Verwaltungsrecht

Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs

Aktenzeichen  20 ZB 17.30228

Datum:
25.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 114442
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verlangt nicht, dass das Gericht in der mündlichen Verhandlung seine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des vom Kläger vorgetragenen Sachverhalts zu äußern, um diesem Gelegenheit zu geben, Widersprüche auszuräumen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 16.30486 2016-12-13 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 13. Dezember 2016 wird abgelehnt, da die geltend gemachten Zulassungsgründe entweder nicht in einer § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechenden Art und Weise dargelegt wurden (hierzu 1.) oder nicht vorliegen (hierzu 2.).
1. Der Zulassungsgrund der Grundsatzbedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) wurde nicht entsprechend § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt. Hierzu muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage ein über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 a Rn. 72). Der Kläger formuliert hier zwar mit der Frage,
inwieweit in der Region Bagdad/Irak bereits ein innerstaatlicher Konflikt herrscht,
eine als grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage. Es fehlt jedoch an Ausführungen, die sich mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil auseinandersetzen und dazu Stellung beziehen, weshalb die Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und weshalb die Frage klärungsbedürftig ist. Darüber hinaus fehlen auch Ausführungen zur über den Einzelfall hinaus gehenden Bedeutung der Frage.
2. Der Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, der Verletzung des rechtlichen Gehörs, liegt nicht vor. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verlangt, dass der Beteiligte Gelegenheit hat, das aus seiner Sicht für seine Rechtsverfolgung oder -verteidigung Notwendige in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht vorzutragen. Andererseits hat das Gericht aber auch diesen Vortrag zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (Kraft in Eyermann, VwGO, § 138 Rn. 31 und 32). Zum Grundsatz des rechtlichen Gehörs gehört auch das Verbot von Überraschungsentscheidungen. Das Gericht darf einen bisher nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt nicht ohne einen Hinweis zur Grundlage seiner Entscheidung machen. Allerdings muss das Gericht nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die von ihm beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen. Falls es jedoch eine vorläufige Einschätzung der Rechtslage zu erkennen gegeben hat, muss es deutlich machen, wenn es hiervon wieder abweichen will (vgl. zum Ganzen Kraft in Eyermann, VwGO, § 138 Rn. 33 m.w.N.).
Bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts handelt es sich entgegen den Bekundungen im Zulassungsantrag nicht um eine Überraschungsentscheidung in diesem Sinne. Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall keine beabsichtigte Entscheidung zu erkennen gegeben, von der es überraschender Weise wieder abgerückt ist. Auch wenn die Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht möglicherweise den Eindruck hatte, dass wegen der Sicherheitslage im Irak der subsidiäre Schutzstatus oder ein nationales Abschiebungsverbot zuerkannt werden sollte, so wurde eine derartige Absicht vom Verwaltungsgericht in keiner Weise in der mündlichen Verhandlung bekannt gegeben. Auch in der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist eine derartige Kundgabe einer beabsichtigten Entscheidung nicht zu sehen, da das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 25. November 2016 ausdrücklich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die offenen Erfolgsaussichten der Klage gestützt hatte.
Das Verwaltungsgericht war auch nicht verpflichtet, in der Verhandlung seine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des vom Kläger vorgetragenen Sachverhalts zu äußern, um diesem Gelegenheit zu geben, Widersprüche auszuräumen. Dies verlangt der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, wie oben ausgeführt, nicht.
Soweit geltend gemacht wird, dass das Verwaltungsgericht den Kläger zu seinem Glaubenswechsel überhaupt nicht befragen wollte, führt dies nicht zu einer Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs. Denn der Kläger wurde tatsächlich in der mündlichen Verhandlung hierzu befragt. Darüber hinaus hatte er schriftsätzlich bereits hierzu vorgetragen. Die diesbezüglichen Aspekte wurden auch vom Gericht im Urteil gewürdigt und damit zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Damit sind die Anforderungen an den Grundsatz des rechtlichen Gehörs erfüllt. Dass das Gericht die Einschätzung des Klägers hierzu teilt, verlangt der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gerade nicht.
Angesichts der Möglichkeit, im schriftlichen Verfahren bereits vorzutragen, führt auch die klägerseits beklagte schlechte Übersetzung des Dolmetschers und die fehlende Zeit zur Erörterung der Klagegründe in der mündlichen Verhandlung nicht zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Im Übrigen ist dieser Vorwurf angesichts der im Zulassungsverfahren behaupteten guten Deutschkenntnisse des Klägers auch nicht nachzuvollziehen.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b AsylG abzulehnen.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung des Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.

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