Arbeitsrecht

Ersetzung von Zustimmung zur Eingruppierung

Aktenzeichen  2 BV 1/17

Datum:
10.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 127129
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrVG § 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Nr. 10, § 99 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4
RENTV § 2 Abs. 8, Abs. 9, § 3 Abs. 1, Abs. 2, § 4, § 5 Abs. 1, § 6, § 12 Abs. 1
TVG § 1, § 3, § 4

 

Leitsatz

1 Die Eingruppierung ist Rechtsanwendung der tarifvertraglichen Regelungen. Die Tarifvertragsparteien sind nach Art. 9 Abs. 3 GG, §§ 1 ff. TVG insoweit zur Normsetzung legitimiert. Weitergehende Regularien zur Rechtsanwendung der Tarifbestimmungen sind der Regelungsmacht der Betriebsparteien entzogen und diesen daher nicht möglich. (Rn. 10) (red. LS Thomas Ritter)
2 Es läuft der Ordnungsfunktion eines solchen Tarifvertrags zuwider, wenn dieser aufgrund unterschiedlicher Ausprägung in Folge betrieblicher Regelungen in den Betrieben unterschiedlich angewendet werden würde. Es gilt insoweit die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG. (Rn. 11) (red. LS Thomas Ritter)

Tenor

1. Die von dem Beteiligten zu 2 verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des in die Entgeltgruppe QE/W2 wird ersetzt.
2. Die von dem Beteiligten zu 2 verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des in die Entgeltgruppe QE/W2 wird ersetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG über die Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners zur Eingruppierung in 2 Fällen.
Die Beteiligte zu 1 ist ein Großhandelsunternehmen und beschäftigt im Betrieb Nürnberg-Eibach 218 Arbeitnehmer. Der Beteiligte zu 2 ist der örtliche Betriebsrat.
Im Betrieb der Beteiligten zu 1 finden die Tarifverträge des Bayerischen Groß- und Außenhandels Anwendung. Die Tarifvertragsparteien vereinbarten im Jahr 2015 unter Ablösung der bisherigen Lohn- und Gehaltstarifverträge einen neuen Rahmenentgelttarifvertrag Groß- und Außenhandel B. (nachfolgend: RENTV) sowie einen Entgelttarifvertrag für Arbeitnehmer in den Unternehmen des Bayerischen Groß- und Einzelhandels (nachfolgend: ENTV). Vorliegend geht es um die betriebliche Implementierung dieser neuen Tarifwerke.
Mit verschiedenen Anhörungsschreiben wurde der Beteiligte zu 2 zur Eingruppierung der in den Anträgen aufgeführten Arbeitnehmer in die in den Anträgen aufgeführte Entgeltgruppe vorgenommen. Der Beteiligte zu 2 widersprach den Eingruppierungen mit nahezu gleichlautenden Schreiben. Wegen der Einzelheiten diesbezüglich wird auf den Inhalt der Verfahrensakte Bezug genommen.
Mit dem vorliegenden, am 04.01. 2017 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingereichten Antrag auf Zustimmungsersetzung begehrt die Antragstellerin die Zustimmungsersetzung der Beteiligten zu 2 in den Anträgen aufgeführten Fällen.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, die jeweils vorgenommene Eingruppierung sei zutreffend. Die Beteiligte zu 2 habe keine rechtserheblichen Zustimmungsverweigerungsgründe geltend gemacht. Die Zustimmung sei daher gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen.
Die Antragstellerin stellt daher die Anträge aus der Antragsschrift vom 03.01.2017 Der Antragsgegner (Beteiligter zu 2) beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, er sei unvollständig von der Antragstellerin unterrichtet worden. Die stellenbezogenen Anforderungen seien auch nicht durch den Arbeitgeber einseitig festzulegen, sondern im Wege der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG. Eine die Mitbestimmung einschränkende Regelungssperre enthalte der Tarifvertrag nicht. Es sei auch ein Widerspruchsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gegeben. Die Anträge seien daher zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Beteiligtenvorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
II.
Die Anträge sind begründet. In allen Fällen war die beantragte Zustimmung zu ersetzen. Die von der Antragstellerin vorgenommene Eingruppierung ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin hat zu den vorliegend in Rede stehenden Arbeitsstellen und deren Eingruppierung substantiiert vorgetragen. Nach dem RENTV erfolgt die Eingruppierung stellenbezogen (§ 2 Abs. 8 RENTV). Die Entgeltgruppe einer Stelle ergibt sich aus der Kombination der zutreffenden Q-Stufe und der zutreffenden W-Stufe (§ 2 Abs. 9 RENTV). Die sogenannte Q-Stufe richtet sich nach den stellenbezogenen Anforderungen, die im sogenannten Qualifikationsstufenkatalog vorgegeben sind (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 4 RENTV). Die sogenannte W-Stufe richtet sich nach den weiteren Anforderungen, die sich durch die Ausführung der Tätigkeiten der verschiedenen Stellen ergeben (§ 5 Abs. 1 i.V.m. § 6 RENTV). Nach § 12 Abs. 1 RENTV ist jeder Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nach den Bestimmungen des RENTV einzustufen und einzugruppieren und entsprechend dem jeweils aktuellen Entgelttarifvertrag zu bezahlen. In den vorliegenden Fällen hat die Antragstellerin konkret zu den vorgenommenen Eingruppierungen vorgetragen. Aus dem eher pauschalen Vorbringen der Beteiligten zu 2 ergeben sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts keine Zustimmungsverweigerungsgründe im Sinne des § 99 Abs. 2 BetrVG. Die vom Beteiligten zu 2 reklamierten Mitbestimmungsrechte hinsichtlich der allgemeinen Ermittlung und Festlegung der stellenbezogenen Anforderungen sind nicht gegeben. Die Antragstellerin ist tarifgebunden, die Regelungen des RENTV gelten gemäß den §§ 3, 4 TVG unmittelbar und zwingend. Der Tarifvertrag ist abschließend und enthält insoweit keine Öffnungsklausel für die Betriebsparteien. Die Eingruppierung ist Rechtsanwendung der tarifvertraglichen Regelungen. Die Tarifvertragsparteien sind nach Artikel 9 Abs. 3 GG, §§ 1 ff. TVG insoweit zur Normsetzung legitimiert. Weitergehende Regularien zur Rechtsanwendung der Tarifbestimmungen ist der Regelungsmacht der Betriebsparteien entzogen und diesen daher nicht möglich.
Dieses würde auch der Ordnungsfunktion eines solchen Tarifvertrags zuwiderlaufen, wenn dieser aufgrund unterschiedlicher Ausprägung in Folge betrieblicher Regelungen in den Betrieben unterschiedlich angewendet werden würde. Es gilt insoweit die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG.
Da mithin Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG nicht gegeben sind, war die Zustimmung des Beteiligten zu 2 in allen Fällen antragsgemäß zu ersetzen. Die weiteren von den Beteiligten aufgeworfenen rechtlichen und tatsächlichen Fragen waren für die Entscheidung des Gerichts nicht mehr rechtserheblich und bedürfen daher keiner weiteren gerichtlichen Erörterung.

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