Aktenzeichen 20 B 16.2241
BayVwVfG BayVwVfG Art. 28 Abs. 2 Nr. 1, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2
TierGesG TierGesG § 14 Abs. 1 S. 1
TollwutV TollwutV § 1 Nr. 3 lit. aa
BmTierSSchV BmTierSSchV § 20 Abs. 1 S. 2, § 21
TierSVollzV TierSVollzV § 1 Abs. 1
PAG Art. 28 Abs. 3
VwGO VwGO § 132 Abs. 2, § 133, § 154 Abs. 1, § 167 Abs. 1
Leitsatz
1. In Bayern können Kosten für die Durchführung einer Quarantäneanordnung durch Kostenbescheid nicht verlangt werden. (Rn. 21 – 26)
2. Ein privates Tierheim handelt bei der Durchführung der Tierquarantäne als Verwaltungshelfer. (Rn. 27)
3. Die Rechtmäßigkeit eines Kostenbescheids setzt voraus, dass die Grundverfügung rechtmäßig ist, soweit diese durch Aufhebung ex nunc unwirksam geworden ist (entgegen BayVGH, U.v. 10.5.2016 – 10 BV 15.958 – juris). (Rn. 28)
4. Die Heilung eines Verwaltungsaktes durch Nachholung der Anhörung kann nicht mehr erfolgen, nachdem der Verwaltungsakt für die Zukunft aufgehoben wurde. (Rn. 31)
Verfahrensgang
RO 5K 14.1521 2016-03-17 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. März 2016 wird geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 20. August 2014 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. März 2016 wird geändert, weil der Bescheid der Beklagten vom 20. August 2014 rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 13 AGTierGesG können für die Anordnung von Schutz- und Bekämpfungsmaßnahmen keine Gebühren und Auslagen erhoben werden. Die Kosten für die Durchführung der Quarantäneanordnung (§ 20 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a) BMTierSSchV) sind jedoch solche Kosten für die Anordnung von Schutz- und Bekämpfungsmaßnahmen. Art. 13 AGTierGesG ist insoweit eine abschließende Regelung, so dass ein Rückgriff auf Art. 10 Abs. 1 Nr. 5, Art. 1, 2 KG nicht möglich ist (vgl. Art. 27 KG).
Nachdem keine bundesrechtliche Kostentragungsregelung wie z.B. in Art. 16a Abs. 1 Nr. 2 TierSchG vorhanden ist, ist Art. 13 AGTierGesG grundsätzlich auf den vorliegenden Fall anwendbar. Zum einen handelt es sich bei der Quarantäneanordnung um eine Maßnahme nach dem TierGesG, weil die Verordnung über das innergemeinschaftliche Verbringen sowie die Einfuhr und Durchfuhr von Tieren und Waren (BmTierSSchV) im hier maßgeblichen Teil auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Buchst. a) TierGesG beruht. Zudem spricht das AGTierGesG an verschiedenen Stellen vom Vollzug des Tiergesundheitsrechts und knüpft damit in seiner Terminologie an das zuvor geltende Gesetz über den Vollzug des Tierseuchenrechts an. Richtig ist zwar, dass nach der Neufassung des AGTierGesG durch das Gesetz zur Änderung des Heilberufe-Kammergesetzes, des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften vom 22. Mai 2014 sich die Kostenregelung in Abschnitt zwei mit der Überschrift „Tierseuchenkasse“ befindet. Dabei handelt es sich jedoch nach der Überzeugung des Senats um eine Ungenauigkeit des Gesetzgebers. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das zuvor geltende Gesetz über den Vollzug des Tierseuchenrechts keine Abschnittsbildung vorsah und eine identische Regelung wie Art. 13 AGTierGesG in Art. 7 enthielt. Weiter ging der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes zur Änderung des Heilberufe-Kammergesetzes, des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften (vgl. LT-Drs 17/5205 S. 29) davon aus, dass es sich bei der Änderung des Art. 7 in den Art. 13 lediglich um eine redaktionelle Änderung handelt. Im Übrigen, und das ist das gewichtigste Argument, würde eine Zuordnung des Art. 13 AGTierGesG allein für die Tätigkeit der Tierseuchenkasse keinen Sinn ergeben, weil die Tierseuchenkasse für die Anordnung von Schutz- und Bekämpfungsmaßnahmen nicht zuständig ist, sondern die in Art. 1 Abs. 1 und 2 AGTierGesG i.V.m. § 1 Abs. 1 TierSVollzV genannten Behörden. Folglich muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber Art. 13 AGTierGesG als allgemeine Vorschrift erlassen hat.
Art. 13 AGTierGesG kann nicht so verstanden werden, dass lediglich die Anordnung der Quarantäne kostenfrei ergeht, währenddessen die Kosten für die hierauf beruhenden Quarantänemaßnahmen, also hier die Unterbringung im Tierheim N. und die notwendige tierärztliche Betreuung, dagegen erhoben werden könnten. Es leuchtet bereits nicht ein, warum der Landesgesetzgeber eine Kostenregelung für das Tiergesundheitsrecht im Ausführungsgesetz zum Tiergesundheitsgesetz installiert, wesentliche Sachverhalte, wie die Kostentragung für Quarantänemaßnahmen, jedoch ungeregelt lässt, ohne zumindest im Übrigen auf die allgemeinen Kostenregelungen zu verweisen (vgl. z.B. Art. 28 Abs. 3 PAG). Darüber hinaus muss beachtet werden, dass die Quarantäneanordnung und die Quarantänemaßnahme nicht voneinander getrennt werden können. Die Quarantäneanordnung nach § 20 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a) BMTierSSchV ist ein Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, also eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Damit zeigt sich die Quarantänemaßnahme als Bestandteil der Quarantäneanordnung. Zudem ist die Richtung der Quarantäneanordnung ausschlaggebend. Diese ist nicht vorrangig darauf gerichtet, dass dem Tierbesitzer eine Handlungspflicht auferlegt wird, sondern, dass für die Tiere durch die Verbringung in die Quarantänestation ein öffentlich-rechtlicher Gewahrsam bis zum Ende der Quarantäne angeordnet wird. Dabei beginnt die Quarantänemaßnahme mit dem Transport der Tiere zur Quarantäneeinrichtung und endet, soweit der Tierseuchenverdacht sich nicht bestätigt, mit der Herausgabe der Tiere an den Tierbesitzer. Somit lässt sich dem Wortlaut des Art. 13 AGTierGesG keine Einschränkung dahingehend entnehmen, dass die Kostenfreiheit nicht für die Kosten der Quarantänemaßnahme gilt.
Der Entstehungsgeschichte der Regelung kann ebenfalls keine Einschränkung entnommen werden. Dort (LT-Drs. 7/5029 S. 7) heißt es:
„Die in Art. 7 angesprochenen Ermittlungen von Seuchen, die Anordnung der Schutz- und Bekämpfungsmaßnahmen sowie die Entschädigungen sind nicht immer ohne kosten- oder gebührenrechtliche Veranlassung durchzuführen. Sie liegen aber stets ohne Rücksicht auf persönliche Beteiligung so sehr im überwiegend öffentlichen Interesse und dienen dem allgemeinen Schutzbedürfnis in einem Maße, daß sie ohne Rücksicht auf Kostenfragen ergehen müssen und nicht mit Verwaltungskosten oder Benutzungsgebühren belegt werden dürfen.“
Aus der Gesetzesbegründung kann nicht gefolgert werden, dass die Kosten für die angeordneten Maßnahmen dem Veranlasser aufzuerlegen sind, denn die Gesetzesbegründung geht offensichtlich davon aus, dass ohne Rücksicht auf eine persönliche Beteiligung die Anordnung von Schutz- und Bekämpfungsmaßnahmen immer derart im öffentlichen Interesse liegen, dass Verwaltungskosten nicht erhoben werden dürfen. Ob die Erwägungen des Gesetzgebers aus dem Jahre 1971 in dieser Absolutheit in der heutigen Zeit angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Entwicklung im Tierseuchen- bzw. Tiergesundheitsgesetz noch tragfähig sind, hat der erkennende Senat nicht zu entscheiden. Es bleibt dem bayerischen Gesetzgeber unbenommen, die Kostenregelung des Art. 13 AGTierGesG zu ändern. Der erkennende Senat ist jedenfalls an die vom Gesetzgeber getroffene Regelung gebunden. Damit bleibt festzuhalten, dass die entstandenen Kosten für die Durchführung der Quarantänemaßnahme aufgrund der Kostenregelung des Art. 13 AGTierGesG von den Klägern durch Kostenbescheid nicht erhoben werden können. Ein Rückgriff auf die allgemeinen Kostenregelungen scheidet damit aus.
Aber selbst wenn man entgegen Art. 13 AGTierGesG die Erhebung von Kosten für die Durchführung der Quarantäneanordnung für zulässig erachten sollte, ist eine Erhebung von Auslagen nach Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 KG, was die Kosten des Tierheimes für die Durchführung der Quarantäne angeht, nicht zulässig. Nach Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 KG können die anderen Behörden oder anderen Personen für ihre Tätigkeit zustehenden Beträge als Auslagen erhoben werden. Nachdem das Tierheim N. als eingetragener Verein auf Privatrechtsbasis betrieben wird und auch kein Beliehener ist, müsste es sich bei diesem um eine andere Person handeln, was auf den ersten Blick bejaht werden kann, weil die Stadt W. und das Tierheim N. und Umgebung e.V. zwei unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten sind. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass das Tierheim, in dem die Tiere der Kläger untergebracht waren, als Quarantänestation im Sinne von § 20 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BMTierSSchV fungierte und damit durch das Tierheim hoheitliche Gewalt ausgeübt wurde. Eine Beleihung mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben ist aber nicht erfolgt und mangels der erforderlichen gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerwG, U. v. 26.08.2010 – 3 C 35.09 – DVBl. 2010, 1434 m.w.N) auch nicht möglich. Damit ist das Tierheim jedoch als Verwaltungshelfer tätig geworden. Der Verwaltungshelfer wird für die Behörde tätig, und zwar im Rahmen einer untergeordneten Tätigkeit auf Weisung der Behörde; eine eigenständige Ausübung hoheitlicher Gewalt ist mit der Stellung als Verwaltungshelfer nicht verbunden (vgl. OVG Greifswald, U.v. 30.1.2013 – 3 L 93/09 – juris). Verwaltungshelfer unterstützen die Verwaltungsbehörde bei der Durchführung bestimmter Verwaltungsaufgaben, werden aber – im Unterschied zum Beliehenen – nicht selbständig tätig, sondern nehmen Hilfstätigkeiten im Auftrag und nach Weisung der Behörde wahr. Daher ist ihr Handeln grundsätzlich ohne weiteres dem Hoheitsträger, für den sie tätig werden, zurechenbar (vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2002, RdNr. 60 zu § 23); der Hoheitsträger als originär zuständiger Aufgabenträger trägt grundsätzlich auch die rechtliche Verantwortung für die Tätigkeit des Verwaltungshelfers (BayVGH, U.v. 28.4.2008 – 9 BV 04.2401 – juris). Weil der Verwaltungshelfer damit gleichsam als Werkzeug oder Instrument des Hoheitsträgers tätig wird, wird sein Handeln unmittelbar dem Hoheitsträger zugerechnet. Damit hat aber keine andere Person im Sinne des Art. 10 Satz 1 Nr. 5 KG gehandelt, sodass die Beklagte mangels Rechtsgrundlage im Kostengesetz die Auslagen des Tierheims nicht erheben kann, so dass es auf die Frage, ob es sich bei den Kosten der Quarantäne überhaupt um ausscheidbare Auslagen handelt oder die Kosten vielmehr durch eine Gebühr abgegolten werden müssen (vgl. OVG Greifswald, U.v. 30.1.2013 – 3 L 93/09 – juris Rn 81), nicht mehr ankommt.
Der Kostenbescheid der Beklagten vom 20. August 2014 ist aber auch deswegen rechtswidrig, weil er auf einer rechtswidrigen Quarantäneanordnung vom 30. Juni 2014 beruhte. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung im Urteil vom 8. Mai 2014 (Az.: 1 C 3.13 – BVerwGE 149, 320, Rn. 19) durch das Urteil vom 14. Dezember 2016 (1 C 11.15 – juris) ausdrücklich aufgegeben und geht nunmehr davon aus, dass der Anfechtung eines Kostenbescheides die Bestandskraft einer vollzogenen Abschiebungsandrohung entgegensteht. Dies betrifft jedoch einen anderen Fall. Hier geht es nach wie vor nicht um die Erledigung eines Verwaltungsaktes in sonstiger Weise, sondern darum, dass die dem Bescheid zugrunde liegende Quarantäneanordnung durch die Aufhebungsbescheide der Beklagten nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG unwirksam geworden ist. Unwirksame Bescheide können jedoch keine Steuerungswirkung mehr entfalten. Eine Anfechtungsklage gegen einen aufgehobenen Bescheid ist unzulässig, denn das Gericht kann einen Verwaltungsakt nicht mehr aufheben, den die Behörde bereits aufgehoben hat (BVerwG, B.v. 9.9.2008 – 3 B 37.08 – NVwZ 2009, 530). Dem würde widersprechen, wenn man der aufgehobenen Quarantäneverfügung – quasi aus der Vergangenheit – noch eine Steuerungswirkung zukommen ließe, denn dann wäre die Beschwer der Kläger für die erhobene Anfechtungsklage gerade nicht entfallen. Deswegen gilt nach wie vor, dass die Kläger aus Rechtsschutzgründen nicht verpflichtet waren, Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die aufgehobene Quarantäneanordnung zu erheben (BVerwG, U.v. 8.5.2014 – 1 C. 3.13 – BVerwGE 149,320). Denn selbst der Erfolg einer Fortsetzungsfeststellungsklage führt nicht zur Aufhebung der Kostenentscheidung, wenn im Anfechtungsprozess gegen den Kostenbescheid nicht die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung geprüft wird. Insoweit geht das Argument der Gefahr der Umgehung der Voraussetzungen der Fortsetzungsfeststellungsklage ins Leere (a.A. BayVGH, U.v. 10.5.2016 – 10 BV 15.958 – juris). Vor allem sprechen hierfür aber auch prozessökonomische Gründe, denn eine erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage macht die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den Kostenbescheid nicht entbehrlich. Folglich wird die Rechtmäßigkeit der aufgehobenen Quarantäneanordnung bei der Anfechtungsklage gegen den Kostenbescheid inzident geprüft. Dies folgt in Bayern auch aus Art. 16 Abs. 5 KG, denn Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung durch die Behörde nicht entstanden wären, werden nicht erhoben.
Die Quarantäneanordnung war jedoch formell rechtswidrig, weil eine erforderliche Anhörung (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG) nicht erfolgt ist. Nachdem die Anordnung aufgehoben war, konnte dieser Verfahrensfehler nicht mehr durch Nachholung geheilt werden (Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG).
Nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies ist hier unstreitig nicht geschehen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liegt kein Fall vor, in dem die Anhörung gemäß Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten und insofern entbehrlich gewesen wäre. Die von Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG statuierte Pflicht zur Anhörung ist das wichtigste Recht der Beteiligten im Verwaltungsverfahren. Sie ist im Rechtsstaatsprinzip verfassungsrechtlich verankert und dient dem Schutz der materiellen (Grund-)Rechtsposition der Beteiligten (BVerwG, U. v. 21.3.1986 – 4 C 48.82 – juris); der Beteiligte soll nicht „bloßes Objekt staatlichen Handelns“ sein. Es ist deshalb bei der Annahme einer Ausnahme von der Anhörungspflicht gemäß Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG ein strenger Maßstab anzuwenden (BGH, U. v. 10.1.2002 – 3 ZR 212/01 – juris). „Gefahr in Verzug“ im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Nr. 1, 1. Alt. BayVwVfG setzt voraus, dass durch die vorherige Anhörung – auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen (evtl. telefonisch) – ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass der Zweck der zu treffenden Regelung nicht oder nur in geringerem Ausmaß als erforderlich erreicht würde (BVerwG, U. v. 15.12.1983 – 3 C 87.82). Abzustellen ist darauf, ob die Maßnahme selbst bei mündlicher – eventuell telefonischer – Anhörung zu spät käme (Stelkens/Bonk/Kallerhoff, VwVfG, 7. Aufl. 2008, Rdnr. 51 zu § 28). Davon kann im hier zu entscheidenden Fall keine Rede sein. Die zuständige Tierärztin der Beklagten wurde von der Polizei am 30. Mai 2014 ungefähr um 1:20 Uhr informiert, worauf diese die vorläufige Verbringung der Tiere zur Polizeiinspektion W. gegenüber der Polizei anordnete. Erst am folgenden Vormittag um circa 9:00 Uhr wurden die Tiere durch die Veterinäre der Beklagten in Augenschein genommen. Folglich wäre ausreichend Zeit gewesen, die Kläger zumindest telefonisch anzuhören. Dies wäre auch möglich gewesen, weil die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben haben, dass die Polizei sie in der Nacht telefonisch kontaktiert hätte. Die Beklagte hat darüber hinaus keine sachlichen Gründe angegeben, warum, nachdem die Entscheidung für die Quarantäne im Tierheim N. intern gefallen war, die Kläger telefonisch nicht mehr angehört werden konnten. Damit lagen die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG aber nicht vor.
Dieser formelle Mangel wurde durch Nachholung der Anhörung durch die Beklagte nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG nicht geheilt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Dezember 2015 (Az. 7 C 5.14 – NVwZ-RR 2016, 449 – 454 Rn. 17) in Konkretisierung und unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 24.6.2010 – 3 C 14.09 – BVerwGE 137, 199, Rn. 37 und v. 22.3.2012 – 3 C 16.11 – BVerwGE 142, 205, Rn. 18) die Anforderungen an eine nachträgliche Heilung einer unterbliebenen Anhörung dargestellt. Danach tritt die Heilung nur dann ein, wenn die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Diese Funktion besteht nicht allein darin, dass der Betroffene seine Einwendungen vorbringen kann und diese von der Behörde zur Kenntnis genommen werden, sondern schließt vielmehr ein, dass die Behörde ein etwaiges Vorbringen bei ihrer Entscheidung in Erwägung zieht. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten in gerichtlichen Verfahren als solche zur Heilung einer zunächst unterbliebenen Anhörung nicht ausreichen lassen. Eine funktionsgerecht nachgeholte Anhörung setzt vielmehr voraus, dass sich die Behörde nicht darauf beschränkt, die einmal getroffene Sachentscheidung zu verteidigen, sondern dass sie das Vorbringen des Betroffenen erkennbar zum Anlass nimmt, die Entscheidung kritisch zu überdenken. Gemessen an diesen Maßstäben wurde der Anhörungsmangel allein durch die Klageerhebung am 11. Juli 2014 nicht geheilt. Nachdem die Quarantäneanordnung durch die Bescheide vom 22. August 2014, vom 2. September 2014 sowie vom 28. Oktober 2014 aufgehoben und die Anordnung damit für die Zukunft nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG unwirksam wurde, konnte eine Heilung nicht mehr stattfinden. Denn die Nachholung der Anhörung kann eine Heilung einer hoheitlichen Maßnahme nur für die Zukunft bewirken (vgl. BVerfG, B.v. 13.7.2015 – 1 BvR 2516/13 – juris Rn. 2).
Erweist sich somit der angefochtene Kostenbescheid bereits aus mehreren Gründen als rechtswidrig, kommt es auf weitere Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Quarantäneverfügung (Bestimmtheit des Inhaltsadressaten; möglicherweise fehlende Ermessensentscheidung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 BmTierSSchV, vgl. hierzu Geisler/Rojahn/Stein, Tierseuchenrecht, C-1.1, § 20 Anm. 3) nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.