Arbeitsrecht

Auskunft über Schwerbehinderte im Unternehmen

Aktenzeichen  8 TaBV 57/16

Datum:
26.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 150411
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrVG § 50 Abs. 1 § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
SBG IX § 71, § 80 Abs. 1, § 93 S. 2, § 99

 

Leitsatz

Der örtliche BR hat gegen die Arbeitgeberin Anspruch auf Auskunft über Name und Betriebsstätte der im Unternehmen beschäftigten Schwerbehinderten und der ihnen Gleichgestellten, um die unternehmensbezogen ausgestaltete Beschäftigungsquote überwachen zu können; dies folgt aus § 80 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, § 71 SBG IX., Ferner hat er einen Anspruch auf Übermittlung einer Kopie der Anzeige nach § 80 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und des Verzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX, bezogen auf das ganze Unternehmen (wie LAG Nürnberg vom 18.08.2016 – 1 TaBV 2/16; entgegen LAG München vom 21.06.2016 – 6 TaBV 16/16, vom 28.07.2016 – 3 TaBV 90/15, und vom 11.10.2016 – 9 TaBV 49/16). (Rn. 39 – 44)
Die den Arbeitgeber treffende Beschäftigungspflicht schwerbehinderter Menschen ist unternehmensbezogen ausgestaltet. Die Einhaltung dieser Pflicht zu überwachen gehört trotz der unternehmensbezogenen Ausgestaltung der Quote nicht zu den Aufgaben des Gesamtbetriebsrats, sondern zu denen des Einzelbetriebsrats. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

41 BV 110/15 2016-05-03 Bes ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 03.05.2016 – 41 BV 110/15 – abgeändert.
2. Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft über Name und Betriebsstätte der in ihrem Unternehmen beschäftigten Schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen i. S. d. § 2 SGB IX zu erteilen.
3. Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, dem Antragsteller einmal jährlich eine Kopie der Anzeige der Daten, die zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung deren Erfüllung und der Ausgleichsabgabe i. S. d. § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX an die für die Beteiligte zu 2) zuständige Agentur für Arbeit gemacht wurden, sowie eine Kopie des Verzeichnisses der bei der Beteiligten zu 2) beschäftigten Schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten Behinderten und sonstigen anrechnungsfähigen Personen, gesondert für jeden Betrieb, zu übermitteln.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten über die Frage der Verpflichtung zur Auskunftserteilung hinsichtlich der bei der Beteiligten zu 2) beschäftigten schwerbehinderten Menschen und der diesen Gleichgestellten sowie über die jährliche Übermittlung des Verzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX sowie der Anzeige nach § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX an den Beteiligten zu 1).
Die Beteiligte zu 2) (nachfolgend auch „Arbeitgeberin“ genannt) betreibt mehrere Betriebsstätten, unter anderem den streitgegenständlichen Betrieb „E, A-Stadt“ in der A-Str. 5 in A-Stadt.
Der Antragsteller und Beteiligte zu 1) (nachfolgend auch „Betriebsrat“ genannt) ist der in der Betriebsstätte „E, A-Stadt“ in der A-Str. 5 in A-Stadt gebildete örtliche Betriebsrat. Die Vorsitzende dieses Betriebsrats ist derzeit Frau G.
Im Unternehmen der Arbeitgeberin sind auch Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte tätig.
Der Betriebsrat forderte die Arbeitgeberin mehrfach auf, ihm Auskunft über die bei ihr beschäftigten Schwerbehinderten und diesen Gleichgestellten zu erteilen, beispielsweise mit Schreiben vom 09.10.2014. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Betriebsrates vom 09.10.2014 (Bl. 8 ff. d. A.) Bezug genommen.
Die Arbeitgeberin erteilte die gewünschte Auskunft zunächst nicht. Mit Schreiben vom 29.10.2015 (vgl. Bl. 60 ff. d. A.) erteilte sie dem Betriebsrat eine Auskunft, die nur auf den Betrieb in A-Stadt bezogen war.
Der Betriebsrat hat vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht, er habe einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der im Unternehmen beschäftigten schwerbehinderten und der ihnen gleichgestellten Menschen, insbesondere gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG sowie §§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG i. V. m. § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG sowie den §§ 71 ff., § 93 SGB IX.
Sein Anspruch auf Übermittlung der Kopien der Anzeige und des Verzeichnisses, die die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) jährlich an die Bundesagentur für Arbeit zu richten habe, ergebe sich unmittelbar aus § 80 SGB IX.
Der Antrag zu 1) aus dem Schriftsatz vom 26.03.2015 auf Erteilung der Auskunft für die Betriebsstätte in A-Stadt wurde von beiden Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt (vgl. die Erledigungserklärung des Betriebsrats in seinem Schriftsatz vom 26.11.2015, Bl. 76 d. A., sowie die Zustimmung hierzu durch die Arbeitgeberin in ihrem Schriftsatz vom 17.12.2015, Bl. 83 d. A.).
Der Betriebsrat (Beteiligte zu 1) hat vor dem Arbeitsgericht zuletzt beantragt,
1.( – übereinstimmende Erledigungserklärung …)
2.Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft über Anzahl, Name und Betriebsstätte der in ihrem Unternehmen beschäftigten Schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen i. S. d. § 2 SGB IX zu erteilen.
3.Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, dem Antragsteller einmal jährlich eine Kopie der Anzeige der Daten, die zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung deren Erfüllung und der Ausgleichsabgabe i. S. d. § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX an die für die Beteiligte zu 2) zuständige Agentur für Arbeit gemacht wurden, sowie eine Kopie des Verzeichnisses der bei der Beteiligten zu 2) beschäftigten Schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten Behinderten und sonstigen anrechnungsfähigen Personen, gesondert für jeden Betrieb, zu übermitteln.
Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) hat beantragt,
Zurückweisung der Anträge.
Die Arbeitgeberin hat vor dem Arbeitsgericht die Auffassung vertreten, ein Auskunftsanspruch des Betriebsrates in Bezug auf sämtliche schwerbehinderte Menschen und Gleichgestellte im Gesamtunternehmen bestehe nicht. Ziffer 2) aus der Antragschrift sei abzuweisen, da die Anzahl sowie die Namen der schwerbehinderten Menschen und Gleichgestellten aus anderen Betriebsstätten für die Arbeit des örtlichen Betriebsrates vor Ort unerheblich seien.
Im Übrigen seien die Forderungen aus Ziffer 3) der Antragschrift in der Vergangenheit bereits erfüllt worden. Die Arbeitgeberin habe dem Betriebsrat mit Schreiben vom 27.02.2014 und 10.09.2014 Auskunft über die in der Filiale A-Stadt beschäftigten schwerbehinderten und gleichgestellten Mitarbeiter erteilt und eine Kopie des Verzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX für die Betriebsstätte in A-Stadt an ihn übersandt. Mit Schreiben vom 02.11.2015 sei auch eine Kopie des Verzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX für das Anzeigenjahr 2014 erteilt worden (vgl. Bl. 69 f. d. A.).
Mit Beschluss vom 03.05.2016 – 41 BV 110/15 – hat das Arbeitsgericht München das Verfahren hinsichtlich des Antrags zu 1) aus der Antragschrift vom 26.03.2015 gemäß § 83 a Abs. 2 Satz 1 ArbGG eingestellt und die Anträge im Übrigen als unbegründet abgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Für den Antrag zu 2) des Betriebsrats auf Erteilung von Auskunft über Anzahl, Name und Betriebsstätte der in dem Unternehmen der Arbeitgeberin beschäftigten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen enthalte weder das SGB IX noch das Betriebsverfassungsgesetz eine Anspruchsgrundlage Der allgemeine Auskunftsanspruch des § 80 BetrVG beschränke sich auf Informationen, die den jeweiligen Betrieb betreffen. Denn die Wahrung der Belange anderer Betriebe gehöre nicht zu den Aufgaben eines Betriebsrates. Dies ergebe sich etwa aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, wonach sich die Auskunftspflicht auf die Aufgaben des Betriebsrates nach dem BetrVG zu beziehen habe. Auch die Überwachungsaufgabe eines Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG beziehe sich auf die Überwachung der Einhaltung der Gesetze im jeweils eigenen Betrieb.
Soweit es um überbetriebliche Informationen gehe, sei hingegen die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gegeben. Das LAG München habe in seinem Beschluss vom 17.06.2015 – 8 TaBV 8/15 einen Auskunftsanspruch des bei der Beteiligten zu 2) gebildeten Gesamtbetriebsrats der Beteiligten zu 2) bejaht und die Beteiligte zu 2) verpflichtet, dem Gesamtbetriebsrat Auskunft über die Namen und Betriebsstätte der in ihrem Unternehmen beschäftigten Schwerbehinderten und Gleichgestellten im Sinne des § 2 SGB IX zu erteilen.
Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung bestehe kein praktisches Bedürfnis mehr dafür, dass zusätzlich auch noch die örtlichen Betriebsräte diese Mitteilungen erhielten.
Folglich ergebe sich ein Anspruch des Betriebsrats auch nicht aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Für Fragen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Unternehmen beträfen, sei gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG der Gesamtbetriebsrat zuständig.
Auch der Antrag zu 3) sei unbegründet. Ein Anspruch des Betriebsrats auf Übermittlung einer Kopie der Anzeige nach § 80 Abs. 2 SGB IX und eines Gesamtverzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX sei – mit Bezug auf das ganze Unternehmen – nicht gegeben.
§ 80 Abs. 2 Satz 3 SGB IX sehe nach seinem Wortlaut zunächst vor, dass dem Betriebsrat je eine Kopie der Anzeige und des Verzeichnisses zu übermitteln seien. Dies sei jedoch betriebsbezogen zu sehen. Die Arbeitgeberin habe dem Betriebsrat mit Schreiben vom 27.02.2014 und vom 10.09.2014 unbestritten Auskunft über die in der Filiale A-Stadt beschäftigten schwerbehinderten und gleichgestellten Mitarbeiter erteilt und eine Kopie des Verzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX für die Betriebsstätte in A-Stadt an ihn übersandt.
Weitere Auskunft wurde mit Schreiben vom 02.11.2015 erteilt unter Übersendung einer Kopie des Verzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX für das Anzeigenjahr 2014 (vgl. Bl. 69 und Bl. 70 d. A.). Der streitgegenständliche Anspruch des Betriebsrats sei damit erfüllt. § 80 Abs. 2 SGB IX bzw. § 80 Abs. 1 SGB gewährten dem Betriebsrat keinen Anspruch auf Übermittlung von unternehmensbezogenen Daten. Denn sinnvollerweise komme jeweils ein Anspruch der jeweils zuständigen Interessenvertretung in Betracht; vorliegend sei das nicht der örtliche Betriebsrat, sondern der Gesamtbetriebsrat.
Zwar seien in § 93 SGB IX nur die Vertretungen auf der Ebene des Betriebs genannt. Damit seien die auf anderen Ebenen gebildeten Vertretungen aber nicht von der Wahrnehmung der Aufgaben ausgenommen. So hätten die in der Betriebsverfassung auf der Ebene des Unternehmens gebildeten Gesamtbetriebsräte ebenfalls die Eingliederung zu fördern und nach Satz 2 auch auf die Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen zu achten. Ihre Aufgabenstellung habe von den Möglichkeiten und Pflichten des Entscheidungsträgers auszugehen, zu dessen Machtbegrenzung sie gebildet seien. Die Richtigkeit dieser Auffassung zeige sich auch bei den Pflichten zur Mindestbeschäftigung im Sinne der §§ 71, 72 SGB IX. Die Erfüllung dieser Pflichten sei nicht auf den einzelnen Betrieb, sondern auf die Gesamtheit aller dem Unternehmen zuzuordnenden Betriebe bezogen. Daher könne auch nur der Gesamtbetriebsrat die Einhaltung dieser Pflicht überprüfen. Die streitgegenständlichen Auskunftsrechte der jeweils einzelnen örtlichen Betriebsräte für Fragen mit Unternehmensbezug kämen nicht in Betracht.
Ergänzend wird auf die Feststellungen und Erwägungen des Arbeitsgerichts im angegriffenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung, die ihm am 10.05.2016 zugestellt wurde, wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner am 03.06.2016 eingelegten und am 10.08.2016 innerhalb verlängerter Frist begründeten Beschwerde.
Zur Begründung seines Rechtsmittels bringt er im Wesentlichen Folgendes vor: Die begehrten Auskunfts- und Übermittlungsansprüche stünden ihm zu. Das Arbeitsgericht habe die Reichweite der Auskunftsansprüche nach dem BetrVG sowie nach dem SGB IX verkannt. Er begehre die schlichte Auskunft über im Unternehmen beschäftigte Personen. Diese Daten stellten Grundinformationen dar und seien die Grundlage für die Arbeit des Betriebsrats. Solche Grunddaten seien dem Betriebsrat ohne besondere Darlegung der Notwendigkeit umfassend mitzuteilen. Dabei habe der Arbeitgeber auch die Namen derjenigen Arbeitnehmer zu nennen, die besonderen Schutzgesetzen unterliegen würden. Bereits § 2 Abs. 1 BetrVG gebiete die Weitergabe der Auskünfte.
Der Auskunftsanspruch ergebe sich ferner nach § 80 Abs. 2 i. V. m. § 80 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 BetrVG i. V. m. § 71 Abs. 1 SGB IX. Der Betriebsrat habe Anspruch auf Auskunft zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben. Zu diesen zählten gem. § 80 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die in § 80 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 BetrVG normierten Förderungs- und Überwachungspflichten. Träger des Überwachungsrechts sei hierbei der örtliche Betriebsrat und nicht der Gesamtbetriebsrat. Die Wahrnehmung des Überwachungsrechts werde nicht von § 50 Abs. 1 BetrVG erfasst. § 80 Abs. 1 BetrVG umfasse die Überwachungspflicht hinsichtlich der in § 71 SGB IX geregelten Schwerbehindertenquote. Nachdem diese unternehmensbezogen zu berechnen sei und der Arbeitgeber die Möglichkeit habe, die Nichterfüllung der Quote in einem Betrieb durch die Übererfüllung in einem anderen Betrieb auszugleichen, sei dem Betriebsrat die Auskunft über die beschäftigten Schwerbehinderten und der ihnen gleichgestellten Personen auch unternehmensbezogen zu erteilen. Ansonsten könne der Betriebsrat seine Überwachungspflichten nicht erfüllen.
Das Übermittlungsbegehren des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 3 SGB IX, das seinen Niederschlag im Antrag zu 3) gefunden habe, sei ebenfalls gegeben. Dieser Anspruch erstrecke sich sowohl auf die Anzeige gem. § 80 Abs. 2 SGB IX, als auch auf das Bündel aller Verzeichnisse der örtlichen Betriebe gem. § 80 Abs. 1 SGB IX. Eine Einschränkung dahingehend, dass dem örtlichen Betriebsrat nur das lokale Verzeichnung zu übermitteln sei, bestehe nicht. Der Wortlaut des § 80 Abs. 2 Satz 3 SGB IX sei eindeutig; berechtigt sei danach der Betriebsrat. Systematische Gründe rechtfertigten hier kein weites Verständnis des Begriffs.
§ 80 Abs. 2 SGB IX enthalte des Weiteren keine Einschränkung dahin, dass dem örtlichen Betriebsrat nur ein Verzeichnis zustehe, das sich auf die lokal beschäftigten Schwerbehinderten und die ihnen gleichgestellten Menschen beziehe. Dies zu Recht, da es dem Betriebsrat ansonsten verwehrt wäre, seinen Pflichten nach § 93 Satz 2 SGB IX ordnungsgemäß nachzukommen. Die Quote gelte als erfüllt, wenn die entsprechenden Zahlen hinsichtlich aller Betriebe des Unternehmens eingehalten würden.
Selbst wenn ein Übermittlungsanspruch hinsichtlich der Anzeige sowie des Gesamtverzeichnisses nur dem Gesamtbetriebsrat zustünde, führte dies nicht dazu, dass der Betriebsrat die Unterlagen gar nicht oder nur zum Teil zu beanspruchen hätte. Nach zutreffender Auffassung könne sowohl der Gesamtbetriebsrat als auch der örtliche Betriebsrat eine Kopie der an die Agentur für Arbeit zu übermittelnden Anzeige nach § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX und des Gesamtverzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX, also das Bündel aller Verzeichnisse der örtlichen Betriebe, beanspruchen. Dieser Anspruch folge nicht nur aus § 80 Abs. 2 Satz 3 SGB IX, sondern auch aus den Vorgaben des § 99 SGB IX, wonach alle betrieblichen Stellen zur engen Mitarbeit verpflichtet seien, um die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben zu verbessern. Zusammenarbeit bedeute hierbei, dass die beteiligten Stellen nicht unabhängig voneinander, sondern gemeinsam tätig werden müssten. Sämtliche Akteure der betrieblichen Gleichstellungspolitik müssten über eine laufend aktualisierte, einheitliche und gemeinsame Daten- und Arbeitsgrundlage verfügen, was nur gewährleistet sei, wenn auch der örtliche Betriebsrat über eine Kopie der genannten Unterlagen verfüge.
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
1.Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 03.05.2016 – Az: 41 BV 110/15 wird abgeändert.
2.Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft über Name und Betriebsstätte der in ihrem Unternehmen beschäftigten Schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen i. S. d. § 2 SGB IX zu erteilen.
3.Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, dem Antragsteller einmal jährlich eine Kopie der Anzeige der Daten, die zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung deren Erfüllung und der Ausgleichsabgabe i. S. d. § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX an die für die Beteiligte zu 2) zuständige Agentur für Arbeit gemacht wurden, sowie eine Kopie des Verzeichnisses der bei der Beteiligten zu 2) beschäftigten Schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten Behinderten und sonstigen anrechnungsfähigen Personen, gesondert für jeden Betrieb, zu übermitteln.
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2) verteidigt den angegriffenen Beschluss.
Zu Recht habe das Arbeitsgericht ausgeführt, dass für einen unternehmensweiten Auskunftsanspruch weder nach dem SGB IX noch nach dem BetrVG eine Grundlage bestehe. Der Anspruch nach § 80 BetrVG beschränke sich auf Informationen, die den jeweiligen Betrieb beträfen. Ein Anspruch auf Mitteilung der Namen und Betriebsstätten der im Unternehmen beschäftigten Schwerbehinderten bzw. Gleichgestellten stehe dem örtlichen Betriebsrat daher nicht zu. Soweit es um überbetriebliche Informationen gehe, sei die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gegeben. Zu Recht habe das Arbeitsgericht auch das praktische Bedürfnis einer Mitteilung an die örtlichen Betriebsräte verneint.
Weiter habe das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, dass der Anspruch auf Übermittlung einer Kopie der Anzeige nach § 80 Abs. 2 SGB IX sowie des Gesamtverzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX mit Bezug auf das gesamte Unternehmen nicht bestehe. Das Arbeitsgericht habe § 80 Abs. 2 Satz 3 SGB IX richtigerweise betriebsbezogen aufgefasst. Ebenfalls zutreffend habe das Arbeitsgericht angenommen, dass § 80 Abs. 2 SGB IX und § 80 Abs. 1 BetrVG dem örtlichen Betriebsrat keinen Anspruch auf Übermittlung unternehmensbezogener Daten gewährten. Hierfür sei eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats anzunehmen; nur dieser dürfe beispielsweise die Einhaltung der Pflichtquote prüfen.
Darüber hinaus wäre es in sich widersprüchlich, einen Auskunftsanspruch des Betriebsrats mit Unternehmensbezug abzulehnen, ihm aber einen unternehmensbezogenen Anspruch auf Übermittlung der Unterlagen nach § 80 Abs. 2 bzw. Abs. 1 SGB IX zuzugestehen.
Darüber hinaus habe die Arbeitgeberin hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs datenschutzrechtliche Bedenken.
Ergänzend wird wegen des Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren auf den Schriftsatz des Beteiligten zu 1) vom 10.08.2016, auf den Schriftsatz der Beteiligten zu 2) vom 10.10.2016 und auf die Sitzungsniederschrift vom 12.04.2017 Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist begründet.
1. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts kann der Beteiligte zu 1) von der Beteiligten zu 2) Auskunft über Namen und Betriebsstätte der in ihrem Unternehmen beschäftigten schwerbehinderten Menschen und der ihnen gleichgestellten Arbeitnehmer verlangen. Der Anspruch folgt aus § 80 Abs. 2 i.V.m. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und § 71 SGB IX.
Die den Arbeitgeber treffende Beschäftigungspflicht ist – wovon auch das Arbeitsgericht ausgegangen ist und wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen – unternehmensbezogen ausgestaltet. Für die Prüfung, ob der Arbeitgeber diese Pflicht erfüllt hat, ist mithin auf das gesamte Unternehmen abzustellen. Die Aufgabe, die Einhaltung dieser Pflicht zu überwachen, gehört trotz der unternehmensbezogenen Ausgestaltung der Quote nicht zu Aufgaben des Gesamtbetriebsrats, sondern zu denen des Einzelbetriebsrats.
Sie kommt den Gesamtbetriebsräten auch nicht deshalb nach § 50 Abs. 1 BetrVG zu, weil die gesetzliche Pflicht nicht auf den einzelnen Betrieb, sondern auf mehrere Betriebe oder das gesamte Unternehmen bezogen ist. Die funktionelle Aufgabenübertragung nach dieser Norm beschränkt sich nämlich schon nach ihrem Wortlaut auf „die Behandlung von Angelegenheiten“, die nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Bereiche „geregelt“ werden können. Bei der Überwachungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX geht es aber nicht um Regelungen, also um die Ausübung von Mitbestimmungsrechten mit dem Ziel der Schaffung von Normen; vielmehr soll auf die Einhaltung der bereits bestehenden Regelungen hingewirkt werden. Hierauf bezieht sich die funktionelle Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nicht. Insoweit bleibt es bei der funktionellen Zuständigkeit der jeweiligen Einzelbetriebsräte (vgl. zutreffend zum Ganzen: LAG Nürnberg, Beschluss vom 18.08.2016 – 1 TaBV 2/16, m.w.N.).
Dass der Betriebsrat über die mit dem Auskunftsantrag begehrten Informationen bereits verfügen würde, behauptet auch die Beteiligte zu 2) nicht.
2. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts kann der Beteiligte zu 1) auch verlangen, dass die Beteiligte zu 2) ihm einmal jährlich eine Kopie der Anzeige der Daten im Sinne von § 80 Abs. 2 S. 1 SGB IX sowie eine Kopie des Verzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX übermittelt, und dies nicht nur beschränkt auf den jeweiligen Betrieb.
Der Anspruch ergibt sich sowohl hinsichtlich der Anzeige der Daten als auch hinsichtlich der Übermittlung des Verzeichnisses aus § 80 Abs. 2 S. 3 SGB IX. Dafür spricht schon der Wortlaut der Norm: Der Betriebsrat ist als ein Adressat von Kopie und Verzeichnis ausdrücklich genannt.
Es kann hier – da nicht entscheidungserheblich – dahinstehen, ob der Wortlaut des § 80 Abs. 2 S. 3 SGB IX eine Übermittlung an andere als die ausdrücklich genannten Gremien im Rahmen der funktionellen Zuständigkeitsverteilung, namentlich an den GBR, ausschließt; eine Auslegung dahingehend, dass die Pflicht nur gegenüber dem Gesamtbetriebsrat und nicht auch gegenüber dem örtlichen Betriebsrat bestehen könnte, ist jedenfalls nicht veranlasst. Denn die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, die durch die Übermittlung einer Kopie der Anzeige und des Verzeichnisses erleichtert werden soll, ist – wie ausgeführt – gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG den örtlichen Betriebsräten übertragen.
Den datenschutzrechtlichen Bedenken der Beteiligten zu 2) vermag sich die Beschwerdekammer nicht anzuschließen. Der Betriebsrat steht nicht im Sinne von § 3 Abs. 8 S. 2 BDSG außerhalb des Unternehmens als verantwortlicher Stelle im Sinne von § 3 Abs. 7 BDSG.
III.
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 92 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG mit Blick auf die abweichenden Entscheidungen der 6. Kammer (vgl. Beschluss vom 21.06.2016 – 6 TaBV 16/16), der 3. Kammer (vgl. Beschluss vom 28.07.2016 – 3 TaBV 90/15) und der 9. Kammer (vgl. Beschluss vom 11.10.2016 – 9 TaBV 49/16) des Landesarbeitsgerichts München zuzulassen.
Dem Beteiligten zu 1) steht dieses Rechtsmittel gleichwohl nicht zur Verfügung, da er durch die vorliegende Entscheidung nicht beschwert ist.
Die Beteiligte zu 2) wird verwiesen auf nachfolgende

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