Abschussrohr mit gefüllter Schrotpatrone und mehrere hundert Schuss Munition. Die Waffen seien teilweise geladen gewesen. Bei der gefundenen Munition hätten sich auch rund 180 Schuss verbotene Leuchtspurmunition gefunden, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz falle. In der Waffenbesitzkarte des Antragsgegners seien drei großkalibrige Waffen eingetragen. Ein sorgloser Umgang mit Waffen sei gegeben, da die ehemalige Lebensgefährtin des Antragsgegners bei der Vernehmung durch die Polizei glaubhaft angegeben habe, dass üblicherweise ein Gewehr frei zugänglich in der Wohnung stehe und eine Pistole im Nachtkästchen liegen solle. Ziffer II des Bescheidtenors stütze sich auf § 46 Abs. 4 Nr. 2 WaffG. Die sofortige Sicherstellung könne erfolgen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass die Waffen und Munition missbräuchlich verwendet werden sollten. Zur Begründung werde auch auf die Ausführungen zum Widerruf der Waffenbesitzkarte verwiesen. Bei der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens sei unter anderem zu berücksichtigen, dass die Setzung einer Frist zur Unbrauchbarmachung oder Überlassung an einen Nichtberechtigten nicht zielführend sei; der Fund kriegswaffenrelevanter Leuchtspurmunition und verbotener Gegenstände, die dem Antragsgegner zuzuschreiben seien, lasse klare Rückschlüsse auf das Potenzial des Waffenbesitzers zu. Es stehe zu befürchten, dass sich die Lage weiter verschärfe und der Antragsgegner die Waffen ggfs. gegen sich oder Dritte richten könne.
Mit Schreiben vom 21. April 2017 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Augsburg den Erlass einer gerichtlichen Durchsuchungsgestattung der Wohnung, sämtlicher Nebengebäude und Kraftfahrzeuge des Antragsgegners zum Zwecke der Sicherstellung der in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen sowie von Munition. Die Durchsuchungsanordnung diene der Vollstreckung einer waffenrechtlichen Sicherstellungsanordnung, die noch nicht zugestellt sei, was aber vorliegend als Ausnahmefall gerechtfertigt sei. Mit der Möglichkeit der sofortigen Sicherstellung solle sichergestellt werden, dass der Adressat der Anordnung eine ihm eingeräumte Frist zur freiwilligen Abgabe nicht dazu nutze, die betreffenden Waffen dem späteren Zugriff der Behörde zu entziehen. § 46 Abs. 4 WaffG ziele auch gerade auf Konstellationen wie die vorliegende ab, in denen der Adressat auf Grund einer besonderen Gefahrenlage nicht vorab von der Sicherstellungsmaßnahme Kenntnis erlangen solle. Das Vorliegen einer wirksamen Grundverfügung sei daher nicht nötig. Die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen durch eine Person, die auf Grund von Anhaltspunkten unsachgemäß und unbedacht mit Waffen und Munition umgehen könne, stelle eine erhebliche Gefahr dar, die das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG zurücktreten lasse.
II.
Für den Antrag auf richterliche Durchsuchungsanordnung vom 21. April 2017 ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben, weil die begehrte Durchsuchungsanordnung im Zusammenhang mit einer Verwaltungsvollstreckung eines Bescheids aus dem öffentlich-rechtlichen Waffenrecht steht (vgl. VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 5; B.v. 22.12.2010 – Au 4 V 10.1968 – juris Rn. 6).
Zur Entscheidung des Antrags auf Erteilung der Durchsuchungsanordnung nach Art. 13 Abs. 2 GG in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ist die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Augsburg zuständig (§ 5 Abs. 3 VwGO; VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 5; B.v. 22.12.2010 – Au 4 V 10.1968 – juris Rn. 6).
Die Voraussetzungen und die Zulässigkeit einer Durchsuchungsanordnung nach § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG liegen vor.
§ 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG betrifft nach seinem eindeutigen Wortlaut („zu diesem Zweck“) und seiner systematischen Stellung im Anschluss an die Regelung der sofortigen Sicherstellung in § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG nur die Durchsuchung zum Zweck der sofortigen Sicherstellung. Diese ist die unverzügliche Wegnahme unter Begründung behördlichen Gewahrsams entweder zur Sicherung einer Besitzuntersagung nach § 41 Abs. 1 und 2 WaffG (§ 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WaffG) oder bei tatsachengestützten Anhaltspunkten einer Gefahr für die Allgemeinheit zur umgehenden Beseitigung dieser Gefahr (§ 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WaffG). Mit der sofortigen Sicherstellung soll daher entweder schon für die Zeit bis zur Erfüllung aller Vollzugsvoraussetzungen das Unterlaufen einer Besitzuntersagung verhindert werden oder es sollen – wie hier – ohne eine Besitzuntersagung, bei tatsachengestützten Anhaltspunkten für eine missbräuchliche Waffen- und Munitionsverwendung bzw. für einen Erwerb vom Nichtberechtigten Gefahren für die Allgemeinheit umgehend unterbunden werden. Dies ist vorliegend der Fall, da gemäß Nr. 2 des Bescheids vom 21. April 2017 die sofortige Sicherstellung der im Besitz des Antragsgegners befindlichen Schusswaffen nach § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WaffG verfügt wurde.
Es liegt dementsprechend keine Vollstreckung einer nach § 46 Abs. 2 WaffG verfügten Abgabeverpflichtung der Schusswaffen vor, die nach Art. 37 Abs. 3 Satz 1 BayVwZVG zu vollstrecken wäre (vgl. VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 10; B.v. 22.12.2010 – Au 4 V 10.1968 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 23.2.2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 23). Die beantragte Durchsuchung dient der Durchführung einer Vollstreckungsmaßnahme, nämlich der Anwendung unmittelbaren Zwangs im Falle fehlender Bereitschaft des Antragsgegners zur freiwilligen Herausgabe seiner Waffen (VG Trier, B.v. 13.3.2012 – 1 N 261/12.TR – juris Rn. 3).
Die Voraussetzungen für die begehrte Durchsuchungsanordnung liegen bezüglich der Waffen und bezüglich Munition vor. Zwar hat das Gericht im Rahmen des § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG nur das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen und in der Regel nicht die Rechtmäßigkeit des zu vollziehenden Verwaltungsakts zu prüfen, jedoch darf die Vollstreckung eines offenkundig und prima facie rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht gestattet werden, da ansonsten der Richtervorbehalt nach Art. 13 Abs. 2 GG bzw. § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG eine bloße Formsache wäre (VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 11; B.v. 22.12.2010 – Au 4 V 10.1968 – juris Rn. 21; VG Trier, B.v. 13.3.2012 – 1 N 261/12.TR – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 23.2.2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 33; VG Ansbach, B.v. 28.3.2013 – An 15 X 13.00641 – juris Rn. 2). Der vorliegende Bescheid vom 21. April 2017 ist jedoch weder offensichtlich rechtswidrig noch nichtig.
Zwar will die Antragstellerin den Widerruf der Waffenbesitzkarte ausweislich des Bescheids vorrangig auf § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) WaffG stützen, namentlich auf die nicht sorgfältige Verwahrung von Waffen und Munition durch den Antragsgegner. In Rede steht jedoch – hierauf sind der vorliegende Antrag und die Sicherstellungsanordnung in Ziffer 2 des Bescheids auch gestützt (§ 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WaffG) – die tatsachengestützte Annahme, dass Waffen oder Munition missbräuchlich verwendet werden sollen, mithin der Unzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst a) WaffG. Dies ist jedoch unschädlich. Die Antragstellerin stützt sich in dem Bescheid in Nr. II.2 erkennbar darauf, dass die vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte auch die Besorgnis einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen oder Munition begründen. Dem ist beizupflichten.
Die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung bzw. Umgangs besteht dann, wenn auf Grund von tatsächlichen Anhaltspunkten befürchtet werden muss, die Waffe werde zukünftig in einer dem Recht widersprechenden Weise gebraucht (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2016 – 21 CS 15.2465 – juris Rn. 15; VG München, U.v. 4.3.2015 – M 7 K 14.5564 – juris Rn. 19; VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 12; N. Heinrich, in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 5 WaffG Rn. 9). Solche tatsächlichen Anhaltspunkte liegen auf Grund der Angaben der ehemaligen Lebensgefährtin des Antragsgegners bei der Polizei sowie angesichts des darauf erfolgten Auffunds von Waffen und Munition vor. Dabei besteht nach Aktenlage kein Anlass, die Angaben der ehemaligen Lebensgefährtin des Antragsgegners in Zweifel zu ziehen. Sie hat am 17. Januar 2017 die PI … aufgesucht und berichtet, dass sich in ihrem Kellerabteil Waffen und Munition befänden, die dem Antragsgegner gehören. Das Vorhandensein von Waffen und Munition hat sich bei einer Sicherstellung durch die Polizei bestätigt. Die ehemalige Lebensgefährtin ist am 23. Januar 2017 nochmals ausführlich bei der PI … vernommen worden (Bl. 55 ff. des Behördenakts); Widersprüche oder Ungereimtheiten sind dabei nicht zu Tage getreten. Sie konnte den Anlass ihrer Suche nach Waffen und Munition in ihrem Kellerabteil nachvollziehbar mit dem Eingang eines Schreibens einer konkreten, in … ansässigen Anwaltskanzlei darstellen.
Mit der Aufbewahrung von (teilweise geladenen) Waffen und Munition in einem Stoffbeutel im nicht weiter gesicherten Kellerabteil seiner Lebensgefährtin hat der Antragsgegner nicht nur offenkundig und gravierend gegen die Aufbewahrungsvorgaben des § 36 WaffG verstoßen und damit den Unzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) Alt. 2 WaffG erfüllt; dies begründet vielmehr auch die Annahme, dass Waffen oder (hier: und) Munition leichtfertig verwendet werden sollten. Waffen und Munition mögen im Zuge des von der Lebensgefährtin geschilderten „Umzugschaos“ in das Kellerabteil gelangt sein. Gleichwohl muss von einem bewussten Vorgehen des Antragsgegners ausgegangen werden. Das Vorgehen des Antragsgegners kann nur so gedeutet werden, dass er sich selbst jederzeit einen weiteren, von der Lebensgefährtin und weiteren Dritten unbemerkten Zugriff auf Waffen und Munition sichern wollte. Dafür spricht auch, dass sich die Waffen und die Munition nicht in einem Umzugskarton, sondern in einem Schrank im hinteren Teil des Kellers der Wohnung der Lebensgefährtin befanden, dort also in gewisser Weise – zumal in einem wohl bewusst unauffälligen Stoffbeutel – noch versteckt waren, aber doch so, dass der Antragsgegner ohne großen Aufwand an Waffen und Munition gelangen konnte. Dass die Waffen teilweise geladen und damit schussbereit (Abschnitt 2, Nr. 12 der Anlage 1 zum WaffG) waren und somit vom Antragsgegner ohne weitere Zwischenschritte eingesetzt werden konnten, kommt erschwerend hinzu. In der Gesamtschau lag – unter besonderer Berücksichtigung des Umstands, dass der Antragsgegner sogar unter das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen fallende (Nr. 50.1 der Anlage 1 zum KrWaffKontrG) – Lichtspurmunition verwahrte – ein regelrechtes Waffenarsenal im Zugriff des Antragsgegners. Bei einer derartigen Ansammlung verschiedenster, zum Teil geladener, Waffen und Munition muss befürchtet werden, dass der Antragsgegner diese auch – ersichtlich, ohne dazu von der Rechtsordnung ermächtigt zu sein – gebraucht.
Gleiche Rückschlüsse lässt der Umstand zu, dass der Antragsgegner in seiner Wohnung nach den – ebenfalls nicht in Zweifel zu ziehenden – Angaben seiner früheren Lebensgefährtin ein Gewehr frei herumstehen ließ und eine Pistole im Nachtkästchen lag. Auch insoweit ging es dem Antragsgegner offenbar darum, ohne weiteres Zugriff auf seine Waffen zu haben, um diese – ebenfalls in einer von der Rechtsordnung nicht gedeckten Weise – einzusetzen. Gerade die damit im Raume stehende drohende Überschreitung der Grenzen von Notwehr, Not- oder Selbsthilfe begründet die Annahme missbräuchlicher Verwendung (N. Heinrich, in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 5 WaffG Rn. 9). Das Verhalten des Antragsgegners hat sich mit der Deponierung eines regelrechten Waffenarsenals in einem Kellerabteil und der freien Zugänglichkeit von Waffen in seiner ehemaligen Wohnung derart weit von der Zielsetzung des WaffG entfernt, wonach die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen sind, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 30/13 –BVerwGE 150, 196 – juris Rn. 19), dass es an zureichenden Anhaltspunkten dafür fehlt, der Antragsgegner werde überhaupt noch die Vorgaben und Zielsetzung des WaffG beachten. Damit rechtfertigen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a), § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WaffG Tatsachen die Annahme, dass Waffen oder Munition missbräuchlich verwendet werden sollen.
Dabei handelt es sich auch nicht um – grundsätzlich nicht ausreichende – bloße Vermutungen in dieser Hinsicht. Überdies kann aus konkretem Anlass eine Sofortmaßnahme gegenüber dem Waffenbesitzer getroffen werden, von dem bei verständiger Würdigung der der Behörde bekannt gewordenen, hinreichend wahrscheinlichen tatsächlichen Verhältnisse ernsthaft eine alsbaldige missbräuchliche Verwendung der Waffen droht. An den zu Grunde zu legenden Grad der Wahrscheinlichkeit, ob ein befürchteter Schaden eintreten wird, sind keine besonders hohen Anforderungen zu stellen, weil der von einer missbräuchlichen Schusswaffenverwendung drohende Schaden erfahrungsgemäß sehr groß und folgenschwer sein kann (VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 13; VG Würzburg, B.v. 14.7.2005 – W 5 S. 05.645 – juris Rn. 13; VG Dresden, B.v. 21.6.2010 – 4 L 74/10 – juris Rn. 2). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner hinsichtlich einer strafrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts bereits Kenntnis hat, da er sich nach Aktenlage (Bl. 72 Behördenakt) insoweit von einem Rechtsanwalt vertreten lässt und keine Angaben macht. Der Antragsgegner muss dabei davon ausgehen, dass die aufgenommen strafrechtlichen Ermittlungen auf Aussagen seiner früheren Lebensgefährtin zurückzuführen sind. Ferner ist davon auszugehen, dass dem Antragsgegner bewusst ist, dass sein sich aus den Angaben seiner Lebensgefährtin ergebendes Verhalten auch Auswirkungen auf seine waffenrechtliche Erlaubnis haben kann. Nachdem sich, wie ausgeführt, das Verhalten des Antragsgegners derart weit von der Zielsetzung des WaffG entfernt hat, dass nicht davon ausgegangen werden kann, er werde sich an dessen Vorgaben noch halten, bestehen zureichende Anhaltspunkte für die Befürchtung, dass gegen die ehemalige Lebensgefährtin des Antragsgegners oder im Zusammenhang mit der Bekanntgabe des Bescheides vom 21. April 2017 und den gegen den Antragsgegner erlassenen Widerruf seiner Waffenbesitzkarte unmittelbar ein Waffenmissbrauch droht.
Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.
Die Sicherstellungsverfügung nach § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WaffG ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO sofort vollziehbar (§ 46 Abs. 4 Satz 3 WaffG). Andere Zwangsmittel (Art. 29 Abs. 1 BayVwZVG) als der unmittelbare Zwang nach Art. 34 BayVwZVG kommen nicht in Betracht. Eine Ersatzvornahme scheidet schon mangels vertretbarer Handlung aus, ein Zwangsgeld lässt keinen rechtzeitigen und zweckentsprechenden Erfolg versprechen. Zudem sieht § 46 Abs. 4 WaffG ausdrücklich eine Durchsuchung zum Zwecke der sofortigen Sicherstellung vor (VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 15; VG Ansbach, B.v. 28.3.2013 – AN 15 X 13.00641 – juris Rn. 7). Klarzustellen ist aber, dass der Antragsgegner nach Bekanntgabe des Bescheids vom 21. April 2017 die Möglichkeit haben muss, die Waffen und Munition freiwillig herauszugeben. Bei einer freiwilligen Herausgabe ist eine zwangsweise Durchsetzung weder erforderlich noch möglich (VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 15; VG Ansbach, B.v. 28.3.2013 – 7 K 301/05 – juris Rn. 7; VG Trier, B.v. 13.3.2012 – 1 N 261/12.Tr – juris Rn. 9).
Wegen der Gefahr missbräuchlicher Verwendung durch Begehung von Straftaten mit Waffengewalt muss die Sicherstellung als Zwangsmittel entgegen Art. 36 Abs. 1 Satz 1 BayVwZVG auch nicht vorher angedroht werden (vgl. VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 16; VG Ansbach, B.v. 28.3.2013 – AN 15 X 13.00641 – juris Rn. 6; VG Augsburg, B.v. 22.12.2010 – Au 4 V 10.1968 – juris Rn. 18). Der Erfolg der Maßnahme wäre sonst gefährdet. Darüber hinaus entfällt die grundsätzlich erforderliche Androhung nach Art. 35 BayVwZVG, da eine mit Strafe bedrohte Handlung unterbunden wird. Denn der Besitz von Waffen ohne Erlaubnis ist gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2 WaffG strafbar (VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 16; VG Ansbach, B.v. 28.3.2013 – AN 15 X 13.00641 – juris Rn. 6). Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift wäre nach Erlass des sofort vollziehbaren Widerrufs der Waffenbesitzkarte eröffnet.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass dem Antragsgegner die in Rede stehende Verbotsverfügung vom 21. April 2017 noch nicht bekannt gegeben wurde, diese also im Zeitpunkt des Ergehens des Durchsuchungsbeschlusses noch nicht wirksam im Sinne des Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG ist (VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 17; VG Trier, B.v. 13.3.2013 – 1 N 261/12.TR – juris Rn. 7; VG Ansbach, B.v. 28.3.2013 – AN 15 X 13.00641 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 23.2.2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 29). Grundsätzlich müssen zwar sämtliche Vollstreckungsvoraussetzungen, insbesondere eine wirksame Grundverfügung, im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über eine Wohnungsdurchsuchung vorliegen. In Ausnahmefällen aber kann es ausreichen, wenn die behördliche Anordnung der sofortigen Sicherstellung und der die Wohnungsdurchsuchung gestattende Beschluss dem Betroffenen gleichzeitig bzw. kurz nacheinander zur Kenntnis gebracht werden (VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 17; VG Trier, B.v. 13.3.2013 – 1 N 261/12.TR – juris Rn. 7). Da vorliegend die den Waffenbesitz betreffende Maßnahme (Widerruf der Waffenbesitzkarte und Sicherstellungsanordnung) und deren zwangsweise Durchsetzung mit hoher Wahrscheinlichkeit die aus dem konkreten Anlass zu befürchtende Gefahr des Waffenmissbrauchs sofort auszulösen drohen, genügt es, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen spätestens zum noch ausstehenden Zeitpunkt der Bekanntgabe des behördlichen Bescheids (und gleichzeitig des die Wohnungsdurchsuchung gestattenden Gerichtsbeschlusses) zur Überzeugung des Gerichts mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben sind (BayVGH, B.v. 23.2.2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 29). Der Antragsgegner würde hier spätestens bei Erhalt des waffenrechtlichen Bescheids gewahr, dass die Waffenbehörde auf Grund der Angaben seiner früheren Lebensgefährtin gegen ihn vorgeht; deren Angaben fasst der Bescheid vom 21. April 2017 unter Nr. I der Bescheidgründe zusammen. Ferner hat er sich, wie ausgeführt, mit seinem Verhalten derart weit von den Zielsetzungen des WaffG entfernt, dass nicht davon ausgegangen werden kann, er werde sich an dessen Vorgaben noch halten, so dass zureichende Anhaltspunkte für die Befürchtung bestehen, dass gegen die Lebensgefährtin des Antragsgegners oder im Zusammenhang mit der Bekanntgabe des Bescheides vom 21. April 2017 und den gegen den Antragsgegner erlassenen Widerruf seiner Waffenbesitzkarte unmittelbar ein Waffenmissbrauch droht. In einem solchen Fall muss nicht abgewartet werden, ob der Waffenbesitzer bei der Bekanntgabe des behördlichen Bescheids tatsächlich die Waffenherausgabe verweigert und zum Waffenmissbrauch ansetzt, um die Vollstreckungsvoraussetzungen annehmen zu können. Vielmehr kann die notwendige richterliche Gestattung zur Wohnungsdurchsuchung bereits auf Grund dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit ernsthaft drohenden (Anscheins-) Gefahr erfolgen, um den sicherheitsrechtlichen Zweck der Sicherstellungsanordnung und deren Vollstreckung zu erreichen (BayVGH, B.v. 23.2.2000 – 21 C 99.1406 – juris Rn. 29; VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 17; VG Trier, B.v. 13.3.2012 – 1 N 261/12.TR – juris Rn. 7; VG Ansbach, B.v. 28.3.2013 – AN 15 X 13.00641 – juris Rn. 8).
Anhaltspunkte für Ermessensfehler oder einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist kein milderes Mittel ersichtlich, da ein anderes Vorgehen, beispielsweise nach § 46 Abs. 3 WaffG untunlich wäre. Jede Fristsetzung zur freiwilligen Herausgabe der Waffen birgt die Gefahr in sich, dass der Antragsgegner durch ein Beiseiteschaffen der Waffen die Anordnung unterläuft. Die Maßnahme ist auch im Übrigen verhältnismäßig, da die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen durch eine Person, die aufgrund von Anhaltspunkten unsachgemäß und unbedacht mit Waffen und Munition umgehen kann, eine Gefahr darstellt, die das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG zurücktreten lässt (VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 19; VG Trier, B.v. 13.3.2012 – 1 N 261/12.TR – juris Rn. 11; VG Ansbach, B.v. 28.3.2013 – AN 15 X 13.00641 – juris Rn. 10). Die Gefahr eines Missbrauchs mit Gefährdung der hohen Rechtsgüter Leben und Gesundheit lässt die Interessen des Antragsgegners, über seine Waffen weiter zu verfügen und sie – innerhalb einer Frist – zurückzugeben, unbrauchbar zu machen oder einem berechtigten Dritten zu überlassen, gegenüber dem besonders hohen öffentlichen Interesse eines ordnungsgemäßen und verantwortungsvollen Umgangs mit Waffen und Munition zurücktreten (VG Würzburg, B.v. 14.7.2005 – W 5 S. 05.645 – juris Rn. 15).
Die Anordnung war jedoch zur Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu befristen. Denn die richterliche Prüfung einer Wohnungsdurchsuchung kann die Einhaltung der rechtlichen Grundlagen nicht für unbestimmte Zeit gewährleisten (BVerfG, B.v. 27.5.1997 – 2 BvR 1992/92 – BVerfGE 96, 44 – juris Rn. 25 ff; VG Augsburg, B.v. 22.12.2010 – Au 4 V 10.1968 – juris Rn. 24; VG Sigmaringen, B.v. 24.2.2005 – 7 K 301/05 – juris Rn. 14). Eine Frist bis zum 1. September 2017 erscheint vorliegend als ausreichend.
Gegenstand der gerichtlich gestatteten Durchsuchung sind nur die Wohnung und die zur Wohnung gehörenden Nebenräume. Wie von der Antragstellerin beantragt, dürfen auch verschlossene Haus- und Zimmertüren und Behältnisse geöffnet werden (VG Augsburg, B.v. 22.12.2010 – Au 4 V 10.1968 – juris; VG Würzburg, B.v. 16.3.2009 – W 5 X 09.201 – juris). Eventuelle sonstige (Mit-)Gewahrsamsinhaber der genannten Wohnung haben die mit der Durchsuchung einhergehenden Beeinträchtigungen ihrer Rechte zu dulden (VG Trier, B.v. 5.6.2013 – 5 N 728/13.TR – juris). Eine richterliche Anordnung zur Durchsuchung von nicht zur Wohnung gehörenden Nebenräumen oder von Fahrzeugen ist hingegen nach Art. 13 Abs. 1 und 2 GG nicht erforderlich (VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 21; B.v. 22.12.2010 – Au 4 V 10.1968 – juris Rn. 23). Kraftfahrzeuge und Räumlichkeiten, die nicht zur Wohnung gehören – auch soweit dafür Türen geöffnet werden müssen – können daher auch ohne diese Anordnung durchsucht werden. Insoweit war der Antrag abzulehnen.
Schließlich war der Antragsgegner auch nicht vor Erlass des Durchsuchungsbeschlusses anzuhören (VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 22; B.v. 22.12.2010 – Au 4 V 10.1968 – juris Rn. 20; BVerfG, B.v. 16.6.1981 – 1 BvR 1094/80 – BVerfGE 57, 346 – juris Rn. 52 ff), da eine Anhörung den Durchsuchungserfolg gefährden könnte. Die vorgetragenen Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, seine Waffen freiwillig herauszugeben. Die hier aufgrund der geschilderten Umstände drohende Gefahr, der Antragsgegner werde seine Waffen bei Kenntnis der waffenrechtlichen Verfügung und Durchsuchung die Waffen aus der Wohnung bringen und so den Verwaltungszwang ins Leere laufen lassen, rechtfertigt deshalb das Absehen von einer vorherigen Anhörung (VG Augsburg, B.v. 18.8.2014 – Au 4 V 14.1198 – juris Rn. 22; B.v. 22.12.2010 – Au 4 V 10.1968 – juris Rn. 20).
Um die Durchsuchung nicht zu gefährden, wird die Antragstellerin im Wege der Amtshilfe beauftragt, den Beschluss gemäß § 14 VwGO dem Antragsgegner unmittelbar bei Beginn der Durchsuchung durch Übergabe zuzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.