Aktenzeichen M 10 K 17.842
GVG GVG § 17a Abs. 2 S. 1, § 17b Abs. 2
VwGO VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 173
Leitsatz
1 Über Einwendungen gegen einen von einer Verwaltungsbehörde nach § 65 OWiG erlassenen Bußgeldbescheid entscheiden ausschließlich die Amtsgerichte. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Durch eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung kann eine dem Gesetz nicht entsprechende Rechtswegzuständigkeit nicht begründet werden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Der Rechtsstreit wird an das Amtsgericht Ingolstadt verwiesen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Amtsgerichts vorbehalten.
Gründe
I.
Mit Bußgeldbescheid vom 13. Juli 2016 setzt die Beklagte – kommunaler Verkehrsüberwachungsdienst – gegen die Klägerin wegen rechtswidrigen Parkens auf einem Schwerbehindertenparkplatz nach §§ 17 OWiG, 24 StVG, 42 Abs. 2 i.V.m. Anlage 3 Zeichen 314, 49 StVO, 55 BKat eine Geldbuße in Höhe von 35,- Euro sowie Gebühren und Auslagen (§§ 105, 107 OWiG, 464 Abs. 1, 465 StPO) in Höhe von 28,50 Euro fest. Nachdem eine Zahlung nicht erfolgte, erließ die Beklagte – Stadtkasse als Vollstreckungsbehörde – unter dem 30. Januar 2017 eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung, mit der sie die Ansprüche der Klägerin aus ihrem Konto-Vertrag bei der … Bank R. wegen einer Gesamtforderung in Höhe von 128,26 Euro pfändete; die Klägerin wurde über die Pfändung in Kenntnis gesetzt. Der Verfügung war eine Rechtsbehelfsbelehrung:begefügt, in der auf die Möglichkeit einer Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München hingewiesen wurde.
Mit Schreiben vom 27. Februar 2017 hat die Klägerin sowohl gegen den Bußgeldbescheid als auch gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben (Eingang am 1.3.2017).
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, der PKW … habe sich nicht im Geltungsbereich des OWiG bewegt; im Übrigen fehle es sowohl bei dem Bußgeldbescheid als auch bei der Pfändungs- und Überweisungsverfügung an einer die Rechtskraft bewirkenden Unterschrift.
Mit Schreiben vom 13. März 2017 wies das Verwaltungsgericht die Beteiligten darauf hin, dass für die Klage der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei, und gab Gelegenheit, binnen zwei Wochen zu einer beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Ingolstadt Stellung zu nehmen.
Unter dem 16. März 2017 stimmte die Beklagte einer Verweisung zu. Die Klägerin hat sich binnen der gesetzten Frist nicht geäußert.
II.
Nach § 173 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG ist die Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs festzustellen und der Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten an das zuständige Amtsgericht Ingolstadt zu verweisen.
Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
Vorliegend ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO weder hinsichtlich der Klage gegen den Bußgeldbescheid der Beklagten – kommunale Verkehrsüberwachung – vom 13. Juli 2016 (dazu nachfolgend unter Ziffer 1) noch hinsichtlich der Klage gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung der Beklagten – Stadtkasse – vom 30. Januar 2017 (dazu nachfolgend unter Ziffer 2) eröffnet, da das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) insoweit Sonderzuweisungen enthält.
1. Für die Entscheidung über Einwendungen gegen einen von einer Verwaltungsbehörde nach § 65 OWiG erlassenen Bußgeldbescheid sind nach den Regelungen des OWiG ausschließlich die Amtsgerichte zuständig.
Einwendungen gegen solche Bescheide kann der Betroffene im Wege des Einspruchs geltend machen, der bei der Verwaltungsbehörde einzulegen ist (§ 67 OWiG, vgl. auch die Rechtsbehelfsbelehrung:auf der Rückseite des hier streitgegenständlichen Bußgeldbescheids vom 13.7.2016). Nimmt die Behörde den Bescheid daraufhin nicht zurück oder verwirft sie den Einspruch als unzulässig, so kann der Betroffene dies durch das örtlich zuständige Amtsgericht gerichtlich überprüfen lassen (§ 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 3 OWiG sowie § 69 Abs. 1 i.V.m. § 62 Abs. 2 Satz 1 OWiG).
Sofern die angegriffenen Bußgeldbescheide rechtskräftig geworden sind und der Betroffene mit einer Klage die Wiederaufnahme der Verfahren erreichen will, ist dafür ebenfalls das Amtsgericht zuständig (§ 85 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 1 OWiG).
Eine darüber hinausgehende Überprüfung von Bußgeldbescheiden im Verwaltungsrechtsweg lassen die Regelungen in § 62 und § 67 OWiG nicht zu. Den Vorschriften lässt sich vielmehr der Wille des Gesetzgebers entnehmen, die Entscheidung über Einwendungen gegen Bußgeldbescheide und andere im Bußgeldverfahren von der Verwaltungsbehörde getroffene Maßnahmen einheitlich und abschließend den Amtsgerichten zuzuweisen, um divergierende Entscheidungen unterschiedlicher Gerichtsbarkeiten zu verhindern (vgl. BayVGH, U.v. 9.5.1985 – 26 B 85A.505 – BayVBl. 1986, 244)
2. Geldforderungen der Verwaltungsbehörde, die auf einem in einem Bußgeldverfahren erlassenen Bescheid beruhen, werden zwar nach § 90 Abs. 1, § 108 Abs. 2 OWiG nach den Vorschriften des (Bundes- bzw. jeweiligen Landes-) Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes vollstreckt. Die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen gegen Vollstreckungsmaßnahmen der Verwaltungsbehörde und der dafür gegebene Rechtsweg richten sich jedoch nicht nach diesem Gesetz, sondern – wie aus der spezielleren Regelung in § 103 Abs. 1 Nr. 1 OWiG hervorgeht – nach den Vorschriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten. Dies gilt sowohl für die Vollstreckung einer Bußgeldforderung als auch für die Vollstreckung einer Kostenforderung, die die Verfahrenskosten (Gebühren und Auslagen) des Bußgeldverfahrens zum Gegenstand hat.
Nach § 103 Abs. 1 Nr. 1 OWiG entscheidet über Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung „das Gericht“, d. h. das nach § 104 Abs. 1 Nr. 1, § 68 Abs. 1 OWiG für den Sitz der Verwaltungsbehörde zuständige Amtsgericht (vgl. BayVGH, B. v. 22.6.2005 – 8 ZB 04.3564 – BayVBl 2005, 634; VG Augsburg, B. v. 2.1.2013 – Au 3 K 12.1545 – juris; Seitz in Göhler, OWiG, 15. Aufl. 2009, § 103 Rn. 1; Mitsch, Karlsruhe Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. 2006, § 103 Rn. 10).
Daran vermag auch die der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung (hier: „Klage zum VG München“) nichts zu ändern, denn durch eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung kann eine dem Gesetz nicht entsprechende Rechtswegzuständigkeit nicht begründet werden.
3. Der Rechtsstreit ist daher nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG insgesamt an das sachlich und örtlich zuständige Amtsgericht Ingolstadt (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1, § 104 Abs. 1 OWiG) zu verweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 173 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 2 GVG.