Aktenzeichen Vf. 64-VI-15
VwGO VwGO § 40 Abs. 1
BV BV Art. 97, Art. 115 Abs. 1, Art.153
VfGHG VfGHG Art. 51 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
1. Eine Verfassungsbeschwerde gegen die behauptete nicht ordnungsgemäße Verbescheidung einer Petition ist unzulässig, wenn nicht zuvor der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten erschöpft wurde. An seiner früheren gegenteiligen Rechtsprechung hält der Verfassungsgerichtshof nicht mehr fest. (Rn. 15 – 16)
2. Auf eine Verletzung des Art. 97 BV (Grundsatz der Amtshaftung) und des Art. 153 BV (Schutz von Klein- und Mittelstandsbetrieben) kann eine Verfassungsbeschwerde nicht gestützt werden, weil diese Bestimmungen keine subjektiven verfassungsmäßigen Rechte im Sinn des Art. 120 BV gewährleisten. (Rn. 17)
Tenor
1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Dem Beschwerdeführer wird eine Gebühr von 750 € auferlegt.
Gründe
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 28. Juli 2015 Az. E3 1402 E – II – 11959/14, mit dem dem Beschwerdeführer mitgeteilt wurde, dass die Behandlung seiner Strafanzeige im Verfahren Az. 11 Js 11173/15 durch die Staatsanwaltschaft München II dienstaufsichtlich nicht zu beanstanden sei.
1. Der Beschwerdeführer erstattete mit einem an das Bayerische Staatsministerium der Justiz gerichteten Schreiben vom 1. März 2015, das an die Staatsanwaltschaft München II weitergeleitet wurde, Strafanzeige wegen Amtsanmaßung, Rechtsbeugung, Erpressung und Nötigung gegen vier Richter und zwei weitere Bedienstete des Landgerichts Göttingen, zwei Bedienstete der Oberfinanzdirektion Niedersachsen, drei als Gerichtsvollzieher tätige Bedienstete des Amtsgerichts Starnberg sowie eine Richterin, eine Rechtspflegerin und weitere Bedienstete des Amtsgerichts Wolfratshausen. Unter Bezugnahme auf laufende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn, insbesondere einen Haftbefehl des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 23. Dezember 2014 zur Erzwingung der Abgabe einer Vermögensauskunft, erhob er den Vorwurf, die Beschuldigten täuschten ihre hoheitlichen Rechte nur vor und die gegen ihn vorliegenden Urteile und Verfügungen seien nicht rechtswirksam unterschrieben. Die Schädigung seiner Person durch die Justiz müsse ein Ende haben. Mit Verfügung vom 9. April 2015 Az. 11 Js 11173/15 gab die Staatsanwaltschaft München II der Strafanzeige gemäß § 152 Abs. 2 StPO keine Folge, da zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat nicht erkennbar seien.
Am selben Tag reichte der Beschwerdeführer erneut die Strafanzeige vom 1. März 2015 mit Ablichtungen diverser gerichtlicher und behördlicher Schreiben und Beschlüsse (57 Seiten) bei der gemeinsamen Eingangsstelle der Justizbehörden in München ein. Diese Unterlagen gingen am 10. April 2015 bei der Staatsanwaltschaft München II ein.
2. Mit Schreiben vom 23. April 2015 legte der Beschwerdeführer gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 9. April 2015 Beschwerde ein und machte geltend, dass das Ermittlungsverfahren am 10. April 2015, somit dem Tag des Eingangs der Strafanzeige, ohne jegliche Ermittlung eingestellt worden sei. Die Einstellungsverfügung sei gleichfalls nicht unterschrieben.
Der Generalstaatsanwalt in München gab der Beschwerde mit Bescheid vom 19. Mai 2015 keine Folge. Zur Begründung nahm er auf die Gründe der angefochtenen Verfügung der Staatsanwaltschaft Bezug.
3. Gegen diesen Bescheid legte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28. Mai 2015 weitere Aufsichtsbeschwerde ein und rügte, dass Ermittlungen trotz vorgelegter umfangreicher Beweismittel nicht aufgenommen worden seien.
Nach Prüfung der Sachbehandlung anhand der vorgelegten Akten teilte das Bayerische Staatsministerium der Justiz dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24. Juni 2015 mit, dass sich kein Anlass zu einer dienstaufsichtlichen Beanstandung ergeben habe und die erteilten Bescheide daher weiter Gültigkeit beanspruchten.
4. Mit weiterer Eingabe vom 17. Juli 2015 an das Bayerische Staatsministerium der Justiz bat der Beschwerdeführer erneut um Überprüfung und sprach von „ausufernden Tätigkeiten eines sich verselbständigenden Justizsystems”. Er habe ursprünglich lediglich eine kaufmännisch nachvollziehbare Rechnung über eine Forderung von 1.125,91 € verlangt. Eine Steuerforderung in erheblicher Höhe sei „aus dem Nichts“ angemahnt worden. Notwendige Ermittlungen würden nicht geführt.
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz teilte dem Beschwerdeführer mit dem angegriffenen Schreiben vom 28. Juli 2015 mit, dass der Eingabe neues Vorbringen nicht entnommen werden könne und kein Anlass zu einer Änderung der zuvor mitgeteilten dienstaufsichtlichen Beurteilung bestehe. Mit den erteilten Bescheiden habe es sein Bewenden. Zudem wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass weitere Schreiben ohne neuen Sachvortrag mit Rücksicht auf den allgemeinen Geschäftsgang nicht mehr beantwortet werden könnten.
II.
1. Mit der am 30. September 2015 eingegangenen Verfassungsbeschwerde, ergänzt durch das in den Schreiben vom 13. Oktober und 25. November 2015 sowie vom 30. März 2016 enthaltene Vorbringen, rügt der Beschwerdeführer Verstöße gegen den Grundsatz der Amtshaftung (Art. 97 BV), das Grundrecht auf körperliche Bewegungsfreiheit (Art. 102 BV), das Grundrecht auf Gesetzlichkeit der Bestrafung (Art. 104 BV) und den Grundsatz des Schutzes von Klein- und Mittelstandsbetrieben (Art. 153 BV).
Er macht geltend, er werde zu Unrecht mit Forderungen – etwa Steuerforderungen und zivilrechtlichen Forderungen – überzogen, welche die Existenz seiner Familie und Firma gefährdeten. Die Justiz verstoße fortwährend gegen Art. 102 BV, indem sie gegen ihn – ohne Prüfung des Zahlungsanspruchs – Haftbefehle ausstelle. Alle Rechtsmittel und Gerichte seien ausgeschöpft. Er habe Anspruch auf ein faires Verfahren vor einem staatlichen Gericht mit gesetzlichen Richtern; solche gebe es jedoch nicht. Voraussetzung für eine Heilung sei, „alle Verfahren, Haftbefehle einzustellen und Eintragungen in Schuldnerverzeichnissen zu löschen“. In allen Fällen werde gegen Art. 102 und 97 BV und insbesondere gegen Art. 104 und 153 BV sowie Art. 19 und 20 Abs. 2 und 3 GG verstoßen. Unterlagen lägen dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz vor, dem er mit Schreiben vom 17. Juli 2015 einen Überblick über die Gesamtsituation gegeben habe. Mit Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 28. Juli 2015 sei der weiteren Aufsichtsbeschwerde nicht stattgegeben worden. Der Rechtsweg sei erschöpft, weil das Ziel einer Petition durch die Einschaltung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz bereits abschließend erfüllt sei.
2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hält die Verfassungsbeschwerde sowohl für unzulässig als auch für unbegründet.
III.
Die gegen das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 28. Juli 2015 gerichtete Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Es wurde weder der Rechtsweg erschöpft noch wurde eine hinreichend substanziierte Rüge der Verletzung eines Grundrechts der Bayerischen Verfassung erhoben.
1. Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde ist gemäß Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG der Rechtsweg zu erschöpfen.
Bei der Dienstaufsichtsbeschwerde zum Bayerischen Staatsministerium der Justiz handelt es sich um eine Beschwerde im Sinn des Art. 115 Abs. 1 BV, da sich der Beschwerdeführer mit seinem Schreiben vom 17. Juli 2015 an das Ministerium mit der Bitte wandte, die Angelegenheit zu überprüfen. Gegenstand einer Petition kann jedes Anliegen eines Petenten sein; hierzu zählen auch Gegenvorstellungen, Aufsichts- und Dienstaufsichtsbeschwerden (vgl. Huber in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 5. Aufl. 2014, Art. 115 Rn. 3).
Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, das Ziel der Petition sei durch die Einschaltung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz abschließend erfüllt, trifft dies nicht zu. Gegen eine behauptete Verletzung des Rechtsanspruchs auf sachliche Behandlung und Verbescheidung sowie gegen sonstige angeblich rechtswidrige Beeinträchtigungen des Petitionsrechts durch die Staatsverwaltung wäre nach Art. 19 Abs. 4 GG, § 40 Abs. 1 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. An seiner früheren gegenteiligen Rechtsprechung (VerfGH vom 28.11.1958 VerfGHE 11, 187/188 f.; offengelassen in VerfGH vom 18.11.1963 VerfGHE 16, 141 sowie vom 12.2.1982 VerfGHE 35, 7/8 f.) hält der Verfassungsgerichtshof nicht mehr fest, da durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwischenzeitlich geklärt ist, dass der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben ist, wenn ein Beschwerdeführer geltend machen will, sein Petitionsrecht nach Art. 17 GG sei verletzt worden (BVerwG vom 28.11.1975 NJW 1976, 637/638; vom 13.11.1990 NJW 1991, 936/937). Dem entsprechend gehen sowohl das Bundesverfassungsgericht (BVerfG vom 19.5.1988 NVwZ 1989, 953; vom 27.9.2011 NVwZ-RR 2012, 1) als auch der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen (Beschluss vom 29.1.2009 – Vf. 61-VI-08 – juris Rn. 7) davon aus, dass eine Verfassungsbeschwerde gegen die behauptete nicht ordnungsgemäße Verbescheidung einer Petition unzulässig ist, wenn nicht zuvor der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten erschöpft worden ist.
2. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde auch, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 97 BV (Grundsatz der Amtshaftung) und des Art. 153 BV (Schutz von Klein- und Mittelstandsbetrieben) rügt. Diese Bestimmungen räumen dem Beschwerdeführer keine subjektiven verfassungsmäßigen Rechte im Sinn des Art. 120 BV ein (vgl. zu Art. 97 BV VerfGH vom 15.1.1965 VerfGHE 18, 9/11; vom 10.4.1997 – Vf. 57-VI-94 – juris Rn. 7; vom 27.10.2008 – Vf. 25-VI-08 – juris Rn. 22; zu Art. 153 BV VerfGH vom 4.11.1949 VerfGHE 2, 127/141; vom 2.1.1968 VerfGHE 21, 1/10; vom 23.11.2016 – Vf. 1-VII-15 – juris Rn. 122). Eine Verfassungsbeschwerde kann aber nicht auf Verstöße gegen objektives Verfassungsrecht und auch nicht auf institutionelle Garantien oder Programmsätze gestützt werden, die keine subjektiven Rechte verbürgen (ständige Rechtsprechung; vgl. 13 VerfGH vom 22.10.1993 VerfGHE 46, 273/277; vom 23.9.2015 BayVBl 2016, 49 Rn. 25).
3. Hinsichtlich der gerügten Verletzung der Art. 102 BV (Grundrecht auf körperliche Bewegungsfreiheit) und Art. 104 BV (Grundsatz der Gesetzlichkeit der Bestrafung) fehlt es an einer hinreichend substanziierten Darlegung der behaupteten Verfassungsverstöße.
Eine Verfassungsbeschwerde ist nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 VfGHG nur zulässig, wenn das verfassungsmäßige Recht, dessen Verletzung der Beschwerdeführer geltend macht, innerhalb der Verfassungsbeschwerdefrist von zwei Monaten bezeichnet wird. Dazu muss erkennbar sein, inwiefern durch eine Maßnahme oder Entscheidung ein solches Recht verletzt ist. In dieser Hinsicht ist die Darstellung des wesentlichen zugrunde liegenden Sachverhalts, die genaue Bezeichnung der beanstandeten Handlung und des durch die Handlung verletzten verfassungsmäßigen Rechts erforderlich. Die bloße Behauptung, eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung sei unrichtig oder fehlerhaft, genügt den Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde nicht. Auf der Grundlage des Vortrags in der Verfassungsbeschwerde muss die behauptete Grundrechtsverletzung vielmehr zumindest möglich erscheinen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 14.9.2009 BayVBl 2010, 250/251; vom 8.3.2016 Vf. 21-VI-15 – juris Rn. 18; vom 20.7.2016 – Vf. 74-VI-15 – juris Rn. 17; vom 14.12.2016 – Vf. 98-VI-14 – juris Rn. 27).
An einem derartigen Vortrag fehlt es. Der Beschwerdeführer hat entgegen Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG nicht dargelegt, inwiefern der Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 28. Juli 2015 ihn in einem verfassungsmäßigen Recht verletzen soll.
4. Soweit sich der Beschwerdeführer in der Verfassungsbeschwerde pauschal gegen weitere Maßnahmen von Behörden (Finanzamt) oder der Justiz wendet, sind diese behördlichen und gerichtlichen Maßnahmen nicht näher bezeichnet, sodass ein dem Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG genügender Vortrag nicht vorliegt. Auch ist nicht dargetan, inwieweit der Rechtsweg gemäß Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG erschöpft wäre.
IV.
Es ist angemessen, dem Beschwerdeführer eine Gebühr von 750 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).
gez. Küspert gez. Dr. Zorn gez. Knäusl Schmitz
Prof. Dr. Heckmann Pauckstadt-Maihold
Dr. Borgmann Prof. Dr. Buchner Montag