Arbeitsrecht

Erwerbseinkommen – Abgeordnetenbezüge und Elterngeld

Aktenzeichen  S 46 EG 213/14

Datum:
30.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 107135
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
BEEG § 2 Abs. 1 S. 3, § 2 Abs. 4, § 2b Abs. 1 S. 2
EStG § 2 Abs. 1 S. 1, § 22

 

Leitsatz

1. Abgeordnetenbezüge (Entschädigungen und Übergangsgelder) sind als sonstige Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Sinn von § 2 Abs. 1 BEEG. Sie werden deshalb bei der Bemessung der Höhe des Elterngeldes nicht berücksichtigt.
2. Die Mandatszeit ist auch kein Ausklammerungstatbestand nach § 2b Abs. 1 S. 2 BEEG.

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 27. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Oktober 2014 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der angegriffene Bescheid dem Gesetz entspricht und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt ist.
Streitgegenstand ist die Höhe des im strittigen Bescheid bewilligten Elterngelds für den dritten bis elften Lebensmonat der Tochter. Die von der Klägerin als Hilfsanträge bezeichneten Anträge (fiktive Einkünfte, Ausklammerung der Abgeordnetenzeit) sind lediglich alternative Begründungen des geltend gemachten Anspruchs.
Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist abzuweisen, weil der Klägerin kein höherer Anspruch auf Elterngeld zusteht. Die Abgeordnetenbezüge (Entschädigung und Übergangsgeld) sind als sonstige Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 4 EStG nicht als Einkommen im Sinn von § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG zu berücksichtigen.
1. Anwendbar ist das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in der Fassung vom 18.09.2012. Diese Fassung in Form des Vereinfachungsgesetzes ist gemäß § 27 Abs. 1 BEEG für Geburten ab dem 01.01.2013 anwendbar. Die Tochter der Klägerin ist am XX.02.2014 geboren.
2. Die Klägerin kann dem Grunde nach Elterngeld beanspruchen, weil sie im Anspruchszeitraum die Grundvoraussetzungen des Elterngeldanspruchs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BEEG erfüllt hat. Sie hatte im Bezugszeitraum des Elterngelds ihren Wohnsitz in Deutschland, lebte in einem Haushalt mit ihrer Tochter, die sie selbst betreute und erzog, und übte keine Erwerbstätigkeit im Sinn von § 1 Abs. 6 BEEG aus. Die „Millionärsgrenze“ des § 1 Abs. 8 BEEG (zu versteuerndes Einkommen zuletzt nicht über 250.000,- Euro bzw. 500.000,- Euro für Paare) wird nicht überschritten.
3. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 BEEG wird das Elterngeld in Höhe von 67% des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1800,- Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat (§ 2 Abs. 1 S. 2 BEEG). Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f BEEG aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG sowie Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 EStG, die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG oder in Monaten der Bezugszeit nach § 2 Abs. 3 BEEG hat.
a) Bemessungszeitraum aa) Der Bemessungszeitraum, in dem das vorgeburtliche Einkommen für die Berechnung der Höhe des Elterngeldes zu ermitteln ist, wird bei Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit gemäß § 2b Abs. 1 S. 1 BEEG durch die zwölf Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes gebildet. Das wäre hier wegen der Geburt am XX..02.2014 die Zeit von Februar 2013 bis einschließlich Januar 2014. Bei Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit ist dagegen gemäß § 2b Abs. 2 S. 1 BEEG auf den letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes abzustellen, hier auf das Kalenderjahr 2013.
Es kann dahinstehen, welcher Bemessungszeitraum hier zugrunde zu legen ist, weil in beiden Zeiträumen nur Abgeordnetenbezüge als sonstige Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG und Mutterschaftsgeld/Zuschuss zum Mutterschaftsgeld als steuerfreie Einnahmen nach § 3 Nr. 1d EStG angefallen sind, die nicht berücksichtigt werden können.
bb) Der Bemessungszeitraum ist nicht durch einen Ausklammerungstatbestand nach § 2b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 4 BEEG zu verschieben. Diese Tatbestände liegen nicht vor.
Nach § 2b Abs. 1 S. 2 Nr. 4 BEEG bleiben Zeiten der Wehrpflicht, des freiwilligen Wehrdienstes oder des Zivildienstes im Bemessungszeitraum unberücksichtigt, d.h. sie werden durch vor dem bisherigen Bemessungszeitraum liegende Zeiten ersetzt. Für die von der Klägerin geforderte analoge Anwendung dieser Regelung auf die Abgeordnetenzeit fehlen die Voraussetzungen.
Voraussetzungen einer analogen Anwendung einer gesetzlichen Regelung auf einen Sachverhalt, der von der Norm nicht erfasst wird („das Gesetz ist zu eng“), sind
̶ der zu beurteilende Sachverhalt ist mit dem geregelten Sachverhalt vergleichbar,
̶ nach Sinn und Zweck der Norm ist dieselbe rechtliche Bewertung angezeigt und
̶ es besteht eine planwidrige Regelungslücke in der Norm (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.2016, B 8 SO 15/15 R, dort Rn. 15).
Der zu beurteilende Sachverhalt der Abgeordnetentätigkeit ist in wesentlichen Punkten nicht mit der Wehrpflicht und dem Zivildienst vergleichbar. Dauer und Verdienst weichen stark voneinander ab. Eine Analogie scheidet schon deswegen aus.
Wehrpflicht und Zivildienst sind im Vergleich zu einer Wahlperiode von fünf Jahren (Art. 16 Abs. 1 S. 1 Bay. Verfassung) relativ kurz. Der Grundwehrdienst dauerte zuletzt sechs Monate (§ 5 Abs. 2 S. 1 Wehrdienstgesetz in der bis 31.05.2011 geltenden Fassung) zuzüglich Wehrübungen kürzerer Dauer (§ 6 Wehrdienstgesetz). Der Zivildienst war von gleicher Dauer wie der Grundwehrdienst und konnte um bis zu sechs Monate verlängert werden (§ 24 Abs. 2 S. 1, § 41a Zivildienstgesetz). Auch die Dienste nach §§ 59 ff Soldatengesetz sind regelmäßig auf kürzere Zeit begrenzt.
Die Ausklammerung der Wehrdienst-/Zivildienstzeiten erfolgt, weil der Verdienst in diesen Zeiten relativ gering war und steuerfrei (§ 3 Nr. 5 EStG). Die Abgeordnetenbezüge sind mit über 7.000,- Euro pro Monat relativ hoch und steuerpflichtig (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG).
Auch Sinn und Zweck von § 2b BEEG spricht gegen eine Analogie. Grundsätzlich soll das Erwerbseinkommen eines Jahres kurz vor der Geburt des Kindes als Grundlage der Berechnung des Elterngeldes herangezogen werden. § 2b Abs. 1 S. 2 BEEG macht davon eine Ausnahme für bestimmte mehrmonatige Zeiträume. Die Regelung soll es nicht ermöglichen, Zeiträume, die fünf und mehr Jahre vor der Geburt des Kindes liegen, als Maßstab der Bemessung des Elterngeldes heranzuziehen.
b) Die Abgeordnetenbezüge (Entschädigung und Übergangsgeld) sind als sonstige Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 4 EStG nicht als Einkommen im Sinn von § 2 Abs. 1 BEEG zu berücksichtigen.
aa) Der Gesetzeswortlaut von § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG ist eindeutig: Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit, das der Berechnung des Elterngeldes zugrunde zu legen ist, errechnet sich aus der Summe der positiven Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG sowie Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG. Die Einkunftsart der sonstigen Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG wird gerade nicht genannt. Die sonstigen Einkünfte sind, ebenso wie Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG) und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 EStG) bei der Berechnung des Elterngeldes nicht zu berücksichtigen.
bb) Die von der Klägerin geforderte analoge Anwendung von § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG durch Gleichstellung der Abgeordnetenbezüge mit Einkünften aus selbstständiger oder nichtselbstständiger Arbeit ist nicht möglich. Es fehlt an einem vergleichbaren Sachverhalt und an einer planwidrigen Regelungslücke.
Die Abgeordnetentätigkeit unterscheidet sich wesentlich von der selbständigen oder nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit. Nach dem Diätenurteil des BVerfG vom 05.11.1975, 2 BvR 193/74, hat sich die Entschädigung von Abgeordneten gewandelt von einer Aufwandsentschädigung zu einer Alimentation für eine Hauptbeschäftigung. Damit handelt es sich aber gleichwohl nicht um eine Entlohnung einer Erwerbstätigkeit. Das BVerfG führt dort in Rn. 42 aus, dass die Entschädigung keineswegs zu einem arbeitsrechtlichen Anspruch wird, denn der Abgeordnete schuldet rechtlich keine Dienste, sondern nimmt in Unabhängigkeit sein Mandat wahr. Der Abgeordnete nimmt auch nicht mit Gewinnerzielungsabsicht an einem wirtschaftlichen Austausch von Gütern oder Dienstleistungen am Markt teil, wie es für eine selbständige Tätigkeit kennzeichnend wäre. Weil Abgeordnetenentschädigungen weder Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung noch Arbeitseinkommen aus einer selbständigen Tätigkeit sind, hat das BSG demzufolge entschieden, dass diese Entschädigungen auf vorzeitige Altersrenten nicht, auch nicht analog, als Hinzuverdienst nach § 34 Abs. 2 SGB VI anzurechnen sind (BSG, Urteil vom 04.05.1999, B 4 RA 55/98 R; BSG Urteil vom 23.02.2000, B 5 RJ 26/99 R).
Ein weiterer wesentlicher Unterschied liegt auch darin, dass für Abgeordnete ein eigenes Versorgungssystem für soziale Belange existiert. Die Abgeordnetentätigkeit ist nicht sozialversicherungspflichtig. Während der Mandatszeit erhalten Abgeordnete neben ihrer Entschädigung (Art. 5 BayAbgG) gemäß Art. 20 BayAbgG Beihilfeleistungen zu den Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen entsprechend den Beihilfevorschriften für Beamte. Diese Beihilfen werden auch nach dem Ausscheiden aus dem Landtag für die Dauer des Anspruchs auf Übergangsgeld erbracht. Art. 21 BayAbgG sieht daneben in besonderen Fällen einmalige Unterstützungen und laufende Unterhaltszuschüsse für ausgeschiedene Mitglieder des Landtags vor, die im Ermessen des Landtagspräsidenten stehen. Leistungen entsprechend dem Elterngeld sind im BayAbgG nicht enthalten; das ist folgerichtig, weil während der Mandatszeit auch kein Anspruch auf Elternzeit vorgesehen ist.
Auch für die Zeit nach der Abgeordnetentätigkeit besteht ein eigenes Versorgungssystem, das sich mit Übergangsgeld, Beihilfeleistungen und Ermessensleistungen wesentlich von den sozialen Leistungen unterscheidet, die für Erwerbstätige zur Verfügung stehen. In der besonderen Situation der Klägerin ist auf das Übergangsgeld und die Ermessensleistungen abzustellen. Dass eine Abgeordnete kurz nach Mandatsende ein Kind bekommt und für dessen Betreuung und Erziehung Unterhaltsleistungen benötigt, kann als besonderer Fall im Sinn von Art. 21 BayAbgG gelten.
Es fehlt auch an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Gesetzeslage ist eindeutig: Die Abgeordnetenbezüge sind kein Erwerbseinkommen im Sinn von § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 03.04.1990, 1 BvR 1186/89, darf der Richter eindeutige Entscheidungen des Gesetzgebers nicht durch eigene rechtspolitische Vorstellungen verändern. Nur wenn Regelungen aufgrund gesellschaftlichen Wandels oder rechtlicher Entwicklungen lückenhaft oder ergänzungsbedürftig werden, ist eine richterliche Lückensuche und Lückenschließung verfassungsrechtlich zulässig. Dies ergibt sich aus dem Gesetzesvorrang als Element des Rechtsstaatsprinzips und der Rechtssicherheit gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (BVerfG, a.a.O.).
Einen gesellschaftlichen Wandel oder rechtliche Entwicklungen, die eine Erweiterung von § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG auf Abgeordnetenbezüge erfordern würden, kann das Gericht nicht erkennen.
Die strittige Regelung befand sich bereits in § 2 Abs. 1 S. 2 BEEG in seiner ersten, am 01.01.2007 in Kraft getretenen Fassung. Seitdem wurde das BEEG fortlaufend in kurzen Abständen geändert. Eine Erweiterung des auf Erwerbseinkommen zentrierten Einkommensbegriffs ist dabei nicht erfolgt. Schon dies spricht gegen eine Überalterung des Gesetzes. Dass es für Parlamentsmitglieder keine Elternzeit und kein Elterngeld gibt, war dem Gesetzgeber bewusst. Am 26.09.2014 hat die Abgeordnete Schön anlässlich der ersten Beratung des Elterngeld-Plus-Gesetzes ausdrücklich darauf hingewiesen (Plenarprotokoll 18/55 des Deutschen Bundestags vom 26.09.2014, Seite 5076). Trotzdem ist auch in diesem Gesetzgebungsverfahren keine Gesetzesänderung erfolgt, die diesen Befund aufgegriffen hätte. Wenn der Gesetzgeber den Zugang zu Elternzeit und Elterngeld schon für aktive Parlamentsmitglieder nicht für notwendig erachtet, kann das Gericht nicht eine Ergänzungsbedürftigkeit der Regelungen für die Einkommensberechnung für ausgeschiedene Parlamentarier wegen gesellschaftlichen Wandels feststellen.
Eine planwidrige Regelungslücke in § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG kann hier auch deswegen nicht angenommen werden, weil im BayAbgG soziale Leistungen vorgesehen sind, die an die Stelle von Elterngeld treten können. Nach Art. 11 BayAbgG wird bei Ausscheiden aus dem Landtag für jedes Jahr der Parlamentsmitgliedschaft für einen Monat Übergangsgeld in Höhe der Abgeordnetenentschädigung nach Art. 5 BayAbgG gezahlt. Art. 21 BayAbgG eröffnet die Möglichkeit, dass der Präsident des Landtags in besonderen Fällen auch ausgeschiedenen Mitgliedern des Landtags einmalige Unterstützungen und laufende Unterhaltszuschüsse gewähren kann. Nach Art. 16 BayAbgG steht einem ausgeschiedenen Mitglied des Landtags eine Versorgungsabfindung zu, wenn eine Mitgliedschaft weniger als zehn Jahre bestand. Die Klägerin hat Übergangsgeld für fünf Monate und die Versorgungsabfindung erhalten. Daneben hat die Klägerin den Sockelbetrag an Elterngeld von 300,- Euro nach § 2 Abs. 4 BEEG erhalten.
cc) Die Nichtberücksichtigung der Abgeordnetenbezüge in § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG ist auch nicht verfassungswidrig.
Die Klägerin rügt, als vormaliges Parlamentsmitglied im Vergleich zu vormals Erwerbstätigen ohne ausreichende sachliche Rechtfertigung ungleich und schlechter gestellt zu sein. Wenn ihre Abgeordnetenbezüge im vorgeburtlichen Bemessungszeitraum mit Erwerbseinkommen gleichgestellt würden, würde sie Elterngeld von monatlich 1800,- Euro erhalten statt nur 300,- Euro. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt aber nicht vor.
Der Gesetzgeber darf insbesondere bei der Ordnung von Massenerscheinungen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Die mit der Typisierung verbundene Belastung ist hinzunehmen, wenn die durch sie eintretenden Härten oder Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und nicht eine, wenn auch zahlenmäßig begrenzte, Gruppe typischer Fälle. Die mit einer Typisierung verbundene Belastung ist aber nur hinzunehmen, wenn die mit ihr verbundenen Härten nicht besonders schwer wiegen und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären. Hierbei sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht (BSG, Urteil vom 27.10.2016, B 10 EG 5/15 R, dort Rn. 34; BVerfG, Beschluss vom 06.02.2004, 1 BvR 2515/95, dort Rn. 40).
Die vom Gesetzgeber geregelte Nichtberücksichtigung von Abgeordnetenbezügen bei der Bemessung des Elterngelds trifft nur eine sehr kleine Zahl von Personen. Es handelt sich sicher nicht um eine typische Gruppe von Beziehern von Elterngeld. Die Nichtberücksichtigung der vorgeburtlichen Abgeordnetenbezüge wiegt nur auf den ersten Blick schwer. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass Abgeordnete regelmäßig ein überdurchschnittliches Einkommen haben und in den Abgeordnetengesetzen besondere soziale Leistungen für Abgeordnete, auch für vormalige Abgeordnete, vorgesehen sind. So war die Situation auch hier: Die Klägerin hat nach der Beendigung des Mandats für fünf Monate sehr hohes Übergangsgeld, die Versorgungsabfindung und daneben den Sockelbetrag an Elterngeld von 300,- Euro erhalten. Eine besonders schwere Härte lag daher nicht vor.
4. Die Ansprüche auf Elterngeld wurden im Übrigen zutreffend berechnet. Mangels anrechenbaren vorgeburtlichen Einkommens erhält die Klägerin gemäß § 2 Abs. 4 BEEG nur den Sockelbetrag an Elterngeld in Höhe von 300,- Euro pro Monat. Ergänzend wird insoweit auf die Darlegung der Berechnung im strittigen Bescheid vom 27.08.2014 verwiesen und von einer weiteren Darstellung gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgesehen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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