Aktenzeichen M 22 K 16.1653
Leitsatz
1 Eine nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung stellt Einkommen dar und ist auf drei Jahre nach dem Zuflussmonat zu verteilen. Hier ist auf die Zahlung bzw. den Zufluss und nicht auf das Ende des Arbeitsverhältnisses abzustellen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein anderer Zurechnungszeitraum kann nur über eine Vereinbarung im Sinne von § 15 Abs. 2 S. 2 WoGG bestimmt werden. Die Vereinbarung muss eine eindeutige Regelung zum Zurechnungszeitraum enthalten – mündlich getroffene abweichende Bestimmungen reichen nicht (ebenso VG Göttingen BeckRS 2012, 58873). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3 Unberücksichtigt bleibt, wenn die Abfindung zum Zeitpunkt des Wohngeldantrags bereits vollständig verbraucht wurde (ebenso VG Ansbach BeckRS 2013, 50170). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig.
Die … GmbH ist gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in wohngeldrechtlichen Verfahren befugt als Prozessbevollmächtigte aufzutreten (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 67 Rn. 4; Schenk in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 32. EL Oktober 2016, § 67 Rn. 58). Nach dieser Vorschrift sind vor dem Verwaltungsgericht juristische Personen vertretungsbefugt, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. Diese Voraussetzungen werden von der … GmbH erfüllt. Insbesondere erfolgt die Prozessvertretung im vorliegenden wohngeldrechtlichen Verfahren entsprechend der Satzung des … So sieht § 2 Nr. 3 Buchstabe c) dieser Satzung (Stand: Mai 2014) vor, dass es zu den Aufgaben des … in der Sozialpolitik gehört, die Interessen der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer u.a. im Arbeits- und Sozialrecht zu vertreten. Zum Sozialrecht in diesem Sinne zählt das Wohngeldrecht als Rechtsmaterie, die die Verbesserung der sozialen Lage auch der Arbeitnehmer bezweckt. Auch wenn die Interessenvertretung in der Sozialpolitik im Sinne des § 2 Nr. 3 Buchstabe c) der …-Satzung in erster Linie auf politische Entscheidungen und Gesetzgebungsverfahren abzielt, ergibt sich aus § 2 Nr. 3 Buchstabe h), dritter Spiegelstrich der …-Satzung, dass die Prozessvertretung zu den satzungsmäßigen Aufgaben gehört (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 23.9.2010 – OVG 6 N 52.10; a.A. in ausbildungsförderungsrechtlichen Streitigkeiten VG Köln, B.v. 14.6.2012 – 22 K 2366/12).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da dem Kläger für den maßgeblichen Zeitraum ein Anspruch auf Wohngeld nicht zusteht und die Beklagte den Antrag zu Recht abgelehnt hat. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die dem Kläger im Januar 2015 ausgezahlte Abfindung seines früheren Arbeitgebers – das Arbeitsverhältnis wurde laut Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung zum 31. Dezember 2014 beendet – in Höhe von Euro 48.598,55 netto anteilig mit monatlich Euro 1.349,96 berücksichtigt hat.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen und Berechnungen im Widerspruchsbescheid vom 11. März 2016 (Seiten 3 bis 7) Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist auszuführen:
3. Zwischen den Beteiligten ist allein strittig, ob bzw. in welcher Höhe die vom Kläger erhaltene Abfindung als wohngeldrechtliches Einkommen zu berücksichtigen ist.
3.1. Nach § 4 Wohngeldgesetz (WoGG) richtet sich das Wohngeld nach der Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder, der zu berücksichtigenden Miete oder Belastung und dem Gesamteinkommen (§§ 13 bis 18 WoGG).
Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 WoGG in der bis 31. Dezember 2015 gültigen Fassung (vgl. zur Anwendung des jeweils bis zur Entscheidung geltenden Rechts § 41 Abs. 2 WoGG in der ab 1.1.2016 gültigen Fassung) ist eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung, die im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zufließt (Entlassungsentschädigung), den folgenden drei Jahren nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses zuzurechnen, wenn nicht in der Vereinbarung, die der Entlassungsentschädigung zu Grunde liegt, ein anderer Zurechnungszeitraum bestimmt ist.
Eine nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung ist daher auf drei Jahre nach dem Zuflussmonat zu verteilen. Mit dieser Zurechnungsregelung wird gewährleistet, dass solche zumeist erheblichen Geldbeträge nicht als Vermögenszuwachs zu behandeln sind, sondern als Einkommen über einen angemessenen Zeitraum verteilt anzurechnen sind (vgl. Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, § 15 Rn. 49). Damit wird verhindert, dass trotz vorhandener ausreichender finanzieller Mittel öffentlich finanzierte Sozialleistungen in Anspruch genommen werden können (vgl. BT-Drs. 16/6543 Seite 99 oben). Insofern wäre es daher auch verfehlt, nicht auf die Zahlung bzw. den Zufluss, sondern nur auf das Ende des Arbeitsverhältnisses abzustellen (so Hartmann, Wohngeld-Leitfaden 2014, 8. Auflage, Rn. 294; zur Berechnung ausgehend vom Beendigung des Arbeitsverhältnisses vgl. Zimmermann, WoGG; 1. Aufl. 2014, § 15 Rn. 6).
Der teilweise vertretenen Auffassung (OVG NRW, U.v. 23.4.2012 – 12 A 2494/11 – juris Rn. 24; VG Göttingen, U.v. 25.10.2012 – 2 A 312/11 – juris Rn. 14), dass eine Entlassungsentschädigung auf die dem Zuflussjahr nachfolgenden drei Jahre verteilt werden müsse – mit der Folge, dass die Entlassungsentschädigung im tatsächlichen Zuflussjahr (hier das Jahr 2015) als wohngeldrechtliches Einkommen außer Betracht zu bleiben hat – wird mit Blick auf die Ausführungen im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Reform des Wohngeldrechts und zur Änderung des Wohnraumförderungsgesetzes (BT-Drs. 18/4897, Seite 91) und den Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 2 WoGG (in der Fassung ab 1.1.2016) von der Kammer nicht gefolgt. Dies erscheint auch deshalb sachgerecht, da das Wohngeldgesetz auch an anderer Stelle auf den Monat als maßgebliche Zeiteinheit abstellt (vgl. § 25 WoGG).
3.2. Der Kläger hat keine Vereinbarung im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 2 WoGG vorgelegt, wonach ein anderer Zurechnungszeitraum bestimmt wird. Unabhängig hiervon bedürfte es für die Geltung eines individuellen Zurechnungszeitraums auch einer eindeutigen Regelung in der zugrunde liegenden Vereinbarung. Ist eine solche Bestimmung der Vereinbarung nicht eindeutig zu entnehmen – mündlich getroffene abweichende Bestimmungen reichen nicht (vgl. VG Göttingen, U.v. 25.10.2012 – 2 A 312/11 – juris. Rn. 19, 20) – gilt für die Zurechnung nach Abs. 2 Satz 2 eine Dreijahresfrist (Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, § 15 Rn. 49; BT-Drs. 16/6543). Wie es zu bewerten wäre, wenn in einer Abfindungsvereinbarung festgelegt wäre, dass sich die Höhe der Abfindung an der Betriebszugehörigkeit orientiert und so der Lebensunterhalt für einen bestimmten Zeitraum nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sichergestellt werden soll (vgl. Hartmann, Wohngeld-Leitfaden 2014, 8. Aufl., Rn. 295 ff.), bedarf – auch wenn diese Fallgestaltung in der mündlichen Verhandlung diskutiert wurde – keiner Entscheidung.
3.3. Die Beklagte hat bei der anteiligen Anrechnung der Abfindung zu Recht unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger die Abfindung zum Zeitpunkt seines Wohngeldantrags bereits vollständig verbraucht hat. Das Wohngeldgesetz sieht diesbezüglich keinen Ausnahmetatbestand vor. Maßgeblich ist allein (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 3 WoGG), dass dem Kläger die Abfindung innerhalb von drei Jahren vor der Antragstellung zugeflossen ist (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 3.5.2011 – 4 LC 191/10 – juris Rn. 32; VG Ansbach, U.v. 4.4.2013 – AN 14 K 12.02084 – juris Rn. 38; Rn. 32; Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG; § 15 Rn. 50, 58). Die Einkommens- bzw. Abfindungsverwendung ist bei der Ermittlung des wohngeldrechtlichen Einkommens unbeachtlich. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.