Baurecht

Abschnittsbildung bei der Erhebung von Erschließungsbeiträgen

Aktenzeichen  6 B 16.2125

Datum:
13.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBauG BBauG § 130 Abs. 2 S. 1, § 133 Abs. 3 S. 1
KAG Art. 5a

 

Leitsatz

Die Entscheidung der Gemeinde, den Erschließungsaufwand abweichend von der gesetzlichen Regelung unter den jeweiligen Voraussetzungen auf der Grundlage eines Abschnitts oder für mehrere Anlagen insgesamt zu ermitteln und zu verteilen, erfolgt im Einzelfall durch einen innerdienstlichen Ermessensakt, der deutlich und unmissverständlich bekundet (vgl. BayVGH BeckRS 2015, 42476) und hinreichend bestimmt sein muss (vgl. BayVGH , U.v. 1.12.2011 – 6 B 09.2873). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 4 K 13.1923 2014-09-02 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 2. September 2014 – RO 4 K 13.1923 – abgeändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2013 wird insoweit aufgehoben, als eine Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag von mehr als 11.116,63 € festgesetzt und eine Zahlung von mehr als 10.291,51 € verlangt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen haben die Klägerin und die Beklagte jeweils die Hälfte zu tragen.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und teilweise begründet.
Der Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit er für ihr Grundstück FlNr. 579/5 eine höhere Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag als 11.116,63 € festsetzt und eine Zahlung von mehr als 10.291,51 € verlangt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Übrigen bleiben die Klage und die Berufung ohne Erfolg.
Die Vorausleistungsforderung der Beklagten ist auf der Grundlage von Art. 5a KAG i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB nur in Höhe von 11.116,63 € (statt 20.242,88 €) rechtmäßig. Gegenstand der Beitrags- und damit Vorausleistungserhebung ist die Herstellung der P.-L.-Straße in ihrer gesamten Ausdehnung als der maßgeblichen Erschließungsanlage, allerdings ohne das Verbindungsstück zur K. Straße (1.). Die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin haben keinen wirksamen Abschnitt zwischen den sog. Wohnstraßen A und B gebildet (2.). Bezogen auf die gesamte P.-L.-Straße ist der Vorausleistungsbescheid in Höhe von 11.116,63 € aufrechtzuerhalten (3.). Eine Verzinsung oder Indexierung der 1967 geleisteten Zahlungen des Rechtsvorgängers der Klägerin ist ausgeschlossen (4.).
1. Maßgebliche Erschließungsanlage (i.S.v. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, nunmehr Art. 5a Abs. 2 Nr. 1 KAG) ist die P.-L.-Straße in ihrer gesamten Länge von ca. 465 m.
a) Wie weit eine einzelne Erschließungsanlage reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, bestimmt sich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Straße als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Deshalb hat sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen, Grundstücksgrenzen oder dem zeitlichen Ablauf von Planung und Bauausführung auszurichten, sondern, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise, an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und Straßenausstattung (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa BayVGH, U.v. 30.6.2011 – 6 B 08.369 – juris Rn. 18; B.v. 25.8.2016 – 6 ZB 16.410 – juris Rn. 5 m.w.N.). Bei der – hier in Streit stehenden – Erhebung einer Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag (Art. 5a KAG i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB), die begrifflich immer vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflichten erfolgt, ist prognostisch nach der Kenntnislage im Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung zu bewerten, wie die Erschließungsanlage sich nach vollständiger Umsetzung des gemeindlichen Bauprogramms darstellen wird (BayVGH, U.v. 13.4.2017 – 6 B 14.2720 – juris Rn. 20).
Gemessen an diesem Maßstab beginnt die P.-L.-Straße im Norden an der Einmündung in die west-östlich verlaufende Straße (in etwa an der Grenze zwischen den Grundstücken FlNrn. 561/2 und 586/2) und endet im Süden an ihrer Einmündung in die Hauptstraße (NEW 5). Der geschwungen verlaufende Straßenzug stellt sich bei natürlicher Betrachtungsweise ausweislich der vorliegenden Pläne und Luftbilder als eine einzige Erschließungsanlage dar. Auffällige, markante Zäsuren, die zu einer Aufspaltung in zwei Anlagen führen könnten, sind nicht zu erkennen.
Die Anbindung zur K. Straße ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, bei natürlicher Betrachtungsweise nicht Teil der Erschließungsanlage P.-L.-Straße. Es handelt sich nicht um eine unselbständige Stich Straße (der P.-L.-Straße), sondern um ein Straßenstück mit Verbindungsfunktion. Nach ihrer Verkehrsfunktion ermöglicht sie insbesondere den Anliegern der südwestlich der P.-L.-Straße liegenden Grundstücke eine kürzere Verbindung zur Hauptstraße (NEW 5). Von Verkehrsführung und Ausgestaltung ihres Anschlusses an die P.-L.-Straße ist sie nicht als deren Teil anzusehen, sondern allenfalls als Teil der K. Straße zu bewerten.
b) Die P.-L.-Straße zerfällt auch nicht aus Rechtsgründen in zwei jeweils selbstständig zu betrachtende Erschließungsanlagen.
Bei der Wohn Straße A handelt es sich nicht um die – zwangsläufig selbstständige – Verlängerungsstrecke einer bereits endgültig hergestellten Erschließungsanlage Wohnstraße B. Die Erschließungsanlage P.-L.- Straße endete 1968 nicht mit dem Ausbauende des fertiggestellten Teilstücks, sondern setzte sich mit – einseitiger – Anbaufunktion, wenn auch nur provisorisch hergestellt, bis zur Einmündung in die Hauptstraße (NEW 5) fort. Der gesamte Straßenzug war mithin bereits damals angelegt und zur verkehrsmäßigen Erschließung der Anliegergrundstücke benutzbar, aber nur teilweise fertiggestellt. Eine rechtliche Verselbständigung scheidet damit aus, weil Teilstrecken einer Erschließungsanlage nur durch eine Abschnittsbildung gemäß § 130 Abs. 2 Satz 1 BBauG bzw. § 130 Abs. 2 Satz 1 und 2 BauGB getrennt abgerechnet werden konnten und können (vgl. BVerwG, U.v.27.9.1982 – 8 C 145.81 – juris Rn. 17).
Eine Aufspaltung in zwei Erschließungsanlagen ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Straßenzug an der Einmündung in die Hauptstraße (NEW 5) auf etwa 117 m Länge nur einseitig zum Anbau bestimmt ist, weil die südlich angrenzenden Grundstücke dem Außenbereich zuzuordnen sind. Sie käme als Folge einer Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes nur dann in Betracht, wenn der Ausbau der Straße auf dem einseitig anbaubaren Teilstück den Umfang übersteigen würde, der für die hinreichende Erschließung der Grundstücke an der zum Anbau bestimmten nördlichen Seite unerlässlich oder schlechthin unentbehrlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.1992 – 8 C 31.90 – juris Rn. 14). Davon kann jedoch mit Blick auf die Gesamtausbaubreite von 5 m und die „schlichte“ Ausstattung ohne Gehwege keine Rede sein.
2. Weder die frühere Gemeinde P. noch die Beklagte haben die P.-L.-Straße gemäß § 130 Abs. 2 Satz 1 BBauG oder § 130 Abs. 2 Satz 1 und 2 BauGB wirksam in Abrechnungsabschnitte (Wohnstraßen A und B) geteilt. Deshalb stellt der gesamte Straßenzug den für die Vorausleistungs- und Beitragserhebung maßgeblichen Ermittlungsraum dar.
Eine Abschnittsbildung scheidet allerdings nicht von vornherein aus. Sie darf mit der Erhebung von Vorausleistungen kombiniert werden, auch wenn beide Instrumente der Vorfinanzierung dienen. Denn mit dem Begriff Erschließungsanlage als Gegenstand der Vorausleistungserhebung meint § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB – wie § 133 Abs. 2 BauGB für den Beitrag selbst – auch einen Abschnitt oder eine Erschließungseinheit, wenn die Gemeinde sich wirksam für einen solchen Ermittlungsraum entschieden hat (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.1985 – 8 C 114.83 – juris Rn. 25 a.E.; BayVGH, U.v. 7.5.2015 – 6 B 13.2519 – juris Rn. 25 ff.).
Als Entscheidung über eine Abschnittsbildung kommt nur der Beschluss des Gemeinderats der Gemeinde P. vom 4. November 1968 in Betracht. Der Beschluss des Gemeinderats der Beklagten vom 12. März 2013 diente einzig der bebauungsplanersetzenden Abwägung gemäß § 125 Abs. 2 BauGB für den Bereich der Wohnstraße A und hatte keine Abschnittsbildung zum Gegenstand.
Die Rechtmäßigkeit des Beschlusses vom 4. November 1968 richtet sich nach § 130 Abs. 2 Satz 1 BBauG (vom 23.6.1960, BGBl I S. 341; entspricht § 130 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Danach konnte der Erschließungsaufwand für die einzelne Erschließungsanlage oder für bestimmte Abschnitte einer Erschließungsanlage ermittelt werden. Die Abschnittsbildung durfte sich bereits damals nicht nach der – mehr oder weniger – zufälligen Ausbaulänge einer Straße richten; Abschnitte i.S.v. § 130 Abs. 2 Satz 1 BBauG waren vielmehr nur solche Straßen-Teillängen, die durch erkennbare Markierungen – etwa einmündende Straßen – begrenzt waren (BVerwG, U.v. 15.9.1978 – IV C 50.76 – juris Rn. 17). Diese Rechtsprechung wurde mit der Einfügung des § 130 Abs. 2 Satz 2 BauGB mit Wirkung vom 1. Juli 1987 (durch Gesetz vom 8.12.1986, BGBl I S. 2191) insoweit bekräftigt und um die Zulässigkeit einer Abschnittsbildung auch nach rechtlichen Gesichtspunkten, etwa an den Grenzen von Bebauungsplangebieten, erweitert. Die Entscheidung der Gemeinde, den Erschließungsaufwand abweichend von der gesetzlichen Regelung unter den jeweiligen Voraussetzungen auf der Grundlage eines Abschnitts oder für mehrere Anlagen insgesamt zu ermitteln und zu verteilen, erfolgt im Einzelfall durch einen innerdienstlichen Ermessensakt, der deutlich und unmissverständlich bekundet (BayVGH, B.v. 13.2.2015 – 6 B 14.2372 – juris Rn. 15) und hinreichend bestimmt sein muss (BayVGH, U.v. 1.12.2011 – 6 B 09.2873 – juris Rn. 28).
Nach diesen Anforderungen ist es bereits zweifelhaft, ob der Gemeinderat mit Beschluss vom 4. November 1968 überhaupt einen (Abrechnungs-)Abschnitt für die damals fertiggestellte sog. Wohn Straße B beschließen wollte oder von der rechtlich unzutreffenden Vorstellung ausging, dass die Gemeinde mit diesem Beschluss die Erschließungsanlage ohne Abschnittsbildung auf die Wohn Straße B begrenzen könne. Denn der Beschluss enthält den Begriff „Abschnitt“ oder „Abschnittsbildung“ nicht. Jedenfalls ist der Beschluss aber – offenkundig – zu unbestimmt, um eine wirksame Abschnittsbildung annehmen zu können. Er spricht von Wohnstraßen A und B, ohne sie selbst unmittelbar oder wenigstens durch Bezugnahme auf Pläne oder sonstige Unterlagen in irgendeiner Weise näher zu bestimmen. Alle in den Akten der Beklagten befindlichen Pläne aus der Zeit um 1968 definieren die Grenze zwischen den Wohnstraßen A und B entweder gar nicht oder unterschiedlich. Es mag naheliegen, eine etwaige Begrenzung auf das damalige Ausbauende zu beziehen, was aber aus Rechtsgründen für sich betrachtet nicht ausgereicht hätte. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgehen würde, dass der in den Bebauungsplanentwürfen vorgesehene Fußweg (heute FlNr. 581/18) als Grenze zwischen den Wohnstraßen A und B gemeint gewesen sein sollte und dem tatsächlichen Ausbauende entsprochen hätte, läge keine wirksame Abschnittsbildung vor. Denn auch eine solche Grenzziehung hätte nicht den Anforderungen des § 130 Abs. 2 Satz 1 BBauG genügt. Der Fußweg war damals und ist bis heute ein unbefestigter Pfad, nicht aber ein eindeutig räumlich erkennbares Merkmal, wie eine Straßeneinmündung, Kreuzung oder Brücke. Auch das Ende des Bebauungszusammenhangs kommt als örtlich erkennbares Merkmal (BayVGH, B.v.15.7.2008 – 6 CS 08.950 – juris Rn. 4) nicht in Betracht. Aus den Plänen folgt (bestätigt durch die von der Beklagten vorgelegte Bauzeitenaufstellung der Gebäude auf den anliegenden Grundstücken und den Lageplan von 1968), dass bereits 1968 auch im Bereich der Wohn Straße A angrenzende Grundstücke bebaut waren.
3. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2013 ist gleichwohl insoweit aufrechtzuerhalten, als eine Vorausleistung in Höhe von 11.116,63 € festgesetzt wird. Denn in diesem Umfang entspricht er, bezogen auf den gesamten Straßenzug der P.-L.-Straße, der Rechtslage (vgl. BVerwG, U.v. 30.1.2013 – 9 C 1.12 – juris Rn. 25 m.w.N.).
Für die Erhebung von Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag war – und ist weiterhin – Raum, weil die sachlichen Beitragspflichten bis heute nicht entstanden sind. Denn für das 1968 hergestellte Teilstück (Wohnstraße B) fehlt es nach wie vor an der nach § 125 BBauG/BauGB erforderlichen planungsrechtlichen Rechtmäßigkeit. Weder besteht ein Bebauungsplan für den fraglichen Bereich, noch hatte die höhere Verwaltungsbehörde nach früherer Rechtslage zugestimmt, noch hat die Beklagte nach geltender Rechtslage eine bebauungsplanersetzende Abwägungsentscheidung gemäß § 125 Abs. 2 BauGB getroffen. Der Abwägungsbeschluss des Gemeinderates vom 12. März 2013 erfasst nur den neu hergestellten Teil der P.-L.-Straße (Wohnstraße A).
Das Vorausleistungsverlangen ist in Höhe von 11.116,63 € gerechtfertigt. Das ergibt sich aus der vom Senat angeforderten Vergleichsberechnung unter Einbeziehung des gesamten Herstellungsaufwands und bei Berücksichtigung sämtlicher durch die P.-L.-Straße erschlossenen Grundstücke. Die Einzelheiten dieser Berechnung sind mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert worden.
a) Die bereits 1967/1968 auf die damals bebauten Grundstücke – rechtswidrig – umgelegten Grunderwerbskosten sind gleichwohl als beitragsfähiger Aufwand anzusetzen. Soweit damals von den Anliegern Leistungen erbracht wurden, sind diese nunmehr bei der Heranziehung zu berücksichtigen und für die betroffenen Grundstücke von Rechts wegen als eine Art Vorausleistung zu verrechnen (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2002 – 6 B 97.2065 – juris Rn. 27).
b) Die Regelung des § 6 Abs. 3 Nr. 2 EBS 1998 über eine Tiefenbegrenzung ist unwirksam und deshalb bei der Aufwandsverteilung auf die erschlossenen Grundstücke nicht zu beachten.
Eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung muss zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der bevorteilten von den nicht mehr bevorteilten Flächen ausgerichtet werden und auf einer sorgfältigen Ermittlung der örtlichen Bebauungsverhältnisse durch den Satzungsgeber beruhen. Dieser muss prüfen, ob er eine für alle Grundstücke im Gemeindegebiet gleichermaßen geltende Tiefenbegrenzung festlegen kann. Die gewählte Tiefenbegrenzung muss die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren (BayVGH, U.v. 23.4.2015 – 6 BV 14.1621 – juris Rn. 31 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt § 6 Abs. 3 Nr. 2 EBS nicht. Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, fehlt es an den erforderlichen Ermittlungen. Die Beklagte hat keine Feststellungen zu den typischen örtlichen Bebauungsverhältnissen im Gemeindegebiet getroffen, die die Festlegung einer für alle Grundstücke in den 18 Ortsteilen der Beklagten gleichermaßen geltenden Tiefenbegrenzung von 35 m rechtfertigen könnten. Die satzungsmäßige Tiefenbegrenzung ist daher nichtig, ohne dass dies die Unwirksamkeit der Satzung im Übrigen zur Folge hat.
Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass einzelne Grundstücke im Abrechnungsgebiet in den Außenbereich (§ 35 BauGB) ragen und deshalb gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB nur mit der im Innenbereich gelegenen Teilfläche als erschlossen an der Aufwandsverteilung zu beteiligen sein könnten.
c) Die nebeneinander liegenden, unbebauten und insgesamt ca. 7.500 m² großen Grundstücke FlNrn. 579 und 579/8 sind entgegen der Ansicht der Klägerin nicht bei der Aufwandsverteilung zu berücksichtigen. Sie liegen nicht mehr innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB), sondern sind bereits dem Außenbereich (§ 35 BauGB) zuzuordnen, der sich nach Südosten anschließt. Mangels Bebaubarkeit unterfallen sie nicht der Erschließungsbeitragspflicht (§ 133 Abs. 1 BauGB).
d) Das Gebäude auf dem Grundstück FlNr. 579/7 weist nach den Bauplänen nur zwei Vollgeschosse auf und ist deshalb in der Vergleichsberechnung zu Recht mit einem Nutzungsfaktor von 1,3 angesetzt worden.
e) Auf das klägerische Grundstück FlNr. 579/5 entfällt demnach ein voraussichtlicher Erschließungsbeitrag von 15.880,91 €. In Ansehung der gemeindlichen Ermessensentscheidung, eine Vorausleistung nach § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB in Höhe von 70% des voraussichtlichen Erschließungsbeitrags zu erheben, errechnet sich ein Vorausleistungsbetrag von 11.116,63 €.
4. Es ist schließlich rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die vom Rechtsvorgänger der Klägerin im Jahr 1967 auf den Teilbeitragsbescheid für den Grunderwerb geleistete Zahlung von 1.613,80 DM (entspricht 825,12 €) nur zum Nennwert angerechnet hat.
Eine Pflicht zur Verzinsung oder Indexierung bedarf im Abgabenrecht einer gesetzlichen Rechtsgrundlage (vgl. BVerwG, U.v.16.8.1985 – 8 C 120.83 u.a. – juris Rn. 30). Eine solche gibt es für die Anrechnung bereits gezahlter Beiträge in der vorliegenden Fallgestaltung nicht. Für eine analoge Anwendung bestehender Verzinsungsvorschriften ist im Abgabenrecht kein Raum. Im Übrigen ist die rein nominelle Anrechnung Folge der Bestandskraft des damaligen Bescheids. Dieser hat – trotz seiner Rechtswidrigkeit – wirksam eine Geldleistungspflicht begründet und bildet den Rechtsgrund dafür, dass die Beklagte die geleisteten Zahlungen behalten darf. Besteht aber kein Rückerstattungsanspruch der Klägerin, ist für eine Verzinsung kein Raum. Aus den Beschlüssen der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin ergibt sich auch nicht der Wille, eine Verzinsung oder Indexierung mittels Zusage zu gewähren. Die Vorschrift des § 133 Abs. 3 Satz 3 BauGB zur Verzinsung einer Vorausleistung wurde erst nach den entsprechenden Beschlüssen der Gemeinde P. und später der Gemeinde T. mit Wirkung ab 1. Juli 1987 eingeführt. Es kann schon deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass eine Verzinsung der „Vorausleistung“ gewollt war.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1. Der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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