Familienrecht

Kein Formularzwang für die Einwendung der Leistungsunfähigkeit

Aktenzeichen  2 WF 107/17

Datum:
25.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
RPfleger – 2017, 542
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 252 Abs. 2 u. Abs. 4, § 256, § 259

 

Leitsatz

1. Ist der Unterhaltsschuldner nach seiner Auffassung insgesamt nicht in der Lage, den Unterhalt zu bezahlen, muss es ausreichen, dass er angibt, weder über Einkommen noch über Vermögen zu verfügen, das ihm eine Unterhaltszahlung erlaubt.
2. Soweit in § 252 Abs. 2 FamFG i.d.F. ab 01.01.2017 weiterhin vorausgesetzt wird, dass der Antragsgegner erklären müsse, inwieweit er zu Unterhaltsleistungen bereits sei und dass er sich insoweit zu Erfüllung des Unterhaltsanspruches verpflichte, kann sich dies denknotwendigerweise nur darauf beziehen, dass ein Unterhaltsschuldner zum Teil leistungsfähig ist.
3. Im übrigen ist mit §§ 252, 259 FamFG i.d.F. ab 01.01.2017 für die zulässige Erhebung von Einwendungen kein Formularzwang mehr gegeben. Die bloße Verwendung eines von § 259 FamFG nicht vorgesehenen Formblatts führt nicht dazu, dass dieses Formblatt in bestimmter Art und Weise auszufüllen ist. Maßgeblich für die Erhebung der Einwendungen ist ausschließlich die gesetzliche Regelung.

Verfahrensgang

0250 FH 9/17 2017-02-28 Bes AGBAMBERG AG Bamberg

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht – Bamberg vom 28.02.2017 (Az. 0250 FH 9/17) aufgehoben.
2. Der Antragsteller wird darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner zulässige Einwendungen gegen die Festsetzung gemäß § 252 Abs. 2 und Abs. 4 FamFG erhoben hat und der Antrag auf Durchführung des streiten Verfahrens gestellt werden kann.
3. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4. Der Verfahrenswert in erster und zweiter Instanz wird auf 2.095,00 € festgesetzt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Gegenstand des Verfahrens sind Unterhaltsvorschussleistungen für das Kind des Antragsgegners R. D., geb. am …, die der F.gegenüber dem Antragsgegner im vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren geltend macht. Mit Schriftsatz vom 25.01.2017 beantragte der F., vertreten durch das Landesamt für Finanzen, Dienststelle Würzburg, den Antragsgegner zu verpflichten, rückständigen Kindesunterhalt abzüglich Teilleistungen von 513,00 € in Höhe von noch 295,00 € und ab 01.02.2017 100% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe verringert um Kindergeld für ein erstes Kind aus übergegangenem Recht nach § 7 UVG zu bezahlen.
Das Amtsgericht hat diesen Antrag nebst Hinweisen zum vereinfachten Unterhaltsverfahren dem Antragsgegner am 09.02.2017 zugestellt. Mit amtlichem Vordruck für Einwendungen, eingegangen am 27.02.2017, hat der Antragsgegner mitgeteilt, Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt für R. D. zu erheben. Unter dem Punkt B.„Ich erhebe folgende Einwendung“, hat der Antragsgegner nichts angekreuzt. Unter dem Punkt C. „Ich bin teilweise oder vollständig leistungsunfähig“, hat der Antragsgegner angekreuzt: „Ich verfüge weder über Einkommen noch Vermögen, das mir eine Unterhaltszahlung erlaubt.“. Ferner hat er angekreuzt, dass er Leistungen nach SGB II oder nach SGB XII beziehe und fügte einen Bescheid des Jobcenters vom 26.11.2016 bei, wonach er Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum ab Januar 2017 bis September 2017 in Höhe von 409,00 € beziehe. Der Bescheid ist mit „Änderungsbescheid“ überschrieben.
Am 28.02.2017 erließ das Amtsgericht Bamberg daraufhin einen Beschluss, mit dem es den von dem Antragsgegner an den Antragsteller F. zu zahlenden Unterhalt antragsgemäß auf 100% des jeweiligen Mindestunterhalts festsetzte. Ferner wurden zu zahlende Rückstände für die Zeit vom 16.08.2016 bis 31.01.2017 auf 295,00 € festgesetzt.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 28.02.2017 Bezug genommen.
Gegen diesen, dem Antragsgegner am 09.03.2017 zugestellten Beschluss, legte dieser mit Telefax vom 29.03.2017, eingegangen beim Amtsgericht Bamberg am 29.03.2017, Beschwerde ein. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass er ausweislich seines übersandten Leistungsbescheides über Arbeitslosengeld II zur Zeit nicht leistungsfähig für den Kindesunterhalt sei. Dies sei bereits von ihm mitgeteilt worden. Er sei selbstverständlich bereit, Unterhalt zu zahlen, wenn sich sein Einkommen nach seiner Therapie wieder erhöhe.
Der Antragsgegner beantragt, den oben genannten Beschluss zurückzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift des Antragsgegners vom 29.03.2017 Bezug genommen.
Der Antragsteller hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und beantragt, die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 28.02.2017 zurückzuweisen.
Der F. trägt vor, dass sich der Antragsgegner erstmals nach Erlass des Festsetzungsbeschlusses im Beschwerdeverfahren auf fehlende Leistungsfähigkeit berufen habe. Die Beschwerde sei daher nach § 256 Satz 2 FamFG unzulässig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeerwiderung des F. vom 13.04.2017 Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig. Bei dem Beschluss nach § 253 FamFG handelt es sich um eine Endentscheidung im Sinne von § 38 FamFG, gegen die die Beschwerde nach § 58 ff. FamFG unter den Beschränkungen des § 256 FamFG statthaft ist.
Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt und auch fristgerecht begründet. Insbesondere konnte auch der Antragsgegner selbst Beschwerde einlegen, §§ 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG, 78 Abs. 3 ZPO, 257 FamFG.
Auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 256 Satz 1 und Satz 2 FamFG sind erfüllt. Der Beschwerdeführer hat die Einwendungen der fehlenden Leistungsfähigkeit geltend gemacht und rügt mit der Beschwerde, dass er diese Einwendung bereits in der ersten Instanz erhoben hat, § 252 Abs. 2, Abs. 4 FamFG.
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
Das Amtsgericht hat in seinem Beschluss vom 28.02.2017 die Einwendungen der Leistungsunfähigkeit nicht berücksichtigt, weil der Antragsgegner diese nicht in zulässiger Weise erhoben habe. Er habe nicht zugleich erklärt, inwieweit er zur Unterhaltsleistung bereit sei und dass er sich insoweit zur Erfüllung des Unterhaltsanspruchs verpflichte.
Tatsächlich hat der Antragsgegner aber seine Einwendung bereits in erster Instanz formgerecht erhoben und damit rechtzeitig im Sinne des § 256 Satz 2 i.V.m. § 252 Abs. 2 und Abs. 4 FamFG.
Der Antragsgegner hat mit ausgefülltem Formblatt vom 23.02.2017, eingegangen am 27.02.2017, unter Vorlage des aktuellen Bescheides des Jobcenters vom 26.11.2016 unzweifelhaft mitgeteilt, das er weder über Einkommen noch über Vermögen verfüge, das ihm eine Unterhaltszahlung erlaube. Damit hat er auch zum Ausdruck gebracht, dass er nicht in der Lage ist, den geforderten Unterhalt zu zahlen. Soweit in § 252 Abs. 2 FamFG weiterhin vorausgesetzt wird, dass der Antragsgegner erklären müsse, inwieweit er zu Unterhaltsleitungen bereit sei und dass er sich insoweit zur Erfüllung des Unterhaltsanspruches verpflichte, kann sich dies denknotwendigerweise nur darauf beziehen, dass ein Unterhaltsschuldner zum Teil leistungsfähig ist. Ist der Unterhaltsschuldner nach seiner Auffassung insgesamt nicht in der Lage, den Unterhalt zu bezahlen, muss es ausreichen, dass er angibt, weder über Einkommen, noch über Vermögen zu verfügen, das ihm eine Unterhaltszahlung erlaubt. So ergibt sich aus der obergerichtlichen Rechtsprechung zur alten Rechtslage (gültig für Anträge bis 31.12.2016, § 493 Abs. 2 FamFG), dass es sich beim damals im amtlichen Vordruck vorgesehene Erfordernis, eine „Null“ in das Formblatt einzutragen, wenn die Leistungsunfähigkeit aufgehoben war, nur um eine bloße Förmelei handelte. Aus den Angaben des Antragsgegners ist eindeutig zu entnehmen, dass er die Einwendung der vollen Leistungsunfähigkeit erhebt. Auch im Übrigen sind seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse vollständig angegeben. Insbesondere hat er entsprechend § 252 Abs. 4 Satz 2 FamFG den aktuellen Bescheid des Jobcenters vorgelegt. Weitere Erklärungen vom Antragsgegner wären als „bloße Förmelei“ zu verstehen und deren Fehlen kann daher keinen Einwendungsausschluss begründen (vgl. OLG Bamberg zur alten Rechtslage, Az. 2 WF 44/16 und OLG Karlsruhe zur alten Rechtslage, Az. 18 WF 19/12, FamRZ 2013, 562).
Im übrigen ist mit §§ 252, 259 FamFG i.d.F. ab 01.01.2017 für die zulässige Erhebung von Einwendungen kein Formularzwang mehr gegeben. Die Verordnung zur Einführung von Vordrucken für das vereinfache Verfahren über den Unterhalt minderjähriger Kinder (KindUFV) i.d.F. ab 01.01.2017 sieht für die Erhebung von Einwendungen kein Formular mehr vor. Der hier benutzte und von der Landesjustizverwaltung entworfene Vordruck ist nicht geeignet, weitergehende Anforderungen an die Zulässigkeit der Erhebung von Einwendungen zu stellen.
Die bloße Verwendung eines von § 259 FamFG nicht vorgesehenen Formblatts führt nicht dazu, dass dieses Formblatt in bestimmter Art und Weise auszufüllen ist. Maßgeblich ist für die Erhebung der Einwendungen ausschließlich die gesetzliche Regelung.
Demgemäß wurde der Einwand der Leistungsunfähigkeit rechtzeitig und in zulässiger Weise in erster Instanz erhoben.
Allerdings ist dem Beschwerdegericht eine eigene Sachentscheidung verwehrt, da die Begründetheit der Einwendung der Leistungsunfähigkeit weder Gegenstand des vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahrens, noch des Beschwerdeverfahrens ist (vgl. Zöller/Lorenz, 31. Auflage, § 256 FamFG, Rd.Nr. 16, OLG Karlsruhe vom 30.07.2012, Az. 18 WF 19/12, FamRZ 2013, 562). Die zulässige Erhebung von Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG löst nur die Mitteilungspflicht nach § 254 FamFG aus, verbunden mit dem Hinweis, dass die Durchführung des streitigen Verfahrens möglich ist. Eine Entscheidung darüber, in welcher Höhe gegebenenfalls Unterhalt zu leisten ist, bleibt dem streitigen Verfahren vorbehalten, soweit dessen Durchführung innerhalb der 6-Monatsfrist des § 255 Abs. 6 FamFG beantragt wird (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.).
Werden Einwendungen – wie hier – unzulässigerweise in erster Instanz nicht berücksichtigt, muss das gleiche gelten. Dem Beschwerdegericht obliegt nicht eine Entscheidung darüber, die bereits das Gericht erster Instanz nicht treffen darf.
Die Überprüfung der Leistungsfähigkeit bleibt daher dem streitigen Verfahren vorbehalten, das durch einen der Beteiligten nach § 255 FamFG einzuleiten ist.
Demgemäß ist vorliegend lediglich der angefochtene Beschluss aufzuheben und auf den möglichen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens hinzuweisen, § 254 FamFG.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 113, 243 FamFG. Da vorliegend die Aufhebung des Beschlusses nicht von einem der Beteiligten verursacht war, entspricht es billigem Ermessen, von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen und keine Kostenerstattung anzuordnen.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 51 Abs. 1 und Abs. 2 FamGKG. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Die Scheidung einer Ehe

War es bis vor etlichen Jahren noch undenkbar, eine Ehe scheiden zu lassen, so ist eine Scheidung heute gesellschaftlich akzeptiert. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen einen deutlichen Trend: Beinahe jede zweite Ehe wird im Laufe der Zeit geschieden. Was es zu beachten gilt, erfahren Sie hier.
Mehr lesen