Aktenzeichen B 5 K 15.971
Leitsatz
1 Eine Beihilfebemessung gem. § 28 Abs. 2 S. 1 BayBhV scheidet aus, wenn der Beamte auf Grund seines psychosomatischen Krankheitsbilds im Fall einer hypothetischen Behandlung in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus in einer psychiatrischen bzw. psychosomatischen Abteilung behandelt worden wäre, wo die Abrechnung nicht nach dem DRG-Fallpauschalensystem erfolgt wäre. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Voraussetzung für den Beihilfeanspruch nach § 28 Abs. 2 S. 2 BayBhV ist lediglich, dass eine Behandlung in einem nicht nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus erfolgt ist und die durchgeführte Behandlung in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus nicht nach dem DRG-Fallpauschalensystem abgerechnet worden wäre. Nicht erheblich für die Vergleichsberechnung ist, ob das Krankenhaus, in welchem die Behandlung stattgefunden hat, auch über eine entsprechende Fachabteilung verfügt. (Rn. 23 und 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung des Beihilfebescheids vom 18.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2015 über den Beihilfeantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf weitere Beihilfeleistungen für seinen Aufenthalt in der Klinik …. Der angefochtene Beihilfebescheid war daher aufzuheben und der Beklagte zur erneuten Verbescheidung des diesbezüglichen Antrags des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 VwGO).
1. Nach Art. 96 Abs. 1, Abs. 5 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) i.V.m. den Vorschriften der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV) werden Beihilfen zu den beihilfefähigen Aufwendungen der beihilfeberechtigten Personen gewährt. Beim Kläger lag eine psychosomatische Erkrankung vor, die zum streitgegenständlichen Krankenhausaufenthalt führte (hierzu unter Buchst. a). Die Beihilfebemessung hierfür hat – anders als vom Beklagten vorgenommen – nicht nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BayBhV, sondern nach § 28 Abs. 2 Satz 2 BayBhV zu erfolgen (hierzu unter Buchst. b).
a) Nach Überzeugung der Kammer lag beim Kläger eine psychosomatische Erkrankung vor, die seinen Aufenthalt in der Klinik … erforderlich machte. Zwar benennt die dem Krankenhausaufenthalt zu Grunde liegende ärztliche Verordnung vom 06.06.2015 als Therapieziele die Behandlung von wohl eher als körperliche Beschwerden einzustufenden Symptomen (arteriellen Hypertonie, Cephalgien, Tinnitus, Schlafstörung und einen dadurch bedingten körperlichen Erschöpfungszustand). Indes ist es für psychosomatische Krankheitsbilder charakteristisch, dass diese sich (überwiegend) in körperlichen Beschwerden zeigen, ihre eigentliche Ursache aber in psychischen Faktoren, wie etwa Stress, Überlastung oder ähnlichem haben. Wie sich aus der ärztlichen Verordnung weiter ergibt, hat der Kläger zur Behandlung seiner Beschwerden auch eine Psychotherapie durchgeführt. Dies lässt aber nur den Schluss zu, dass psychische Komponenten zumindest eine wesentliche Ursache seiner Beschwerden ausmachten, da bei rein somatischen Leiden eine solche Therapie keinen Sinn machen würde. Auch die auf der Rechnung für den Krankenhausaufenthalt in der Klinik … vom 22.10.2015 enthaltene Hauptdiagnose F51.0 (nicht organische Schlafstörung) und die hieraus vom Beklagten ermittelte DRG-Fallpauschale U64Z (Angststörung und andere affektive und somatoforme Störungen) bestätigen, dass hier eine Erkrankung aus dem psychosomatischen Bereich vorlag.
Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass er auf Grund der vom Kläger zusätzlich aus diesem Krankenhausaufenthalt vorgelegten Arztrechnungen Zweifel an einer psychosomatischen Erkrankung des Klägers hat, können diese nicht durchgreifen. So hat die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung beispielhaft auf die Rechnung von Herrn Dr. … vom 13.10.2015 (Bl. 63 der Gerichtsakte) hingewiesen und hierzu erklärt, dass sie einzelne dort aufgeführte GOÄ-Ziffern nicht als geeignete Therapien für psychosomatische Erkrankungen ansehe (S. 2 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 11.04.2017). Hierbei handelt es sich aber lediglich um vom Kläger in Anspruch genommene ärztliche Wahlleistungen, die zusätzlich zur „eigentlichen“ Krankenhausbehandlung erfolgt sind, separat abgerechnet wurden und auch nicht Streitgegenstand in dem vorliegenden Verwaltungsstreitverfahren sind. Die „eigentliche Krankenhausbehandlung“ wurde mit der hier einzig streitgegenständlichen Rechnung der Klinik … vom 22.10.2015 – alleine auf der Basis von Tagessätzen und ohne nähere Angabe von GOÄ-Ziffern für einzelne Behandlungen/Therapien – abgerechnet. Daher vermögen alleine vom Kläger in Anspruch genommene zusätzliche ärztliche Wahlleistungen, die Aussagekraft der auf der Krankenhausrechnung vom 22.10.2015 enthaltenen Hauptdiagnose sowie die Aussagekraft der dem Krankenhausaufenthalt zu Grunde liegenden ärztlichen Verordnung vom 06.06.2015 nicht zu erschüttern.
Aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 6.9.2016 (Az. W 1 K 15.494 – juris, Rn. 38) lässt sich nichts anderes ableiten, weil die Behandlung der dortigen Klägerin in der Klinik … auf Grund einer somatischen, nicht aber auf Grund einer psychosomatischen Erkrankung erfolgt war.
b) Auf Grund der psychosomatischen Erkrankung des Klägers hat die Beihilfebemessung für den streitgegenständlichen Krankenhausaufenthalt gem. § 28 Abs. 2 Satz 2 BayBhV zu erfolgen.
aa) Die Regelungen über die Beihilfegewährung bei Krankenhausaufenthalten finden sich in § 28 Abs. 1 und Abs. 2 BayBhV, wobei eine Anwendbarkeit des § 28 Abs. 1 BayBhV im vorliegenden Fall ausscheidet, da die Klinik … kein gem. § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus ist (§ 28 Abs. 1 Satz 1 BayBhV).
Bei der Klinik … handelt es sich aber um ein Krankenhaus im Sinne des § 107 Abs. 1 SGB V. Die Klinik … ist auch nach § 30 GewO als Privatkrankenanstalt zugelassen. Die Beihilfebemessung hat somit nach § 28 Abs. 2 BayBhV zu erfolgen.
bb) Die Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 1 BayBhV ist nicht einschlägig. Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BayBhV sind in allen anderen (nicht nach § 108 SGB V zugelassenen) Krankenhäusern bei Indikationen, die bei einer Behandlung in einem Krankenhaus nach § 28 Abs. 1 BayBhV vom DRG-Fallpauschalenkatalog erfasst wären, Krankenhausleistungen nach näherer Maßgabe dieser Regelung beihilfefähig. Diese Norm ist so auszulegen, dass bei Betrachtung der konkret vorliegenden Indikation die Frage zu stellen ist, ob im Falle einer hypothetischen Behandlung in einem gemäß § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus die Abrechnung der Behandlung nach dem DRG-Fallpauschalenkatalog erfolgt wäre. Hierfür ist entscheidend (vgl. Vermerk vom 22.03.2017, Bl. 89 der Gerichtsakte), ob eine Behandlung in einer somatischen oder aber in einer psychischen bzw. psychosomatischen Abteilung durchgeführt wird. Bei Behandlungen in somatischen Abteilungen findet das DRG-Fallpauschalensystem Anwendung. Bei Behandlungen in psychischen bzw. psychosomatischen Abteilungen findet hingegen das sogenannte PEPP-System (= Pauschalierendes Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik) Anwendung. Eine Beihilfebemessung gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 BayBhV scheidet im vorliegend Fall damit aus, da auf Grund seines psychosomatischen Krankheitsbilds der Kläger im Fall seiner hypothetischen Behandlung in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus in einer psychiatrischen bzw. psychosomatischen Abteilung behandelt worden wäre, wo die Abrechnung nicht nach dem DRG-Fallpauschalensystem erfolgt wäre.
Der Umstand, dass auch DRG-Fallpauschalen für psychische bzw. psychosomatische Krankheitsbilder existieren, ändert nicht das gefundene Ergebnis. Diese DRG-Fallpauschalen finden sich in der Gruppe U des DRG-Fallpauschalensystems, wie z. B. die im vorliegenden Fall gegebenen DRG-Fallpauschale U64Z. Jedoch kann die bloße Existenz einer DRG-Fallpauschale zu einer nach der ICD 10 Klassifikation diagnostizierten psychischen bzw. psychosomatischen Erkrankung für die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 2 Satz 1 BayBhV nicht ausschlaggebend sein. Sonst würde im Falle einer Behandlung einer psychischen bzw. psychosomatischen Erkrankung in einem nicht nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus die Abrechnung weitgehend nur noch gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 BayBhV erfolgen und die Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 2 BayBhV hätte weitgehend keinen Anwendungsbereich mehr. Letztere zielt aber gerade auf die Abrechnung psychischer bzw. psychosomatischer Erkrankungen in nicht nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern ab.
Wollte man lediglich auf das Vorliegen einer solchen DRG-Fallpauschale abstellen, würde auch eine deutliche Diskrepanz bei der Beihilfebemessung zwischen gem. § 108 SGB V zugelassenen und nicht zugelassenen Krankenhäusern hervorgerufen werden. Bei nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern bemisst sich die Beihilfe gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV i.V.m. § 2 Abs. 2, § 1 Abs. 1 der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) nach Tagespflegesätzen. Auf Grund der regelmäßig weit längeren Behandlungsdauer einer psychischen bzw. psychosomatischen Erkrankung im Vergleich zur durchschnittlichen Dauer eines Krankenhausaufenthalts im Allgemeinen, der dem DRG-Fallpauschalensystem zu Grunde liegt, würden dann im Falle der Behandlung in einem nicht nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus weit geringere Beihilfeleistungen gewährt werden. Dies würde aber der Systematik der Beihilfegewährung für Krankenhausaufenthalte in § 28 BayBhV widersprechen. Diese zielt auf eine möglichst gleiche Leistungsgewährung für den Beihilfeberechtigten ab, unabhängig von der Frage ob dessen Behandlung in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus oder in einem nicht zugelassenen Privatkrankenhaus erfolgt.
cc) Damit findet die Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 2 BayBhV Anwendung. Nach § 28 Abs. 2 Satz 2 BayBhV sind bei allen anderen Indikationen (also die nicht von § 28 Abs. 2 Satz 1 BayBhV erfassten Indikationen bei einer Behandlung in einem nicht nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus) die von dieser Regelung näher bestimmten Krankenhausleistungen beihilfefähig. Nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BayBhV ist damit lediglich Tatbestandsvoraussetzung für den Beihilfeanspruch auf Grund der Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 2 BayBhV, dass eine Behandlung in einem nicht nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus erfolgt ist und die durchgeführte Behandlung in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus nicht nach dem DRG-Fallpauschalensystem abgerechnet worden wäre. Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall, wie bereits dargelegt, gegeben.
Die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 2 Satz 2 BayBhV scheitert auch nicht daran, dass die Klinik … nicht über eine psychiatrische bzw. psychosomatische Abteilung verfügt. Dem Wortlaut aber auch der Systematik des § 28 Abs. 2 BayBhV kann nicht entnommen werden, dass für eine Vergleichsberechnung mit einem Krankenhaus der Maximalversorgung auch die entsprechende Fachabteilung im behandelnden Krankenhaus vorhanden sein muss. Die BayBhV lässt es hier – wie im Massenverfahren der Beihilfegewährung auch üblich – pauschalierend ausreichen, dass es sich lediglich um ein gewerberechtlich zugelassenes Krankenhaus handelt, ohne nähere Anforderungen über dessen Ausstattung oder spezielle Fachabteilungen als Voraussetzung für die Vergleichsrechnung zu definieren. Soweit dann kein Fall einer Abrechnung nach einer DRG-Fallpauschale vorliegt, ist die Beihilfebemessung anhand des Kostenvergleichs mit einer hypothetischen Behandlung im nächstgelegenen Klinikum der Maximalversorgung – hier dann in der psychosomatischen Abteilung des Universitätsklinikums … – vorzunehmen. Es steht damit dem Beihilfeberechtigten insoweit frei, welches Krankenhaus und welche fachliche Ausrichtung er für eine ärztlich festgestellte, notwendige Krankenhausbehandlung wählt, sofern es sich dabei um ein gewerberechtlich zugelassenes Krankenhaus handelt.
Schließlich ist eine Behandlung in einer TCM-Klinik auch grundsätzlich nicht von Leistungen der Beihilfe ausgeschlossen, sondern als eine mögliche Form der Krankheitsbehandlung anerkannt. Nach dem Vortrag des Beklagten wäre die Behandlung des Klägers etwa in der nach § 108 SGB V zugelassenen TCM-Klinik … beihilfefähig gewesen.
c) Im Ergebnis hat der Kläger daher dem Grunde nach einen Anspruch auf Beihilfeleistungen für den streitgegenständlichen Krankenhausaufenthalt gemäß der Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 2 BayBhV (Vergleichsberechnung mit dem nächstgelegenen Krankenhaus der Maximalversorgung – hier Universitätsklinikum …, Abteilung für Psychosomatik). Der streitgegenständliche Bescheid war daher aufzuheben und der Beklagte hat über den Beihilfeantrag des Klägers bezüglich seines Aufenthalts in der Klinik … unter Beachtung der dargelegten Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
4. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Gericht gemäß § 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO die Berufung zugelassen. Soweit ersichtlich ist die Auslegung des § 28 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayBhV in den im vorliegenden Verwaltungsstreitverfahren relevanten Punkten nicht abschließend geklärt. Dies sind namentlich die Frage der Beihilfebemessung bei psychosomatischen Erkrankungen gem. § 28 Abs. 2 Satz 2 BayBhV trotz einer hierfür gegebenen DRG-Fallpauschale (Nr. 1. Buchst. b Doppelbuchst. bb der Entscheidungsgründe). Grundsätzliche Bedeutung hat auch die Frage der Vergleichsberechnung nach § 28 Abs. 2 Satz 2 BayBhV mit einem Krankenhaus der Maximalversorgung, auch wenn im behandelnden Krankenhaus die entsprechende Fachabteilung nicht vorhanden ist (Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. cc der Entscheidungsgründe).