Aktenzeichen 9 U 4969/16 Bau
BGB § 633, § 634, § 637 Abs. 1
Leitsatz
Nach erfolgter Abnahme muss der Auftraggeber die Mangelhaftigkeit des Werks zum Zeitpunkt der Abnahme sowie darlegen und beweisen, dass diese Mangelerscheinung auf die Leistung der Auftragnehmer zurückzuführen ist (Kausalität der Mangelerscheinung). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
4 O 254/16 2016-11-18 Endurteil LGPASSAU LG Passau
Tenor
1. Die Kläger werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom 18.11.2016, Az. 4 O 254/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 09.06.2017.
3. Innerhalb dieser Frist können sich die Parteien auch zum Streitwert äußern, den der Senat beabsichtigt auf 55.976, 18 € festzusetzen.
Gründe
Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor.
I. Offensichtliche Aussichtslosigkeit der Berufung der Klägerin, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
Die Berufung hat nach Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die angefochtene Entscheidung des Erstgerichts ist richtig. Das Ersturteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Vielmehr rechtfertigen die Tatsachen, die der Senat im Rahmen des durch § 529 ZPO festgelegten Prüfungsumfangs der Beurteilung des Streitstoffes zugrunde zu legen hat, keine andere Entscheidung. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die sorgfältigen und in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts Bezug. Die Berufungsbegründung vom 27.02.2017 (Bl. 168/ 175) vermag dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen, aus folgenden Gründen:
1. Mangel der Werkleistung an Pflasterflächen eines Einkaufsmarktes in W.
Zu Recht hat das Erstgericht festgestellt, dass den Klägern ein Anspruch auf Erstattung von Mängelbeseitigungskosten gemäß §§ 637 Abs. 1, 633 BGB schon deshalb nicht zusteht, weil ihnen der Nachweis der von den Beklagten zu verantwortenden Mangelhaftigkeit der Werkleistung nicht gelungen ist.
a. Beweislast
Wie im Ersturteil auf S. 6 der Gründe zutreffend ausgeführt und von den Klägern auch nicht angegriffen, tragen vorliegend die Kläger die Beweislast dafür, dass ihnen die Werkleistung der Beklagten bei der Abnahme am 27.04.2011 bzw. 06.07.2011 nicht frei von Sachmängeln verschafft worden ist (BGH NJW – RR 1997, 339; Kniffka/ Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Teil, Rn. 16; Palandt – Sprau, § 634 BGB, Rn. 12). Nach erfolgter Abnahme muss der Auftraggeber die Mangelhaftigkeit des Werks zum Zeitpunkt der Abnahme sowie darlegen und beweisen, dass diese Mangelerscheinung auf die Leistung der Auftragnehmer zurückzuführen ist (Kausalität der Mangelerscheinung).
b. Nachweis einer mangelhaften Werkleistung
Diesen Beweis haben die Kläger, entgegen ihren Behauptungen in der Berufungsbegründung, nicht geführt. Denn sie vermochten nicht mit der für eine ihnen obliegende Vollbeweisführung erforderlichen, hinreichenden Wahrscheinlichkeit nachzuweisen, dass die streitgegenständlichen Schäden an den Pflasterflächen auf eine zum Zeitpunkt der Abnahme fehlerhafte Leistung der Beklagten zurückzuführen sind, mithin ausschließlich in deren Verantwortungsbereich fallen.
Vielmehr wurde im Rahmen der Begutachtungen seitens des Gerichtssachverständigen P. im vorangegangenen selbständigen Beweisverfahren und im Hauptsacheverfahren festgestellt, dass die Hauptursache für die festgestellten Schäden „in der fehlenden Pflege der Pflasterfläche zu sehen (ist), d.h. es wurde bei sichtbar leeren Fugen keine Nachverfugung vorgenommen.“ (S. 60 des 2. Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen P. vom 28.07.2015, Bl. 224 OH -Verfahren, sowie S. 27 des Gutachtens vom 30.04.2014, Bl. 61 OH – Verfahren). Bei dieser Feststellung ist der Sachverständige P. während seiner umfangreichen Begutachtungen im OH -Verfahren und auch bei seiner Anhörung im Rahmen des Hauptsacheverfahrens geblieben, wo er nochmals auf die Bedeutung der Nachsandung im Pflasterbereich in der ersten Zeit hingewiesen hat (Bl. 245). Der Sachverständige hat diese Feststellung auch nicht, entgegen der Behauptung der Kläger auf S. 7 der Berufungsbegründung (Bl. 174) dahingehend eingeschränkt, dass ein Nachsanden nicht erforderlich gewesen wäre, wenn die Pflasterfläche von Anfang an ordnungsgemäß hergestellt worden wäre. Er bekundete vielmehr in seiner Anhörung im OH – Verfahren von 26.10.2015 (Bl. 245), dass bei einem Pflasterbereich, bei dem es sich „in der ersten Zeit um ein sehr sensibles Gebilde“ handele, „auf jeden Fall sehr darauf zu achten (ist), dass die Fugenfüllung vorhanden bleibt“ und ggf. nachverfugt wird. Verantwortlich für eine genügende Fugenfüllung, mithin die Pflege der Fugen in Form deren Kontrolle und bei Bedarf deren Nachsandens, ist nach den Ausführungen des Sachverständigen auf S. 60 unten des vorgenannten Gutachtens, denen sich der Senat in rechtlicher Hinsicht anschließt, nach der Abnahme der Bauherr, mithin die Kläger. Der Kläger selbst bekundete in der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2016 (Bl. 82), dass im Zeitraum zwischen der Abnahme und der Mängelrüge im Jahr 2013 keine weitere Nachverfugung durch ihn erfolgt sei, da er diese nicht für erforderlich hielt. Mithin steht nicht fest, dass die Schäden in den Verantwortungsbereich der Beklagten fallen.
Soweit die Kläger im Rahmen der Berufungsbegründung behaupten, der Sachverständige habe „eine anfänglich mangelhafte Herstellung der Pflasterfläche in mehrfacher Hinsicht festgestellt“ (S. 3 der Berufungsbegründung) und sodann (S. 4 bis 7 der Berufungsbegründung) von den Beklagten zu verantwortende Mängel im Zusammenhang mit der Bauklasse, der Kiestragschicht und der Bettungsdicke anführen, führen diese Einwendungen zu keinem anderen Ergebnis. Erstens hat sich das Erstgericht auf der Grundlage der umfangreichen Ausführungen des Sachverständigen in den Urteilsgründen bereits mit diesen Punkten und den Einwendungen der Kläger auf den Seiten 7/ 8 der Urteilsgründe sorgfältig und in Übereinstimmung mit den Sachverständigengutachten befasst. Zweitens basieren die Ausführungen der Kläger teilweise auf Mutmaßungen und teilweise geben sie die Sachverständigenausführungen unvollständig wieder, z.B. bezüglich der Bauklasse bzw. der Pflasterstärke. Der Sachverständige führte in seiner Anhörung im OH – Verfahren vom 26.10.2015 (Bl. 245 OH – Verfahren) aus, dass der vorhandene Aufbau mit 8 cm dicken Pflastersteinen generell geeignet ist, „wenn hier ordungsgemäß gearbeitet und auch nachverfugt wird“, wobei die Kläger letzteren Teil unerwähnt ließen. Auch ist die von den Klägern im Zusammenhang mit der Bauklasse beanstandete Bezugnahme des Erstgerichts auf eine Baubeschreibung der Ra. R. keineswegs rechtlich unzulässig. Vielmehr erläuterte der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 28.07.2015 auf S. 58 (Bl. 222), dass ein Rückgriff auf „bewährte regionale Bauweisen“ gemäß Punkt 3.3.5. der RStO geboten und zulässig ist. Hinsichtlich der von den Klägern beanstandeten Kiestragschicht sind die Bezugnahmen in der Berufungsbegründung auf S. 5 nicht tragfähig, die Ausführungen des Erstgerichts, die auf die Anhörung des Sachverständigen im hiesigen Verfahren vom 12.10.2016 zurückgehen (Bl. 87), dagegen schon. Im Übrigen kommt es für den den Klägern obliegenden Beweis nicht darauf an, was „hier am Schadensbild mitgewirkt hat“ (Bl. 173), sondern darauf, ob die Beklagten die Schäden verursacht haben, weil die Werkleistung zum Zeitpunkt der Abnahme mangelbehaftet war.
Da es bereits an der Voraussetzung des von den Beklagten zu verantwortenden Mangels der Werkleistung fehlt und deshalb die Klage gegen beide Beklagte abzuweisen war, bedarf es keiner Vertiefung der Frage, ob vorliegend überhaupt eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten in Betracht kommt.
2. Unterbliebene Einvernahme des Zeugen B.
Ein Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung gem. § 513 Abs. 1 Var. 2 i.V.m. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wegen Übergehen eines Beweisantrages der Kläger bezüglich einer Einvernahme des Zeugen B. ist nicht gegeben.
Die Kläger beantragten in der Klageschrift (Bl. 6) eine Einvernahme ihres Privatgutachters, Herrn B., als Zeugen dazu, dass Folge des Einbaus ungeeigneter Materialien „negative Auswirkungen auf das Betonpflaster“ gewesen seien. Beweisbedürftig war diese Behauptung schon deshalb nicht, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Für die Frage der von den Beklagten zu verantwortenden Mangelhaftigkeit der Werkleistung kommt es darauf an, was Ursache für die festgestellten Schäden am Pflasterbelag war und nicht, was „negative Auswirkungen auf das Betonpflaster“ genommen war.
Selbst wenn man die Tatsachenbehauptung dahingehend ausgelegt, dass die Kläger damit zum Ausdruck bringen wollten, dass der Einbau ungeeigneter Materialien ursächlich für Schäden geworden sei, war eine Beweiserhebung nicht geboten, da aufgrund umfangreicher Begutachtungen seitens des Gerichtssachverständigen, wie oben ausgeführt, feststeht, dass die Hauptursache für die festgestellten Schäden „in der fehlenden Pflege der Pflasterfläche zu sehen (ist), d.h. es wurde bei sichtbar leeren Fugen keine Nachverfugung vorgenommen.“ Infolge dessen steht fest, dass nicht der Einbau ungeeigneter Materialien durch die Beklagten, sondern die von den Klägern zu verantwortende und unterlassene Nachsandung der Pflastersteine ursächlich für die festgestellten Schäden war. Steht aber das Gegenteil der klägerischen Behauptung aufgrund Sachverständigengutachtens fest, so kann eine Beweiserhebung analog § 244 Abs. 4 S. 2 StPO unterbleiben (Doukoff, Zivilrechtliche Berufung, 5. Auflage, Rn. 414).
Hinzu kommt noch folgendes: Sowohl in dem selbstständigen Beweisverfahren als auch in dem vorliegenden Verfahren hatten die Kläger jede Gelegenheit (und diese auch genutzt) das Ergebnis der Begutachtung durch ihren Privatgutachter in das Verfahren einzubringen. So erfolgte die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens nach Vorlage und auf der Grundlage des Gutachtens von Herrn B. vom 16.08.2013, das auch als Beweismittel vorgelegt wurde (Bl. 9 des OH – Verfahrens). Die Kläger führen insoweit auch in der Klage auf S. 6 aus, dass aufgrund von dessen Feststellungen das OH – Verfahren eingeleitet wurde. Sowohl in dem OH -Verfahren als auch im vorliegenden Verfahren wurden zahlreiche Fragen der Kläger, basierend auf Fragen ihres Privatgutachters vom Gerichtssachverständigen beantwortet. Mithin hat das Privatgutachten der Kläger umfänglich Eingang in das Verfahren gefunden, so dass auch deshalb eine zusätzliche Einvernahme des Zeugen B. im Hauptsacheverfahren nicht geboten ist.
3. Unterbliebene Einholung eines Obergutachtens
Die Einholung eines Obergutachtens ist vorliegend zu Recht vom Erstgericht abgelehnt worden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 412 ZPO nicht gegeben sind.
Gemäß § 412 Abs. 1 ZPO kann das Gericht sein Ermessen dahingehend ausüben, dass es eine Begutachtung durch einen neuen Sachverständigen anordnet, wenn „es das Gutachten für ungenügend erachtet“. Zu dieser Schlussfolgerung ist das Erstgericht, wohlbegründet auf den Seiten 6 bis 9 des Ersturteils, gerade nicht gelangt und auch der Senat sieht nach sorgfältiger Durchsicht der Sachverständigengutachten keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese ungenügend sind.
Soweit die Kläger in der Klage auf S. 14 die Bestellung eines neuen Gutachters beantragten wegen „eklatanter Meinungsverschiedenheit“ zwischen ihrem Privatgutachter und dem Gerichtssachverständigen und um „das Spannungsverhältnis … nicht eskalieren zu lassen“, vermag dies nach dem Gesetz gerade nicht einen Austausch von Sachverständigen zu begründen.
II. Weitere Voraussetzungen von § 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, § 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil, § 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO.
III. Prozessuale Hinweise
Aufgrund obiger Ausführungen regt der Senat aus Kostengründen – eine Rücknahme der Berufung würde zu einer Kostenersparnis in Höhe von zwei Gerichtsgebühren führen, Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses – an, die Berufung zurückzunehmen.
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit einer einmaligen Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss nur in absoluten Ausnahmefällen und bei Glaubhaftmachung triftiger Gründe – wozu im allgemeinen nicht eine nur allgemein geltend gemachte Arbeitsüberlastung zählt – gerechnet werden kann (OLG Rostock, OLGR 2004, 127ff.)