Verwaltungsrecht

Eilrechtsschutz gegen die Fortschreibung eines Eingliederungsverwaltungsaktes

Aktenzeichen  S 22 AS 292/17 ER

Datum:
10.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II SGB II § 15 Abs. 3 S. 1, S. 3
SGG SGG § 86b Abs. 1 S. 1, § 96

 

Leitsatz

1. Es ist – selbst bei vorheriger rechtskräftiger Entscheidung über einen Ausgangs-Eingliederungsverwaltungsakt – zulässig, im Wege des Eilrechtsschutzes isoliert gegen die Fortschreibung des Eingliederungsverwaltungsaktes gem. § 15 Abs. 3 Satz 1, Satz 3 SGB II vorzugehen. Die Gültigkeitsdauer des Eingliederungsverwaltungsaktes „bis auf weiteres“ ist – jedenfalls in summarischer Prüfung – auch nach neuer Rechtslage (§ 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 26.07.2016) nicht zu beanstanden. (Rn. 20 und 28)
2. Die Prüfung eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erstreckt sich nur darauf, ob die Eingliederungsvereinbarung auf freiwilliger Basis gescheitert ist, ob in dem ersetzenden Verwaltungsakt ein ausgewogenes Verhältnis der wechselseitigen Verpflichtungen erkennbar ist und ob die Eignung der Lebenssituation des Leistungsberechtigten berücksichtigt worden ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung vom 16.03.2017 gegen den Eingliederungsverwaltungsakt vom 14.02.2017 wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
Mit seinem Antrag begehrt der Antragsteller (ASt) vom Antragsgegner (Ag) im Zusammenhang mit Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch (SGB II) im Wege des Eilrechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gegen einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt.
Der 1986 geborene ASt besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft. Nach dem Abitur studierte er mehrere Jahre Politikwissenschaft sowie demokratische Politik und Kommunikation. Er beendete das Studium ohne Abschluss. Seit 2013 ist er arbeitslos. Zunächst wurde er finanziell von seinen Eltern unterstützt, bis er im Jahr 2015 erstmals Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II beim Ag beantragte. Er bezieht vom Ag laufend Leistungen.
In persönlichen Beratungsgesprächen mit der Arbeitsvermittlerin am 16.06.2016 und 29.09.2016 wurde die individuelle berufliche Situation des ASt besprochen und das Profiling gemeinsam mit ihm auf seine Wünsche und Bedürfnisse angepasst. Als Ziele der Eingliederungsbemühungen legten die Beteiligten die Einmündung in eine berufliche Ausbildung als Elektriker oder Schreiner sowie die Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt fest.
Am 02.11.2016 erließ der Ag nach Weigerung des ASt, eine Eingliederungsvereinbarung freiwillig zu unterschreiben, einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt. Die darin getroffenen Festlegungen sollten für die Zeit vom 02.11.2016 bis 01.04.2017 gelten, soweit zwischenzeitlich nichts anderes geregelt werde. Der Ag verpflichtete sich darin neben der Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen und Unterstützung der Bewerbungsaktivitäten des ASt zur Ausstellung eines Gutscheines für die Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme nach § 16 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit § 45 SGB III (Bewerbungscoaching). Am 23.11.2016 legte der ASt dagegen Widerspruch ein und beantragte am 24.11.2016 beim Sozialgericht Nürnberg die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (Az. S 18 AS 1346/16 ER). Mit zwischenzeitlich rechtskräftigem Beschluss vom 27.12.2016 lehnte das Sozialgericht Nürnberg die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.01.2017 wies der Ag den Widerspruch in der Sache als unbegründet zurück. Der ASt erhob dagegen in der Hauptsache Klage zum Sozialgericht Nürnberg (Az. S 22 AS 84/17).
Am 18.01.2017 ging beim Ag der Vermittlungsgutschein mit vollständigen Unterlagen ein, nachdem der ASt sich zur Teilnahme an der Maßnahme „Bewerberbüro 4.0 Modul A+“ beim Träger InsZiel vom 16.01.2017 bis 15.05.2017 gemeldet hatte. Am 27.01.2017 übersandte der Ag dem ASt deshalb eine neue freiwillige Eingliederungsvereinbarung zur Unterschrift. Daraufhin teilte der ASt im persönlichen Gespräch mit, dass er mit dem Bewerbungscoaching bei InsZiel zwar sehr zufrieden sei, eine Eingliederungsvereinbarung jedoch grundsätzlich nicht unterzeichnen wolle, sofern damit Rechtsfolgen verbunden seien.
Am 14.02.2017 erließ der Ag einen die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt. Dieser gelte ab 14.02.2017 „bis auf weiteres“. Er werde regelmäßig überprüft und im gegebenen Fall mit neuem ersetzendem Verwaltungsakt fortgeschrieben. Ziel der Eingliederungsbemühungen sei eine Berufsausbildung des ASt als Elektriker oder Schreiner sowie die Teilnahme am Bewerberbüro InsZiel.
Das Jobcenter sagte folgende Leistungen bzw. Maßnahmen zu:
* „Das Jobcenter unterbreitet Ihnen Vermittlungsvorschläge…“
* „…unterstützt Ihre Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme von angemessenen nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen…“
* „…unterstützt Ihre Bewerbungsaktivitäten … durch Übernahme von angemessenen und nachgewiesenen Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen…“
* „…veröffentlicht anonym Ihr Bewerberprofil in der JOBBÖRSE…“
* „…fördert Ihre Teilnahme an der Maßnahme Bewerberbüro 4.0 Modul A+, InsZiel Simulationscenter für Vorstellungsgespräche Modul I nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 SGB III in der Zeit vom 16.01.17 bis 15.05.17 beim Träger InsZiel. Die Maßnahme soll ihre berufliche Eingliederung durch eine Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unterstützen.“
Dem ASt wurden folgende Pflichten auferlegt:
* „… aktive Suche nach einem Berufsausbildungs Platz…“
* „Sie bewerben sich zeitnah, d.h. spätestens am dritten Tage nach Erhalt des Stellenangebotes, auf Vermittlungsvorschläge, die Sie von der Agentur für Arbeit/Job-center erhalten haben…“
* “Teilnahme an Maßnahmen: … Zu Ihren Mitwirkungspflichten zählen hierbei:
§ Einhaltung der mit dem Träger vereinbarten Termine
§ Aktive Mitarbeit bei Bemühungen, mein Potenzial in Bezug auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu nutzen.”
§ Aktive Mitwirkung bei allen auf die berufliche Eingliederung abzielenden Leistungen…
§ Aktive Mitwirkung bis zum Ende der individuellen Maßnahmedauer…”
* „Zu Ihren Pflichten gehört die Teilnahme an der in dieser Eingliederungsvereinbarung aufgeführten Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit. Ein Verstoß liegt bei Nichtantritt oder Abbruch der zumutbaren Maßnahmen vor. Auch Verhalten, welches Anlass zum Abbruch der Maßnahme gibt, ist als Pflichtverstoß zu werten. Bezüglich der Rechtsfolge der Minderung des Arbeitslosengeld II wird auf die nachfolgende Rechtsfolgenbelehrung verwiesen.“
Dem Bescheid war eine Rechtsfolgenbelehrung zu Pflichtverstößen und den gesetzlichen Folgen (Minderungshöhe, Minderungsdauer…) beigefügt. In einer Rechtsbehelfsbelehrung:wurde der ASt noch darüber informiert, dass gegen den Bescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden könne und ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung entfalte. Am 14.03.2017 erhob der ASt dagegen Widerspruch.
Am 16.03.2017 hat der ASt beim Sozialgericht Nürnberg einstweiligen Rechtsschutz beantragt mit dem Begehren, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 14.03.2017 anzuordnen. Zur Begründung führt er aus, dass der Antrag sein Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gewährleisten solle. In der Sache sei der Bescheid nichtig, weil die Gültigkeitsdauer mit der bloßen Angabe „bis auf weiteres“ zu unbestimmt sei. Darüber hinaus sei der Ag seiner Verpflichtung zu einer individuellen Potenzialanalyse nicht nachgekommen. Er habe über bestehende Widerspruchsmöglichkeiten auf Nachfrage keine Auskunft erteilt.
Der ASt beantragt sinngemäß:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 14.03.2017 gegen den Bescheid vom 14.02.2017 wird angeordnet.
Der Ag beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen darauf, dass der streitgegenständliche Bescheid einen Änderungsbescheid zum Eingliederungsverwaltungsakt vom 02.11.2016 nach § 96 SGG darstelle und die dagegen gerichtete Klage noch anhängig sei. Im Übrigen sei bereits der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 02.11.2016 mit Beschluss vom 27.12.2016 abgelehnt worden. Die Gültigkeitsdauer sei nicht zu beanstanden, weil ein Eingliederungsverwaltungsakt spätestens nach sechs Monaten überprüft und fortgeschrieben werden solle. Eine bestimmte Laufzeit sehe das Gesetz nicht vor. Die Rechtsbehelfsbelehrung:sei unmissverständlich und vollständig. Ein Rechtsschutzbedürfnis sei nicht gegeben.
Das Gericht hat die Leistungsakte des Ag beigezogen. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhaltes wegen der Einzelheiten auf die Akte des Ag und die Akte des Sozialgerichtes verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
Gegenstand des Antragsverfahrens ist die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches des ASt vom 14.03.2017 gegen den Eingliederungsverwaltungsakt vom 14.02.2017.
An der Zulässigkeit bestehen keine Zweifel.
Der Antrag ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben (z.B. in den Fällen von § 86a Abs. 2 SGG), die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 39 Nr. 1 HS. 3 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte, die eine Eingliederungsvereinbarung ersetzen, keine aufschiebende Wirkung (vgl. auch Aubel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 39, Rn. 21).
Dem Antrag steht nicht die Rechtskraft des Beschlusses des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.12.2016 im Antragsverfahren S 18 AS 1346/16 ER entgegen. Ablehnende Beschlüsse nach § 86b Abs. 1 Satz 1 SGG sind zwar der Rechtskraft fähig (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86b Rn 19a mwN, § 141 Rn. 5) und binden die Beteiligten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache. Dies setzt jedoch voraus, dass der Streitgegenstand identisch ist. Hat sich zum Zeitpunkt des Eingangs des neuen Antrags die Sach- oder Rechtslage im Verhältnis zu der vorhergehenden Eilentscheidung so verändert, dass eine neue Beurteilungsgrundlage und damit ein neuer Streitgegenstand gegeben ist, handelt es sich um ein neues Eilverfahren. Die Endgültigkeit der ursprünglichen Eilentscheidung steht einem neuen Verfahren in diesem Falle nicht entgegen (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage 2008, Rn. 43). Streitgegenstand des ursprünglichen Eilverfahrens war der Eingliederungsverwaltungsakt vom 02.11.2016, in dem u.a. ein Vermittlungsgutschein zugesagt wurde. Im vorliegenden Antragsverfahren geht es hingegen um den Eingliederungsverwaltungsakt vom 14.02.2017, mit dem der Ag zur konkreten Teilnahme an der Maßnahme „InsZiel“ verpflichtet wurde und damit um einen neuen (eigenen) Streitgegenstand.
§ 96 SGG findet hingegen keine Anwendung, weil die Streitgegenstände nicht identisch sind. Der Ag hat in der Rechtsbehelfsbelehrung:des Bescheides vom 14.02.2017 selbst angegeben, dass der Widerspruch statthaft sei. Bei Erlass des „Fortschreibungsbescheides“ war die Klage gegen den ursprünglichen Eingliederungsverwaltungsakt bereits anhängig. Hätte der Ag von vornherein den Standpunkt vertreten, dass es sich um eine bloße Fortschreibung des Eingliederungsverwaltungsaktes vom 02.11.2016 handelte, hätte er dies in der Rechtsbehelfsbelehrung:auch so angeben und auf § 96 SGG hinweisen müssen. Das Gericht hält es aber für zutreffend, dass der Ag über die dem ASt zustehende Widerspruchsmöglichkeit belehrt hat. Mit Blick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes muss der ASt nach Auffassung des Gerichts zweifelsohne die Möglichkeit haben, im Wege des Eilrechtsschutzes auch isoliert gegen die Fortschreibung des Eingliederungsverwaltungsaktes vorzugehen, selbst wenn über einen vorher gegen den ursprünglichen Bescheid ebenfalls begehrten Eilrechtsschutz bereits rechtskräftig entschieden worden und noch eine Hauptsacheklage anhängig ist.
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das Gericht kann nicht erkennen, dass dem gesetzlich angeordneten Entfallen der aufschiebenden Wirkung überwiegende Interessen des ASt entgegenstehen, die es gebieten würden, zunächst – zumindest bis zur Entscheidung über den Widerspruch vom 14.03.2017 – die mit dem Eingliederungsverwaltungsakt vom 14.02.2017 verbundenen Pflichten des ASt vorläufig außer Vollzug zu setzen.
Die Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG steht im Ermessen des Gerichtes und erfolgt auf Grundlage einer Interessenabwägung. Abzuwägen sind das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 12e ff.). Im Rahmen dieser Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache eine wesentliche Bedeutung zu. Dabei ist die Wertung des § 39 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen, wonach der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung der Individual- und öffentlichen Interessen (vgl. Greiser in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 39 Rn. 1) dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt. Eine Abweichung von diesem Regel-Ausnahmeverhältnis kommt nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen oder wenn ausnahmsweise besondere private Interessen überwiegen (vgl. Bay LSG vom 13.02.2015, L 7 AS 23/15 B ER, Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 12c, Conradis in LPK-SGB II, 5. Auflage 2013, Anhang Verfahren Rn. 131).
Rechtsschutz gegen Eingliederungsverwaltungsakte als solche ist nur dann zu gewähren, wenn eine summarische Prüfung erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit ergibt bzw. wenn der Bescheid offensichtlich rechtswidrig ist (vgl. BayLSG, Beschluss vom 12.01.2017, L 7 AS 913/16 B; BayLSG, Beschluss vom 14.02.2017, L 7 AS 113/17 B). Dies ist schon deshalb zumutbar, weil Betroffene gegen etwaige Sanktionen, die aufgrund eines Verstoßes gegen eine sich aus dem Eingliederungsverwaltungsakt ergebende Pflicht verhängt wurden, jeweils gesondert mit Klage und ggf. Eilrechtsschutz vorgehen können. Die – unabhängig von einer Sanktion – erfolgende abstrakte Prüfung erstreckt sich nur darauf, ob eine Eingliederungsvereinbarung auf freiwilliger Basis gescheitert ist, ob in dem ersetzenden Verwaltungsakt ein ausgewogenes Verhältnis der wechselseitigen Verpflichtungen erkennbar ist und ob die Eignung der Lebenssituation des Leistungsberechtigten berücksichtigt worden ist (entsprechend der Urteile des Bundessozialgerichts vom 23.06.2016, B 16 AS 30/15 R und B 14 AS 42/15 R). Für den Fall, dass ein solches ausgewogenes Verhältnis erkennbar ist, muss der Eingliederungsverwaltungsakt nicht einmal eine Ermessensausübung enthalten (vgl. zum Ganzen: BayLSG, a.a.O.).
Gemessen an diesen Voraussetzungen war einstweiliger Rechtsschutz nicht zu gewähren, weil der streitgegenständliche Eingliederungsverwaltungsakt vom 14.02.2017 jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig ist und damit keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache besteht.
Rechtsgrundlage für den erlassenen Bescheid ist § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB II in der Fassung vom 26.07.2016. Danach sollen die in einer freiwilligen Eingliederungsvereinbarung zu vereinbarenden Maßnahmen durch Verwaltungsakt geregelt werden, wenn eine Vereinbarung nicht zustande gekommen ist.
Eine freiwillige Eingliederungsvereinbarung haben die Beteiligten nicht geschlossen, da sich der ASt ausdrücklich geweigert hat, diese zu unterschreiben.
Der Bescheid enthielt – anders als der ASt meint – eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung:. Der Ag hat eindeutig schriftlich darüber aufgeklärt, dass gegen den Eingliederungsverwaltungsakt der Widerspruch statthaft ist. Er hat sogar darüber belehrt, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat.
Die Gültigkeitsdauer des Eingliederungsverwaltungsaktes „bis auf weiteres“ ist – jedenfalls in summarischer Prüfung – nicht zu beanstanden. Zwar sollten Eingliederungsvereinbarungen nach alter Rechtslage für sechs Monate geschlossen werden (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II in Fassung vom 13.05.2011). Nach neuer, im vorliegenden Fall maßgeblicher Rechtslage (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 26.07.2016) soll eine Eingliederungsvereinbarung jedoch nur noch regelmäßig, spätestens nach Ablauf von sechs Monaten, gemeinsam überprüft und fortgeschrieben werden. Ob sich aus dieser Neuregelung die Möglichkeit ergibt, eine Eingliederungsvereinbarung „bis auf weiteres“ bzw. dauerhaft zu schließen oder durch Verwaltungsakt zu ersetzen, ohne die Fortschreibung nach spätestens sechs Monaten konkret festzulegen, wird eine in der Hauptsache zu klärende Rechtsfrage sein. Nachdem der Ag in dem streitgegenständlichen Bescheid zumindest angegeben hat, dass die Inhalte regelmäßig überprüft und im gegebenen Falle mit neuem Verwaltungsakt fortgeschrieben werden, hat das Gericht – obwohl Zweifel durchaus bestehen – jedenfalls keine erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit, die den Bescheid offensichtlich rechtswidrig machen würden.
Es lässt sich im Rahmen der summarischen Prüfung auch keine Unausgewogenheit der wechselseitigen Verpflichtungen erkennen. Dem ASt wird zum einen ermöglicht, durch Teilnahme an der von ihm ausgesuchten Maßnahme beim Träger InsZiel (Modul I) seine Chancen auf Eingliederung in Arbeit oder Erhalt eines Ausbildungsplatzes durch ein Bewerbertraining speziell für Vorstellungsgespräche zu verbessern. Zum anderen versucht der Ag, durch Übersendung von geeigneten Vermittlungsvorschlägen und Übernahme der Kosten für schriftliche Bewerbungen und Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen den ASt in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Der ASt muss demgegenüber lediglich an der von ihm ausgesuchten Maßnahme teilnehmen und sich selbst um einen Berufsausbildungs Platz oder Arbeitsplatz bei Bewerbungskostenübernahme durch den Ag bemühen bzw. auf Vermittlungsvorschläge innerhalb von drei Tagen bewerben.
Das im ersten Modul auf die Simulation von Vorstellungsgesprächen ausgerichtete Bewerbertraining beim Träger InsZiel erscheint angemessen, da sowohl Ausbildungsverhältnisse, als auch Arbeitsverträge regelmäßig erst nach einem persönlichen Vorstellungsgespräch zustande kommen und die Bewerbungsaktivitäten des ASt seit 2013 offensichtlich erfolglos geblieben sind.
Die Maßnahme ist voraussichtlich auch hinreichend bestimmt, nachdem der genaue Zeitraum und die genaue Bezeichnung im streitgegenständlichen Bescheid genannt sind. Das Gericht geht hierbei davon aus, dass genauere Angaben (Zeit, Dauer, Ort der Maßnahmen) vom ASt direkt mit dem zuständigen Träger vereinbart wurden bzw. dort hätten ohne Probleme erfragt werden können.
Anhaltspunkte dafür, dass eine der dem ASt auferlegten weiteren Verpflichtungen für ihn unzumutbar oder sonst die Eingliederungsvereinbarung unausgewogen sein könnte, vermochte das Gericht nicht zu erkennen.
Das Gericht hat nach Aktenlage auch keine durchgreifenden Zweifel, dass der Ag seine Pflicht zu einem maßgeschneiderten, individuell auf die Lebenssituation des ASt passenden Eingliederungsverwaltungsakt verletzt hat. Dem Bescheid ging ein in mehreren Gesprächen angepasstes Profiling voraus, an dem sich der ASt auch durch seine eigenen Vorstellungen einbringen konnte und eingebracht hat.
Das Gericht hat deshalb im Ergebnis keine erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Eingliederungsverwaltungsaktes, so dass der gesetzlichen Wertung des § 39 Nr. 1 HS. 3 SGB II der Vorzug vor den vom ASt geltend gemachten Rechteverletzungen einzuräumen war.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes konnte keinen Erfolg haben und war abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Ergebnis erfolglos blieb, hat der Ag keine Kosten zu erstatten.
Gegen diesen Beschluss findet gemäß § 172 Abs. 1 SGG die Beschwerde an das Bayerische Landessozialgericht nach Maßgabe der beigefügten Rechtsmittelbelehrungstatt.

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